Sozialgericht Heilbronn – Gerichtsbescheid vom 03.09.2024 – Az.: S 11 SO 421/23

GERICHTSBESCHEID

in dem Rechtsstreit

xxx,

– Klägerin –

Proz.-Bev.:
Rechtsanwalt Sven Adam
Lange-Geismar-Str. 55, 37073 Göttingen

gegen

Landkreis Ludwigsburg
vertreten durch den Landrat – Dezernat für Arbeit, Jugend u. Soziales des Landratsamts Ludwigsburg
Hindenburgstr. 30
71638 Ludwigsburg

– Beklagter –

Die 11. Kammer des Sozialgerichts Heilbronn hat ohne mündliche Verhandlung am 03.09.2024 in Heilbronn durch die Richterin am Sozialgericht xxx für Recht erkannt:

Es wird festgestellt, dass die Befristungen in den Bescheiden des Beklagten vom 06.10.2022 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.01.2023 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 14.11.2022, 23.01.2023, 26.01.2023 und 03.07.2023 rechtswidrig waren.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Der Beklagte erstattet die Hälfte der außergerichtlichen Kosten der Klägerin.

TATBESTAND

Die Klägerin begehrt im Hauptantrag die Abänderung über die Gewährung von Leistungen der Hilfe zur Pflege nach dem Siebten Kapitel des Zwölften Buches des Sozialgesetzbuches (SGB XII) zusammen mit den Leistungen des Notwendigen Lebensunterhaltes in Einrichtungen (Grundsicherungsleistungen) als eine Bewilligung als Dauerverwaltungsakt. Hilfsweise begehrt sie die nachträgliche Feststellung, dass die zeitliche Begrenzung der Gewährung von Leistungen der Hilfe zur Pflege nach dem Siebten Kapitel des Zwölften Buches des Sozialgesetzbuches (SGB XII) zusammen mit den Leistungen des Notwendigen Lebensunterhaltes (Grundsicherungsleistungen) in Einrichtungen auf nur ein Jahr vom 01.11.2022 bis 31.10.2023 rechtswidrig war.

Die am xx.xx.1946 geborene Klägerin lebt im Pflegeheim AWO Pflegezentrum xxx in xxx. Bereits mit Bescheid vom 06.09.2022 erhielt sie Hilfeleistungen zu den ungedeckten Pflegeheimkosten ab dem 27.07.2022 bis zum 31.10.2022. Am 05.10.2022 teilte die Betreuerin dem Beklagten per E-Mail mit, dass die Klägerin im Pflegeheim verbleiben werde und der Beklagte daher den Bescheid entfristen solle.

Der Beklagte bewilligte der Klägerin mit Bescheid vom 06.10.2022 Leistungen in Einrichtungen nach dem SGB XII ab dem 01.11.2022. Nach dem beiliegenden Berechnungsbogen berücksichtigte der Beklagte hierin den notwendigen Lebensunterhalt in Einrichtungen nach § 27b Abs. 1 SGB XII in Gesamthöhe von 909,24 €, welchem das Einkommen der Klägerin in Höhe der Altersrente von 456,86 € entgegengestellt wurde und hieraus ein Anspruch auf Grundsicherungsleistungen nach dem SGB XII in Höhe von 452,38 € resultierte. Von den Gesamteinrichtungskosten von 5.004,70 € wurden dann die Leistungen der Pflegeversicherung und der Leistungszuschlag nach § 43 c SGB XI und der Lebensunterhalt in Einrichtungen (Grundsicherung) in Abzug gebracht. Dem dann zu übernehmenden Gesamtkosten der Einrichtung in Höhe von 2.008,95 € wurden noch ein Barbetrag in Höhe von 121,23 € und der Bedarf für die Kranken- und Pflegeversicherung nach § 32 SGB XII in Höhe von 392,79 € hinzugefügt. Letztlich ergab sich nach dem Berechnungsbogen dann ein Grundsicherungsbedarf in Höhe von 452,38 € und ein Bedarf für Hilfe zur Pflege in Höhe von 2.522,97 € für den Monat November 2022. Der Beklagte führte in dem Bescheid aus, dass die Hilfeleistung bis zum 31.10.2023 befristet sei. Sollten sich die wirtschaftlichen oder persönlichen Verhältnisse ändern, sei die Klägerin verpflichtet dies mitzuteilen. Ein weiterer Hinweiskasten wies die Klägerin darauf hin, dass von Seiten des Beklagten keine Erinnerung an eine Verlängerung der Sozialhilfeleistungen erfolge und nach Beendigung des Bewilligungszeitraumes um einen neuen kurzen formlosen Antrag mit Angabe des aktuellen Kontostandes gebeten werde.

Mit E-Mail vom 20.10.2022 bat die Betreuerin der Klägerin um eine Antwort auf ihre E-Mail vom 05.10.2022. Der Sachbearbeiter der Beklagten äußerte hierzu, dass Hilfen nach dem SGB XII keine rentengleichen Dauerleistungen seien und daher regelmäßig zu überprüfen seien, da sie einkommens- und vermögensabhängig seien. Die Betreuerin wurde gebeten, von ähnlichen Rückfragen Abstand zu nehmen.

Mit Bescheid vom 14.11.2022 verrechnete der Beklagte das Guthaben der Nebenkostenabrechnung aus 2021 mit den Leistungen für den Monat November 2022 und die in diesem Monat überzahlte Sozialhilfe mit den Leistungen für den Monat Dezember 2022.

Die Betreuerin der Kläger erhob gegen den Bescheid vom 06.10.2022 mit Schreiben vom 04.11.2022, bei dem Beklagten eingegangen am 06.11.2022, Widerspruch. Sie führte aus, dass die Befristung der Leistungen rechtswidrig sei. Die Befristung als Nebenbestimmung sei nur nach § 32 SGB X zulässig, dessen Voraussetzungen nicht erfüllt seien. Durch die Befristung befinde sie sich immer wieder in dem Risiko nicht rechtzeitig einen Folgeantrag zu stellen, was sie als Betreuerin aus haftungsrechtlichen Gründen nicht akzeptieren könne. Weiter verweise sie auf das Urteil des Bayerischen Landessozialgericht vom 28.04.2017 L 8 SO 206/15.

Der Beklagte wies den Widerspruch mit dem Widerspruchsbescheid vom 12.01.2023 zurück. Nach § 44 Abs. 3 SGB XII in Verbindung mit § 42 SGB XII seien Leistungen zur Deckung von Bedarfen in der Regel für einen Bewilligungszeitraum von zwölf Kalendermonaten zu bewilligen. Die Hilfe zur Pflege werde geleistet, soweit die Aufbringung der Mittel aus dem eigenen Einkommen und Vermögen nicht zumutbar sei.

Dieser Vorschrift und Verpflichtung der Überprüfung von Einkommen und Vermögen komme der Beklagte durch die Befristung der Leistungen nach.

Mit Änderungsbescheid vom 23.01.2023 berücksichtigte der Beklagte für den Bewilligungszeitraum die Änderung der Heimkosten, den neuen Barbetrag, den neuen Regelsatz und die Bekleidungspauschale. Mit Bescheid vom 26.01.2023 die Höhe der Rentenänderung.

Die Klägerin hat am 27.02.2023 Klage zum Sozialgericht Heilbronn erhoben. Die Argumentation in dem Widerspruchsbescheid vom 12.01.2023 gehe insoweit fehl, als bei Änderungen der Einkommens- oder Vermögenssituation die Klägerin ohnehin zu einer Änderungsmitteilung verpflichtet sei. Weiter beziehe man sich auf das Vorbringen im Widerspruch.

Nachdem die Befristung der Bescheide am 31.10.2023 abgelaufen war, hat der Beklagte mit Bescheid vom 25.10.2023 der Klägerin erneut ab dem 01.11.2023 und befristetet bis zum 31.10.2023 Leistungen in Einrichtungen nach dem SGB XII gewährt.

Die Klägerin beantragt wörtlich:
der Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides des Beklagten vom 06.10.2022 (Az.: 2412.845731) in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.01.2023 (Az.: 2412.845731) verurteilt, der Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts die beantragten Leistungen als Dauerverwaltungsakt zu gewähren.

Und hilfsweise:
festzustellen, dass die zeitlich begrenzte Gewährung der Leistungen nach dem SGB XII im Zeitraum 01.11.2022-31.10.2023 rechtswidrig war.

Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Er entgegnet, dass die von Klägerseite zitierte Rechtsprechung vorliegend nicht vergleichbar sei. In diesen Fällen sei vom Gericht nur im Hinblick auf einen Anspruch auf Hilfe zur Pflege ohne gleichzeitigen Anspruch auf Grundsicherung entschieden worden. In den Kosten der stationären Hilfe zur Pflege seien vorliegend die Bedarfe der Grundsicherung, nämlich Regelsatz, Kosten der Unterkunft und gegebenenfalls die Mehrbedarfe enthalten und deshalb würden die Grundsicherungsleistungen zusammen mit der Hilfe zur Pflege bewilligt. Gemäß § 44 Abs. 3 SGB XII seien Grundsicherungsleistungen in der Regel für 12 Monate zu bewilligen. In der Vergangenheit habe der Beklagte zwei Bescheide, jeweils für die Grundsicherung und die Hilfe zur Pflege erlassen. Im Berechnungsbogen seien die Leistungen ebenfalls getrennt dargestellt worden. Dies habe bei den Leistungsberechtigten immer wieder zu Verwirrung geführt, da angenommen wurde, dass der Grundsicherungsanteil extra zusätzlich ausbezahlt werde. Der Beklagte habe deshalb im Rahmen einer Änderung des EDV-Programms die Bewilligung auf nur einen Bescheid umgestellt und auch die Berechnung der jeweiligen Leistungen erfolge nun übersichtlich in einem Berechnungsbogen. Dies sei vor allem für die Leistungsberechtigten verständlich und sorge zudem auch für eine Verwaltungsvereinfachung, da nur noch ein Bescheid und pro Monat ein Berechnungsbogen verschickt werden müsse. Da die Grundsicherungsleistung nur für ein Jahr bewilligt werden dürfe, müsse deshalb bei der oben beschriebenen Vorgehensweise der Bescheid, auch in Bezug auf die Hilfe zur Pflege, auf ein Jahr befristet werden. Dies stelle jedoch für die Klägerin tatsächlich keinen Nachteil dar, denn der Antrag auf Weiterbewilligung sei formlos möglich.

Das Gericht hat einen Erörterungstermin mit den Beteiligten am 21.08.2024 durchgeführt. Das Gericht hat die Beteiligten im Termin darauf hingewiesen, dass eine Entscheidung durch Gerichtsbescheid ohne mündliche Verhandlung beabsichtigt ist und den Beteiligten Gelegenheit gegeben, sich hierzu zu äußern.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und zur Darstellung des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und auf die von der Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte Bezug genommen.

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE

Das Gericht entscheidet gemäß § 105 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Gerichtsbescheid ohne mündliche Verhandlung, da die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist, der Sachverhalt geklärt ist und die Beteiligten gehört wurden.

Die Klage ist hinsichtlich des Hauptantrages unzulässig. Hinsichtlich des Hilfsantrages ist sie zulässig und begründet.

Richtige Klageart des Hauptantrages der Klägerin ist die isolierte Anfechtungsklage nach § 54 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 SGG gerichtet auf Aufhebung der Nebenbestimmung als Befristung in dem Bescheid vom 06.10.2022 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.01.2023 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 14.11.2022, 23.01.2023, 26.01.2023 und 03.07.2023. Die Befristung ist von dem Rest des Verwaltungsaktes abtrennbar und eine isolierte Aufhebung der Nebenbestimmung wäre demnach möglich (Burkiczak in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, 3. Aufl., § 32 SGB X (Stand: 12.01.2024), Rn. 141-147). Der nachfolgende Bescheid vom 25.10.2023 ist nicht nach § 96 SGG Gegenstand des vorliegenden Verfahrens geworden, da er die streitgegenständlichen Bescheide nicht abändert oder ersetzt. Von § 96 SGG erfasst werden nicht Verwaltungsakte, denen jeweils unterschiedliche Anträge hinsichtlich ihrer Zeitpunkte oder Inhalte und damit unterschiedliche Sachverhalte zugrunde liegen (BSG, Urteil vom 28. Oktober 2014 – B 14 AS 39/13 R –, SozR 4-1300 § 44 Nr 31, SozR 4-4200 § 40 Nr 7, Rn. 11).

Mit Ablauf des Befristungszeitraumes am 31.10.2023 und der Neubewilligung mit Bescheid vom 25.10.2023 für den nachfolgenden Zeitraum 01.11.2023 bis 31.10.2024 hat sich die isoliert angefochtene Regelung die Nebenbestimmung der Befristung erledigt. Sie entfaltet rechtlich und tatsächlich nach dem 31.10.2023 keine Wirkung mehr und die isolierte Anfechtungsklage ist daher mangels Beschwer (Klagebefugnis) unzulässig geworden, da keine nachteilige Wirkung für die Zukunft mehr zu erwarten ist.

Der Hauptantrag war daher abzuweisen und es war über den Hilfsantrag der Klägerin zu entscheiden.

Nach Erledigung der Nebenbestimmung kommt unter den üblichen Voraussetzungen eine Fortsetzungsfeststellungsklage in Betracht (§ 131 Abs. 1 Satz 3 SGG bzw. § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO). So hat sich etwa eine Anfechtungsklage gegen eine Befristung erledigt, wenn inzwischen für den anschließenden Zeitraum eine (erneut befristete) Bewilligung erfolgt ist (Burkiczak in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, 3. Aufl., § 32 SGB X (Stand: 12.01.2024), Rn. 151).

Die Umstellung auf einen Fortsetzungsfeststellungsantrag ist nur zulässig, wenn ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung, das sog. Fortsetzungsfeststellungsinteresse als Unterform des Rechtsschutzbedürfnisses, vorliegt; dafür genügt ein durch die Sachlage vernünftigerweise gerechtfertigtes Interesse, das rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Art sein kann. Entscheidend ist, dass die angestrebte gerichtliche Entscheidung geeignet sein kann, die Position des Klägers zu verbessern. Typischerweise besteht ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse bei Wiederholungsgefahr, wenn ein Rehabilitationsinteresse vorhanden ist, wenn Schadenersatzforderungen geltend gemacht werden sollen oder wenn die Entscheidung in einem anderen streitigen Rechtsverhältnis bedeutsam sein kann (Präjudiziabilität). Das allgemeine Interesse an der Klärung einer interessanten Rechtsfrage oder der Wunsch nach Bestätigung der eigenen Rechtsauffassung begründen hingegen kein Fortsetzungsfeststellungsinteresse (Michael Wolff-Dellen in: Fichte/Jüttner, SGG, 3. neu bearbeitete und erweiterte Auflage, § 131 SGG, Rn. 6).

Das besondere Fortsetzungsfeststellunginteresse liegt hier vor, da auch der nachfolgende Bescheid der Beklagten wieder befristet war und der Beklagte damit auch gezeigt hat, dass er seine Verwaltungspraxis beibehalten werde. Die Fortsetzungsfeststellungsklage ist damit aufgrund der bestehenden Wiederholungsgefahr zulässig.

Sie ist auch begründet, da die Befristung in dem Bescheid vom 06.10.2022 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.01.2023 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 14.11.2022, 23.01.2023, 26.01.2023 und 03.07.2023 rechtswidrig war.

Ein Verwaltungsakt, auf den ein Anspruch besteht, darf nach § 32 SGB X mit einer Nebenbestimmung nur versehen werden, wenn sie durch Rechtsvorschrift zugelassen ist oder wenn sie sicherstellen soll, dass die gesetzlichen Voraussetzungen des Verwaltungsaktes erfüllt werden. Unbeschadet hiervon darf ein Verwaltungsakt nach pflichtgemäßem Ermessen erlassen werden mit einer Bestimmung, nach der eine Vergünstigung oder Belastung zu einem bestimmten Zeitpunkt beginnt, endet oder für einen bestimmten Zeitraum gilt (Befristung), einer Bestimmung, nach der der Eintritt oder der Wegfall einer Vergünstigung oder einer Belastung von dem ungewissen Eintritt eines zukünftigen Ereignisses abhängt (Bedingung), einem Vorbehalt des Widerrufs oder verbunden werden mit einer Bestimmung, durch die dem Begünstigten ein Tun, Dulden oder Unterlassen vorgeschrieben wird (Auflage), einem Vorbehalt der nachträglichen Aufnahme, Änderung oder Ergänzung einer Auflage. Eine Nebenbestimmung darf dem Zweck des Verwaltungsaktes nicht zuwiderlaufen.

Unabhängig von der diskutierten Frage, ob § 32 Abs.1 SGB X nur für gebundene Verwaltungsakte und § 32 Abs. 2 SGB X für Ermessenentscheidungen gilt, ist die Nebenbestimmung der Befristung vorliegend nach beiden Absätzen nicht zulässig gewesen. Denn nach allen Auffassung steht der Erlass der Nebenbestimmung in einem Ermessen der Behörde, welches in den angefochtenen Bescheiden nicht ausgeübt worden ist. Gerichte dürfen die Ermessensbetätigung der Verwaltung nur darauf überprüfen, ob und inwieweit Ermessensfehler vorliegen. Das Gericht darf nicht sein eigenes Ermessen an die Stelle des Ermessens der Verwaltungsbehörde setzen (§ 54 Abs. 2 SGG, § 39 Abs. 1 SGB I). Die Gerichte dürfen deshalb grundsätzlich nur kontrollieren, ob die Verwaltung ihrer Pflicht zur Ermessensausübung nachgekommen ist (Ermessensnichtgebrauch), ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten wurden und ob eine nach dem Gesetz nicht vorgesehene Rechtsfolge angenommen wurde (Ermessensüberschreitung) oder ob von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht wurde (Luthe in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, § 31 SGB X, Rn. 82). Das Gericht sieht aber in dem gesamten Verhalten der Beklagten sowie den Verlautbarungen im Bescheid zu der umstrittenen Nebenbestimmung keine Ermessensausübung zumal diese in diesem Kontext keinen sprachlichen Ausdruck finden (so auch: Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 28. April 2017 – L 8 SO 206/15 –, Rn. 66 – 67, juris). Es handelt sich vorliegend daher um einen Ermessensnichtgebrauch, da eine Abwägung des „Für und Wider“ der Befristung nicht stattgefunden hat. Hier hätte der Beklagte unter anderem die Verwaltungsvereinfachung und Klarheit und Lesbarkeit des Bescheides auf der einen Seite mit den Interessen der Leistungsempfänger an einer Gewährung als Dauerverwaltungsakt oder den immer wieder neuen Anträgen auf der anderen Seite abwägen können. Der Beklagte hat hier jedoch nach dem Wortlaut der Bescheide seinen Ermessenspielraum in der Befristung nicht erkannt und ein Ermessen auch nicht ausgeübt.

Die Nebenbestimmung der Befristung war weiterhin auch deshalb unzulässig, da sie nicht nach § 32 Abs. 1 SGB X durch Rechtsvorschrift zugelassen war und sie sollte auch nicht sicherstellen, dass die gesetzlichen Voraussetzungen des Verwaltungsaktes eingehalten werden.

Nach § 61 SGB XII haben Personen, die pflegebedürftig im Sinne des § 61a sind, Anspruch auf Hilfe zur Pflege, soweit ihnen und ihren nicht getrenntlebenden Ehegatten oder Lebenspartnern nicht zuzumuten ist, dass sie die für die Hilfe zur Pflege benötigten Mittel aus dem Einkommen und Vermögen nach den Vorschriften des Elften Kapitels aufbringen. Die Hilfe zur Pflege umfasst nach § 63 SGB XII für Pflegebedürftige der Pflegegrade 2, 3, 4 oder 5 häusliche Pflege, teilstationäre Pflege, Kurzzeitpflege, einen Entlastungsbetrag und stationäre Pflege (§ 65 SGB XII). Stationäre Pflege bedeutet, dass Pflegebedürftige der Pflegegrade 2, 3, 4 oder 5 haben Anspruch auf Pflege in stationären Einrichtungen, wenn häusliche oder teilstationäre Pflege nicht möglich ist oder wegen der Besonderheit des Einzelfalls nicht in Betracht kommt. Der Anspruch auf stationäre Pflege umfasst auch Betreuungsmaßnahmen; § 64b Absatz 2 SGB XII findet entsprechende Anwendung.

Hinsichtlich der in der Leistungsbewilligung enthaltenen Leistungen auf Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung gilt, dass nach § 41 SGB leistungsberechtigt nach diesem Kapitel Personen mit gewöhnlichem Aufenthalt im Inland sind, die ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus Einkommen und Vermögen nach § 43 bestreiten können, wenn sie die Voraussetzungen nach Absatz 2, 3 oder 3a erfüllen. Leistungsberechtigt sind Personen nach Absatz 1 wegen Alters, wenn sie die Altersgrenze erreicht haben.

Die allgemeinen Regelungen des SGB XII über den sozialhilferechtlichen Anspruch (§ 17 ff. SGB XII) enthalten keine Regelungen über die Dauer von Bewilligungen. Allgemeine Grundsätze des Sozialhilferechts rechtfertigen keine Leistungseinschränkungen (ständige Rechtsprechung des BSG, vgl. zu normativen Strukturprinzipien Urteil vom 29. September 2009 – B 8 SO 16/08 R -, BSGE 104, 213-219, SozR 4-1300 § 44 Nr. 20, Rn. 11 Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 28. April 2017 – L 8 SO 206/15 –, Rn. 52, juris). Die besonderen Vorschriften über die Grundsicherung (§ 44 SGB XII) gelten nicht für das 7. Kapitel über die Hilfe zur Pflege und damit nicht für den Teil der Leistungen, den der Beklagte vorliegend als Leistungen der Hilfe zur Pflege bewilligt hat. Das in dem auszuzahlenden Gesamtbetrag des Beklagten und in der Berechnung der Höhe des Leistungsanspruches auch der Anspruch der Klägerin auf Grundsicherungsleistungen nach dem Vierten Kapitel des SGB XII enthalten waren, rechtfertigt die Gesamtbefristung der Leistungen nicht. Der Beklagte hätte hier entweder getrennte Verfügungsätze in dem Bescheid erlassen können oder in der Befristung selbst klarstellen, dass es sich hier nur um den Anteil der Grundsicherungsleistungen handelt. § 44 Abs. 3 SGB XII lautet: Leistungen zur Deckung von Bedarfen nach § 42 SGB XII werden in der Regel für einen Bewilligungszeitraum von zwölf Kalendermonaten bewilligt. Damit ist die Befristung dieser Leistungen auf zwölf Kalendermonaten auch nach dem Wortlaut der Norm nicht zwingend („in der Regel“) und es wäre hier auch eine (begründungspflichtige) längere Leistungsgewährung der anteiligen Grundsicherungsleistungen möglich gewesen. Damit war die Nebenbestimmung der Befristung für die gesamten Leistungen in den angefochtenen Bewilligungsbescheiden nicht durch Rechtsvorschrift zugelassen.

Die Befristung war auch nicht notwendig, um sicherzustellen, dass die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt werden. Hinsichtlich den Ausführungen des Beklagten, dass die Leistungen einkommens- und vermögenabhängig sind und der Beklagte daher immer wieder prüfen müsse, ob sich hier im Einkommen oder Vermögen erhebliche Änderungen ergeben haben, ist folgendes auszuführen: Nach dem Wortlaut des § 32 Abs. 1, 2. Alt. sind Nebenbestimmungen bei gebundenen Verwaltungsakten zulässig, wenn sie sicherstellen, dass die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt werden. Dies schließt es aus, Nebenbestimmungen zu dem Zweck zu erlassen, dass die Voraussetzungen erfüllt bleiben. Eine spätere Entwicklung kann abgesehen vom Auflagen- und Widerrufsvorbehalt regelmäßig nicht mit Nebenbestimmungen geregelt werden, wenn sie sich nicht bereits konkret abzeichnet (z. B. Befristung). Denn dadurch würde die Regelung des § 48 SGB X umgangen (wie hier BSG v. 11. 6. 1987 – 7 RAr 105/85, SozR 4100 § 71 Nr. 2). Ausnahmsweise kann bei Dauer-Verwaltungsakten auch die künftige Entwicklung mit in den Blick genommen und durch eine Nebenbestimmung geregelt werden, wenn typischerweise mit dem Wegfall der Leistungsvoraussetzungen zu rechnen ist oder wenn im einzelnen Fall konkrete Anhaltspunkte befürchten lassen, dass die Leistungsvoraussetzungen wieder entfallen (Jörg Littmann in: Hauck/Noftz SGB X, 3. Ergänzungslieferung 2024, § 32 SGB 10, Rn. 38). Insofern ist der Einwand, dass vertrauensschützende Regelungen (§§ 45 ff. SGB X) nicht unterlaufen werden dürfen, berechtigt. Spiegelbildlich zu den Voraussetzungen, unter denen ein Verwaltungsakt bereits erlassen werden darf (äußere Wirksamkeit), obwohl seine Voraussetzungen gegenwärtig noch nicht erfüllt sind, aber nahezu sicher ist, dass sie zukünftig erfüllt werden, ist aber eine Nebenbestimmung zulässig, wenn nahezu sicher ist, dass die Anspruchsvoraussetzungen entfallen werden (Burkiczak in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, 3. Aufl., § 32 SGB X (Stand: 12.01.2024), Rn. 123). Dass sich bei der Klägerin die Einkommens- und Vermögensverhältnisse mit großer Sicherheit ändern werden ist jedoch weder vorgetragen noch ersichtlich. Bei einer Änderung bestünden außerdem für den Beklagten die gesetzlichen Möglichkeiten von Rücknahme, Widerruf und Aufhebung nach den § 44ff. SGB X. Damit liegt auch diese Voraussetzung für eine zulässige Befristung nicht vor.

Damit steht fest, dass die Befristung in dem Bescheid vom 06.10.2022 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.01.2023 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 14.11.2022, 23.01.2023, 26.01.2023 und 03.07.2023 rechtswidrig war.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 SGG. Dem Gericht steht bei einer Entscheidung nach § 193 SGG ein sachgemäßes bzw. pflichtgemäßes Ermessen unter Einbeziehung aller wertungsrelevanten Gesichtspunkte (Vorverfahren, Klageverfahren, Beweisaufnahme, Verhalten der Behörde, des Klägers etc.) zu. Unter Beachtung dieser Umstände des vorliegenden Einzelfalls hält es das Gericht in Ausübung seines billigen Ermessens für angebracht, eine hälftige Kostenerstattung durch den Beklagten anzuordnen. Hierbei berücksichtigt das Gericht, dass der Kläger mit der Anfechtungsklage nach Ablauf der Befristung mangels Zulässigkeit der Klage keinen Erfolg mehr hatte, der Erlass der angefochtenen Nebenbestimmung in der hilfsweise erhobenen Fortsetzungsfeststellungsklage jedoch als rechtswidrig festzustellen war.

Es folgt die Rechtsmittelbelehrung.