URTEIL
In dem Rechtsstreit
1. xxx,
2. xxx,
– Kläger –
Prozessbevollmächtigter:
zu 1-2: Rechtsanwalt Sven Adam,
Lange Geismarstraße 55, 37073 Göttingen
gegen
Stadt Göttingen,
vertreten durch den Oberbürgermeister,
Hiroshimaplatz 1-4, 37083 Göttingen
– Beklagte –
hat die 27. Kammer des Sozialgerichts Hildesheim auf die mündliche Verhandlung vom 1. Oktober 2024 durch die Richterin am Sozialgericht xxx sowie die ehrenamtliche Richterin xxx und den ehrenamtlichen Richter xxx für Recht erkannt:
Die Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 30. November 2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. März 2022 in Gestalt des Änderungsbescheides vom 14. September 2023 verurteilt, den Klägern im Zeitraum Dezember 2021 bis einschließlich Januar 2022 weitere Leistungen in Höhe von monatlich 7,47 Euro zu gewähren und nachzuzahlen.
Die Beklagte hat den Klägern die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
TATBESTAND
Streitig ist die Höhe der Leistungen nach § 2 AsylbLG, insbesondere die Berücksichtigung höherer Kosten der Unterkunft.
Die Kläger sind pakistanische Staatsangehörige und reisten erstmalig am xx.xx 2020 in die Bundesrepublik Deutschland ein. Im streitbefangenen Zeitraum bewohnten sie zusammen mit ihrem Sohn eine Wohnung im Zuständigkeitsbereich der Beklagten. Für diese Wohnung waren eine Miete in Höhe von 790,00 € inklusive Nebenkosten sowie 110,00 € Heizkosten zu entrichten.
Mit Bescheid vom 30. November 2021 bewilligte die Beklagte den Klägern im Zeitraum Dezember 2021 bis einschließlich März 2022 Analogleistungen nach § 2 AsylbLG. Die Beklagte berücksichtigte dabei eine monatliche Miete in Höhe von insgesamt 625,00 € (Grundmiete und Nebenkosten) sowie 106,31 € Heizkosten. Auf den Kläger entfiel dabei ein Anteil in Höhe von 178,34 € Grundmiete, 35,43 € Heizkosten sowie 30,00 € Nebenkosten. Auf die Klägerin entfiel ein Anteil von 178,33 € Grundmiete, 35,44 € Heizkosten sowie 30,00 € Nebenkosten.
Hiergegen erhoben die Kläger am 21. Dezember 2021 Widerspruch. Die von der Beklagten berücksichtigten Kosten der Unterkunft seien zu niedrig bemessen. Die Beklagte verfüge nicht über ein schlüssiges Konzept im Sinne der Rechtsprechung und habe daher die Werte der Wohngeldtabelle zuzüglich eines Sicherheitszuschlages von 10 % zu berücksichtigen.
Mit Bescheid vom 7. März 2022 hob die Beklagte die Bewilligung von Leistungen nach dem AsylbLG gegenüber den Klägern ab dem 1. Februar 2022 auf. Die Kläger verfügten nunmehr über einen Aufenthaltstitel und erfüllten nicht mehr die Voraussetzungen für die Bewilligung von Leistungen nach dem AsylbLG. Mit Widerspruchsbescheid vom 15. März 2022 wies die Beklagte den Widerspruch der Kläger gegen den Bescheid vom 30. November 2021 zurück. Sie habe auch bei der Bewilligung von Leistungen nach dem AsylbLG lediglich die angemessenen Kosten der Unterkunft zu berücksichtigen. Diese seien unter Berücksichtigung der Rechtsprechung korrekt ermittelt worden.
Hiergegen haben die Kläger mit Schriftsatz vom 19. April 2022, beim Sozialgericht Hildesheim am gleichen Tage eingegangen, Klage erhoben.
Mit Bescheid vom 14. September 2023 bewilligte die Beklagte den Klägern weitere Leistungen nach § 2 AsylbLG und berücksichtigte nunmehr als Kosten der Unterkunft einen Betrag von 778,80 € (Grundmiete und Nebenkosten) sowie 106,31 € Heizkosten. Dabei berücksichtigte sie beim Kläger einen Betrag von 229,60 € für Grundmiete, 35,43 € Heizkosten und 30,00 € Nebenkosten und bei der Klägerin einen Betrag in Höhe von 229,60 € an Grundmiete, 35,44 € Heizkosten und 30,00 € Nebenkosten.
Die Kläger sind der Auffassung, dass ihnen auch der weitere Betrag in Höhe von 11,20 € monatlich mit den auf sie entfallenden Anteilen zu berücksichtigen sei. Ein Umzug sei bei dieser Differenz nicht wirtschaftlich und damit auch nicht zumutbar. Die Kosten seien in diesem konkreten Einzelfall angemessen.
Die Kläger beantragen,
die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 30. November 2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. März 2022 in Gestalt des Änderungsbescheides vom 14. September 2023 zu verurteilen, den Klägern im Zeitraum Dezember 2021 bis einschließlich Januar 2022 weitere Leistungen in Höhe von monatlich insgesamt 7,47 € zu gewähren und nachzuzahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie sieht für eine über das Teilanerkenntnis hinausgehende Kostenübernahme keine Veranlassung.
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE
Das Gericht konnte in Abwesenheit der Beklagten entscheiden, weil die Beklagte ordnungsgemäß zur mündlichen Verhandlung am 1. Oktober 2024 geladen worden ist und in der Ladung darauf hingewiesen worden ist, dass auch bei ihrer Abwesenheit verhandelt und entschieden werden könne. Darüber hinaus hat die Beklagte im Vorfeld der mündlichen Verhandlung mitgeteilt, dass sie keinen Vertreter entsenden würde.
Die gemäß § 54 Abs. 1 und 4 SGG zulässige Klage ist auch begründet. Der angefochtene Verwaltungsakt ist rechtswidrig, soweit er nicht die tatsächlichen Kosten der Unterkunft als Bedarf berücksichtigt und verletzt die Kläger in ihren Rechten.
Die Kläger sind dem Grunde nach leistungsberechtigt nach § 2 AsylbLG, weil sie sich im streitbefangenen Zeitraum seit 18 Monaten (seinerzeitige gesetzliche Frist) ohne wesentliche Unterbrechung im Bundesgebiet aufgehalten und die Dauer ihres Aufenthaltes nicht rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst haben. Dies ergibt sich nicht zuletzt aus der angefochtenen Bewilligung. Den der Kammer vorliegenden Unterlagen ist nicht zu entnehmen, dass diese Beurteilung fehlerhaft sein könnte. Damit ist das SGB XII entsprechend auf die Kläger anzuwenden.
Bei Leistungen nach dem SGB XII werden Bedarfe für die Unterkunft in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt (§ 35 Abs. 1 Satz 1 SGB XII). Die Berücksichtigung findet eine Grenze in dem nach der Besonderheit des Einzelfalles angemessenem Umfang (§ 35 Abs. 2 SGB XII). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes wird die Angemessenheitsgrenze durch den örtlich zuständigen Leistungsträger im Rahmen eines sogenannten schlüssigen Konzeptes ermittelt. Für den hier streitbefangenen Zeitraum verfügte die Beklagte nicht über ein solches Konzept im Sinne der Rechtsprechung, weshalb sie auf die ebenfalls nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes im Falle eines Erkenntnisausfalles zu berücksichtigenden Werte der Wohngeldtabelle zuzüglich eines Sicherheitszuschlages von 10 % abgestellt und dies im Bescheid vom 14. September 2023 umgesetzt hat. Damit hat es sich bei dem von der Beklagten berücksichtigten Wert um die angemessenen Kosten der Unterkunft gehandelt.
Es bedarf jedoch stets der Prüfung aller Umstände des Einzelfalles, ob auch bei einem Überschreiten der Angemessenheitsgrenze die Übernahme der tatsächlichen Kosten im Ausnahmefall gerechtfertigt ist (etwa wegen subjektiver Unzumutbarkeit des Wohnungswechsels aufgrund gesundheitlicher Gründe oder wegen offensichtlicher Unwirtschaftlichkeit) (vgl. LSG Niedersachsen Bremen, Urteil vom 27. November 2014, L 8 SO 112/11, Rn. 30, zitiert nach juris). Unter Berücksichtigung der Wirtschaftlichkeit des Umzuges, ist ein solcher den Klägern nicht zumutbar gewesen. Die monatliche Differenz zu den grundsätzlich angemessenen Kosten hat 11,20 € betragen. Personen, die gerade so nicht leistungsberechtigt nach dem SGB XII oder SGB II wären, würden zur Senkung eines solchen Betrages nach allgemeiner Lebenserfahrung auf einen Umzug verzichten, weil die bei einem Umzug zu erwartenden Mehrkosten diesen Betrag um ein Vielfaches übersteigen und damit einen Umzug nicht lohnenswert machen. Dies ist auch bei Leistungsempfängern von Transferleistungen zu berücksichtigen, zumal die Mehrkosten ebenfalls vom Steuerzahler zu tragen wären.
Unter Berücksichtigung des verbleibenden Differenzbetrages und der Tatsache, dass die Wohnung von drei Personen bewohnt worden ist, ergibt sich pro Person ein Betrag von monatlich 3,73 € bzw. 3,74 €. Insgesamt sind den Klägern die aus dem Tenor ersichtlichen weiteren Leistungen zu gewähren und nachzuzahlen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG und orientiert sich am Ausgang des Verfahrens.
Es folgt die Rechtsmittelbelehrung.