Tacheles Rechtsprechungsticker KW 41/2024

1. Entscheidungen des Bundessozialgerichts zur Sozialhilfe und Asylleistungen

1.1 – BSG, Urt. v. 26.09.2024 – B 8 SO 13/22 R

Sozialhilfe – Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung – Übernahme von Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung – sozialgerichtliches Verfahren – Streitgegenstand

BSG: Sozialhilfeträger müssen Sonderbedarf nach § 33 Abs. 1 SGB XII berücksichtigen

Das Bundessozialgericht hat mit Urteil vom 26.09.2024 in Kassel klargestellt, dass bei der Berechnung des Bedarfs eines Sozialhilfeempfängers auch freiwillige Beitragszahlungen an die gesetzliche Rentenversicherung zu berücksichtigen sind.

Dabei ist von einer Angemessenheit der geltend gemachten Beiträge im Grundsatz auszugehen, wenn die Beitragszahlung den Grundsicherungsbedarf im Alter prognostisch mindert.

Als angemessen der Höhe nach erweisen sich dabei nur die Beiträge, die Bezieher von Einkommen knapp oberhalb der Sozialhilfegrenze unter besonderer Berücksichtigung ihrer individuellen Lebenssituation aufbringen würden, um eine verbesserte Absicherung, die das Grundsicherungsniveau nicht wesentlich übersteigt, zu erreichen.

Quelle: www.bsg.bund.de

Praxistipp:
LSG NRW, Urt. v. 08.09.2022 – L 9 SO 160/19 –

Eine Übernahme der Höchstbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung ist iSd § 33 Abs. 1 SGB XII unangemessen und war dem Sozialhilfeträger als Ermessensleistung nicht möglich.

Ist denn in bescheidenen Verhältnissen lebenden, aber nicht sozialhilfebedürftigen Bürger nicht möglich, Höchstbeiträge zur Rentenversicherung zu erbringen, dann sind solche Aufwendungen auch nicht angemessen iSd § 33 SGB XII.

1.2 – BSG, Urt. v. 25.07.2024 – B 8 AY 6/23 R

Asylbewerberleistungsrecht – Ablehnung Asylantrag – Anspruchseinschränkung – Sachleistungen – pflichtwidriges Verhalten

Dürfen gemäß § 1a Abs. 7 AsylbLG Sozialleistungen für Geflüchtete auf das Nötigste wie Lebensmittel und Unterkunft beschränkt werden?

BSG: Anspruchseinschränkung ist keine Sanktion

Das BSG brachte klar zum Ausdruck, dass es rein auf den Ablauf der Überstellungsfrist für ausreisepflichtige Asylsuchende abstellt.

Dem EuGH wird das Bundessozialgericht zudem die Frage vorlegen, ob die Anspruchseinschränkung mit Unionsrecht vereinbar ist.

BSG: Anspruchseinschränkung ist keine Sanktion

Das Bundessozialgericht hat klargestellt, dass § 1a Absatz 7 AsylbLG – nicht vergleichbar mit den Sanktionen aus dem SGB II ist.

Die Leistungskürzung ist gerade keine Sanktion, sondern knüpfe an verminderten Bedarf wegen der bevorstehenden Ausreise an, erläutert Janda – Prof. Dr. Constanze Janda vom Lehrstuhl für Sozialrecht und Verwaltungswissenschaft der Uni Speyer

Pflichtwidriges Verhalten als Tatbestandsvoraussetzung

Auf ein pflichtwidriges Verhalten als Tatbestandsvoraussetzung komme es damit gerade nicht an.

Denn die Einschränkung von Leistungen fordert keine Erfüllung von subjektiven Tatbestandsmerkmalen, weil sie nicht als Sanktion für die Nichtausreise zu verstehen ist, so das Gericht.

Stattdessen hat sich das BSG in seiner Ausführung allein auf den Ablauf der Überstellungsfrist gestützt.

Verfassungskonforme Auslegung des § 1a Abs. 7 AsylbLG nicht erforderlich?

Für Sozialrechtlerin Janda deutet die Vorlage an den Europäischen Gerichtshof darauf hin, dass das BSG keine verfassungskonforme Auslegung des § 1a Abs. 7 AsylbLG für erforderlich hält.

Volltext jetzt hier: www.rechtsprechung-im-internet.de

2. Entscheidungen der Landessozialgerichte zum Bürgergeld (SGB II)

2.1 – LSG BW, Urt. v. 05.03.2024 – L 2 AS 2270/23 –

Umkehr der Beweislast gegenüber dem Jobcenter: Bürgergeld-Bezieher muss beweisen

Bürgergeld: Bürgergeldempfänger muss beweisen, dass er 14.000 € Bargeld seinem Vater übergeben hat

Grundsätzlich trägt die objektive Beweislast für die Rechtswidrigkeit des zurückzunehmenden Verwaltungsaktes das Jobcenter (vgl. LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 15. Februar 2018 – L 3 AS 4874/16 -).

Eine Beweislastumkehr lässt sich aber bei einer besonderen Nähe eines Beteiligten zum Beweis begründen.

Denn das ist anzunehmen, wenn in dessen persönlicher Sphäre oder in dessen Verantwortungssphäre wurzelnde Vorgänge nicht aufklärbar sind und die zeitnahe Aufklärung des Sachverhalts durch unterlassene Angaben oder unzureichende Mitwirkung bei der Sachverhaltsaufklärung erschwert oder verhindert wird (vgl. BSG Urteil vom 15. Juni 2016 – B 4 AS 41/15 R -).

Quelle: www.sozialgerichtsbarkeit.de

2.2 – LSG BW, Beschluss v. 07.08.2024 – L 2 AS 2187/24 ER-B –

Bürgergeld: Kein Anspruch für ukrainische Mutter mit 2 Kindern auf Bürgergeld bei Nicht – Vorlage einer notwendigen Fiktionsbescheinigung

Denn eine Leistungsgewährung scheitert aufgrund des Leistungsausschlusses nach § 7 Abs. 1 SGB II.

Darüber hinaus kommt auch kein Leistungsanspruch nach der Ausnahmeregelung zu den in § 7 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB II normierten Leistungsvoraussetzungen und Leistungsausschlüssen des § 74 SGB II in Betracht, da die Antragstellerinnen nicht (mehr) über die nach dieser Norm notwendige Fiktionsbescheinigung nach § 81 Abs. 5, 3 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) verfügen.

Diese wurde nach Auskunft der zuständigen Ausländerbehörde nicht verlängert, da ein ernsthafter Verdacht auf eine unterdrückte ungarische Staatsbürgerschaft besteht.

Dass die Antragstellerinnen möglicherweise (auch) über eine ukrainische Staatsbürgerschaft verfügen, spielt keine Rolle.

Die Leistungsgewährung knüpft in den Fällen des § 74 SGB II gerade nicht an das Bestehen einer bestimmten Staatsbürgerschaft an, sondern verlangt vielmehr, das Vorliegen einer Fiktionsbescheinigung.

Auch das Beantragen dieser ist nicht ausreichend, denn der Gesetzgeber hat sich bewusst dafür entscheiden, eine ausgestellte Fiktionsbescheinigung als Leistungsvoraussetzung zu verlangen (vgl. hierzu Wunder in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 5. Aufl., § 74 1. Überarbeitung [Stand: 04.08.2023], Rn. 16, der darauf hinweist, dass im Gesetzgebungsverfahren geprüft worden ist, ob auch unterhalb einer Fiktionsbescheinigung Lösungen denkbar seien, um den Zugang zu Leistungen zu eröffnen. Diesen Vorschlag habe der Gesetzgeber jedoch nicht aufgegriffen.).

Quelle: www.sozialgerichtsbarkeit.de

Rechtstipp zu § 74 SGB II:
LSG NRW, Beschluss v. 03.05.2024 – L 12 AS 476/24 B ER

Bürgergeld aufgrund des § 74 Abs. 1 S. 1 SGB II – Ansprüche von Ausländerinnen und Ausländern mit einer Fiktionsbescheinigung

Orientierungssatz Verein Tacheles e. V.
1. Nigerianischer Staatsangehöriger hat Anspruch auf Bürgergeld- Leistung gem. § 74 Abs. 1 S. 1 SGB II, denn Gem. § 74 Abs. 1 S. 1 SGB II erhalten abweichend von § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 und 2 Leistungen nach diesem Buch auch Personen, die gem. § 49 des AufenthG erkennungsdienstlich behandelt worden sind, eine Aufenthaltserlaubnis nach § 24 Abs. 1 AufenthG beantragt haben und denen eine entsprechende Fiktionsbescheinigung nach § 81 Abs. 5 i.V.m. Abs. 3 AufenthG erteilt worden ist. Nach Satz 2 sind § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 und § 8 Abs. 2 SGB II nicht anzuwenden.

2.3 – Sächsisches LSG, Urt. v. 19.09.2024 – L 7 AS 891/20 –

Leitsätze www.sozialgerichtsbarkeit.de
Auch für vor dem 01.08.2016 beendete Bewilligungszeiträume gelten bei fristgerechter Beantragung einer abschließenden Entscheidung vorläufig bewilligte Leistungen nicht als abschließend festgesetzt (klarstellende Abgrenzung zur Senatsentscheidung v. 16.05.2024 – L 7 AS 938/21 – juris).

2.4 – LSG Hessen, Urt. v. 05.07.2024 – L 7 AS 429/22 – Revision anhängig beim BSG – B 7 AS 83/24 –

Rumänischer Staatsangehöriger hat kein Anspruch auf weitere Sozialleistungen, wenn ihm die Ausreise in sein Heimatland zumutbar ist.

Ihm waren nur Überbrückungsleistungen für 1 Monat zu gewähren, denn hinsichtlich der regulären Hilfen zum Lebensunterhalt nach § 17, § 19, § 27 ff. SGB XII ist der Antragsteller vor diesem Hintergrund aus denselben Gründen ausgeschlossen wie von den Leistungen nach dem SGB 2; der Ausschlusstatbestand aus § 23 Abs. 3 Satz 1 SGB XII stimmt mit § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II überein (Orientierungssatz Detlef Brock).

Leitsätze www.sozialgerichtsbarkeit.de
1. Die Härtefallregelung des § 23 Abs. 3 Satz 6 SGB XII ist nicht erfüllt, wenn eine Ausreise ins Heimatland möglich und zumutbar ist. Bei der Frage Zumutbarkeit der Ausreise sind die individuellen Bindungen familiärer, sozialer sowie beruflicher Art zu beachten.

2. Auch, wenn die Ausländerbehörde keine aufenthaltsbeendenden Maßnahmen ergriffen hat, führt die Härtefallregelung nach § 23 Abs. 3 Satz 6 SGB XII nicht zu einem Dauerleistungsanspruch. Der Leistungsanspruch besteht lediglich für eine zeitlich befristete Bedarfslage und verlangt das Vorliegen besonderer Umstände.

Praxistipp:
a. Auffassung:
LSG Darmstadt, Urteil v. 31. Oktober 2022 – L 4 SO 133/22 B ER, wonach ein Leistungsanspruch bestehe, solange der Staat das Nichtbestehen des Freizügigkeitsrechts nicht festgestellt habe.

2.5 – LSG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 06.03.2024 – L 2 AS 467/15 –

Leitsätze www.sozialgerichtsbarkeit.de
1. Im SGB II findet kein horizontaler Verlustausgleich zwischen mehreren Gewerbebetrieben statt.

2. Die Absetzung von Aufwendungen als Betriebsausgaben erfordert neben dem Anfall im aktuellen Bewilligungszeitraum einen sachlichen Zusammenhang zu den in diesem Zeitraum zufließenden gewerblichen Einnahmen.

3. Aus diesen Grundsätzen folgt, dass Aufwendungen eines Selbständigen, welche nicht in einem Zusammenhang mit der aktuell ausgeübten gewerblichen Tätigkeit stehen, sondern wegen einer anderen (ungleichartigen) sowie bereits beendeten Tätigkeit anfallen, nicht als Betriebsausgaben der aktuellen Tätigkeit anerkannt werden können.

4. Selbst gebildete Rückstellungen aus den aktuellen Betriebseinnahmen zur Begleichung von lediglich möglichen, dh noch nicht fälligen, Rückforderungen dieser Einnahmen (hier: Provisionen) sind keine Betriebsausgaben und daher im SGB II nicht gewinnmindernd zu berücksichtigen werden.

Praxistipp:
Im Bereich des SGB II ist keine Saldierung von Einnahmen und Verlusten aus mehreren Gewerbebetrieben zulässig (kein „horizontaler Verlustausgleich“; vgl. BSG, Urteil vom 17. Februar 2016 – B 4 AS 17/15 R –).

LSG NRW, Urt. v. 15.11.2016 – L 2 AS 993/16 – rechtskräftig – bestätigt durch BSG, Beschluss v. 03.07.2017 – B 14 AS 15/17 B –

Im SGB II erfolgt keine Saldierung von Einnahmen und Verlusten aus mehreren Gewerbebetrieben

ebenso LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 26. Februar 2014 – L 18 AS 2232/11 – ; SG Stade, Gerichtsbescheid vom 02.10.2014 – S 32 AS 289/14 –

2.6 – LSG Hessen, Urteil vom 28.02.2024 – L 6 AS 75/23 – BSG – B 4 AS 67/24 BH –

Bürgergeld: Jobcenter muss keinen Führerschein bezahlen ohne konkretes Arbeitsangebot

Das Jobcenter bezahlt den Führerschein nur, wenn der Arbeitgeber bescheinigt, dass er den Bewerber einstellen wird, sobald er einen Führerschein hat.

Allgemeine Verbesserung der Bewerbungschancen genügen dem LSG Hessen nicht.

Eine Benachteiligung gegen über Flüchtlingen haben die Darmstädter Richter auch nicht gesehen.

Ein Anspruch nach § 16 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II in Verbindung mit § 44 SGB III ist auch nach Ansicht des Gerichts (Urteil vom 28.02.2024 – L 6 AS 75/23) nicht gegeben, weil die Förderung an das Vorliegen eines konkreten bedingten Arbeitsplatzangebots geknüpft ist.

Das Bundessozialgericht Az. B 4 AS 67/24 BH hat mit Beschluss vom 01.07.2024 den Prozesskostenhilfeantrag des Leistungsempfängers abgelehnt.

Quelle: www.landesrecht-hessen.de

2.7 – LSG NSB, Urt. v. 29.08.2024 – L 11 AS 75/21 –

Jobcenter: Schöffenentschädigungen mindern Bürgergeld – Anspruch –

LSG Niedersachsen-Bremen: Bürgergeld – Empfänger müssen Schöffenbezüge dem Jobcenter melden

Denn eine Verdienstausfallentschädigung aus der Schöffentätigkeit ist anrechenbares Einkommen beim Bürgergeld.

Sie sind nicht als zweckbestimmte Leistungen aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften i. S. d. § 11a Abs. 3 SGB II und damit nicht als anrechnungsfreies Einkommen zu qualifizieren, so das LSG Niedersachsen – Bremen, Urteil vom 29.08.2024 – – L 11 AS 75/21 -.

Denn mit einer Verdienstausfallentschädigung wird kein anderer Zweck als der der Sicherung des Lebensunterhalts verfolgt (vgl. dazu BSG, Urteil vom 26. Mai 2011 – B 14 AS 93/10 R -).

Nach Auffassung der Richter des LSG Niedersachsen- Bremen war der Berechnung vorliegend nicht ein Jahresgesamtfreibetrag in Höhe von 2.400,00 Euro zugrunde zu legen, so aber der Leistungsempfänger.

Denn nach dem eindeutigen Wortlaut des § 11b Abs. 2 Satz 3 SGB II in der hier anzuwendenden Fassung (bis 2020) ist maßgeblich ein monatlicher Freibetrag in Höhe von 200,00 Euro.

Dass hier von einem monatlichen Freibetrag auszugehen war, wird auch durch die Rechtsentwicklung bestätigt.

Denn erst mit dem Wegfall des § 11b Abs. 2 Satz 3 SGB II und der mit Wirkung vom 1. Juli 2023 durch das Bürgergeld-Gesetz vom 16. Dezember 2022 (BGBl. I, S. 2328) erfolgten Überführung der Privilegierung von ehrenamtlichen bzw. nebenberuflichen Einkünften in § 11a Abs. 1 Nr. 5 SGB II ist eine Neuausrichtung vom Monats- auf das Jahresprinzip und vom Freibetragsprinzip auf eine Einkommensprivilegierung erfolgt.

Quelle: landessozialgericht.niedersachsen.de

Anmerkung Detlef Brock
Beim Bürgergeld gilt ab 2023: § 11a Abs. 1 Nr. 5 SGB II – Erst 2023 ist mit dem Bürgergeldgesetz eine Neuausrichtung auf das Jahresprinzip erfolgt

Aufwandsentschädigungen oder Einnahmen aus nebenberuflichen Tätigkeiten, die nach § 3 Nummer 12, Nummer 26 oder Nummer 26a des Einkommensteuergesetzes steuerfrei sind, soweit diese Einnahmen einen Betrag in Höhe von 3 000 Euro im Kalenderjahr nicht überschreiten.

Seit dem 01.07.2023 ist beim Bürgergeld nur der jährliche Freibetrag entscheidend, so dass monatlich auch höhere Beträge ausgezahlt werden können, so lange in Summe die 3.000 Euro jährlich nicht überschritten werden.

3. Entscheidungen der Sozialgerichte zum Bürgergeld

4. Entscheidungen der Landessozialgerichte zur Sozialhilfe (SGB XII)

4.1 – LSG NRW, Urt. v. 23.05.2024 – L 9 SO 49/23 –

Sozialhilfe: Anspruch auf gemeinsame Grabstätte für Eheleute

Kosten einer Wahlgrabstätte sind zu übernehmen, wenn sie dazu dient, dass Eheleute nebeneinander bestattet werden

Die Kosten einer Grabstätte für Eheleute sind unter Berücksichtigung von Art. 6 Abs. 1 GG vom Sozialhilfeträger als erforderliche Bestattungskosten zu übernehmen (entgegen SG Heilbronn Urteil vom 09.07.2013 – S 11 SO 1712/12 und SG Duisburg Urteil vom 27.03.2014 – S 52 SO 64/13 – Orientierungssatz Detlef Brock).

Quelle: www.sozialgerichtsbarkeit.de

Praxistipp:
Gebühr für Familiengrab kann vom Sozialhilfeträger nach § 74 SGB XII übernommen werden

Denn der unbestrittene Wunsch des Vaters auf eine gemeinsame Bestattung mit seiner vor verstorbenen Ehefrau nach seinem Tode unterfällt dem aus Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz abgeleiteten Persönlichkeitsschutz, der auch postmortal zu beachten ist.

Auch Art. 6 GG ist zu beachten
Danach stehen Ehe und Familie unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung. Die Bestattung in einer vorhandenen (Familien-) Grabstätte des Ehegatten gehört deshalb für das Gericht regelmäßig zu den angemessenen Wünschen des Verstorbenen und ist nach § 9 Abs. 2 S. 1 SGB XII als angemessener Wunsch zu berücksichtigen (SG Karlsruhe, Urt. v. 29.03.2022 – S 2 SO 2888/20 – Anschluss an LSG München vom 25.10.2018 – L 8 SO 294/16).

5. Entscheidungen zum Asylrecht und AsylbLG

5.1 – SG Karlsruhe, Beschluss v. 25-09-2024 – S 12 AY 2449/24 ER –

Keine Einschränkung des Anspruchs auf Asylbewerberleistungen wegen der Gewährung internationalen Schutzes in Griechenland

Leitsätze www.landesrecht-bw.de
Menschen mit Fluchthintergrund droht ihm im Falle einer Rückkehr nach Griechenland eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK

Praxistipp: RA Volker Gerloff Newsletter – 11/2024 –
SG Berlin: Keine Leistungskürzung nach § 1a Abs. 4 AsylbLG

Zum wiederholten Mal wird festgestellt, dass für eine Leistungskürzung eine Pflichtverletzung bestehen muss.

Die Einreise nach Deutschland kann keine Pflichtverletzung sein, da diese Handlung zumindest nicht mehr änderbar ist.
Die Nicht-Ausreise kann keine Pflichtverletzung sein, weil jedenfalls die Ausreise nach Griechenland unzumutbar ist (SG Berlin vom 28.08.2024 – S 187 AY 305/24 ER -).

5.2 – Sozialgericht Speyer – Beschluss vom 17.09.2024 – Az.: S 15 AY 28/24 ER

Normen: § 3 AsylbLG, § 3a AsylbLG, § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG – Schlagworte: Regelbedarfsstufe 1, Regelbedarfsstufe 2, Leistung nach §3 AsylbLG, Leistung nach §3a AsylbLG

Die Herabsetzung der Bedarfe bei in Gemeinschaftsunterkünften untergebrachten Leistungsberechtigten ist im Vergleich zu alleinstehenden erwachsenen Leistungsberechtigten verfassungswidrig

Die erkennende Kammer geht allerdings aufgrund des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 19.10.2022 (1 BvL 3/21) davon aus, dass die Herabsetzung der Bedarfe bei in Gemeinschaftsunterkünften untergebrachten Leistungsberechtigten im Vergleich zu alleinstehenden erwachsenen Leistungsberechtigten verfassungswidrig ist und stattdessen (ggf. bis zu einer Gesetzesänderung) die Bedarfssätze nach Maßgabe der §§ 3, 3a Abs. 1 Nr. 1, 3a Abs. 2 Nr. 1 AsylbLG zur Anwendung kommen müssen.

Sie macht sich an dieser Stelle die Ausführungen des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen im Beschluss vom 29.06.2023 (L 8 AY 18/23 B ER – Rn. 10) zu eigen:

weiter bei RA Sven Adam

6. Verschiedenes zum Bürgergeld, zur Sozialhilfe, zum Asylrecht, Kinderzuschlag, Wohngeldrecht und anderen Gesetzesbücher

6.1 – Bürgergeld/Sozialhilfe: So kannst Du Dich gegen Kostensenkungsverfahren der Jobcenter oder Sozialämter wehren

Kurze Arbeitshilfe zur Gegenwehr von Kostensenkungsaufforderungen des Jobcenters/Sozialbehörde SGB II/SGB XII mit Nennung von Urteilen, herausgegeben von gegen-hartz.de.

weiter: www.gegen-hartz.de

Hinweis:
Dazu passend auch mein neuster veröffentlichter Beitrag:
Kostensenkungsaufforderung des Jobcenters unwirksam wegen Schulumfeld

Eine Kostensenkungsaufforderung des Jobcenters muss an individuelle Verhältnisse angepasst werden, wenn sie aktenkundig sind.

Hier Erfassung und Berücksichtigung der individuellen Umstände der minderjährigen Kinder wegen ihres Schulumfeldes und der Umstand, dass bei Alleinerziehenden eine vorhandene und benötigte Betreuungsstruktur nicht im gesamten Vergleichsraum zugänglich ist.

weiter: www.gegen-hartz.de

6.2 – Asyl für afghanische Frauen: Alle sind verfolgt – EuGH  (Urteil vom 04.10.2024 – C-608/22 und C-609/22)

Allein die Tatsachen, dass eine asylsuchende Person eine Frau ist und aus Afghanistan stammt, kann es rechtfertigen, ihr in der EU-Schutz zu gewähren. Ob die Antragstellerin bei einer Rückkehr in ihr Herkunftsland tatsächlich und spezifisch Verfolgungshandlungen zu erleiden droht, muss nicht geprüft werden, entschied am Freitag der EuGH  (Urteil vom 04.10.2024 – C-608/22 und C-609/22).

weiter: rsw.beck.de

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Verfasser des Rechtsprechungstickers: Redakteur von Tacheles Detlef Brock
Quelle: Tacheles-Rechtsprechungsticker


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