Sozialgericht Kassel – Urteil vom 28.01.2025 – Az.: S 12 SO 59/23

URTEIL

In dem Rechtsstreit

xxx,

Kläger,

Prozessbevollm.:
Rechtsanwalt Sven Adam
Lange-Geismar-Straße 55, 37073 Göttingen,

gegen

Stadt Kassel,
vertreten durch den Magistrat,
Rechtsamt,
Rathaus, 34117 Kassel,

Beklagte,

hat die 12. Kammer des Sozialgerichts Kassel auf die mündliche Verhandlung vom 28. Januar 2025 durch die Vorsitzende, Richterin am Sozialgericht xxx, sowie die ehrenamtlichen Richterinnen Frau xxx und Frau xxx, für Recht erkannt:

Die Beklagte wird verurteilt, über den Antrag des Klägers vom 14.12.2022 (Az. 0871/21sva) zu entscheiden.

Die Beklagte hat dem Kläger seine notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

TATBESTAND

Der Kläger begehrt im Wege der Untätigkeitsklage die Bescheidung eines Kostenfestsetzungsantrags.

Der am xx.xx.1973 geborene Kläger wohnt mit seiner Ehefrau und den gemeinsamen vier Kindern in einem Haushalt. Der Kläger steht bei der Beklagten im laufenden Bezug von Leistungen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII), die Ehefrau und die Kinder stehen im laufenden Bezug von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) bei dem Jobcenter Stadt Kassel.

Nachdem nach einem Umzug zum 01.07.2021 Streit über die Berücksichtigung der Höhe der Kosten der Unterkunft und Heizung entstanden war, hat das Sozialgericht Kassel das Jobcenter im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, bei der Leistungsberechnung für die Ehefrau und die Kinder des Klägers im Zeitraum vom 29.10.2021 bis zum 30.04.2022 die tatsächlichen Kosten der Unterkunft und Heizung (zu 5/6) zu berücksichtigen (SG Kassel, Beschluss vom 07.12.2021 – S 1 AS 98/21 ER).

Sodann beantragte der Kläger mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 24.11.2021 und 28.01.2022 bei der Beklagten die Überprüfung nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) der durch den Bescheid vom 19.07.2021 gewährten Leistungen nach § 35 Abs. 2 SGB XII im Zeitraum 01.07.2021 bis 31.03.2022.

Mit Schreiben vom 07.03.2022 teilte die Beklagte dem Prozessbevollmächtigten zu dem Überprüfungsantrag zum Bescheid vom 19.07.2021 mit, dass die Ansprüche des Klägers ab 01.07.2021 überprüft worden seien. Um unnötige Verfahren und Kosten zu vermeiden sie die Entscheidung des Sozialgerichts Kassel vom 07.12.2021 in die Überprüfung eingeflossen. Entsprechend habe die Beklagte im Zeitraum vom 01.07.2021 bis 28.10.2022 die gültige Obergrenze, vom 29.10.2021 bis 30.04.2022 100 % der Unterkunftskosten gemäß dem Beschluss des Sozialgerichts Kassel und ab 01.05.2022 vorerst wieder die gültigen Obergrenzen berücksichtigt. Bei der Festlegung der Obergrenze sei aufgrund der Behinderung des jüngsten Kindes für den 6-Personen-Haushalt die Obergrenze von 7 Personen berücksichtigt worden. Nähere Einzelheiten seien dem Bescheid in der Anlage zu entnehmen.

Mit Bescheid vom 07.03.2022 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass er für die Zeit vom 01.04.2022 bis 31.03.2023 Leistungen der Grundsicherung nach dem 4. Kapitel des SGB XII erhalte. Da sich seine wirtschaftlichen bzw. persönlichen Verhältnisse geändert hätten, seien die Leistungen neu berechnet worden. Nach der Berechnung habe der Kläger insgesamt folgende Ansprüche: für die Monate 07/2021 bis 09/2021 jeweils 66,70 Euro, für 10/2021 70,82 Euro, für 11/2021 bis 12/2021 jeweils 109,09 Euro, für 01/2022 bis 04/2022 jeweils 112,09 Euro, für 05/2022 70,41 Euro. Beigefügt waren Berechnungsbögen für die Monate Juli 2021 bis Mai 2022.

Mit zwei Schreiben vom 11.03.2022 legte der Prozessbevollmächtigte des Klägers gegen den Bescheid vom 07.03.2022 Widerspruch ein und zwar unter dem Az. 0257/22 sva mit der Begründung, der Bescheid sei zu unbestimmt, weil er sich in der Kopfzeile auf den Leistungszeitraum vom 01.04.2022 bis 31.03.2023 beziehe, ihm aber die Berechnungsbögen ab 01.07.2021 bis 31.05.2022 beigefügt seien, und unter dem Az. 0871/21sva mit der Begründung, die Beklagte habe ab 01.07.2021 bei der Leistungsberechnung die tatsächlichen Kosten der Unterkunft einschließlich Heizkosten zu berücksichtigen.

Sodann erhob der Kläger zwei Untätigkeitsklagen mit dem Begehren der Bescheidung der beiden Widersprüche vom 11.03.2022 (Az. S 11 SO 44/22 und S 12 SO 45/22, verbunden unter S 11 SO 45/22). Die Untätigkeitsklagen haben sich nach Erlass eines Teilhabhilfebescheides vom 09.10.2022 unstreitig erledigt. Mit Beschluss vom 01.04.2023 hat die 11. Kammer des Sozialgerichts sodann entschieden, dass die Beklagte die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers nur im Verfahren S 11 SO 44/22 zu tragen hat und dass im Verfahren S 11 SO 45/22 keine Kosten zu erstatten sind.

Mit dem Teilabhilfebescheid vom 09.12.2022 teilte die Beklagte dem Prozessbevollmächtigten des Klägers mit, dass seinen Widersprüchen vom 11.3.2022 gegen den Bescheid vom 07.03.2022 teilweise abgeholfen werde. In der Zeit vom 01.07.2021 bis 28.10.2021 berücksichtige die Beklagte die tatsächliche Höhe der Unterkunfts- und Heizungsaufwendungen. Der Kläger erhalte eine Nachzahlung in Höhe von 165,45 Euro. Die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts wurde in diesem Verfahren als notwendig anerkannt und erklärt, dass die notwendigen Auslagen und Gebühren erstattet werden, § 63 Abs. 1 und 2 SGB X.

Mit zwei Schriftsätzen vom 14.12.2022 beantragte der Prozessbevollmächtigte des Klägers bei der Beklagten unter Bezugnahme auf den „Widerspruch vom 11.03.2022 – Ihr Zeichen: 50.1506.4.308401“ und unter Bezugnahme auf den „Leistungszeitraum 01.07.2021-31.03.2022“ (Schreiben 1) bzw. unter Bezugnahme auf den Leistungszeitraum 01.04.2022 bis 31.03.2022“ (Schreiben 2) „die Übernahme der durch meine Hinzuziehung als Bevollmächtigten entstandenen Kosten im Widerspruchsverfahren anhand der umseitig aufgeführten Kostenaufstellung zu begleichen“. Beigefügt war jeweils folgende Kostenaufstellung:

Ausgangsbescheid vom: 7.3.2022
Widerspruch vom: 11.3.2022
Abhelfender Bescheid vom: 9.12.2022

Geschäftsgebühr gem. Nr. 2302 VV RVG359,00 Euro
Auslagenpauschale gem. Nr. 7002 VV RVG20,00 Euro
Nettobetrag379,00 Euro
19 % Umsatzsteuer gem. Nr. 7008 VV RVG72,01 Euro
Gesamtbetrag451,01 Euro

Es wurde jeweils um Überweisung unter Angabe des Verwendungszwecks „Az.: 0871/21sva – R. Nr.: 602/22“ (Schreiben 1) bzw. „0257//22sva – R.Nr.: 603/22“ (Schreiben 2) gebeten.

Am 21.12.2022 überwies die Beklagte an den Prozessbevollmächtigten des Klägers 451,01 Euro unter Angabe des Verwendungszwecks „Widerspruch xxx vom 11.3.2022“.

Am 25.06.2023 hat der Kläger, vertreten durch seinen Prozessbevollmächtigten Untätigkeitsklage im Hinblick auf den unter Az. 0871/21sva gestellten Kostenfestsetzungsantrag erhoben.

Zur Begründung trägt der Prozessbevollmächtigte des Klägers u. a vor, dass am 14.12.2022 bei der Beklagten ein Antrag auf Kostenübernahme gestellt worden sei. Über diesen Antrag habe die Beklagte entgegen der Frist in § 88 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) bisher nicht entschieden. Ein zureichender Grund sei nicht ersichtlich. Am 27.12.2022 sei ein Betrag in Höhe von 451,01 Euro vereinnahmt worden. Diese Zahlung sei auf einen Teilabhilfebescheid vom 09.12.2022 ergangen. Dieser Bescheid sei auf zwei Widersprüche vom 11.03.2022 gegen einen Bescheid vom 07.3.2022 hinsichtlich des Leistungszeitraums 01.04.2022 – 31.03.2023 und gegen einen Bescheid vom 07.03.2022 hinsichtlich des Zeitraumes vom 01.07.2021-28.10.2021 (bzw. bis 31.3.2022) ergangen. Es handele sich mithin um zwei getrennt voneinander zu betrachtende Streitgegenstände und somit auch getrennt voneinander zu betrachtende Vorverfahren. Die besagten 451,01 Euro sei von ihm dem Verfahren gegen den Bescheid vom 07.03.2022 hinsichtlich des Leistungszeitraums 1.4.2022-31.3.2023 zugeordnet worden. Hinsichtlich des ebenfalls erfolgreichen Widerspruchs gegen den Bescheid vom 07.03.2022 hinsichtlich des Leistungszeitraums 1.7.2021-28.10.2021 (bzw. bis 31.3.2022) sei bislang keine Liquidation eingetreten. Die Beklagte könne über den Streitgegenstand nicht verfügen, insbesondere nicht dadurch, dass sie über zwei Widersprüche in einem Widerspruchsbescheid entscheide. Es stehe ihr zwar zu, in einem Widerspruchsbescheid zu entscheiden, es blieben aber zwei Vorverfahren mit jeweils zu entscheidender Kostenfolge. Dies habe das Sozialgericht Kassel in den Verfahren zu den Untätigkeitsklagen (insbesondere zu dem Az. S 11 SO 45/22) anders gesehen. Diese Auffassung sei falsch und habe zudem keine Bindungswirkung für die Frage, ob die Kostenentscheidung bzw. -festsetzung auch im zweiten Verfahren zu erfolgen habe.

Der Kläger beantragt,
die Beklagte zu verpflichten, über den Antrag des Klägers vom 14.12.2022 (Az. 0871/21sva) zu entscheiden.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Zur Begründung trägt die Beklagte u.a. vor, dass sie die dem Kläger bzw. dem Prozessbevollmächtigten zustehende Kostenerstattung bereits am 21.12.2022 ausgezahlt habe. Darüber hinaus habe die 11. Kammer des angerufenen Gerichts, wie der Prozessbevollmächtigte wissen müsse, unanfechtbar festgestellt, dass er in der gleichen Sache kein zweites Widerspruchsverfahren im Sinne des § 63 SGB X betrieben habe. Der Prozessbevollmächtigte habe am 14.12.2022 zwar mit zwei Schreiben (S. 275-276, 279-280 eAkte Klageverfahren) Kostenfestsetzung beantragt. In Übereinstimmung mit dem vorangegangenen Verwaltungs-, Widerspruch- und Klageverfahren habe es sich aber nur um einen Lebenssachverhalt und damit in der Sache um einen Kostenfestsetzungsantrag gehandelt, nämlich zum Teilabhilfebescheid vom 09.12.2022. Insoweit spielten die unterschiedlichen Angaben aus der Sphäre des Prozessbevollmächtigten zu seinem Aktenzeichen oder den von ihm ausgemachten Leistungszeiträumen keine Rolle, sondern einzig die vom Rechtsanwalt an sich korrekt erfolgte Bezugnahme in beiden Schreiben vom 14.12.2022 auf ein und dieselbe Teilabhilfe. Beide anwaltliche Schreiben vom 14.12.2022 würden übereinstimmend Bezug auf den Teilabhilfebescheid vom 09.12.2022 nehmen. Zu dem Teilabhilfebescheid vom 09.12.2022 habe damit am 14.12.2022 nur ein Kostenfestsetzungsantrag vorgelegen, über den die Beklagte unstreitig längst entschieden und dem Bevollmächtigten die ihm zustehende Vergütung antragsgemäß ausgezahlt habe. Einen weiteren (Teil-) Abhilfebescheid, der am 14.12.2022 hätte Anknüpfungspunkt für einen zweiten Kostenfestsetzungsantrag sein können, gebe es nicht. Wenn der Bevollmächtigte am 14.12.2022 noch fünfzig weitere Kostenfestsetzungsanträge zum Teilabhilfebescheid vom 09.12.2022 gestellt hätte, hätte er doch nur ein Widerspruchsverfahren i.S.d. § 63 Abs. 1 SGB X erfolgreich betrieben und könnte weiterhin nur einmal nach § 63 Abs. 2 und 3 SGB X Festsetzung der notwendigen Kosten verlangen. Auch das fünfzigmal wiederholte Kosteninteresse wäre nicht anders auszulegen, als dass einmal Kostenfestsetzung zum Teilabhilfebescheid vom 09.12.2022 begehrt würde. Dies ungeachtet des Antragsgeschehens in der Sache umso mehr, wie der Prozessbevollmächtigte ohnehin – was mit bereits mit Beschluss vom 11.04.2023 (S 11 SO 45/22) unanfechtbar feststehe – nur einen Widerspruch gegen einen Verwaltungsakt eingelegt habe. Eine zweite Bescheidung durch die Beklagte werde daher sicher nicht erfolgen.

Wegen der weiteren Einzelheiten und Unterlagen und wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der Entscheidung gewesen sind.

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE

Die von dem Kläger erhobene Untätigkeitsklage im Sinne des § 88 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist zulässig und begründet.

Die Untätigkeitsklage ist zulässig. Insbesondere ist die Sperrfrist des § 88 Abs.1 SGG von sechs Monaten für die Entscheidung über den Kostenfestsetzungsantrag des Klägers vom 14.12.2022 abgelaufen.

Die Untätigkeitsklage ist auch begründet. Die Beklagte hat den unter dem Az. 0871/21sva gestellten Kostenfestsetzungsantrag des Klägers vom 14.12.2022 ohne zureichenden Grund nicht in angemessener Frist sachlich beschieden.

Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat am 14.12.2022 zwei Kostenfestsetzungsanträge gestellt, die sich objektiv darin unterscheiden, dass unterschiedliche Aktenzeichen des Prozessbevollmächtigten und unterschiedliche Bewilligungszeiträume angegeben worden sind. Des Weiteren hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers zu den Kostenaufstellungen unterschiedliche Rechnungs-Nummern („Az.: 0871/21sva – R. Nr.: 602/22“ in Schreiben 1 bzw. „0257//22 sva – R. Nr.: 603/22“ in Schreiben 2) benannt. Allein dadurch wird zur Überzeugung der Kammer für den objektiven Empfänger ausreichend deutlich gemacht, dass hier für zwei Mal die Kostenfestsetzung beantragt wird und nicht nur für ein Widerspruchsverfahren. Hinzu kommt, dass der Beklagten aufgrund der zuvor geführten Untätigkeitsklagen die unterschiedliche Auffassung der Beteiligten zur Frage der Anzahl der Vorverfahren bekannt gewesen sein dürfte.

Die beiden Kostenfestsetzungsanträge vom 14.12.2022 haben eine Bescheidungspflicht der Beklagten ausgelöst. Die Behörde, die die Kostenentscheidung getroffen hat, setzt auf Antrag den Betrag der zu erstattenden Aufwendungen fest, § 63 Abs. 3 Satz 1 SGB X. Die Festsetzung dem Betrage nach ist ein Verwaltungsakt, der selbständig angefochten werden kann (Schütze/Roos/Blüggel SGB X § 63 Rn. 50 m.w.Nachw.). Nach § 33 Abs. 2 Satz 1 SGB X kann ein Verwaltungsakt schriftlich, elektronisch, mündlich oder in anderer Weise erlassen werden.

Entgegen der Auffassung der Beklagten ist durch die Überweisung vom 21.12.2022 keine ausreichende Bescheidung der beiden Kostenfestsetzungsanträge vom 14.12.2022 erfolgt. Ein Verwaltungsakt kann zwar auch in der Form konkludenten Verhaltens zum Ausdruck kommen. Voraussetzung ist aber stets, dass der Rechtshandlungswille der Behörde hervortritt, dass sie die Voraussetzungen der Leistung geprüft hat und eine Entscheidung getroffen hat. Vorliegend ist die Überweisung nicht hinreichend bestimmt im Sinne des § 33 SGB X, da der Überweisungsbetrag der Höhe nach gerade nur einen der beiden Kostenfestsetzungsanträge erfüllt. Die Angaben im Verwendungszweck („Widerspruch xxx vom 7.3.2021“) hält die Kammer nicht für ausreichend, um daraus eine konkludente Ablehnung einer über den angewiesenen Betrag hinausgehenden Kostenfestsetzung zu entnehmen, zumal gerade Streit zwischen den Beteiligten darüber besteht, ob hier ein oder zwei Widerspruchsverfahren erfolgreich geführt worden sind.

Der Untätigkeitsklage fehlt auch nicht das Rechtsschutzbedürfnis. Unerheblich ist grundsätzlich, ob der Kläger einen Anspruch in der Sache selbst hat oder ob der beantragte Bescheid materiell-rechtliche Auswirkungen für ihn hat; selbst wenn das nicht der Fall ist, steht es dem Kläger grundsätzlich frei, eine Bescheidung zu verlangen. Etwas anderes gilt nur in Fällen rechtsmissbräuchlicher Rechtsverfolgung, wenn ein materiell-rechtlicher Anspruch offensichtlich unter jedem denkbaren Gesichtspunkt ausscheidet und die Erhebung der Untätigkeitsklage sich lediglich als Ausnutzung einer formalen Rechtsposition ohne eigenen Nutzen und zum Schaden für den anderen Beteiligten darstellt (Claus in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 2. Aufl., § 88 SGG (Stand: 15.06.2022) Rn. 21 m.w.Nachw.).

Eine solche Konstellation liegt aber im Falle des Klägers nicht vor. Da die Behörde grundsätzlich verpflichtet ist, Anträge zu bescheiden, sollte die Abweisung der Untätigkeitsklage als unzulässig wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses die absolute Ausnahme darstellen. Für ein Bescheidungsinteresse spricht, dass gerade Streit zwischen den Beteiligten über Vorfragen der Kostenfestsetzungsentscheidung besteht, konkret, ob hier ein oder zwei Widerspruchsverfahren erfolgreich geführt worden sind. Die Frage, ob mit dem Bescheid vom 07.03.2022 mehrere Streitgegenstände mit der Folge der isolierten Anfechtbarkeit geregelt worden sind, ist im Rahmen der Untätigkeitsklage nicht abschließend zu klären. Die Auffassung, dass mangels Teilbarkeit des Gegenstands ein zweiter Widerspruch gegen den Bescheid vom 07.03.2022 unzulässig war, lässt sich zwar vertreten. Es ist aber nicht missbräuchlich, wenn der Prozessbevollmächtigte des Klägers hier eine andere Auffassung vertritt. Ebenso erscheint auch die Auffassung der Beklagten vertretbar, dass die in dem Teilabhilfebescheid vom 09.12.2022 getroffene Kostengrundentscheidung sich nur auf ein (erfolgreich geführtes) Vorverfahren beziehe. Aber auch hier ist es nicht missbräuchlich eine andere Auffassung zu vertreten. Streitgegenstand ist vorliegend allein die Pflicht des Beklagten zur Entscheidung über den unter dem Az. 0871/21sva gestellten Kostenfestsetzungsantrag vom 14.12.2022. Es ist nicht Sache des Gerichts, die Sachentscheidung der Beklagten über den Kostenfestsetzungsantrag im Rahmen der hiesigen Untätigkeitsklage vorwegzunehmen.

Dem Bescheidungsinteresse steht auch nicht der Beschluss vom 11.03.2023 entgegen. Zutreffend weist der Prozessbevollmächtigte des Klägers darauf hin, dass in Rechtskraft grundsätzlich nur der Tenor einer gerichtlichen Entscheidung erwächst.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Berufung bedurfte der Zulassung durch das Sozialgericht, da der Wert des Beschwerdegegenstandes 750,00 Euro nicht übersteigt (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG), es sich nicht um einen Erstattungsstreit nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG handelt, und wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr nicht im Streit sind (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG). Gründe für eine Zulassung der Berufung im Sinne von § 144 Abs. 2 SGG liegen jedoch nicht vor.

Es folgt die Rechtsmittelbelehrung.


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