BESCHLUSS
In dem Rechtsstreit
xxx,
Klägerin,
Prozessbevollm.:
Rechtsanwalt Sven Adam
Lange-Geismar-Straße 55, 37073 Göttingen,
gegen
Landkreis Darmstadt-Dieburg,
vertreten durch den Kreisausschuss,
Rechtsamt,
Jägertorstraße 207, 64289 Darmstadt,
Beklagter,
hat die 16. Kammer des Sozialgerichts Darmstadt am 27. Januar 2025 durch die Vorsitzende, Richterin am Sozialgericht xxx, beschlossen:
Der Beklagte hat dem Kläger die notwendig entstandenen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
GRÜNDE
Gemäß § 193 Abs. 1 S. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) analog entscheidet das Gericht auf Antrag durch Beschluss, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben, wenn das Verfahren anders als durch Urteil beendet wird. Vorliegend wurde das Verfahren durch Erklärung des Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 16.10.2024 beendet und ein entsprechender Kostenantrag gestellt.
Die Kostengrundentscheidung richtet sich unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen des Gerichts (Rechtsgedanke des § 91a Zivilprozessordnung (ZPO) und des § 161 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO)). Grundsätzlich sind die Verfahrenskosten demjenigen aufzuerlegen, der im Verfahren unterliegt. Allerdings sind die Erfolgsaussichten sowie der tatsächliche Ausgang des Verfahrens keine alleinigen Kriterien für die Kostenentscheidung. Vielmehr hat das Gericht neben dem Ergebnis des Rechtsstreits billigerweise alle Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen. Ein möglicher Aspekt ist dabei das sog. Veranlassungsprinzip. Grundlage für die Heranziehung des sogenannten „Veranlassungsprinzips“ als Ermessensgesichtspunkt ist die Vorstellung, dass die Kosten des Gerichtsverfahrens demjenigen aufzuerlegen sind, der Anlass für den Rechtsstreit gegeben hat (vgl. HLSG, Beschl. v. 30.01.1996, Az. L 4 B 24/95, juris-Rn. 8; Beschl. v. 13.05.1996, Az. L 5 B 64/94, juris-Rn. 23; Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage 2014, § 193, Rn. 12b). Es gilt also zu prüfen, ob es sich etwa um einen von vornherein vermeidbaren oder überflüssigen Prozess gehandelt hat und wem dieses ggf. zur Last zu legen ist. Insoweit kommt es insbesondere darauf an, ob im Verlaufe des Verwaltungsverfahrens der Leistungsträger seiner Amtsermittlungspflicht und der Leistungsberechtigte seiner Mitwirkungspflicht in hinreichendem Maße nachgekommen sind.
Bleibt bei der unstreitigen Beendigung des Rechtsstreits offen, ob der Leistungsträger Anlass für den Rechtsstreit gegeben hat, der Leistungsberechtigte sich jedoch letztendlich mit seinem ursprünglichen Begehren, wenn auch in geringerer Höhe durchsetzen kann, entspricht es in Abwägung des Erfolgs- und Veranlassungsprinzips im Allgemeinen billigem Ermessen eine Kostenquotelung vorzunehmen (vgl. insb. HLSG, Beschl. v. 07.02.2003, Az. L 12 B 93/02 RJ, juris-Rn. 18; Leitherer in: a.a.O., § 193 Rn. 12 ff.).
Das Gericht hält unter Beachtung dieser Grundsätze in Ausübung seines Ermessens eine Kostenübernahme durch den Beklagten für sachgerecht.
Gegenstand des am 10.04.2024 beim Gericht erhobenen Verfahrens war der Anspruch der Klägerin auf Bescheidung ihres Antrages nach § 44 SGB X vom 30.05.2023 bezüglich des Bescheides des Beklagten vom 30.11.2022. Der Antrag wurde mit Schriftsatz vom 6.09.2023 begründet. Mit Schreiben vom 23.02.2024 regte der Beklagte das Ruhen des Verfahrens mit der Zusicherung an, dass einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts entsprechend gefolgt werden würde. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin lehnte ein Ruhen mit Schreiben vom 4.03.2024 ab. Mit Schreiben vom 15.05.2024 sicherte der Beklagte der Klägerin nochmals zu, dass einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts entsprechend gefolgt werde und sicherte darüber hinaus zu, das Nachzahlungsbeiträge ggfs. verzinst würden. Die Untätigkeitsklage wurde mit Schreiben vom 16.10.2024 zurückgenommen.
Eine Untätigkeitsklage ist gemäß § 88 Abs. 1 S. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig, wenn (1) ein Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsaktes vorliegt, (2) hierüber noch nicht entschieden worden ist und (3) seit Einlegung des Widerspruchs drei Monate verstrichen sind (sog Sperrfrist). Liegt ein zureichender Grund dafür vor, dass der beantragte Verwaltungsakt noch nicht erlassen ist, so setzt das Gericht das Verfahren bis zum Ablauf einer von ihm bestimmten Frist aus, die verlängert werden kann (Satz 2).
Die Voraussetzungen des Satzes 1 waren vorliegend erfüllt. Es lag auch kein zureichender Grund für eine abweichende Sachbehandlung nach Satz 2 vor.
Grundsätzlich kann ein zureichender Grund auf das Verhalten eines Widerspruchsführers gestützt werden, wenn aufgrund einer Vielzahl von Anträgen und Widersprüchen desselben Klägers eine vorübergehende besondere Belastungssituation bei der angegangenen Behörde eintritt (BeckOGK/Diehm, 1.11.2024, SGG § 88 Rn. 60, beck-online). Unter Bezugnahme auf die benannte Entscheidung des Hessischen Landessozialgerichts vom 15.07.2008, Az: L 9 B 39/08 SO, liegt vorliegend keine entsprechende Belastungssituation vor. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin zwar mehrere Verfahren führte, jedoch mit thematisch rechtlich-identischen Inhalt. Der Beklagte hatte sich auch bereits mit der Thematik auseinandergesetzt und der Klägerin vor der Untätigkeitsklage mitgeteilt, dass der Widerspruch derzeit abschlägig zu entscheiden wäre, aber ein Ruhen angeboten. Es ist somit nicht ersichtlich, dass der Beklagte aufgrund der Anträge und Widersprüche nicht in der Lage gewesen wäre, eine Bescheidung innerhalb der gesetzlichen Frist herbeizuführen.
Soweit der Beklagte geltend macht, dass es ausgereicht hätte, die Untätigkeitsklage im Parallelverfahren zu erheben, führt dies zu keiner anderen Entscheidung. Da es sich in den Verfahren um unterschiedliche Streitgegenstände handelt, steht der Klägerin in jedem der Verfahren die Erhebung einer Untätigkeitsklage zu.
Vorliegend ist nicht ersichtlich, aus welchen Gründen die Einhaltung der Sperrfrist nicht möglich gewesen sein sollte. Diese Verzögerung muss sich der Beklagte anlasten lassen, sodass die Kostenauferlegung vorliegend sachgerecht ist. Die Beschwerde gegen diesen Beschluss ist ausgeschlossen, § 172 Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG).