BESCHLUSS
In dem Rechtsstreit
xxx
– Antragsteller –
Prozessbevollm.:
Rechtsanwalt Sven Adam,
Lange Geismarstraße 55, 37073 Göttingen
gegen
Landeshauptstadt Erfurt,
vertreten durch den Oberbürgermeister,
Fischmarkt 1, 99084 Erfurt
– Antragsgegnerin –
hat die 6. Kammer des Sozialgerichts Gotha durch ihre Vorsitzende, Richterin am Sozialgericht xxx, ohne mündliche Verhandlung am 24. Februar 2025 beschlossen:
1. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Kürzungsbescheid vom 14. Dezember 2024 wird mit Wirkung ab 1. Januar 2025 angeordnet und die Antragsgegnerin verpflichtet, dem Antragsteller ab 1. Januar 2025 vorläufig und unter dem Vorbehalt der Rückforderung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Widerspruch, längstens aber bis zum 31. Mai 2025 Barleistungen in Höhe von insgesamt 441,00 € monatlich zu gewähren. Im Übrigen wird der Antrag abgewiesen.
2. Die Antragsgegnerin hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Antragstellers zu erstatten.
3. Dem Antragsteller wird zur Durchführung des Verfahrens Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung ab dem 23. Dezember 2024 bewilligt und antragsgemäß Rechtsanwalt Sven Adam, Lange-Geismar-Straße 55, 37073 Göttingen beigeordnet.
GRÜNDE
I.
Der Antragsteller begehrt im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes die ungekürzte Auszahlung von Barleistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG).
Der 1986 geborene Antragsteller iranischer Staatsangehörigkeit wurde als Asylsuchender mit Zuweisungsentscheidung des Thüringer Landessozialgerichts vom 9. November 2023 der Antragsgegnerin, und von dieser der Gemeinschaftsunterkunft xxx in Erfurt zugewiesen und erhält Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz.
Zuletzt bewilligte die Antragsgegnerin ihm mit Bescheid vom 27. Mai 2024 Barleistungen „für den Monat Juni 2024“ in Höhe von 460,00 €. Die Bedarfe für Unterkunft, Heizung, Hausrat, Wohnungsinstandhaltung und Haushaltsenergie wurden als Sachleistung gewährt. Unter den allgemeinen Hinweisen war ausgeführt: „Tritt keine Änderung ein, erfolgt antragslos aufgrund stillschweigender monatlicher Neubewilligung die Weiterzahlung der Leistung in der in diesem Bescheid angegebenen Höhe.“
Der Bescheid enthielt folgende Rechtsmittelbelehrung:
„Gegen diesen Bescheid kann innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe Widerspruch erhoben werden. Der Widerspruch ist an die Stadtverwaltung Erfurt, Amt für Soziales, Juri-Gagarin-Ring 150, 99084 Erfurt zu richten. Er kann schriftlich oder durch Erklärung zur Niederschrift eingelegt werden. Der Widerspruch kann auch mittels De-Mail mit Absenderbestätigung im Sinne des § 5 Abs. 5 des De-Mail-Gesetzes an die De-Mail-Adresse stadtverwaltung@erfurt.de-mail.de erhoben werden. Die Einlegung des Widerspruchs mittels einfacher E-Mail genügt nicht den Anforderungen an die Schriftform.“
In den Monaten Juni 2035 und den Folgemonaten wurden 460,00 € ausgezahlt.
Bereits mit Bescheid vom 15. Februar 2024 wurde der Asylantrag des Antragstellers nach § 29 des Asylgesetzes (AsylG) als unzulässig abgewiesen. In demselben Bescheid wurde außerdem festgestellt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 im Sinne des Gesetzes über den Aufenthalt, die Erwerbsfähigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet (Aufenthaltsgesetz – AufenthG -) nicht vorliegen; zudem wurde die Abschiebung nach Kroatien angeordnet und das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG auf 19 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet.
Dagegen erhob der Antragsteller durch den Bevollmächtigten Klage vor dem Verwaltungsgericht Meiningen erhoben und beantragte daneben die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom 15. Februar 2024. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung wurde mit Beschluss des Verwaltungsgerichts Meiningen vom 30. Mai 2024 abgelehnt.
Mit Schreiben vom 3. Juni 2024 übersandte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge der Ausländerbehörde der Antragsgegnerin den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 30. Mai 2024 und teilte mit, dass die Abschiebungsanordnung seit dem 30. Mai 2024 vollziehbar sei.
Mit Schreiben der Ausländerbehörde vom 22. August 2024 wurde dem Antragsteller die Überstellung nach Kroatien angekündigt. Der Antragsteller wurde aufgefordert, sich zwecks Aufenthaltsbeendigung am 21. Oktober 2024 in der Zeit von 0:00 bis 06:00 Uhr in der ihm zugewiesenen Unterkunft in 99086 Erfurt, xxx bereit zu halten.
Am 21. Oktober 2024 wurde der Fortzug des Antragstellers nach unbekannt festgestellt.
Mit Fax ebenfalls vom 21. Oktober 2024 stornierte das Thüringer Landesverwaltungsamt den für den Antragsteller für denselben Tag um 7:20 Uhr vorgesehenen Flug nach Kroatien, da der Antragsteller nach Auskunft der Thüringer Landespolizei unbekannten Aufenthaltes war.
Mit Schreiben vom 5. November 2024 wurde der am 24. Oktober 2024 erfolgte Zuzug des Antragstellers von unbekannt in die bisherige Gemeinschaftsunterkunft gemeldet.
Am 7. November 2024 wurde die Überstellungsfrist bis zum 30. November 2025 verlängert.
Mit Bescheid vom 14. November 2024 wurden dem Antragsteller „für den Monat Dezember 2024“ Barleistungen in Höhe von 242,00 € gewährt. Die Bedarfe für Unterkunft, Heizung, Hausrat, Wohnungsinstandhaltung und Haushaltsenergie erfolgten wieder als Sachleistung. Zugleich wurde die bisherige Leistungsgewährung wurde ab dem 1. Dezember 2024 aufgehoben. Zur Begründung der Leistungseinschränkung wurde auf § 1a Abs. 3 AsylbLG verwiesen. Am 21. Oktober 2024 hätten aufenthaltsbeendende Maßnahmen in der dem Antragsteller zugewiesenen Gemeinschaftsunterkunft aufgrund unbekannten Aufenthalts nicht vollzogen werden können. Dem Antragsteller sei bekannt, dass aufgrund des eingestellten Asylverfahrens eine Ausreisepflicht bestehe. Die Abwesenheit in Form des Untertauchens, mithin das sich an einen unbekannten Ort begeben und sich so des Zugriffes der Ausländerbehörde zu entziehen, stelle einen durch den Antragsteller selbst zu vertretenden Grund dar. Weiter wurde ausgeführt, dass dem Antragsteller bis zu seiner Ausreise oder der Durchführung seiner Abschiebung nur noch Leistungen zur Deckung seines Bedarfs an Ernährung und Unterkunft einschließlich Heizung sowie Körper- und Gesundheitspflege gewährt würden. Zudem wurde darauf hingewiesen, dass die Anspruchsminderung nach § 14 Abs. 1 AsylbLG auf sechs Monate begrenzt sei. Eine Heilung der Einschränkung könne durch Ausreisen oder durch Beibringen von Nachweisen zur Identitätsklärung erfolgen. Bereits Versuche zur Klärung beispielsweise durch die Vereinbarung und Wahrnehmung von Terminen bei der Auslandsvertretung im Heimatlandes oder das Beschaffen von persönlichen Dokumenten, die eine Identität erkennen ließen, könnten im Einzelfall zur Aufhebung der Leistungseinschränkung führen.
Die dem Bescheid beigefügte Rechtsbehelfsbelehrung war identisch mit der zum Bescheid vom 27. Mai 2024.
Am 23. Dezember 2024 hat der Antragsteller anwaltlich vertreten Widerspruch gegen den Bescheid vom 27. Mai 2024 eingelegt und bezüglich der Widerspruchsfrist auf die fehlerhafte Rechtsbehelfsbelehrung verwiesen.
Ebenfalls am 23. Dezember 2024 hat der Antragsteller einstweiligen Rechtsschutz vor dem Sozialgericht beantragt.
Zur Begründung trägt der Bevollmächtigte nach erfolgter Akteneinsicht mit Schriftsatz vom 9. Januar 2025 vor, dass der Bescheid vom 14. November 2024 dem Antragsteller nicht bekannt gegeben worden sei, allerdings erfasse der Widerspruch vom 23. Dezember 2024 auch den Bescheid vom 14. November 2024. Hilfsweise werde jedoch auch gegen diesen Bescheid Widerspruch eingelegt.
In der Sache wird ausgeführt, es sei unklar, woraus die Antragsgegnerin eine aufenthaltsrechtliche Aufenthaltspflicht in der Adresse der Sammelunterkunft ableite. Eine Nachtzeitverfügung oder ähnliches lasse sich der Sozialleistungsakte nicht entnehmen.
Daneben sei die Leistungseinschränkung nach § 1a Abs. 3 AsylbLG im Falle des Verstoßes gegen eine vermeintliche Aufenthaltspflicht verfassungswidrig. Auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zu den strengen Anforderungen der Verhältnismäßigkeit von Sanktionen (BVerfG, Urteil vom 5. November 2019, Az.: 1 BvL 7/16) werde verwiesen. Diese zugrunde gelegt bedürfe es einer einerseits einer Eignung, Erforderlichkeit und Angemessenheit der Sanktion in § 1a Abs. 3 AsylbLG bezogen auf die jeweils unter Sanktion gestellt vermeintliche Mitwirkungspflicht und andererseits der Möglichkeit für die sanktionierte Person, die Minderung existenzsichernder Leistungen durch eigenes Verhalten abzuwenden. Beides sei vorliegend nicht gegeben. Die Sanktion sei nicht geeignet, das Ziel – die Anwesenheit zum Zeitpunkt der versuchten Abschiebung – zu erreichen, da die versuchte Abschiebung bereits gescheitert sei. Es sei auch nicht erwiesen, dass eine Sanktion nach § 1a Abs. 3 AsylbLG zur Einhaltung einer Anwesenheitspflicht für etwaige weitere Abschiebeversuche führe. Die von der Sanktion im Fall des (nur) vermeintlichen Verstoßes gegen eine Anwesenheitspflicht betroffene Person habe keinerlei Möglichkeit, durch eigenes Verhalten die Sanktion abzuwenden oder die Voraussetzungen zu schaffen, die Leistungen ungekürzt zu erhalten.
Daneben sei die Regelung des § 1a AsylbLG ist evident verfassungswidrig, da sie das durch Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG garantierte Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums (verletze, auf das ein unmittelbar verfassungsrechtlicher Leistungsanspruch bestehe. Auf die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts vom 9. Februar 2010, Az.: BvL 1/09, BVerfGE 125, 175, vom 18. Juli 2012, Az.: 1 BvL 10/10 und 1 BvL 2/11, und vom 5. November 2019, Az.: 1 BvL 7/16 werde verwiesen.
Der Antragsteller beantragt sinngemäß,
die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Kürzungsbescheid vom 14. November 2024 anzuordnen und die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, dem Antragsteller vorläufig und unter dem Vorbehalt der Rückforderung bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über den Widerspruch des Antragstellers vom 23. Dezember 2024 Barleistungen in gesetzlicher Höhe ab Antragstellung (23. Dezember 2024) zu gewähren.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Sie erklärt, die mit Bescheid vom 14. November 2024 ab 1. Dezember 2024 verfügte Leistungsbeschränkung ergebe sich daraus, dass der Antragsteller sei dem 30. Mai 2024 vollziehbar ausreisepflichtig sei. Gründe zu einer Aussetzung der Abschiebung lägen nicht vor.
Die Nichtanwesenheit des Antragstellers bilde weder den Sanktionsgrund noch die vermutete Strafcharakteristik der Leistungseinschränkung, vielmehr sei diese Anlass zur Anwendung der Sanktionierung. Sanktioniert wird der illegale, nicht geduldete Aufenthalt im Bundesgebiet. Die Nichtanwesenheit durch gezieltes Untertauchen entgegen der beauflagten Anwesenheitspflicht stelle dabei lediglich den selbst zu vertretenden Grund dar, der – im Sinne der Gesetzgebung – zur tatsächlichen Nichtvollziehbarkeit der Maßnahme geführt habe.
Die vom Antragsteller vertretene Auffassung, durch seine regelmäßige Anwesenheit mache der Antragsteller einen Vollzug von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen wieder möglich, verkenne den Sanktionsgedanken des § 1a AsylbLG. Nicht die Abwesenheit in der Unterkunft bilde den Kern der Sanktion, sondern das widerrechtliche Aufhalten im Bundesgebiet. Soweit man der Argumentation folgen wolle, durch die regelmäßige Anwesenheit sei ein Vollzug aufenthaltsbeendender Maßnahmen nicht mehr an selbst zu vertretenden Gründen des Leistungsempfängers gescheitert, unterfalle dieser weiterhin der Sanktionierung aus § 1a Abs. 1 AsylbLG.
Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Leistungsbeschränkung des § 1a Abs. 3 AsylbLG bestünden nicht, da gerade kein Recht auf ein voraussetzungsloses Existenzminimum bestehe. Auf die Beschlüsse des Bayerischen Landessozialgerichts vom 11. November 2016, Az.: L 8 AY 29/16 B ER und des Landessozialgerichtes Niedersachsen-Bremen vom 17. Dezember 2024, Az.: L 15 SO 49/24 B ER) werde verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtschutzes ist nach § 86b des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthaft.
Dabei ist zunächst im Wege der Auslegung davon auszugehen, dass der anwaltlich vertretende Antragsteller die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid über die Einschränkung von Leistungen (im Folgenden auch Kürzungsbescheid genannt) vom 14. November 2024 nach § 86b Abs. 1 Nr. 2 SGG begehrt, denn dieser hat nach § 11 Abs. 4 Nr. 2 AsylbLG keine aufschiebende Wirkung.
Daneben wird die ungekürzte Auszahlung der Barleistungen im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 86b Abs. 2 SGG verfolgt. Zwar würde mit der Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Kürzungsbescheides vom 14. November 2024 der Bewilligungsbescheid vom 27. Mai 2024 wieder seine Wirkung entfallen und die bewilligten Leistungen wären uneingeschränkt zu gewähren. Allerdings wurden mit Bescheid vom 27. Mai 2024 die Barleistungen nach § 3a AsylbLG nicht unbefristet oder bis auf weiteres ab Juni 2024 bewilligt, sondern ausdrücklich nur für den Monat Juni 2024. Für die Folgemonate ist keine schriftliche Bewilligung erfolgt. Soweit gleichwohl in den Folgemonaten die Barleistungen in gleicher Höhe ausgezahlt worden sind, ist die Bewilligung nicht mittels Verwaltungsakt vom 27. Mai 2024, sondern nach § 33 Abs. 2 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) auf andere Weise – nämlich wie im Bescheid vom 27. Mai 2024 festgehalten „antragslos aufgrund stillschweigender monatlicher Neubewilligung“ – und damit konkludent durch Auszahlung erfolgt (vgl. hierzu: Bundessozialgericht, Urteil vom 17. Juni 2008, Az.: B 8/9b AY 1/07 R, zitiert nach juris). Mangels Bewilligungsbescheid für die Monate ab Juli 2024 bis heute wäre daher noch eine einstweilige Anordnung zu treffen, damit bei Anordnung der der aufschiebenden Wirkung des Kürzungsbescheides vom 14. November 2024 auch eine vorläufige Nachzahlung der gekürzten Leistungen gewährleistet ist.
Die so zu verstehenden Anträge sind auch zulässig, insbesondere steht ihnen nicht nach § 77 SGG die Bindungswirkung der Bescheide vom 27. Mai 2024 und 14. November 2024 entgegen.
Zwar wurde gegen den mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehenen Bescheid vom 27. Mai 2024 erst am 23. Dezember 2024 und damit nicht innerhalb der Monatsfrist nach § 84 Abs. 1 Satz 1 SGG Widerspruch eingelegt. Jedoch gilt hier die Jahresfrist nach § 66 Abs. 2 SGG, denn die Rechtsbehelfsbelehrung ist unrichtig, weil unvollständig (zu dem Erfordernis einer vollständigen Rechtsbehelfsbelehrung und den Anforderungen s. beispielhaft Bundessozialgericht, Urteil vom 27. September 2023, Az.: B 7 AS 10/22 Rdnr. 16, 17, Hessisches Landessozialgericht, Beschluss vom 11. November 2024, Az.: L 4 AY 13/24 ER, Rdnr. 32 f, jeweils zitiert nach juris).
Nach § 84 Abs. 1 SGG ist der Widerspruch binnen eines Monats, nachdem der Verwaltungsakt dem Beschwerten bekanntgegeben worden ist, schriftlich, in elektronischer Form nach § 36 a Abs. 2 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch (SGB I), schriftformersetzend nach § 36a Abs. 2a SGB I und § 9a Abs. 5 des Onlinezugangsgesetzes oder zur Niederschrift bei der Stelle einzureichen, die den Verwaltungsakt erlassen hat.
In der Rechtsmittelbelehrung zum Bescheid vom 27. Mai 2024 wird neben der Möglichkeit, den Widerspruch schriftlich oder durch Erklärung zur Niederschrift einzulegen, auch ausgeführt, dass der Widerspruch mittels De-Mail mit Absenderbestätigung im Sinne des § 5 Abs. 5 des De-Mail-Gesetzes die De-Mail-Adresse der Antragsgegnerin erhoben werden könne. Diese ist eine Möglichkeit, mit der nach § 36a Abs. 2a Nr. 3b) SGB I die Schriftform ersetzt werden kann. Auf die weiteren Möglichkeiten, mit denen die Schriftform nach § 36a Abs. 2a SGB I ersetzt werden kann, wurde ebenso wenig hingewiesen wie auf die Möglichkeit, nach § 36a Abs. 2 SGB I ein elektronisches Dokument, das mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen ist, einzureichen.
Durch die unvollständige Aufzählung kann aber bei dem Betroffenen ein Irrtum herbeigeführt werden, der ihn davon abhalten könnte, den Rechtsbehelf überhaupt, rechtzeitig oder in der richtigen Form einzulegen (Bundessozialgericht, Urteil vom 27. September 2023, Az.: B 7 AS 10/22 R, Rdnr. 14, zitiert nach juris).
Der Kürzungsbescheid vom14. November 2024 war mit der gleichen fehlerhaften Rechtsbehelfsbelehrung versehen, sodass er ebenfalls noch nicht bestandskräftig geworden und damit vom Widerspruch vom 23. Dezember 2024 gegen den Bescheid vom 27. Mai 2024 umfasst ist. Dessen ungeachtet wäre der mit Schriftsatz vom 3. Februar 2025 mitgeteilte Widerspruch gegen den Bescheid vom 14. November 2025 ebenfalls noch in der aus vorstehenden Gründen auch für diesen Bescheid geltenden Jahresfrist erfolgt.
Die Anträge sind auch im tenorierten Umfang begründet.
Zum Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Kürzungsbescheides vom 14. November 2024
Nach § 86 b Abs. 1 Satz Nr. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag, in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung umfasst auch die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung in den Fällen, in denen die Behörde einen Sofortvollzug angeordnet hat.
Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung erfolgt im Rahmen der Interessenabwägung zwischen dem öffentlichen Interesse am Sofortvollzug und dem Individualinteresse am Aufschub der Vollziehung. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs oder der Klage ist in aller Regel bereits dann anzuordnen, wenn sich der angefochtene Bescheid als offensichtlich rechtswidrig erweist. Ein überwiegendes Interesse an der sofortigen Vollziehung ist dagegen dann anzunehmen, wenn der angefochtene Verwaltungsakt offensichtlich rechtmäßig ist. Bei offenen Erfolgsaussichten hat eine allgemeine Abwägung der beteiligten Interessen unter Berücksichtigung der Erfolgsaussichten stattzufinden. Hierbei haben die privaten Belange des Interesses an der Aussetzung der Vollziehung in der Regel mehr Gewicht, wenn der Klageerfolg überwiegend wahrscheinlich ist. Die Prüfung, ob der angefochtene Bescheid offensichtlich rechtwidrig oder rechtmäßig ist, hat im Rahmen der summarischen Prüfung zu erfolgen, das bedeutet, es findet keine vollständige und abschließende Aufklärung der Sach- und Rechtslage stattfindet.
Der Kürzungsbescheid vom 14. November 2024 ist bereits formell rechtswidrig, da er ohne die nach § 24 Abs. 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) vorzunehmende Anhörung erfolgt ist, die auch nicht nach Absatz 2 entbehrlich ist.
Allerdings führt die fehlende Anhörung allein nicht zu einer offensichtlichen Rechtswidrigkeit, die das Interesse an der Aussetzung der Vollziehung überwiegt, denn die Verletzung dieser Verfahrensvorschrift ist nach § 41 Abs. 1 Nr. 3 SGB X unbeachtlich, wenn die Anhörung nachgeholt wird. Dieses ist nach § 41 Abs. 3 SGB X bis zur letzten Tatsacheninstanz möglich.
Der Bescheid vom 14. November 2024 ist aber nach der vorzunehmenden summarischen Prüfung auch in materiell-rechtlicher Hinsicht überwiegend rechtswidrig.
Der Antragsteller ist nach der nur summarisch vorzunehmenden Prüfung des Sachverhaltes nach § 1 Abs. 1 Nr. 5 AsylbLG leistungsberechtigt, da er vollziehbar ausreisepflichtig ist und Anspruch auf Grundleistung nach §§ 3, 3a AsylbLG hat.
Allerdings kann dieser Anspruch nach § 1a AsylbLG eingeschränkt werden.
Die Antragsgegnerin hat die Leistungseinschränkung auf § 1a Abs. 3 Satz 1 AsylbLG gestützt. Danach erhalten Leistungsberechtigte nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 und 5, bei denen aus von ihnen selbst zu vertretenden Gründen aufenthaltsbeendende Maßnahmen nicht vollzogen werden können, ab dem auf die Vollziehbarkeit einer Abschiebungsandrohung oder Vollziehbarkeit einer Abschiebungsanordnung folgenden Tag nur Leistungen entsprechend Absatz 1.
Der Antragsteller hat die Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt.
Vorliegend war mit Schreiben vom 22. August 2024, das dem Antragsteller mit Postzustellungsurkunde zugestellt worden war, eine Überstellung des Antragstellers für den 21. Oktober 2021 angeordnet worden. Die Überstellung konnte aber nicht durchgeführt werden. Der für den Antragsteller gebuchte Rückflug nach Kroatien musste storniert werden. Damit konnte eine aufenthaltsbeendende Maßnahme nicht vollzogen werden. Die Maßnahme war auch aus Gründen, die vom Antragsteller selbst zu vertreten waren, nicht vollziehbar. Mit der am 22. August 2024 schriftlich angekündigten Überstellung war dem Antragsteller aufgegeben worden, sich zwecks Aufenthaltsbeendigung am 21. Oktober 2024 in der Zeit von 0:00 Uhr bis 06:00 Uhr in seinem zugewiesenen Zimmer Nr. K2/1 in der ihm zugewiesenen Unterkunft in 99086 Erfurt, xxx, bereit zu halten. Für den Fall, dass er sich aufgrund von natürlichen Bedürfnissen nicht im zugewiesenen Zimmer aufhalten sollte, war er aufgefordert worden, sich entsprechend den vor Ort eingesetzten Polizeikräften kenntlich zu machen. Ebenso sollte er der Ausländerbehörde sowie den vor Ort anwesenden Mitarbeitern (Sozialarbeiter / Sozialamt / Sicherheitsdienst) schriftlich und oder mündlich über eine entsprechende geplante oder ungeplante Abwesenheit mitteilen. Sollte ein medizinischer Notfall eintreten, wäre die Ausländerbehörde unverzüglich und zeitnah in Kenntnis hierrüber zu setzen. Sollte der medizinische Notfall am Tag der Maßnahme ereignen, wäre hinaus ebenso die Polizei von Antragsteller informiert werden. Die Ausländerbehörde sollte darüber hinaus sofort über jede etwaige Änderung in der Person des Antragstellers oder dessen Aufenthaltsstatus schriftlich per E-Mail, Post oder persönlich informiert werden. Am 21. Oktober 2024 wurde der Antragsteller aber nicht in der Unterkunft angetroffen und sein Aufenthalt war unbekannt. Der Antragsteller hat keine Mitteilung über seine Abwesenheit gemacht. Ein medizinischer Notfall war ebenfalls nicht gemeldet worden. Gründe, warum der Antragsteller entgegen der ausdrücklichen Vorgaben im Schreiben vom 22. August 2024, die Ausländerbehörde und die vor Ort anwesenden Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen nicht über seine Abwesenheit informieren konnte, sind weder ersichtlich noch vorgetragen worden.
Gleichwohl ist die Leistungseinschränkung rechtswidrig, da sie für den falschen Zeitraum erfolgt ist. Nach dem eindeutigen Wortlaut beginnt die Leistungseinschränkung nach § 1a Abs. 3 AsylbLG ab dem auf die Vollziehbarkeit einer Abschiebungsandrohung oder Vollziehbarkeit einer Abschiebungsanordnung folgenden Tag (Hessisches Landessozialgericht, Beschluss vom 11. November 2024, Az.: L 4 AY13/24 BER, Rdnr. 40, zitiert nach juris, bestätigend: Oppermann in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 4. Aufl., § 1a AsylbLG, Rdnr 74, 74.1 (Stand 14. Januar 2025)). Dieses führt zwar in der Praxis dazu, dass berechtigte Leistungskürzungen für zurückliegende Zeiträume nur noch nach Maßgabe der §§45 oder 48 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) durchgesetzt werden und damit ins Leere laufen könnten. Die Auffassung, die Anspruchseinschränkung trete erst ab dem Zeitpunkt ein, zu dem allein ein vom Leistungsberechtigten zu vertretender Grund für den Nichtvollzug der aufenthaltsbeendenden Maßnahme vorliegt, lässt aber sich nicht mit dem Normtext vereinbaren (Hessisches Landessozialgericht a. a. O.). Da es sich bei der Leistungseinschränkung um Eingriffsverwaltung handelt, ist eine solche Auslegung der Vorschrift gegen den eindeutigen Wortlaut der Vorschrift zum Nachteil der Betroffenen nicht möglich.
Dem folgend beginnt hier die Leistungseinschränkung nach § 1a Abs. 3 AsylbLG am 31. Mai 2024, da mit der Ablehnung des Antrags auf Herstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den abgelehnten Asylantrag mit Beschluss des Verwaltungsgerichts Meiningen am 30. Mai 2024 die Anordnung der Abschiebung nach Kroatien aus dem Bescheid vom 15. Februar 2024 vollziehbar geworden ist.
Nach § 14 Abs. 1 AsylbLG sind dabei die Anspruchseinschränkungen auf sechs Monate zu befristen. Die Frist von sechs Monaten beginnt mit Wirkung der Anspruchseinschränkung. Der Zeitpunkt der Bekanntgabe des Verwaltungsaktes ist nicht maßgebend (Adolph in Hailbronner, Ausländerrecht, § 14 AsylbLG, Dauer der Anspruchseinschränkung II.1 (Rdnr. 6).
Ausgehend von einem Beginn der Leistungseinschränkung am 31. Mai 2024 endet die Leistungseinschränkung am 30. November 2024. Mit Bescheid vom 14. November 2024 wurde aber eine Leistungsbeschränkung für Dezember 2024 vorgenommen, die damit außerhalb der Frist liegt.
Die Leistungseinschränkung für Dezember 2024 und konkludent wohl auch für die Folgemonate (wird ausgeführt) ist auch nicht durch § 14 Abs. 2 AsylbLG gedeckt. Danach ist Anschluss die Anspruchseinschränkung bei fortbestehender Pflichtverletzung fortzusetzen, sofern die gesetzlichen Voraussetzungen der Anspruchseinschränkung weiterhin erfüllt werden.
Da die Leistungseinschränkung kraft Gesetzes endet, bedarf es nach Ablauf dieses Zeitraums der Überprüfung, ob die Anspruchseinschränkung aufrechterhalten bleiben kann. D. h., die Behörde muss erneut prüfen, ob die Pflichtverletzung andauert und die Voraussetzungen für eine Anspruchsänderung weiterhin erfüllt werden Die Formulierung „weiterhin erfüllt“ weist darauf hin, dass allein das zurückliegende Fehlverhalten, unabhängig davon, ob es bereits korrigiert wurde oder nicht, eine Sanktion nach sechs Monaten nicht mehr rechtfertigt (Adolph a. a. O, Rdnr. 10, vgl. auch Oppermann in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 4. Aufl., § 14 AsylbLG, Rdnr. 21(Stand 14. Januar 2025). Aus Sinn und Zweck der Vorschrift ergibt sich zudem, dass ein Fehlverhalten, das der Behörde bekannt ist, nach Ablauf von sechs Monaten auch erstmals nicht mehr sanktioniert werden kann, wenn es nicht mehr vorliegt (Adolph a. a. O. Rdnr. 12).
§ 14 Abs. 2 AsylbLG findet vorliegend keine Anwendung. Die aus vom Antragsteller zu vertretenden Gründen fehlgeschlagene Überstellung am 21. Oktober 2024 kann nach Ablauf der sechs Monatsfrist am 30. November 2024 nicht erstmals im Dezember 2024 sanktioniert werden. Auch stellt sie keine andauernde Pflichtverletzung dar.
Der Antragsteller hat allerding auch den Tatbestand der der Leistungskürzung nach § 1a Abs. 1 AsylbLG erfüllt. Der Umstand, dass sich der Kürzungsbescheid vom 14. November 2024 nicht auch auf diese Vorschrift stützt, ist insoweit unschädlich, da die Rechtsgrundlagen ausgetauscht werden können.
Nach § 1a Abs. 1 AsylbLG haben Leistungsberechtigte nach § 1 Abs. 1 Nr. 5, für die ein Ausreisetermin und eine Ausreisemöglichkeit feststehen, ab dem auf den Ausreisetermin folgenden Tag keinen Anspruch auf Leistungen nach den §§ 2, 3 und 6, es sei denn, die Ausreise konnte aus Gründen, die sie nicht zu vertreten haben, nicht durchgeführt werden.
Für den Antragsteller als Leistungsberechtigter nach § 1 Abs. 1 Nr. 5 AsylbLG stand am 21. Oktober 2024 ein Ausreisetermin und eine Ausreisemöglichkeit fest. Es war für den 21. Oktober 2024 für den Antragsteller ein Rückflug nach Kroatien gebucht. Die Ausreise ist aus vom Antragsteller aus oben ausgeführten Gründen, die er zu treten hat, vertretenden durchgeführt worden.
Die Anspruchseinschränkung nach § 1a Abs. 1 AsylbLG beginnt ab dem auf den Ausreisetermin folgenden Tag, hier also dem 22. Oktober 2024, und endet nach § 14 Abs. 1 AsylbLG nach sechs Monaten, mithin am 21. April 2024. Die vom Antragsteller für Dezember 2024 ausgesprochene Leistungskürzung ist damit vom Leistungszeitraum umfasst.
Allerdings ist die Anspruchseinschränkung nach dem Wortlaut des Bescheides vom 14. Dezember 2024 ausdrücklich nur für Dezember 2024 ausgesprochen worden. Eine konkludente Leistungskürzung auf sonstige Weise durch Auszahlung nur der gekürzten Leistungen ist rechtlich fragwürdig. Im Bereich der Eingriffsverwaltung, zu der die Anspruchseinschränkung gehört, sind erhöhte Anforderungen an die Bestimmtheit zu stellen.
Der Betroffene muss wissen, warum und für welchen Zeitraum in seine Rechte – hier Anspruch auf ungekürzte Leistungen – eingegriffen wird.
Der Hinweis „Die Leistungsbewilligung gilt für den angegebenen Monat und unter dem Vorbehalt, dass sich die von Ihnen angegebenen und der Bewilligung zugrunde gelegten Verhältnisse nicht ändern bzw. den Tatsachen entsprechen“ zusammen mit dem Hinweis „Tritt keine Änderung ein, erfolgt antragslos aufgrund stillschweigender monatlicher Neubewilligung die Weiterzahlung der Leistung in der in diesem Bescheid angegebenen Höhe. Ändern sich die Verhältnisse und Anspruchsgrundlagen, entfällt ab diesem Zeitpunkt der Rechtsanspruch auf bereits zuerkannte oder gezahlte Leistungen. Zahlungen, die über diesen Zeitpunkt gewährt werden, erfolgen ohne Rechtsanspruch und sind zu erstatten. Das gilt auch dann, wenn sich im Laufe eines Zahlungszeitraumes Änderungen ergeben.“, steht Widerspruch dazu, dass mit dem Bescheid eine Leistungseinschränkung ausgesprochen wurde. Er steht außerdem im Widerspruch dazu, dass im Bescheid darauf hingewiesen, wird, dass die Anspruchseinschränkung nach § 14 Abs. 1 AsylbLG auf sechs Monate begrenzt ist.
Hinzukommt, dass der Bescheid unbestimmt ist, denn es lässt sich ihm nicht zweifelsfrei entnehmen, für welchen Zeitraum die Beschränkung erfolgen soll. Das konkrete Datum des Beginns und das befristete Ende der Anspruchseinschränkung müssen in einem Verwaltungsakt ausdrücklich festgestellt werden (Oppermann a. a. O., Rdnr. 20). Im Verfügungssatz des Bescheides vom 14. November 2024 wird lediglich festgehalten, dass Barleistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz für den Monat Dezember 2024 in Höhe von insgesamt 242,00 € gewährt werden. Eine Leistungseinschränkung für andere Monate wird nicht ausdrücklich ausgesprochen. Diese ergibt sich auch nicht zweifelsfrei aus der Begründung des Bescheides. Es wird lediglich angegeben, dass die Anspruchseinschränkung nach § 14 Abs. 1 AsylbLG auf sechs Monate begrenzt ist. Dem Bescheid ist aber nicht entnehmen, für welche Monate, den Dezember 2024 ausgenommen, die Einschränkung erfolgen soll. Nach den vorstehenden Ausführungen ist die Einschränkung nur vom 22. Oktober 2024 bis 21. April 2024 möglich.
Zudem wird in der Begründung des Bescheides ausgeführt, dass dem Antragsteller bis zu seiner Ausreise oder der Durchführung seiner Abschiebung, also unbefristet, nur noch Leistungen zur Deckung ihres Bedarfs an Ernährung und Unterkunft einschließlich Heizung sowie Körper- und Gesundheitspflege gewährt werden.
Die Leistungseinschränkung ist daher nur für den Monat Dezember 2024 hinreichend bestimmt und rechtlich zutreffend ausgesprochen worden und insoweit überwiegend rechtmäßig.
Ob daneben Leistungseinschränkungen nach § 1a Abs. 2 AsylbLG (Einreise in den Geltungsbereich dieses Gesetzes, um Leistungen nach diesem Gesetz zu erhalten) oder §1a Abs. 4 AsylbLG (bestehender Drittstaatenschutz) bestehen, ist vorliegend nicht zu prüfen. Diese Einschränkungen haben eine andere Zielrichtung und knüpfen dementsprechend an ganz andere Voraussetzungen an als die Absätze 1 und 3, die eine von dem Leistungsempfänger zu vertretende Nichtdurchführbarkeit von Ausreisemöglichkeiten bzw. vom ihm zu vertretende Nichtvollziehbarkeit von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen erfordern. Eine dahingehende Umdeutung des Kürzungsbescheides vom 14. November 2024 nach § 43 SGB X ist nach der hier lediglich summarisch vorzunehmenden Prüfung nicht möglich.
Verfassungsrechtliche Bedenken an der verbleibenden Leistungseinschränkung im Monat Dezember 2024 bestehen nicht. Die Anspruchseinschränkung nach § 1a Abs. 1 AsylbLG setzt wie die des Absatzes 3 ausdrücklich ein zu beanstandendes Verhalten und ein Vertreten müssen des Leistungsberechtigten voraus. Dies entspricht dem bisherigen Sanktionssystem sowohl im Asylbewerberleistungsgesetz als im Zweiten, Dritten und Zwölften Buch Sozialgesetzbuch. Leistungsberechtigte nach dem Asylbewerberleistungsgesetz haben es wie Arbeitssuchende, Arbeitslose und Sozialhilfeempfänger selbst in der Hand, eine Leistungskürzung zu vermeiden bzw. zu beenden (siehe im Einzeln Bayrisches Landesozialgericht, Urteil vom 10. September 2024, Az.: L 8 AY 11/24, Rdnr. 87 ff, zitiert nach juris, unter Verweis auf Bundessozialgericht, Urteil vom 12. Mai 2017, Az.: B 7 AY 1/16 R, Rdnr. 32).
Den strengen Verhältnismäßigkeitsanforderungen wird durch die Härtefallregelung § 1a Abs. 1 Satz 3 AsylbLG Rechnung getragen, wonach soweit im Einzelfall besondere Umstände vorliegen, auch andere Leistungen im Sinne von § 3 Abs. 1 Satz 1 gewährt werden können (vgl. dazu Hessisches Landessozialgericht, Beschluss vom 11. November 2024, Az.: L 4 AY 13/24 B ER, Rdnr. 38, zitiert nach juris).
Ein konkret notwendiger, von den abgesenkten Leistungen nicht gedeckter persönlicher Bedarf wurde vom Antragsteller weder dargelegt noch glaubhaft gemacht. Der pauschale Vortrag der Unterschreitung des verfassungsrechtlich garantierten Existenzminimums genügt nicht.
Dessen ungeachtet gestatten verfassungsrechtliche Bedenken gegen § 1a Abs. 3 i. V. m. Absatz 1 Satz 2 AsylbLG im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes keine einstweilige Verpflichtung zu uneingeschränkten Leistungen (vgl. Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 8. November 2024, Az.: L 20 AY 16/24 B ER, Rdnr. 56). Gleiches gilt für die ebenfalls auf Vertreten des Leistungsempfängers abstellende Leistungskürzung nach § 1 Abs. 1 Satz und 2 AsylbLG und erst recht, wenn – wie hier – lediglich ein Zeitraum von acht Tagen betroffen ist. Der Antragsteller begehrt einstweiligen Rechtsschutz ab Antragstellung (23. Dezember 2024). Die Leistungseinschränkung ist lediglich bis zum 31. Dezember 2024 wirksam.
Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen den Kürzungsbescheid vom 14. November 2024 ist daher erst ab 1. Januar 2025 auszusprechen. Da die Einschränkung längstens für sechs Monate erfolgen darf, ist die aufschiebende Wirkung bis zur Entscheidung über den Widerspruch, längstens aber bis zum 31. Mai 2025 (Ablauf der mutmaßlich vom Antragsgegner gewollten Leistungsabsenkung ab 1. Dezember 2024) anzuordnen.
Zur einstweiligen Anordnung auf Zahlung der Leistungen nach §§ 3, 3a AsylbLG in uneingeschränkter Höhe
Nach § 86b Abs. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit ein Fall von § 86b Abs. 1 SGG nicht vorliegt, auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn anders die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechtes des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Satz 1). Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Satz 2). Der Antrag ist dann begründet, wenn das Gericht aufgrund hinreichender Tatsachenbasis durch Glaubhaftmachung oder im Wege der Amtsermittlung einen Anordnungsanspruch bejahen kann. Dieser liegt vor, wenn das im Hauptsacheverfahren fragliche materielle Recht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit gegeben ist. Darüber hinaus muss in Abwägung der für die Verwirklichung des Rechtes bestehenden Gefahr einerseits und der Notwendigkeit einer Regelung andererseits ein Anordnungsgrund zu bejahen sein.
Der Antragsteller hat demnach sowohl die Notwendigkeit einer vorläufigen Regelung, den sogenannten Anordnungsgrund, als auch das Bestehen eines zu sichernden Rechts, den sogenannten Anordnungsanspruch, glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 SGG i. V. m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordung (ZPO).
Es liegt kein Fall des § 86b Abs. 1 SGG vor. Wie oben ausgeführt, wurden mit Bescheid vom 27. Mai 2024 ungekürzte Barleistungen nur für den Monat Juni 2024 bewilligt. Für die Folgemonate bis November 2024 ist der ungekürzte Betrag durch Auszahlung lediglich konkludent bewilligt worden. Der Bescheid vom 27. Mai 2024 entfaltet daher mangels Regelung für die nach Juni 2024 folgenden Monate keine Regelungswirkung, die mit der Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen den Kürzungsbescheid vom 14. November 2024 wieder aufleben würde. Um im Wege des einstweiligen Rechtschutzes die Auszahlung der ungekürzten Barleistungen zu gewährleisten, ist daher noch eine Regelungsanordnung für die Dauer der angeordneten aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen den Kürzungsbescheid vom 15. November 2024 auszusprechen.
Der Antragsteller hat in den Monaten Januar 2025 bis Mai 2025 Anspruch auf ungekürzte Barleistungen, da die mit Bescheid vom 14. November 2024 vorgenommene Leistungseinschränkung aus ausgeführten Gründen insoweit offensichtlich rechtswidrig ist.
Angesichts der offensichtlichen Rechtswidrigkeit der Leistungseinschränkung, die fast 44% der ungekürzten Barleistung ausmacht, ist ein Zuwarten des Antragstellers bis zur rechtskräftigen Entscheidung über Widerspruch nicht zumutbar. Es besteht daher einen Anordnungsgrund dahingehend, dass bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Widerspruch dem die Leistungen ungekürzt ausgezahlt werden, jedoch längstens bis zum 31. Mai 2025. Danach der sechs Monatsfrist des § 14 Abs. 1 AsylbLG die Leistungen wieder uneingeschränkt gewährt werden müssten, sofern sich der Antragsteller dann immer noch in Deutschland aufhält und bis dahin nicht andere Kürzungstatbestände erfüllt sind, muss die einstweilige Anordnung nicht über den Zeitraum, für den mit Bescheid vom 14. November 2024 die Leistungen mutmaßlich gekürzt werden sollten, hinausgehen.
Die Höhe der ungekürzten Barleistungen ergibt sich aus den seit 1. Januar 2025 geltenden Sätzen nach § 3a Abs. 1 AsylbLG in der Fassung der nach § 3a Abs. 4 AsylbLG erfolgten Bekanntmachung vom 23. Oktober 2024 (BGBl. I, Nr. 325 vom 29. Oktober 2024).
Für die Bestimmung der Bedarfssätze nach § 3a AsylbLG ist dabei auch im Wege der einstweiligen Anordnung die Bedarfsstufe 1 zugrunde zu legen, da der Antragsgegner dem Antragsteller, obwohl er alleinstehenden Erwachsener in einer Sammelunterkunft ist, bereits im Bewilligungsbescheid vom 27. Mai 2024 und auch im Kürzungsbescheid vom 14. November 2024 offensichtlich in Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vom 19. Oktober 2022 (Az.: 1 BvL 3/21, zitiert nach juris) zur Verfassungswidrigkeit der Regelung in § 2 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 AsylbLG – der Bedarfsstufe 1 zugeordnet hat. Für diese Verfahrensweise spricht auch der Vorlagebeschluss des Bundessozialgerichts vom 26. September 2024, Az.: 26. September 20234 (veröffentlich in der 7. KW 2025). Dies entspricht auch den Empfehlungen des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales, die Regelungen in § 3a Abs. 1 Nr. 2b und Abs. 2 Nr. 2b AsylbLG aufgrund des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts (Bundestag, Plenarprotokoll 20/72, Stenografischer Bericht S 8440, Antwort auf Frage 24). Schließlich spricht auch der Vorlagebeschluss des Bundessozialgerichts vom 26. September 2024 (Az.: B 8 AY 1/22R, zitiert nach juris, veröffentlicht in der 7. KW 2025) für die diese Vorgehensweise. Zur Begründung des Vorlagebeschlusses hat das Bundessozialgericht ausgeführt, dass die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts zur Verfassungswidrigkeit von § 2 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 AsylbLG in der Fassung vom 13. August 2019 bei der Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit der Regelungen zum Grundleistungsbezug in § 3a Abs. 1 Nr. 2b und Abs. 2 Nr. 2b AsylbLG gleicher Weise Beachtung finden müssten und zur Verfassungswidrigkeit der Normen führten.
Die Bedarfssätze der Bedarfsstufe 1 nach § 3a Abs. 1 Nr. 2a und Abs. 2 Nr. 2a AsylbLG betragen seit 1. Januar 2025 monatlich 196,00 € und 245,00 €, zusammen also 441,00 €. Bereits seit Januar 2025 ausgezahlte Leistungen sind auf den Monat, für den die Zahlung erfolgt ist, anzurechnen.
Die vorläufige Gewährung der Leistungen in vorgenannter Höhe steht unter dem Vorbehalt der Rückforderung im Falle eines Unterliegens in der Hauptsache.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG. Da die Obsiegensquote der Antragsgegnerin marginal ist (acht Tage Obsiegen gegenüber mindesten fünf Monaten und acht Tagen Unterliegen), entspricht es billigem Ermessen, ihr in entsprechender Anordnung des § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Antragstellers ganz aufzuerlegen.
Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe erfolgt gemäß § 73a Abs. 1 S 1 SGG i. V. m. §§ 114 Abs. 1 S. 1, 121 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO). Die hinreichende Erfolgsaussicht sich aus den vorstehenden Ausführungen.
Es folgt die Rechtsmittelbelehrung.