BESCHLUSS
In dem Rechtsstreit
xxx,
– Antragstellerin –
Prozessbevollmächtigter:
Rechtsanwalt Sven Adam,
Lange Geismarstraße 55,
37073 Göttingen
gegen
Stadtverwaltung Trier,
vertreten durch den Oberbürgermeister,
Am Augustinerhof 3,
54290 Trier
– Antragsgegnerin –
hat die 3. Kammer des Sozialgerichts Trier am 17. März 2025 durch die Vizepräsidentin des Sozialgerichts xxx beschlossen:
1. Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, der Antragstellerin für die Zeit vom 11.02.2025 bis zur Entscheidung über die Widersprüche gegen die Bescheide vom 13.02.2025 und 27.02.2025 oder einer Überstellung der Antragstellerin, längstens bis zum 25.04.2025, unter Anrechnung bereits erbrachter Leistungen vorläufig Leistungen nach §§ 3, 3a Asylbewerberleistungsgesetz nach Regelbedarfsstufe 1 zu gewähren.
2. Die Antragsgegnerin trägt die außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin.
3. Der Antragstellerin wird zur Wahrnehmung ihrer Rechte in der ersten Instanz Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt Sven Adam, Göttingen, zu den Bedingungen eines im Bezirk des Sozialgerichts Trier ansässigen Rechtsanwalts bewilligt.
GRÜNDE
I.
Die Antragstellerin begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes höhere Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG).
Die im November 1971 geborene Antragstellerin ist ägyptische Staatsbürgerin. Sie reiste am 07.08.2024 über Österreich mit einem Asylgesuch in das Bundesgebiet ein und stellte am 22.08.2024 einen förmlichen Asylantrag. Zur Durchführung des Asylverfahrens war ihr eine Aufenthaltsgestattung befristet bis zum 22.02.2025 erteilt worden, eine Aufenthaltsbescheinigung wurde zwischenzeitlich bis zum 25.04.2025 ausgestellt.
Den Asylantrag der Antragstellerin lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) durch Bescheid vom 18.11.2024 als unzulässig ab. Das BAMF stellte in dem Bescheid fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) nicht vorlägen und ordnete die Abschiebung nach Österreich an. Außerdem ordnete das BAMF das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Abs. 1 AufenthG an und befristete es auf 12 Monate ab dem Tag der Abschiebung. Der Asylantrag sei gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 1 Asylgesetz (AsylG) unzulässig, da Österreich auf Grund des ausgestellten Visums gemäß Art. 12 Abs. 2 Dublin-III-VO für die Behandlung des Asylantrages zuständig sei. Das BAMF führte aus, es lägen keine Abschiebungsverbote vor. Die Antragstellerin müsse sich darauf verweisen lassen, dass sie sich bei einer Einreise in das Hoheitsgebiet der Dublin-Mitgliedsstaaten nicht einfach den Staat aussuchen dürfe, der ihr Asylgesuch prüfen solle. Dies regelten vielmehr die Zuständigkeitskriterien der Dublin-III-VO, danach sei in ihrem Fall Österreich für die Prüfung des Asylantrages zuständig. Die Antragstellerin werde auf die Möglichkeit der freiwilligen Ausreise hingewiesen, sofern dies mit allen beteiligten Stellen abgestimmt sei. Die Anordnung der Abschiebung nach Österreich beruhe auf § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG.
Durch eine Entscheidung des Landes Rheinland-Pfalz, Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion, vom 07.11.2024 wurde die Antragstellerin in den Zuständigkeitsbereich der Antragsgegnerin verteilt, die sie ab dem 03.12.2024 in der Gemeinschaftsunterkunft „Eurener Straße 50“ unterbrachte.
Am 10.12.2024 erhielt die Antragstellerin von der Antragsgegnerin einen Barscheck über 350 €.
Am 11.02.2025 legte die Antragstellerin Widerspruch gegen die Leistungsgewährung seit dem 03.12.2024 ein.
Am gleichen Tag beantragte sie beim angerufenen Gericht den Erlass einer einstweiligen Anordnung, mit der sie die vorläufige Gewährung von Leistungen begehrt.
Durch Bescheid vom 13.02.2025 gewährte die Antragsgegnerin für die Zeit vom 03.12.2024 bis vorerst 20.02.2025 (aktuelle Gültigkeit der Aufenthaltsbescheinigung) laufende Leistungen nach § 1a AsylbLG. Gemäß Bescheid des BAMF vom 18.11.2024 sei der Asylantrag nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG als unzulässig abgelehnt und die Abschiebung nach Österreich gemäß § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG angeordnet worden. Mit der Entscheidung des BAMF sei zugleich (zumindest implizit) festgestellt, dass der Antragstellerin die Ausreise rechtlich und tatsächlich möglich sei. Damit unterfalle sie dem Leistungsausschluss des § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 AsylbLG und es würden Überbrückungsleistungen in Höhe der Leistungen nach § 1a Abs. 1 AsylbLG erbracht. In Höhe von 350,00 € habe sie bereits einen Scheck erhalten, der entsprechend bei der Auszahlung berücksichtigt werde.
Die Höhe der bewilligten Leistungen berechnete die Antragsgegnerin wie folgt:
Für Dezember 2024 (03.12.2024-31.12.2024 = 29 Tage):
Bedarfe für Unterkunft und Heizung (AsylbLG) | |
Grundmiete | 320,00 € |
Netto Mietkosten | 320,00 € |
anerkannte Mietkosten für 29 Tage | 309,33 € |
Bedarfe nach dem AsylbLG | |
Leistungen nach § 1a AsylbLG (242,00 € *29/30) | 233,93 € |
Gesamtbedarf | 543,26 € |
Für Januar 2025:
Bedarfe für Unterkunft und Heizung (AsylbLG) | |
Grundmiete | 320,00 € |
Netto Mietkosten | 320,00 € |
Bedarfe nach dem AsylbLG | |
Leistungen nach § 1a AsylbLG | 232,00 € |
Gesamtbedarf | 552,00 € |
Für Februar 2025 (01.02.2025-20.02.2025 = 20 Tage):
Bedarfe für Unterkunft und Heizung (AsylbLG) | |
Grundmiete | 320,00 € |
Netto Mietkosten | 320,00 € |
anerkannte Mietkosten für 20 Tage | 213,33 € |
Bedarfe nach dem AsylbLG | |
Leistungen nach § 1a AsylbLG (232,00 € *20/30) | 154,67 € |
Gesamtbedarf | 368,00 € |
Durch Bescheid vom 27.02.2025 gewährte die Antragsgegnerin der Antragstellerin laufende Leistungen nach dem AsylbLG ab dem 21.02.2025 bis auf Weiteres, vorerst jedoch aufgrund der Befristung der Aufenthaltsgestattung bis zum 25.04.2025, gemäß § 1a AsylbLG. Die Höhe der Leistungen betrage für die Monate Februar und März 2025 insgesamt 552,00 €, für den Monat April (01.04.-25.04.) 460,00 €.
Gegen die Bescheide vom 13.02.2025 und 27.02.2025 legte die Antragstellerin Widerspruch ein, mit der Begründung, sie habe in den entsprechenden Leistungszeiträumen Anspruch auf Leistungen gemäß §§ 3, 3a AsylbLG, da die Leistungskürzung verfassungs- und europarechtswidrig sei.
Ihren Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung erklärte die Antragstellerin in Höhe der gewährten Leistungen für erledigt, den darüber hinausgehenden Antrag hielt sie aufrecht und begründeten diesen mit verfassungsrechtlichen Bedenken gegen § 1 Abs. 4 AsylbLG. Dazu trägt sie vor,
die Regelung verstoße gegen das durch Art. 1 Abs. 1 iVm Art. 20 Abs. 1 Grundgesetz (GG) gewährleistete menschenwürdige Existenzminimum. Daraus ergebe sich ein unmittelbarer verfassungsrechtlicher Leistungsanspruch, durch den die physische und soziokulturelle Existenz gesichert werden müsse. Der Staat sei im Rahmen seines Auftrages zum Schutz der Menschenwürde und in Ausfüllung seines sozialstaatlichen Gestaltungsauftrages verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass die materiellen Voraussetzungen für ein menschenwürdiges Dasein zur Verfügung stünden. § 1 Abs. 4 AsylbLG schließe die Betroffenen vollständig von Leistungen aus und beinhalte damit eine generalisierende Einschränkung, die mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen, wie sie durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bestimmt seien, nicht vereinbar sei. Die in Art. 1 Abs. 1 GG garantierte Menschenwürde sei migrationspolitisch nicht zu relativieren. Der Leistungsausschluss des § 1 Abs. 4 AsylbLG verfolge kein legitimes Ziel, denn es sollten keine asyl- oder aufenthaltsrechtliche Mitwirkungspflichten durchgesetzt werden. Vielmehr gehe es offenkundig um die repressive Sanktionierung eines Verhaltens der Betroffenen im Einzelfall, unerwünschte Sekundärmigration solle eingedämmt werden. Darüber hinaus verstoße § 1 Abs. 4 AslybLG gegen Unionsrecht, denn eine Leistungskürzung sei nur bei Stellung eines Folgeantrags oder dem Vorwurf eines pflichtwidrigen Verhaltens zulässig. Beides sei bei ihr nicht der Fall. Das auch durch das Unionsrecht gewährleistete Mindestniveau an Leistungen werde nicht gewahrt. Im Übrigen seien die Voraussetzungen des § 1 Abs. 4 AsylbLG nicht erfüllt, denn das BAMF habe nicht festgestellt, dass die Ausreise rechtlich und tatsächlich möglich sei.
Die Antragstellerin beantragt zuletzt (mit Schriftsatz vom 03.03.2025) ausdrücklich,
die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihr vorläufig und unter dem Vorbehalt der Rückforderung bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über ihren Widerspruch vom 11.02.2025 gegen die faktische Leistungsgewährung in Gestalt des Bescheides vom 13.02.2025 und den Widerspruch vom 03.03.2025 gegen den Bescheid vom 27.02.2025 in Höhe der Grundleistungen nach den §§ 3, 3a AsylbLG in der Regelbedarfsstufe 1 ab dem 11.02.2025 zu gewähren.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Die Antragsgegnerin trägt zur Begründung vor,
die Antragstellerin habe (jedenfalls im einstweiligen Rechtsschutzverfahren) keinen Anspruch auf die Gewährung höherer Leistungen. Sie gewähre Leistungen nach Maßgabe der gesetzlichen Regelung. Die Antragstellerin erfülle, wie in den streitigen Bescheiden dargestellt, die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 AsylbLG. Sie habe die Regelung auch verfassungs- und europarechtskonform ausgelegt. Dazu sei § 1 Abs. 4 Satz 6 AsylbLG im Rahmen des verbleibenden Ermessensspielraumes in zeitlicher Hinsicht extensiv ausgelegt worden und keine Beschränkung auf den vom Gesetzeswortlaut grundsätzlich vorgesehenen Zeitraum von zwei Wochen erfolgt. Die Überbrückungsleistungen würden bis zum Zeitpunkt der freiwilligen Ausreise bzw. der Überstellung in den für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Mitgliedsstaat gewährt. Die Befristung richte sich lediglich nach der Gültigkeit der von der Ausländerbehörde ausgestellten Bescheinigung über die vollziehbare Ausreisepflicht. Ob die derzeitige Aufenthaltsgestattung verlängert werde, liege nicht in ihrer Entscheidungskompetenz, eine Prognose dazu sei ihr nicht möglich. Die Überbrückungsleistungen würden auch nicht lediglich als Sachleistungen, sondern als Geldleistungen gewährt. Eine Versorgung der Antragstellerin mit Wohnraum und Verpflegung sei gewährleistet. Die Befriedigung elementarster Grundbedürfnisse sei – ohne zeitliche Begrenzung – in Form von Geldleistungen sichergestellt. Eine Klärung der offenen Rechtsfragen im Rahmen des laufenden Widerspruchs- und möglichen Klageverfahrens sei zumutbar.
Mit dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat die Antragstellerin unter Vorlage der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse die Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt Sven Adam, Göttingen, beantragt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Prozessakte sowie der von der Antragsgegnerin vorgelegten Verwaltungsakte Bezug genommen.
II.
Der auf § 86b Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) gestützte Antrag ist zulässig und begründet. Der Antragstellerin sind vorläufig Leistungen nach §§ 3, 3a AsylbLG zu gewähren.
Nach § 86b Abs. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache, sofern kein Fall der Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung bzw. der sofortigen Vollziehung gemäß § 86b Abs. 1 SGG vorliegt, auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Satz 1). Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Satz 2).
Vorliegend kommt eine Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG in Betracht, da die vorläufige Begründung einer Rechtsposition begehrt wird. Eine Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Widersprüche scheidet vorliegend aus. Mit dieser könnte weder das Rechtsschutzziel der Antragstellerin erreicht noch ihre Rechtsposition verbessert werden, denn für den hier streitigen Zeitraum vom 11.02.2025 bis 25.04.2025 liegt keine vorgehende (höhere) Leistungsbewilligung vor.
Der begehrte Rechtsschutz kann dann gewährt werden, wenn die Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, zur Abwendung wesentlicher Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen notwendig erscheint. Hierzu muss glaubhaft gemacht sein, dass das geltend gemachte Recht der Antragstellerin gegenüber der Antragsgegnerin besteht (Anordnungsanspruch) und dass die Antragstellerin ohne den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung wesentliche Nachteile erleidet (Anordnungsgrund). Nach dem Sinn und Zweck des § 86b Abs. 2 SGG sollen mittels des dort geregelten Instrumentes des einstweiligen Rechtsschutzes irreparable Entscheidungen durch die Verwaltung und damit endgültige, vom Gericht nicht mehr zu korrigierende Umstände, verhindert werden. Demzufolge kann eine einstweilige Anordnung vor einer gerichtlichen Entscheidung in der Hauptsache nur erlangt werden, wenn ohne die begehrte Anordnung für die Antragstellerin schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstünden und diese auch nicht durch die spätere Entscheidung in der Hauptsache beseitigt werden könnten. Zudem muss der Erfolg in der Hauptsache wahrscheinlich sein und diese darf nicht durch die einstweilige Anordnung erledigt oder vorweggenommen werden. Lässt also die im Eilverfahren durchgeführte Prüfung bereits erkennen, dass das von der Antragstellerin behauptete Recht zu ihren Gunsten nicht besteht, so ist auch nach § 86b Abs. 2 SGG eine einstweilige Anordnung nicht möglich, weil dann eine sicherungsfähige und sicherungswürdige Rechtsposition fehlt.
Sind Grundrechte tangiert, ist die Sach- und Rechtslage nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen (BVerfG, Beschluss vom 12.05.2005 – 1 BvR 569/05 – , juris). Für eine Entscheidung aufgrund einer sorgfältigen und hinreichend substantiierten Folgenabwägung ist nur dann Raum, wenn eine – nach vorstehenden Maßstäben durchzuführende – Rechtmäßigkeitsprüfung auch unter Berücksichtigung der Kürze der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren regelmäßig zur Verfügung stehenden Zeit nicht verwirklicht werden kann (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14.09.2016 – 1 BvR 1335/13 -, juris) Maßgebend für die Beurteilung der Anordnungsvoraussetzungen sind regelmäßig die Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Eilentscheidung.
Gemessen hieran besteht sowohl ein Anordnungsanspruch als auch ein Anordnungsgrund. Bei der gegebenen Sach- und Rechtslage ist jedenfalls von einer offenen Erfolgssicht der Widersprüche resp. einer Klage in der Hauptsache auszugehen, die wegen der Grundrechtsrelevanz und der vom Bundessozialgericht (BSG) bereits beschlossenen Vorlage an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) im Rahmen einer vorläufigen Entscheidung nicht zu Lasten der Antragstellerin gehen kann.
Gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG erhalten Leistungsberechtigte nach § 1 Leistungen zur Deckung des Bedarfs an Ernährung, Unterkunft, Heizung, Kleidung, Gesundheitspflege und Gebrauchs- und Verbrauchsgütern des Haushalts (notwendiger Bedarf). Zusätzlich werden ihnen gemäß § 3 Abs. 1 Satz 2 AsylbLG Leistungen zur Deckung persönlicher Bedürfnisse des täglichen Lebens gewährt (notwendiger persönlicher Bedarf). Werden diese Bedarfe, mit Ausnahme der Bedarfe für Unterkunft, Heizung, Hausrat, Wohnungsinstandhaltung und Haushaltsenergie, vollständig durch Geldleistungen gedeckt, ist der monatliche Betrag in § 3a Abs. 1 und 2 AsylbLG in der jeweiligen Fassung der Bekanntmachung über die Höhe der Leistungssätze nach § 3a Absatz 4 des Asylbewerberleistungsgesetzes bestimmt.
Die Antragstellerin gehört gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 5 AsylbLG zum Kreis der nach dem Gesetz Leistungsberechtigten. Infolge der Ablehnung ihres Asylantrags durch die Entscheidung des BAMF vom 18.11.2024 ist sie vollziehbar ausreisepflichtige Ausländerin. Sie ist auch hilfebedürftig (vgl. § 7 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG), denn sie verfügt nicht über Einkommen und Vermögen.
Ob die Antragsgegnerin berechtigt ist, die Leistungen nach § 3, 3a AsylbLG gemäß § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 AsylbLG auf die in § 1a AsylbLG vorgesehene Höhe einzuschränken, ist unter Berücksichtigung des Vorlagebeschlusses des BSG als offen anzusehen, insbesondere ist fraglich, ob die von der Antragsgegnerin gewählte Leistungseinschränkungen europarechtskonform ist. Das BSG hat dem EuGH durch Beschluss vom 25.07.2024 – B 8 AY 6/23 R – die Frage zur Entscheidung vorgelegt, ob eine Regelung eines Mitgliedstaats, die Antragstellern auf internationalen Schutz abhängig von ihrem Status als vollziehbar Ausreisepflichtige innerhalb der Überstellungsfrist nach der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 ausschließlich einen Anspruch auf Unterkunft, Ernährung, Körper- und Gesundheitspflege und Behandlung im Krankheitsfall sowie nach den Umständen im Einzelfall Kleidung und Gebrauchs- und Verbrauchsgüter des Haushalts gewährt, das in Art. 17 Abs. 2 und Abs. 5 Richtlinie 2013/33/EU beschriebene Mindestniveau abdeckt. Die Frage nach der Vereinbarkeit mit Europarecht stellt sich zur Überzeugung des Gerichts in gleicher Weise, wenn eine Leistungseinschränkung nunmehr auf § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 AsylbLG gestützt wird. Die Europarechtskonformität in diesem Sinne wird nicht dadurch hergestellt, dass die Antragsgegnerin keinen (vollständigen) Leistungsausschluss annimmt und nicht lediglich Überbrückungsleistungen für einen Zeitraum von 14 Tagen gewährt. Im Vergleich zu den in § 3 AsylbLG normierten Leistungen sind auch die von der Antragsgegnerin gewährten Leistungen eingeschränkt. Die Rechtmäßigkeit einer solchen Leistungseinschränkung ist dem EuGH zur Entscheidung vorgelegt.
Darüber hinaus vermag das Gericht nicht zu erkennen, dass bei der Antragstellerin die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 AsylbLG vorliegen.
Danach haben vollziehbar Ausreisepflichtige, deren Asylantrag durch eine Entscheidung des BAMF nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 iVm § 31 Abs. 6 AsylG als unzulässig abgelehnt, für die eine Abschiebung nach § 34a Abs. 1 Satz 1 2. Altn AsylG angeordnet wurde und für die nach der Feststellung des BAMF die Ausreise rechtlich und tatsächlich möglich ist, keinen Anspruch auf Leistungen nach dem AsylbLG, auch wenn die Entscheidung des BAMF noch nicht unanfechtbar ist.
Eine (positive) Feststellung des BAMF, dass die Ausreise rechtlich und tatsächlich möglich ist, ist in dem Bescheid vom 18.11.2024 nicht getroffen. Das BAMF hat zwar festgestellt, dass keine Abschiebeverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG vorliegen und hat die Abschiebung nach § 34a Abs. 1 AsylG angeordnet. Dass damit auch die Feststellung durch das BAMF erfolgt, dass die Ausreise rechtlich und tatsächlich möglich ist, erscheint zweifelhaft. Das Gesetz unterscheidet zwischen den Abschiebeverboten und der Aussetzung der Abschiebung, weil tatsächliche und rechtliche Gründe diese unmöglich machen (vgl. insoweit § 60a Abs. 2 AufenthG). Trotz fehlendem Abschiebungsverbot kann die Abschiebung aus tatsächlichen und rechtlichen Gründen unmöglich sein. Unbeschadet des Umstandes, dass Abschiebeverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG andere tatbestandliche Voraussetzungen normieren, als die tatsächliche und rechtliche Unmöglichkeit der Ausreise (vgl. insoweit auch § 60a Abs. 2 AufenthG, der das Tatbestandsmerkmal der tatsächlichen und rechtlichen Möglichkeit normiert), fordert der Wortlaut des § 1 Abs. 4 AsylbLG ausdrücklich eine positive Feststellung mit dem benannten Inhalt. Allein die Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 AsylbG, die nach Satz 1 der Vorschrift erfolgt sobald feststeht, dass die Abschiebung durchgeführt werden kann, ersetzt diese Feststellung nicht. Andernfalls wäre § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 AsylbLG auch redundant, denn die Abschiebungsandrohung ist bereits Voraussetzung für den Leistungsausschluss. Für eine Absicht des Gesetzgebers, Tatbestandsmerkmale mehrfach in einer Norm aufzunehmen, hat das Gericht keine Anhaltspunkte. Die in § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 AsylbLG normierte Feststellung des BAMF versteht das Gericht daher als eigenständiges Tatbestandsmerkmal, das bisher erkennbar nicht vorliegt. Für eine lediglich klarstellende Funktion des Tatbestandsmerkmals fehlt es unter Berücksichtigung der normativen Unterschiede an Anhaltspunkten.
Im Übrigen hat die Kammer erhebliche Zweifel an der Europarechtskonformität des hier herangezogenen § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 AsylbLG, jedenfalls ist offen, ob die Regelung mit Art. 17 Richtlinie 2013/33 EU vereinbar ist (vgl. auch Frerichs in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, § 1 AsylbLG Rn. 199ff).
Nach Art. 17 Abs. 2 der Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.06.2013 zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen, sorgen die Mitgliedsstaaten dafür, dass die im Rahmen der Aufnahme gewährten materiellen Leistungen einem angemessenen Lebensstandard entsprechen, der den Lebensunterhalt sowie den Schutz der physischen und psychischen Gesundheit von Antragstellern gewährleistet.
Die Antragstellerin gehört auf Grund des von ihr gestellten Asylantrages, über den noch nicht endgültig entschieden ist, zu dem nach Art. 3 Abs. 1 Richtlinie 2013/33 EU berechtigten Personenkreis. In den Fällen, in denen der Asylbewerber (noch) nicht tatsächlich an einen anderen, als zuständig angesehenen Mitgliedsstaat überstellt ist, ist der Anwendungsbereich der Richtlinie offensichtlich eröffnet (vgl. Vorlagebeschluss des BSG vom 25.07.2024 – B 8 AY 6/23 R -, juris).
Der Umfang der zu gewährenden Leistungen bemisst sich auf der Grundlage eines Leistungsniveaus wie bei eigenen Staatsangehörigen. Zwar räumt Art. 17 Abs. 5 Satz 2 der Richtlinie 2013/33 EU den Mitgliedsstaaten die Möglichkeit ein, Antragstellern auf internationalen Schutz eine weniger günstige Behandlung als eigenen Staatsangehörigen zuteilwerden zu lassen. Die Leistungen müssen aber einem angemessenen Lebensstandard entsprechen (Art. 17 Abs. 2 der Richtlinie 2013/33 EU). Dabei bemisst sich der Umfang von materiellen Leistungen in Form von Geldleistungen oder Gutscheinen durch die Mitgliedsstaaten, auf der Grundlage des Leistungsniveaus, das der betreffende Mitgliedsstaat nach Maßgabe der einzelstaatlichen Rechtsvorschriften oder nach den Gepflogenheiten anwendet, um eigenen Staatsangehörigen einen angemessenen Lebensstandard zu gewährleisten (Art. 17 Abs. 5 der Richtlinie 2013/33 EU). Erlaubt ist eine weniger günstige Behandlung im Vergleich mit eigenen Staatsangehörigen, insbesondere wenn materielle Unterstützung teilweise in Form von Sachleistungen gewährt wird oder, wenn das, auf eigene Staatsangehörige anzuwendende Leistungsniveau darauf abzielt, einen Lebensstandard zu gewährleisten, der über dem nach dieser Richtlinie für Antragsteller vorgeschriebenen Lebensstandard liegt (Art. 17 Abs. 5 Satz 2 Richtlinie 2013/33 EU).
Eingeschränkt oder entzogen werden dürfen gewährte Leistungen im Rahmen der Aufnahme nach Maßgabe von Art. 20 der Richtlinie 2013/33 EU. Dass § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 AsylbLG diesem Maßstab abstrakt gerecht wird ist fraglich, jedenfalls ist nicht zu erkennen, dass die Voraussetzungen im konkreten Fall erfüllt werden. Die Antragstellerin hat nach den vorliegenden Erkenntnissen nicht gegen die Unterbringungszuweisung verstoßen oder ist ihren Auskunfts- und Meldepflichten nicht nachgekommen. Ebenso wenig hat sie einen Folgeantrag nach Art. 2 Buchstabe q Richtlinie 2013/32 EU gestellt. Vielmehr hat die Antragstellerin in Österreich keinen Asylantrag gestellt. Ein solcher ist mithin nicht bestandskräftig abgelehnt, sie hat einen solchen Antrag nicht ausdrücklich zurückgenommen und er ist auch nicht von der Asylbehörde abgelehnt worden, nachdem sie ihn stillschweigend zurückgenommen hat. Damit fehlt es im konkreten Fall bereits an den tatbestandlichen Voraussetzungen nach Art. 20 Abs. 1 Richtlinie 2013/33 EU, die eine Normierung von Leistungseinschränkungen bzw. Entziehung rechtfertigen können.
Die ernstlichen Zweifel jedenfalls an der Europarechtskonformität von § 1 Abs. 4 AsylbLG, die durch den Vorlagebeschluss des BSG hinreichend untermauert sind, müssen im vorliegenden Fall im Rahmen der vorzunehmenden Interessenabwägung zur Gewährung effektiven vorläufigen Rechtsschutzes zu Gunsten der Antragstellerin ausfallen und zu einer vorläufigen Leistungsverpflichtung der Antragsgegnerin führen (BeckOK/Wahrendorf, SGG, § 86b Rn. 28, 30). Das folgt vorliegend insbesondere aus der Funktion der begehrten Leistungen als existenzsichernde (vgl. BVerfG, Beschluss vom 18.07.2012 – 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11 -, juris).
In diesem Sinn besteht auch ein Anordnungsgrund. Die begehrten existenzsichernden Leistungen werden der Antragstellerin nicht erbracht, so dass von einem durch die Regelungsanordnung abzuwendenden existenziellen Nachteil auszugehen ist.
Die Leistungen sind der Antragstellerin vorläufig ab Antragstellung bei Gericht, dem 11.02.2025 bis zur Entscheidung über die Widersprüche oder einer Überstellung der Antragstellerin, längstens bis zum 25.04.2025, zu gewähren. In dem Bescheid vom 27.02.2025 sind die Leistungen bis zu diesem Datum befristet, nach dem Antrag der Antragstellerin ist diese Leistungsdauer Gegenstand des vorliegenden Verfahrens.
Die Kostenentscheidung folgt aus entsprechender Anwendung von § 193 Abs. 1 SGG.
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG). Die Berufungssumme wird nicht erreicht, da die Antragstellerin allein die Differenz zwischen den ihr bereits bewilligten und z.T. bereits gewährten Leistungen und den Leistungen nach § 3, 3a AsylbLG in dem im einstweiligen Rechtsschutzverfahren streitigen Zeitraum vom 11.02.2025 bis 25.04.2025 begehren kann, insgesamt 554,80 €.
III.
Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe erfolgt gemäß § 73a SGG, §§ 114 ff ZPO, weil der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung in der Sache, wie zuvor dargelegt, hinreichend Aussicht auf Erfolg hat und die Antragstellerin unter Berücksichtigung der Angaben in der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse die Mittel zum Führen des Rechtsstreits nicht selbst aufbringen kann. Die Beiordnung von Rechtsanwalt Sven Adam erfolgt gemäß § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG iVm § 121 Abs. 2 ZPO mit der Maßgabe, dass durch seine Beiordnung keine weiteren Kosten entstehen (§ 121 Abs. 3 ZPO).
Dieser Beschluss über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist für die Beteiligten unanfechtbar – § 73a Abs. 1 SGG iVm § 127 Abs. 2 ZPO. Er kann jedoch mit der Beschwerde der Staatskasse innerhalb von drei Monaten seit der Verkündung der Entscheidung angefochten werden (§ 127 Abs. 3 ZPO).