BESCHLUSS
In dem Rechtsstreit
xxx,
– Antragsteller –
Prozessbevollmächtigter:
Rechtsanwalt Sven Adam, Lange Geismarstraße 55,
37073 Göttingen
gegen
Verbandsgemeindeverwaltung Konz, vertreten durch den Bürgermeister,
Am Martk 11, 54329 Konz
– Antragsgegnerin –
hat die 3. Kammer des Sozialgerichts Trier am 25. März 2025 durch die Vizepräsidentin des Sozialgerichts xxx beschlossen:
1. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 13.03.2025 gegen den Bescheid vom 12.02.2025 wird angeordnet. Der darüber hinausgehende Antrag wird abgelehnt.
2. Die Antragsgegnerin trägt die Hälfte der außergerichtlichen Kosten des Antragstellers.
3. Dem Antragsteller wird zur Wahrnehmung seiner Rechte in der ersten Instanz Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt Sven Adam, Göttingen, zu den Bedingungen eines im Bezirk des Sozialgerichts Trier ansässigen Rechtsanwalts bewilligt.
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes höhere Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG).
Der im April Juni 20xx geborene Antragsteller ist sudanesischer Staatsbürger. Er reiste am 19.09.2024 mit einem Asylgesuch in das Bundesgebiet ein und stellte am 07.10.2024 einen förmlichen Asylantrag.
Der Antragsteller ist dem Landkreis Trier-Saarburg ab dem 03.12.2024 zur Aufnahme und Unterbringung zugewiesen worden, der seine Unterbringung in der Gemeinschaftsunterkunft xxx in Konz verfügte. Ab dem 03.06.2025 ist der Antragsteller der Verbandsgemeinde Schweich zugewiesen (Bescheid des Landkreises Trier-Saarburg vom 22.11.2024).
Durch Bescheid vom 02.12.2024 gewährte die Antragsgegnerin dem Antragsteller ab dem 03.12.2024 bis 30.06.2025 laufende Leistungen nach dem AsylbLG, für den Monat 12/2024 in Höhe von 769,47 €. Die Höhe der Leistungen ergebe sich aus der Differenz zwischen dem Einkommen des Antragstellers und seinem Bedarf. Die Beträge würden jeweils monatlich im Voraus an die aufgeführten Zahlungsempfänger ausgezahlt, solange sich die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht änderten. Falle der Beginn der Hilfe in den Lauf eines Monats, so sei der zustehende Anspruch unter Berücksichtigung der entsprechenden Anteile ermittelt. Für Dezember 2024 (anteilig) berechnete die Antragsgegnerin die Leistungen wie folgt:
Bedarfsberechnung | |||
Soziokulturelles Existenzminimum | 204,00 € | 197,20 € | |
Physisches Existenzminimum | 256,00 € | 247,47 € | |
Kosten der Unterkunft | |||
Kaltmiete | 286,00 € | 276,47 € | |
Heizkosten ohne Warmwasseranteile | 50,00 € | 48,33 € | |
Einzusetzendes Einkommen | 0,00 € | ||
Gewährte Leistung | 29 Tage | 769,47 € |
Den Asylantrag des Antragstellers lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) durch Bescheid vom 16.01.2025 als unzulässig ab. Es stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) nicht vorlägen und ordnete die Abschiebung nach Italien an. Außerdem ordnete das BAMF das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Abs. 1 AufenthG an und befristete es auf 60 Monate ab dem Tag der Abschiebung. Der Asylantrag sei gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 1 Asylgesetz (AsylG) unzulässig, da Italien auf Grund der illegalen Einreise über die Dublin-Außengrenze sowie der Zustimmungsfiktion gemäß Art. 13 Abs. 1 iVm Art. 22 Abs. 7 Dublin-III-VO für die Behandlung des Asylantrages zuständig sei. Das BAMF führte aus, nach seinen Erkenntnissen lägen keine Abschiebungsverbote lägen vor. Die Anordnung der Abschiebung nach Italien beruhe auf § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG.
Mit Schreiben vom 12.02.2025 teilte die Antragsgegnerin dem Antragsteller mit, aufgrund des Bescheides des BAMF vom 16.01.2025 bestehe nach § 1 Abs. 4 AsylbLG kein Anspruch auf Asylleistungen fort. Gemäß § 1 Abs. 4 Satz 2 AsylbLG könnten Überbrückungsleistungen bis zur Ausreise, längstens jedoch für einen Zeitraum von 2 Wochen, gewährt werden. Zur Inanspruchnahme dieser Überbrückungsleistungen wurde der Antragsteller auf den Asylbetreuer der Antragsgegnerin verwiesen. Der Antragsteller bestreitet Kenntnis von dem Schreiben erlangt zu haben.
Am 17.02.2025 und 07.03.2025 hat der Asylbetreuer der Antragsgegnerin Lebensmittel für den Antragsteller erworben. Am 17.02.2025 im Wert von 35,92 €, am 07.03.2025 zahlte die Antragsgegnerin für den Antragsteller 72,35 € aus.
Am 13.03.2025 legte der Antragsteller Widerspruch gegen die Gewährung von Leistungen nach dem AsylbLG im Zeitraum ab dem 01.03.2025 ein, über den erkennbar noch nicht entschieden ist.
Am gleichen Tag beantragte er beim angerufenen Gericht einstweiligen Rechtsschutz. Er begründete seinen Antrag mit verfassungsrechtlichen Bedenken gegen § 1 Abs. 4 AsylbLG und trägt zur Begründung vor,
die Regelung verstoße gegen das aus Art. 1 Abs. 1 iVm Art. 20 Abs. 1 Grundgesetz (GG) gewährleistete menschenwürdige Existenzminimum. Daraus ergebe sich ein unmittelbarer verfassungsrechtlicher Leistungsanspruch, durch den die physische und soziokulturelle Existenz gesichert werden müsse. Der Staat sei im Rahmen seines Auftrages zum Schutz der Menschenwürde und in Ausfüllung seines sozialstaatlichen Gestaltungsauftrages verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass die materiellen Voraussetzungen für ein menschenwürdiges Dasein zur Verfügung stünden. § 1 Abs. 4 AsylbLG schließe die Betroffenen vollständig von Leistungen aus und enthalte damit eine generalisierende Einschränkung, die mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen, wie sie durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bestimmt seien, nicht vereinbar sei. Die in Art. 1 Abs. 1 GG garantierte Menschenwürde sei auch migrationspolitisch nicht zu relativieren. Der Leistungsausschluss des § 1 Abs. 4 AsylbLG verfolge zudem kein legitimes Ziel, denn es sollten keine asyl- oder aufenthaltsrechtliche Mitwirkungspflichten durchgesetzt werden. Vielmehr gehe es offenkundig um die repressive Sanktionierung eines Verhaltens der Betroffenen im Einzelfall, unerwünschte Sekundärmigration solle eingedämmt werden. Darüber hinaus verstoße § 1 Abs. 4 AslybLG gegen Unionsrecht, denn eine Leistungskürzung sei nur bei Stellung eines Folgeantrags oder dem Vorwurf eines pflichtwidrigen Verhaltens zulässig. Beides sei nicht der Fall. Das auch durch das Unionsrecht gewährleistete Mindestniveau an Leistungen werde nicht gewahrt.
Im Übrigen seien die Voraussetzungen des § 1 Abs. 4 AsylbLG nicht erfüllt, denn das BAMF habe nicht festgestellt, dass die Ausreise rechtlich und tatsächlich möglich sei.
Der Antragsteller beantragt,
die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm vorläufig und unter dem Vorbehalt der Rückforderung bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über seinen Widerspruch vom 13.03.2025 gegen die faktische Leistungsverweigerung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts die beantragten Leistungen in gesetzlicher Höhe im Zeitraum 16.03.2025 bis 03.06.2025 zu gewähren.
hilfsweise,
die aufschiebende Wirkung seines Widerspruches vom 13.03.2025 gegen den Bescheid vom 12.02.2025 anzuordnen.
Die Antragsgegnerin beantragt erkennbar,
den Antrag abzulehnen.
Sie trägt zur Begründung vor,
der Asylantrag des Antragstellers sei mit Datum 16.01.2025 durch das BAMF als unzulässig abgelehnt und eine Abschiebung nach Italien angeordnet worden. Nach § 1 Abs. 4 Satz 1 AsylbLG bestehe dadurch kein Anspruch auf Leistungen nach diesem Gesetz. Für einen Zeitraum von 2 Wochen könnten Überbrückungsleistungen in Form von Sachleistungen gewährt werden. Diese Sachleistungen seien dem Antragsteller gewährt worden, ihr Asylbetreuer habe die vom Antragsteller gewünschten Lebensmittel eingekauft, welche ihm dann als Sachleistungen gewährt worden seien.
Mit dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat der Antragsteller unter Vorlage der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse die Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt Sven Adam, Göttingen, beantragt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Prozessakte sowie der von der Antragsgegnerin vorgelegten Verwaltungsakte Bezug genommen.
II.
Das mit Hauptantrag ausdrücklich als Vornahmeantrag formulierte Begehren des anwaltlich vertretenen Antragstellers hat keinen Erfolg, seinem Begehren ist im Sinne der hilfsweise beantragten Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 12.02.2025 gemäß § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Rechnung zu tragen.
Der Antragsteller begehrt die jedenfalls vorläufige weitere Auszahlung ungekürzter Leistungen nach §§ 3, 3a AsylbLG. Dieses Ziel kann der Antragsteller mit einer Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs vom 13.03.2025 gegen den Bescheid vom 12.02.2025 erreichen, einer hierzu nachrangigen einstweiligen Anordnung gemäß § 86b Abs. 2 SGG bedarf es nicht. Der entsprechende Hauptantrag ist daher abzulehnen.
Gemäß § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen.
Die Antragsgegnerin bewilligte dem Antragsteller mit Bescheid vom 02.12.2024 laufende Leistungen nach dem AsylbLG für den Zeitraum vom 02.12.2024 bis 30.06.2025. Dabei handelt es sich um einen Dauerverwaltungsakt, der Widerspruch gegen die offensichtliche teilweise Rücknahme dieses Bescheides durch den Bescheid vom 12.02.2025 hat keine aufschiebende Wirkung.
Leistungen nach dem AsylbLG sind wie die Sozialhilfeleistungen nach dem 3. Kapitel des Sozialgesetzbuchs Zwölftes Buch (SGB XII) im Allgemeinen keine rentengleichen Dauerleistungen. Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) zu den Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz wird die Hilfe zum Lebensunterhalt in diesen Situationen als Hilfe in einer bestimmten Notsituation gesehen. Das BVerwG (Urteil vom 30.11.1966 – V C 29.66 -, juris) ging dabei von einer sich ständig wandelnden Lage des Hilfesuchenden und der dieser Lage anzupassenden Hilfe aus, die gleichsam täglich erneut regelungsbedürftig werde; dem Sozialhilfeträger biete sich gleichsam täglich ein neuer Sozialhilfefall zur Regelung an. Ob die Verwaltung den Hilfefall tatsächlich nach dieser Maßgabe regelt und die Hilfe auf der Grundlage einer ständig wiederholten Prüfung der Voraussetzungen für ihre Gewährung nur für kurze Zeitabschnitte, bspw. eine Woche, bewilligt (vgl. BVerwG, Urteil vom 18.01.1979 – 5 C 4/78 -, juris) oder, ob und in welchem Umfang eine Leistungsbewilligung einen Dauerverwaltungsakt darstellt, ist durch Auslegung am Maßstab des objektiven Empfängerhorizonts zu ermitteln (vgl. mwN BSG, Urteil vom 27.05.2014 – B 8 SO 26/12 R -, juris) und nach allgemeinen Auslegungsregeln zu verifizieren (BSG, Urteil vom 09.12.2008 – B 8/9b SO 11/07 R -; Urteil vom 17.06.2008 – B 8/9b AY 1/07 R -, beide juris). Dabei kann der objektive Regelungsgehalt eines Bescheids im Bereich des AsylbLG zeitlich auf einen Monat beschränkt sein, wenn die Bewilligung z.B. „ab dem 1. Juli 2003″ erfolgt, die Bewilligung aber auf den Monat beschränkt und mit einem entsprechenden Zusatz versehen ist (BSG, Urteil vom 17.06.2008 – B 8/9b AY 1/07 R -, juris).
Gemessen hieran hat die Antragsgegnerin mit dem Bescheid vom 02.12.2024 Leistungen ab dem 03.12.2024 bis zum 30.06.2025 bewilligt und hat dabei ihre Entscheidung erkennbar nicht allein auf den Monat Dezember 2024 beschränkt. Sie hat zwar für die Zeit ab Januar 2025 dem Bescheid keine Berechnung beigefügt. Eine Beschränkung ihrer Entscheidung in dem Sinn, dass eine Bewilligung für die Monate nach Dezember 2024 dem Grunde nach erst noch erfolgen sollte, ist dem Bescheid aber gleichwohl nicht zu entnehmen. Ein denkbarer, im Bescheid aufgenommener Zusatz, dass die Entscheidung für Folgemonate (auch bei gleichbleibenden Verhältnissen) vielmehr erst noch erfolgen soll, fehlt, eine Entscheidung durch Zahlung im Sinne einer konkludenten Entscheidung gemäß § 33 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) für den Fall der unveränderten Verhältnisse ist nicht angekündigt (vgl. dazu BSG, Urteil vom 17.06.2008 – B 8/9b AY 1/07 R -, juris). Auf den Horizont eines verständigen Empfängers abstellend handelte es sich bei dem Bescheid vom 02.12.2024 um einen bis 30.06.2025 befristeten Dauerverwaltungsakt. Mangels anderweitiger Informationen durch die Antragsgegnerin konnte der Antragsteller bei verständiger Würdigung des Geschehens davon ausgehen, dass ihm Leistungen nach dem AsylbLG für die gesamte Dauer des in dem Bescheid genannten Zeitraums gewährt werden.
Dieser ursprünglichen ungeminderten Leistungsbewilligung steht der Bescheid vom 12.02.2025, mit dem die Leistungsbewilligung jedenfalls teilweise aufgehoben wird, entgegen. Gemäß §§ 86a Abs. 2 Nr. 4 SGG, 11 Abs. 4 Nr. 1 AsylbLG hat der Widerspruch des Antragstellers gegen diesen Bescheid keine aufschiebende Wirkung.
Die Entscheidung, ob die aufschiebende Wirkung ausnahmsweise dennoch gemäß § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG durch das Gericht angeordnet wird, erfolgt aufgrund einer umfassenden Abwägung des Aufschubinteresses des Antragstellers einerseits und des öffentlichen Interesses an der Vollziehung andererseits. Im Rahmen dieser Interessenabwägung ist zu berücksichtigen, in welchem Ausmaß Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen oder ob die Vollziehung für den Antragsteller eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Da § 86a Abs. 2 Nr. 4 SGG das Vollzugsrisiko grundsätzlich auf den Bescheidadressaten verlagert, können in diesen Fällen nur solche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides ein überwiegendes Aufschubinteresse begründen, die einen Erfolg des Rechtsbehelfs zumindest überwiegend wahrscheinlich erscheinen lassen.
Vorliegend hat das öffentliche Interesse an der Vollziehung der Anspruchseinschränkung nach § 1 Abs. 4 AsylbLG in dem Bescheid vom 12.02.2025 hinter das Aussetzungsinteresse des Antragstellers zurückzutreten, denn ein öffentliches Interesse an der Vollziehung eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes ist nicht gegeben. Der Bescheid vom 12.02.2025 stellt sich bereits als formell rechtswidrig dar, denn es fehlt an der nach § 1 Abs.1 Landesverwaltungsverfahrensgesetz Rheinland-Pfalz (LVwVfG) iVm § 28 Abs. 1 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) erforderlichen Anhörung vor Erlass des Verwaltungsaktes. Die Antragsgegnerin hat dem Antragsteller vor Erlass des Bescheides nicht die Möglichkeit gegeben, sich zu den für die Leistungseinschränkung erheblichen Tatsachen zu äußern. Da die Anhörung auch nicht nach § 28 Abs. 2 oder 3 VwVfG entbehrlich war, liegt hierein ein wesentlicher Verfahrensfehler. Ob dieser durch die dem Prozessbevollmächtigten des Antragstellers zwischenzeitlich gewährte Akteneinsicht nach § 45 VwVfG geheilt ist, kann im Ergebnis dahinstehen, denn es bestehen auch erhebliche Zweifel an der materiellen Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 12.02.2025.
Das Gericht hat erhebliche Zweifel daran, ob der Antragsteller gemäß § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 AsylbLG von Leistungen ausgeschlossen werden kann, wie es die Antragsgegnerin im Bescheid vom 12.02.2025 verfügt hat. Danach haben vollziehbar Ausreisepflichtige, deren Asylantrag durch eine Entscheidung des BAMF nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 iVm § 31 Abs. 6 AsylG als unzulässig abgelehnt wurde, für die eine Abschiebung nach § 34a Abs. 1 Satz 1 2. Altn. AsylG angeordnet wurde und für die nach der Feststellung des BAMF die Ausreise rechtlich und tatsächlich möglich ist, keinen Anspruch auf Leistungen nach dem AsylbLG, auch wenn die Entscheidung des BAMF noch nicht unanfechtbar ist.
Der Antragsteller ist zwar infolge der Ablehnung seines Asylantrags durch die Entscheidung des BAMF vom 16.01.2025 vollziehbar ausreisepflichtig und sein Asylantrag ist nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 iVm § 31 Abs. 6 AsylG als unzulässig abgelehnt und die Abschiebung angeordnet worden.
Eine (positive) Feststellung des BAMF, dass die Ausreise rechtlich und tatsächlich möglich ist, vermag das Gericht aber nicht zu erkennen. Das BAMF hat zwar festgestellt, dass keine Abschiebeverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG vorliegen und hat die Abschiebung nach § 34a Abs. 1 AsylG angeordnet. Dass damit auch die Feststellung durch das BAMF erfolgt, dass die Ausreise rechtlich und tatsächlich möglich ist, erscheint zweifelhaft. Das Gesetz unterscheidet zwischen den Abschiebeverboten und der Aussetzung der Abschiebung, weil tatsächliche und rechtliche Gründe diese unmöglich machen (vgl. insoweit § 60a Abs. 2 AufenthG). Trotz fehlendem Abschiebungsverbot kann die Abschiebung aus tatsächlichen und rechtlichen Gründen unmöglich sein. Unbeschadet des Umstandes, dass Abschiebeverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG andere tatbestandliche Voraussetzungen normieren, als die tatsächliche und rechtliche Unmöglichkeit der Ausreise (vgl. insoweit auch § 60a Abs. 2 AufenthG, der das Tatbestandsmerkmal der tatsächlichen und rechtlichen Möglichkeit normiert), fordert das Gesetz ausdrücklich eine positive Feststellung mit dem benannten Inhalt. Nach dem Wortlaut des Gesetzes soll eine ausdrückliche Feststellung des BAMF erfolgen, dass die Ausreise (auch) aus rechtlichen und tatsächlichen Gründen möglich ist. Allein die Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 AsylbG, die nach Satz 1 der Vorschrift erfolgt sobald feststeht, dass die Abschiebung durchgeführt werden kann, ersetzt diese Feststellung nicht. Andernfalls wäre § 1 Abs. 4 AsylbLG auch redundant, denn die Abschiebungsandrohung ist bereits Voraussetzung für den Leistungsausschluss. Für eine Absicht des Gesetzgebers, Tatbestandsmerkmale mehrfach in einer Norm aufzunehmen, hat das Gericht keine Anhaltspunkte. Die in § 1 Abs. 4 AsylbLG normierte Feststellung des BAMF versteht das Gericht daher als eigenständiges Tatbestandsmerkmal, das bisher erkennbar nicht vorliegt.
Darüber hinaus bestehen erhebliche Zweifel an der Europarechtskonformität des hier herangezogenen § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 AsylbLG, jedenfalls ist offen, ob die Regelung mit Art. 17 Richtlinie 2013/33 EU vereinbar ist (vgl. auch Frerichs in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, § 1 AsylbLG Rn. 199ff).
Nach Art. 17 Abs. 2 der Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.06.2013 zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen (Richtlinie 2013/33 EU), sorgen die Mitgliedsstaaten dafür, dass die im Rahmen der Aufnahme gewährten materiellen Leistungen einem angemessenen Lebensstandard entsprechen, der den Lebensunterhalt sowie den Schutz der physischen und psychischen Gesundheit von Antragstellern gewährleistet.
Der Antragsteller gehört auf Grund des von ihm gestellten Asylantrages, über den noch nicht endgültig entschieden ist, zu dem nach Art. 3 Abs. 1 Richtlinie 2013/33 EU berechtigten Personenkreis. In den Fällen, in denen der Asylbewerber (noch) nicht tatsächlich an einen anderen, als zuständig angesehenen Mitgliedsstaat überstellt ist, ist der Anwendungsbereich der Richtlinie offensichtlich eröffnet (vgl. Vorlagebeschluss des BSG vom 25.07.2024 – B 8 AY 6/23 R -, juris).
Der Umfang der zu gewährenden Leistungen bemisst sich auf der Grundlage eines Leistungsniveaus wie bei eigenen Staatsangehörigen. Zwar räumt Art. 17 Abs. 5 Satz 2 der Richtlinie 2013/33 EU den Mitgliedsstaaten die Möglichkeit ein, Antragstellern auf internationalen Schutz eine weniger günstige Behandlung als eigenen Staatsangehörigen zuteilwerden zu lassen. Die Leistungen müssen aber einem angemessenen Lebensstandard entsprechen (Art. 17 Abs. 2 der Richtlinie 2013/33 EU). Dabei bemisst sich der Umfang von materiellen Leistungen in Form von Geldleistungen oder Gutscheinen durch die Mitgliedsstaaten, auf der Grundlage des Leistungsniveaus, das der betreffende Mitgliedsstaat nach Maßgabe der einzelstaatlichen Rechtsvorschriften oder nach den Gepflogenheiten anwendet, um eigenen Staatsangehörigen einen angemessenen Lebensstandard zu gewährleisten (Art. 17 Abs. 5 der Richtlinie 2013/33 EU). Erlaubt ist eine weniger günstige Behandlung im Vergleich mit eigenen Staatsangehörigen, insbesondere wenn materielle Unterstützung teilweise in Form von Sachleistungen gewährt wird oder wenn das, auf eigene Staatsangehörige anzuwendende Leistungsniveau darauf abzielt, einen Lebensstandard zu gewährleisten, der über dem nach dieser Richtlinie für Antragsteller vorgeschriebenen Lebensstandard liegt (Art. 17 Abs. 5 Satz 2 der Richtlinie 2013/33 EU).
Eingeschränkt oder entzogen werden dürfen gewährte Leistungen im Rahmen der Aufnahme nach Maßgabe von Art. 20 der Richtlinie 2013/33 EU. Dass § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 AsylbLG diesem Maßstab abstrakt gerecht wird ist bereits fraglich, jedenfalls ist nicht zu erkennen, dass die Voraussetzungen im konkreten Fall erfüllt werden. Der Antragsteller hat nach den vorliegenden Erkenntnissen nicht gegen die Unterbringungszuweisung verstoßen oder ist seinen Auskunfts- und Meldepflichten nicht nachgekommen. Ebenso wenig hat er einen Folgeantrag nach Art. 2 Buchstabe q Richtlinie 2013/32 EU gestellt. Vielmehr hat der Antragsteller in Italien gerade keinen Asylantrag gestellt, so dass dieser auch nicht bestandskräftig abgelehnt ist, er hat einen solchen Antrag nicht ausdrücklich zurückgenommen und er ist auch nicht von der Asylbehörde abgelehnt worden, nachdem er ihn stillschweigend zurückgenommen hat. Damit fehlt es bereits an den tatbestandlichen Voraussetzungen nach Art. 20 Abs. 1 Richtlinie 2013/33 EU, die eine Normierung von Leistungseinschränkungen bzw. Entziehung rechtfertigen können.
Unabhängig von den oben aufgezeigten Zweifeln an der Europarechtskonformität von § 1 Abs. 4 AsylbLG ist die Frage der Europarechtskonformität von Leistungseinschränkungen nach dem AsylbLG unter Berücksichtigung des Vorlagebeschlusses des BSG zumindest als offen anzusehen. Das BSG hat dem EuGH durch Beschluss vom 25.07.2024 – B 8 AY 6/23 R – die Frage zur Entscheidung vorgelegt, ob eine Regelung eines Mitgliedstaats, die Antragstellern auf internationalen Schutz abhängig von ihrem Status als vollziehbar Ausreisepflichtige innerhalb der Überstellungsfrist nach der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 ausschließlich einen Anspruch auf Unterkunft, Ernährung, Körper- und Gesundheitspflege und Behandlung im Krankheitsfall sowie nach den Umständen im Einzelfall Kleidung und Gebrauchs- und Verbrauchsgüter des Haushalts gewährt, das in Art. 17 Abs. 2 und Abs. 5 Richtlinie 2013/33/EU beschriebene Mindestniveau abdeckt. Die Frage nach der Vereinbarkeit mit Europarecht muss sich dann erst recht stellen, wenn nicht nur die Einschränkung von Leistungen, sondern wie hier ein Leistungsausschluss für den benannten Personenkreis, zu dem der Antragsteller gehört, normiert ist.
Die ernstlichen Zweifel jedenfalls an der Europarechtskonformität von § 1 Abs. 4 AsylbLG müssen zur Gewährung effektiven vorläufigen Rechtsschutzes im vorliegenden Fall dazu führen, dass das Aufschubinteresse des Antragstellers überwiegt und das Vollzugsinteresse zurücktreten muss. Das folgt vorliegend insbesondere aus der Funktion der begehrten Leistungen als existenzsichernde (vgl. BVerfG, Beschluss vom 18.07.2012 – 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11 -, juris).
Die Kostenentscheidung folgt aus entsprechender Anwendung von § 193 SGG und entspricht dem Unterliegen und Obsiegen.
III.
Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe erfolgt gemäß § 73a SGG, §§ 114 ff ZPO, weil der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung in der Sache, wie zuvor dargelegt, hinreichend Aussicht auf Erfolg hat und der Antragsteller unter Berücksichtigung der Angaben in der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse die Mittel zum Führen des Rechtsstreits nicht selbst aufbringen kann. Die Beiordnung von Rechtsanwalt Sven Adam erfolgt gemäß § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG iVm § 121 Abs. 2 ZPO mit der Maßgabe, dass durch seine Beiordnung keine weiteren Kosten entstehen (§ 121 Abs. 3 ZPO).
Dieser Beschluss über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist für die Beteiligten unanfechtbar – § 73a Abs. 1 SGG iVm § 127 Abs. 2 ZPO. Er kann jedoch mit der Beschwerde der Staatskasse innerhalb von drei Monaten seit der Verkündung der Entscheidung angefochten werden (§ 127 Abs. 3 ZPO).
Es folgt die Rechtsmittelbelehrung.