BESCHLUSS
In dem Rechtsstreit
xxx,
– Antragsteller –
Prozessbevollmächtigter:
Rechtsanwalt Sven Adam,
Lange Geismarstraße 55,
37073 Göttingen
gegen
Stadtverwaltung Trier,
vertreten durch den Oberbürgermeister,
Am Augustinerhof 3,
54290 Trier
– Antragsgegnerin –
hat die 3. Kammer des Sozialgerichts Trier am 7. April 2025 durch die Vizepräsidentin des Sozialgerichts xxx beschlossen:
1. Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller für die Zeit vom 02.04.2025 bis 09.04.2025 vorläufig auch Leistungen nach § 3 Abs. 1 Satz 2 Asylbewerberleistungsgesetz nach Regelbedarfsstufe 1 zu gewähren.
2. Die Antragsgegnerin trägt die Hälfte der außergerichtlichen Kosten des Antragstellers.
3. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt Sven Adam, Göttingen, wird abgelehnt.
GRÜNDE
I.
Der Antragsteller begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes höhere Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG).
Der im xxx 1993 geborene Antragsteller ist syrischer Staatsbürger. Er reiste am 28.11.2024 über Libyen, Griechenland und Belgien in das Bundesgebiet ein und stellte am 11.12.2024 einen förmlichen Asylantrag.
Durch eine Entscheidung des Landes Rheinland-Pfalz, Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion, vom 12.12.2024 wurde er in den Zuständigkeitsbereich der Antragsgegnerin verteilt, die ihn ab dem 14.01.2025 in der Gemeinschaftsunterkunft „xxx“ untergebracht hat.
Den Asylantrag des Antragstellers lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) durch Bescheid vom 02.01.2025 als unzulässig ab. Es stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) nicht vorlägen. Der Antragsteller wurde aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe der Entscheidung zu verlassen. Sollte der Antragsteller die Ausreisefrist nicht einhalten, werde er nach Griechenland abgeschoben. Der Antragsteller könne auch in einen anderen Staat abgeschoben werden, in den er einreisen dürfe oder der zu seiner Rückübernahme verpflichtet sei. Der Antragsteller dürfe nicht nach Syrien abgeschoben werden. Die Vollziehung der Abschiebungsandrohung und der Lauf der Ausreisefrist würden bis zum Ablauf der einwöchigen Klagefrist und, im Falle einer fristgerechten Stellung eines Antrags auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage, bis zur Bekanntgabe der Ablehnung des Eilantrages durch das Verwaltungsgericht ausgesetzt. Das BAMF ordnete außerdem das Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Abs. 1 AufenthG an und befristete es auf 60 Monate ab dem Tag der Abschiebung. Der Asylantrag sei gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 2 Asylgesetz (AsylG) unzulässig. Nach den dortigen Erkenntnissen sei dem Antragsteller in Griechenland im Rahmen des Asylverfahrens internationaler Schutz gewährt worden. Griechenland habe die Schutzgewährung mit Schreiben vom 23.07.2024 mitgeteilt. Da der Asylantrag als unzulässig abgelehnt werde, werde er nicht materiell geprüft. Das BAMF führte aus, dass der Antragsteller keiner ernsthaften Gefahr ausgesetzt sei, aufgrund der Lebensumstände, die ihn in Griechenland erwarteten, eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK zu erfahren, es drohe ihm keine Menschenrechtsverletzung. Gründe, die ein Abschiebungsverbot begründen könnten, lägen nicht vor. Die Abschiebungsandrohung sei nach §§ 34, 35 AsylG zu erlassen.
Der Antrag des Antragstellers auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen die in dem Bescheid des BAMF verfügte Abschiebungsandrohung lehnte das Verwaltungsgericht Trier durch Beschluss vom 12.02.2025 ab (Az.: 8 L 741/25.Tr).
Unter Bezugnahme auf diesen Bescheid des BAMF gewährte die Antragsgegnerin durch Bescheide vom 14.02.2025 und 27.02.2025 ab dem 14.01.2025 zunächst befristet bis zum 12.03.2025 (damalige Gültigkeit der Bescheinigung über die vollziehbare Ausreise) Leistungen gemäß § 1a AsylbLG, denn der Antragsteller unterfalle dem Leistungsausschluss des § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 AsylbLG. Mit der Gewährung von Geldleistungen sowie einer Leistungsgewährung über einen Zeitraum von 2 Wochen hinaus werde die Rechtsfolge des § 1 Abs. 4 AsylbLG von ihr verfassungs- und europarechtskonform zu Gunsten des Antragstellers gefasst. Der Antragsteller wurde aufgefordert eine aktuelle Bescheinigung zur vollziehbaren Ausreisepflicht der Ausländerbehörde vorzulegen, damit Leistungen über den 12.03.2025 hinaus gewährt werden könnten.
Auf die vom Antragsteller beantragte einstweilige Anordnung verpflichtete die erkennende Kammer die Antragsgegnerin durch Beschluss vom 12.03.2025 (Az.: S 3 AY 12/25 ER), dem Antragsteller für die Zeit vom 11.02.2025 bis 12.03.2025 vorläufig Leistungen nach § 3 AsylbLG nach Regelbedarfsstufe 1 zu gewähren. Das Gericht nahm sowohl einen Anordnungsanspruch als auch ein Anordnungsgrund für den Erlass einer einstweiligen Anordnung an, denn bei der gegebenen Sach- und Rechtslage sei jedenfalls von einer offenen Erfolgsaussicht des Widerspruchs resp. einer Klage in der Hauptsache auszugehen, die wegen der Grundrechtsrelevanz im Rahmen einer vorläufigen Entscheidung nicht zu Lasten des Antragstellers ausgehen könne. Ob die Antragsgegnerin berechtigt sei, die Leistungen nach § 3 AsylbLG gemäß § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 AsylbLG auf die in § 1a AsylbLG vorgesehene Höhe einzuschränken, sei unter Berücksichtigung des Vorlagebeschlusses des Bundessozialgerichts (BSG) jedenfalls als offen anzusehen. Dabei sei fraglich, ob die von der Antragsgegnerin gewählte Leistungseinschränkung europarechtskonform sei. Das BSG habe dem EuGH die Frage zur Entscheidung vorgelegt (Vorlagebeschluss vom 25.07.2024 – B 8 AY 6/23 R –, juris), ob eine Regelung eines Mitgliedstaats, die Antragstellern auf internationalen Schutz abhängig von ihrem Status als vollziehbar Ausreisepflichtige innerhalb der Überstellungsfrist nach der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 ausschließlich einen Anspruch auf Unterkunft, Ernährung, Körper- und Gesundheitspflege und Behandlung im Krankheitsfall sowie nach den Umständen im Einzelfall Kleidung und Gebrauchs- und Verbrauchsgüter des Haushalts gewähre, das in Art. 17 Abs. 2 und Abs. 5 Richtlinie 2013/33/EU beschriebene Mindestniveau abdecke. Die Frage nach der Vereinbarkeit mit Europarecht stellte sich zur Überzeugung des erkennenden Gerichts in gleicher Weise, wenn eine Leistungseinschränkung nunmehr auf § 1 Abs. 4 AsylbLG gestützt werde. Die Antragsgegnerin habe insoweit selbst (zutreffend) darauf hingewiesen, dass sich im Hinblick auf den personellen Anwendungsbereich keine inhaltliche Änderung gegenüber der vor dem 31.10.2024 geltenden Rechtslage ergebe, also die Rechtslage, die Gegenstand des Vorlagebeschlusses sei. Die Europarechtskonformität in diesem Sinne werde nicht dadurch hergestellt, dass die Antragsgegnerin keinen (vollständigen) Leistungsausschluss vornehme und nicht lediglich Überbrückungsleistungen für einen Zeitraum von 14 Tagen gewähre. Es verbleibe vielmehr eine Leistungseinschränkung, deren Rechtmäßigkeit dem EuGH zur Entscheidung vorgelegt sei.
Durch Bescheid vom 18.03.2025 gewährte die Antragsgegnerin laufende Leistungen gemäß § 1a AsylbLG für die Zeit vom 13.03.2025 bis 26.03.2025 (entsprechend der Befristung der Bescheinigung über die vollziehbare Ausreisepflicht). Der Antragsteller Unterfalle dem Leistungsausschluss nach § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 AsylbLG. Die Gewährung der danach vorgesehenen Leistungen erfolge unter Ermessensausübung in extensiver und damit verfassungs- und europarechtskonformer Auslegung der Härtefallklausel nach § 1 Abs. 4 Satz 6 AsylbLG in inhaltlicher Dimension durch Gewährung von Komponenten des notwendigen Bedarfs nach § 3 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG, soweit diese nicht bereits nach § 1a Abs. 1 Satz 2 erfasst seien. Leistungen zur Deckung des persönlichen Bedarfs nach § 3 Abs. 1 Satz 2 AsylbLG könnten allerdings nicht erbracht werden. Mit Schreiben vom 21.03.2025 teilte die Antragsgegnerin dem Antragsteller mit, der Bedarf für den Zeitraum 01.03. bis 26.03.2025 betrage, wie im Berechnungsbogen des Bescheides vom 18.03.2025 ausgewiesen, 568,06 €, und nicht wie auf Seite 1 des Bescheides ausgewiesen, 366,69 €. Es handele sich insoweit um einen technischen Übertragungsfehler. Der im Verfügungssatz ausgewiesene Betrag sei daher entsprechend zu korrigieren. Seinen gegen diesen Bescheid eingelegten Widerspruch begründete der Antragsteller mit verfassungsrechtlichen Bedenken gegen § 1 Abs. 4 AsylbLG.
Auf den entsprechenden Antrag des Antragstellers auf Erlass einer einstweiligen Anordnung verpflichtete die erkennende Kammer die Antragsgegnerin im Verfahren S 3 AY 24/25 ER, dem Antragsteller für die Zeit vom 13.03.2025 bis 26.03.2025 vorläufig auch Leistungen nach § 3 Abs. 1 Satz 2 Asylbewerberleistungsgesetz nach Regelbedarfsstufe 1 zu gewähren (Beschluss vom 26.03.2025). In der Begründung wiederholte das Gericht die Ausführungen in dem Beschluss vom 12.03.2025.
Durch Bescheid vom 28.03.2025 gewährte die Antragsgegnerin dem Antragsteller laufende Leistungen gemäß § 1a AsylbLG für die Zeit vom 27.03.2025 bis 09.04.2025 (entsprechend der aktuellen Befristung der Bescheinigung über die vollziehbare Ausreisepflicht). Der Antragsteller unterfalle dem Leistungsausschluss nach § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 AsylbLG. Die Gewährung der danach vorgesehenen Leistungen erfolge unter Ermessensausübung in extensiver und damit verfassungs- und europarechtskonformer Auslegung der Härtefallklausel nach § 1 Abs. 4 Satz 6 AsylbLG in inhaltlicher Dimension durch Gewährung von Komponenten des notwendigen Bedarfs nach § 3 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG, soweit diese nicht bereits nach § 1a Abs. 1 Satz 2 erfasst seien. Leistungen zur Deckung des persönlichen Bedarfs nach § 3 Abs. 1 Satz 2 AsylbLG könnten allerdings nicht erbracht werden. Gegen den Bescheid legte der Kläger unter Verweis auf verfassungs- und europarechtliche Bedenken gegen § 1 Abs. 4 AsylbLG Widerspruch ein.
Am 02.04.2025 hat der Antragsteller die Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Gewährung von Leistungen nach §§ 3, 3a AsylbLG ab Eingang bei Gericht im Wege der einstweiligen Anordnung beantragt. Er trägt zur Begründung vor, er sei auch über den 26.03.2025 hinaus anspruchsberechtigt im Sinne des AsylbLG und habe Anspruch auf Grundleistungen nach §§ 3, 3a AsylbLG. Einen entsprechenden Leistungsantrag habe er am 18.03.2025 gestellt. Es bestehe auch ein Anordnungsgrund, da das verfassungsrechtlich garantierte Existenzminimum nicht mehr gesichert sei. Soweit die Antragsgegnerin durch den Bescheid vom 28.03.2025 zumindest gekürzte Leistungen gewähre, werde das Verfahren teilweise für erledigt erklärt.
Der Antragsteller beantragt,
die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm vorläufig und unter dem Vorbehalt der Rückforderung bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über seinen Widerspruch vom 04.04.2025 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 28.03.2025 Grundleistungen nach den §§ 3, 3a AsylbLG in der Regelbedarfsstufe 1 in der Zeit 02.04.2025-09.04.2025 zu gewähren.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Sie trägt zur Begründung vor,
mit Bescheid vom 28.03.2025 habe sie dem Antragsteller – entsprechend der aktuellen Gültigkeit der Bescheinigung über die vollziehbare Ausreise – Leistungen im Zeitraum 27.03.2025 bis 09.04.2025 nach § 1 Abs. 4 Satz 2-6 AsylbLG gewährt. Die Bewilligung sei in Ansehung der eröffneten Ermessensmöglichkeit der Härtefallklause des § 1 Abs. 4 Satz 6 AsylbLG in zeitlicher und inhaltlicher Dimension sowie unter Beachtung des Rundschreibens des MFFKI Rheinland-Pfalz vom 05.12.2024 und (soweit mit den Vorgaben des Ministeriums vereinbar) unter Einbeziehung des Beschlusses des Sozialgerichts Trier vom 26.03.2025 (Az.: S 3 AY 24/25 ER) erfolgt. Leistungen zur Deckung des persönlichen notwendigen Bedarfes nach § 3 Abs. 1 Satz 2 AsylbLG könnten allerdings nicht erbracht werden, da die Härtefallklausel dies nicht zulasse. Die Maßgaben des Rundschreibens des MFFKI Rheinland-Pfalz vom 05.12.2024 seien von ihr zwingend zu beachten. Die Bewilligung richte sich weiterhin nach der Gültigkeit der Bescheinigung über die vollziehbare Ausreise, die weiterhin zur Grundlage für die Bewilligungszeiträume gemacht werde, da regelmäßig zu prüfen sei, ob innerhalb der Gültigkeit der Bescheinigung aufenthaltsbeendende Maßnahmen erfolgt seien. Der Antragssteller müsse die entsprechenden Verlängerungen bei der Ausländerbehörde erhalten, wenn er sich hier weiterhin aufhalte und es sei ihm zuzumuten, diese dann zwecks Weiterbewilligung der Leistungen bei ihrem Sozialamt einzureichen.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung sei, wie bereits der vorherige Antrag des Antragstellers, übereilt gestellt worden, am 28.03.2025 sei die Weiterbewilligung erfolgt. Die übliche Bearbeitungszeit, der Postlauf seien nicht abgewartet worden, eine Sachstandsanfrage sei nicht erfolgt. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung sei überschnell und nach Bescheidung gestellt worden. Mittels einer Sachstandsanfrage hätte der Antragsteller in Erfahrung bringen können, dass der Bescheid bereits erlassen war. Das nunmehr Begehrte sei vor Antragserhebung bereits erreicht gewesen. Sie verwahre sich gegen eine Kostenlast.
Mit dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat der Antragsteller unter Vorlage einer Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vom 28.01.2025 die Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt Sven Adam, Göttingen, beantragt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Prozessakte, der Prozessakten S 3 AY 12/25 ER und S 3 AY 24/25 ER, die zum Gegenstand des vorliegenden Verfahrens gemacht wird, sowie der von der Antragsgegnerin vorgelegten Verwaltungsakte Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 86b Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist zulässig und, soweit er nicht für erledigt erklärt worden ist, auch begründet.
Nach § 86b Abs. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache, sofern kein Fall der Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung bzw. der sofortigen Vollziehung gemäß § 86b Abs. 1 SGG vorliegt, auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Satz 1). Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Satz 2).
Vorliegend kommt eine Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG in Betracht, da die vorläufige Begründung einer Rechtsposition begehrt wird. Der begehrte Rechtsschutz kann dann gewährt werden, wenn die Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, zur Abwendung wesentlicher Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen notwendig erscheint. Hierzu muss glaubhaft gemacht sein, dass das geltend gemachte Recht des Antragstellers gegenüber der Antragsgegnerin besteht (Anordnungsanspruch) und dass der Antragsteller ohne den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung wesentliche Nachteile erleidet (Anordnungsgrund). Nach dem Sinn und Zweck des § 86b Abs. 2 SGG sollen mittels des dort geregelten Instrumentes des einstweiligen Rechtsschutzes irreparable Entscheidungen durch die Verwaltung und damit endgültige, vom Gericht nicht mehr zu korrigierende Umstände, verhindert werden. Demzufolge kann eine einstweilige Anordnung vor einer gerichtlichen Entscheidung in der Hauptsache nur erlangt werden, wenn ohne die begehrte Anordnung für den Antragsteller schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstünden und diese auch nicht durch die spätere Entscheidung in der Hauptsache beseitigt werden könnten. Zudem muss der Erfolg in der Hauptsache wahrscheinlich sein und diese darf nicht durch die einstweilige Anordnung erledigt oder vorweggenommen werden. Lässt also die im Eilverfahren durchgeführte Prüfung bereits erkennen, dass das von dem Antragsteller behauptete Recht zu seinen Gunsten nicht besteht, so ist auch nach § 86b Abs. 2 SGG eine einstweilige Anordnung nicht möglich, weil dann eine sicherungsfähige und sicherungswürdige Rechtsposition fehlt.
Sind Grundrechte tangiert, ist die Sach- und Rechtslage nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen (BVerfG, Beschluss vom 12.05.2005 – 1 BvR 569/05, juris). Für eine Entscheidung aufgrund einer sorgfältigen und hinreichend substantiierten Folgenabwägung ist nur dann Raum, wenn eine – nach vorstehenden Maßstäben durchzuführende – Rechtmäßigkeitsprüfung auch unter Berücksichtigung der Kürze der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren regelmäßig zur Verfügung stehenden Zeit nicht verwirklicht werden kann (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14.09.2016 – 1 BvR 1335/13 -, juris). Maßgebend für die Beurteilung der Anordnungsvoraussetzungen sind regelmäßig die Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Eilentscheidung.
Auch für den Erlass einer einstweiligen Anordnung müssen die allgemeinen Prozessvoraussetzungen vorliegen. Die Prozessvoraussetzungen müssen in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen geprüft werden; fehlen sie von Anfang an oder fällt eine Prozessvoraussetzung im Laufe des Rechtsstreits weg, darf eine Sachentscheidung nicht ergehen (Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, SGG, 14. Aufl., vor § 51 Rn. 13). Zu den allgemeinen Prozessvoraussetzungen gehört das Rechtsschutzbedürfnis (Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, SGG, 14. Aufl., § 86b Rn. 26). Dieser Begriff bedeutet, dass nur derjenige einen Anspruch auf eine gerichtliche Sachentscheidung hat, der mit dem von ihm angestrengten gerichtlichen Rechtsschutzverfahren ein rechtlich schützenswertes Interesse verfolgt. Niemand soll die Gerichte grundlos oder für unlautere Zwecke in Anspruch nehmen dürfen (BSG, Urteil vom 08.05.2007 – B 2 U 3/06 R -, juris). Ein Rechtsschutzbedürfnis für den Erlass einer einstweiligen Anordnung besteht in der Regel nur, wenn der Antragsteller sich zunächst an die Verwaltung wendet, dort sein Begehren vorbringt und die normale Bearbeitungszeit abwartet (Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, SGG, 14. Aufl., § 86b Rn. 26b). In einem Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz bei Gericht kann ein Antrag auf Gewährung der Leistung durch die Verwaltung enthalten sein; hat diese während des Eilverfahrens die Leistung abgelehnt oder ist die normale Bearbeitungszeit abgelaufen, darf der Eilantrag nicht mehr wegen fehlendem Rechtsschutzinteresse als unzulässig abgelehnt werden, weil sich der Antragsteller nicht zunächst an die Verwaltung gewandt hat. Maßgebend ist auch hinsichtlich des Rechtsschutzinteresses der Sach- und Streitstand im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts (Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, SGG, 14. Aufl., § 86b Rn. 26b; aA ohne weitere Begründung Roos/Wahrendorf, SGG, 3. Aufl., § 86b Rn. 189).
Gemessen hieran ist der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung im Zeitpunkt der Entscheidung durch das Gericht zulässig. Dem am 02.04.2025 gestellten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, mit dem der Antragsteller Leistungen über den 26.03.2025 hinaus begehrte, fehlte allerdings jedenfalls teilweise das Rechtsschutzbedürfnis. Insoweit waren im Zeitpunkt der Antragstellung die Leistungen in Höhe von §§ 3 Abs. 1 Satz 1, 3a AsylbLG bereits bewilligt. Insoweit bedurfte es keines gerichtlichen Antrages um den Anspruch durchzusetzen. Soweit der Antrag darüber hinausgeht, war er von Anbeginn zulässig, da die Antragsgegnerin diese Leistungen abgelehnt hat.
Der Antrag ist, soweit der Antragsteller ihn nicht für erledigt erklärt hat, begründet. Es besteht sowohl ein Anordnungsgrund als auch ein Anordnungsanspruch. Bei der gegebenen Sach- und Rechtslage ist jedenfalls von einer offenen Erfolgsaussicht des Widerspruchs resp. einer Klage in der Hauptsache auszugehen, die wegen der Grundrechtsrelevanz im Rahmen einer vorläufigen Entscheidung nicht zu Lasten des Antragstellers ausgehen kann, so dass ihm vorläufig auch Leistungen gemäß § 3 Abs. 1 Satz 2 AsylbLG zu gewähren sind.
Gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG erhalten Leistungsberechtigte nach § 1 Leistungen zur Deckung des Bedarfs an Ernährung, Unterkunft, Heizung, Kleidung, Gesundheitspflege und Gebrauchs- und Verbrauchsgütern des Haushalts (notwendiger Bedarf). Zusätzlich werden ihnen gemäß § 3 Abs. 1 Satz 2 AsylbLG Leistungen zur Deckung persönlicher Bedürfnisse des täglichen Lebens gewährt (notwendiger persönlicher Bedarf). Werden diese Bedarfe, mit Ausnahme der Bedarfe für Unterkunft, Heizung, Hausrat, Wohnungsinstandhaltung und Haushaltsenergie, vollständig durch Geldleistungen gedeckt, ist der monatliche Betrag in § 3a Abs. 1 und 2 AsylbLG in der jeweiligen Fassung der Bekanntmachung über die Höhe der Leistungssätze nach § 3a Absatz 4 des Asylbewerberleistungsgesetzes bestimmt.
Der Antragsteller gehört gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 5 AsylbLG zum Kreis der nach dem Gesetz Leistungsberechtigten. Infolge der Ablehnung seines Asylantrags durch die Entscheidung des BAMF vom 02.01.2025 ist der Antragsteller vollziehbar ausreisepflichtiger Ausländer.
Ob die Antragsgegnerin berechtigt ist, die Leistungen nach § 3, 3a AsylbLG gemäß § 1 Abs. 4 AsylbLG auf die in § 1a AsylbLG vorgesehene Höhe einzuschränken, ist unter Berücksichtigung des Vorlagebeschlusses des Bundessozialgerichts (BSG) jedenfalls als offen anzusehen, so dass fraglich ist, ob die von der Antragsgegnerin gewählte Leistungseinschränkung auf Leistungen nach § 3 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG europarechtskonform ist. Das BSG hat dem EuGH durch Beschluss vom 25.07.2024 – B 8 AY 6/23 R – die Frage zur Entscheidung vorgelegt, ob eine Regelung eines Mitgliedstaats, die Antragstellern auf internationalen Schutz abhängig von ihrem Status als vollziehbar Ausreisepflichtige innerhalb der Überstellungsfrist nach der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 ausschließlich einen Anspruch auf Unterkunft, Ernährung, Körper- und Gesundheitspflege und Behandlung im Krankheitsfall sowie nach den Umständen im Einzelfall Kleidung und Gebrauchs- und Verbrauchsgüter des Haushalts gewährt, das in Art. 17 Abs. 2 und Abs. 5 der Richtlinie 2013/33 EU beschriebene Mindestniveau abdeckt. Die Frage nach der Vereinbarkeit mit Europarecht stellt sich zur Überzeugung des Gerichts in gleicher Weise, wenn diese Leistungseinschränkung nunmehr auf § 1 Abs. 4 AsylbLG gestützt wird und der notwendige persönliche Bedarf nach § 3 Abs. 1 Satz 2 AsylbLG regelhaft von der Leistungsgewährung ausgeschlossen wird. Eine Europarechtskonformität wird nicht bereits dadurch hergestellt, dass die Antragsgegnerin keinen (vollständigen) Leistungsausschluss annimmt und nicht lediglich Überbrückungsleistungen für einen Zeitraum von 14 Tagen gewährt. Es verbleibt vielmehr eine Leistungseinschränkung, deren Rechtmäßigkeit dem EuGH gerade auch in dem beschriebenen Umfang zur Entscheidung vorgelegt ist.
Die ernstlichen Zweifel an der Europarechtskonformität von § 1 Abs. 4 AsylbLG, die durch den Vorlagebeschluss des BSG hinreichend untermauert sind, müssen im vorliegenden Fall im Rahmen der vorzunehmenden Interessenabwägung zur Gewährung effektiven vorläufigen Rechtsschutzes zu Gunsten des Antragstellers ausfallen und zu einer vorläufigen Leistungsverpflichtung der Antragsgegnerin führen (BeckOK/Wahrendorf, SGG, § 86b Rn. 28, 30). Das folgt vorliegend insbesondere aus der Funktion der begehrten Leistungen als existenzsichernde (vgl. BVerfG, Beschluss vom 18.07.2012 – 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11 -, juris).
In diesem Sinn besteht auch ein Anordnungsgrund. Die begehrten existenzsichernden Leistungen werden dem Antragsteller nicht erbracht, so dass von einem durch die Regelungsanordnung abzuwenden entsprechenden Nachteil auszugehen ist.
Die Kostenentscheidung folgt aus entsprechender Anwendung von § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG. Dem Gericht steht bei der Entscheidung ein sachgemäßes bzw. pflichtgemäßes Ermessen unter Einbeziehung aller wertungsrelevanten Gesichtspunkte (Vorverfahren, Klageverfahren, Beweisaufnahme, Verhalten der Behörde, des Klägers etc.) zu (Wehrhahn in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 2. Aufl., § 193 Rn. 36; Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, SGG, 14. Aufl., § 193 Rn. 12). Das Gericht kann danach bei der zu treffenden Kostenentscheidung unter Beachtung der Umstände des Einzelfalles berücksichtigen, wer Anlass zur Klage bzw. dem Rechtsstreit gegeben hat, auch ein obsiegender Beteiligter kann danach zur Kostenerstattung verpflichtet werden (Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, SGG, 14. Aufl., § 193 Rn. 12b; Bayerisches LSG, Beschluss vom 17.03.2021 – L 20 KR 21/21 B ER -, juris). Dies zu Grunde gelegt hat die Antragsgegnerin die Hälfte der außergerichtlichen Kosten des Antragstellers zu tragen. Zwar hat der Antragsteller mit seinem Antrag im Umfang der ausgesprochenen Verpflichtung der Antragsgegnerin zur vorläufigen Leistungsgewährung Erfolg. Bei der Kostenentscheidung ist vorliegend aber zu berücksichtigen, dass der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wegen fehlendem Rechtsschutzbedürfnis teilweise unzulässig war und es keines Antrages auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wegen Leistungen in Höhe der nach § 3 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG bedurfte, da der Bescheid bereits erteilt war. Wartet der Antragsteller den Postlauf ohne Nachfrage bei der Antragsgegnerin nicht ab, trägt er das (Kosten-)Risiko für den von ihm gestellten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung. Insoweit durfte der Antragsteller im Übrigen auch mit einer entsprechenden Leistungsgewährung rechnen, sofern sich die tatsächlichen Umstände nicht geändert haben.
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG). Die Berufungssumme wird nicht erreicht, da der Antragsteller allein Leistungen nach §§ 3 Abs. 1 Satz 2, 3a AsylbLG in dem hier streitigen Zeitraum von 7 Tagen, insgesamt 45,73 €, begehrt.
III.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwalt Sven Adam, Göttingen, ist gemäß § 73a Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) iVm § 118 Abs. 2 Satz 4 der Zivilprozessordnung (ZPO) bereits deshalb abzulehnen, weil der Kläger für das vorliegende Verfahren keine aktuelle Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vorgelegt hat.
Gemäß § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG iVm § 117 Abs. 2 Satz 1 ZPO sind dem Antrag auf Bewilligung der Prozesskostenhilfe eine Erklärung des Beteiligten über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse (Familienverhältnisse, Beruf, Vermögen, Einkommen und Lasten) sowie entsprechende Verhältnisse beizufügen. Dabei sind gemäß § 117 Abs. 4 ZPO die amtlichen Formulare zu benutzen und die Erklärung ist – wie der Wortlaut des § 117 Abs. 2 ZPO zeigt – grundsätzlich in jedem Verfahren selbständig vorzulegen (vgl. mwN OLG Karlsruhe, Beschluss vom 12.02.2018 – 5 WF 191/17 -, juris). Nur so ist das Gericht in der Lage, über den Antrag auf Prozesskostenhilfe in diesem Verfahren – ohne von sich aus weitere, ihm zudem nicht obliegende, Nachforschungen anstellen zu müssen – zuverlässig entscheiden zu können. Es ist dem Beteiligten, der die staatliche Leistung der Prozesskostenhilfe in Anspruch nehmen will, auch zumutbar, in jedem der von ihm eingeleiteten Verfahren die Voraussetzungen des § 117 Abs. 2 und 4 ZPO zu erfüllen. Der Antragsteller hat zwar vorliegend eine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vorgelegt. Dabei handelt es sich aber offensichtlich um die Kopie des entsprechenden Antrags in dem Verfahren S 3 AY 12/25 ER. Dies ergibt sich für das Gericht nicht nur aus dem Datum des Antrags, sondern auch daraus, dass der Kontostand gleichlautend mit -0,29 € angegeben ist, was unter Berücksichtigung der zwischenzeitlichen Leistungsgewährung durch die Antragsgegnerin nicht dem aktuellen Stand entsprechen dürfte. Die Vorlage einer Kopie des in dem vorherigen Verfahren gestellten Antrags ersetzt die Erklärung für das vorliegende Verfahren nicht. Vielmehr darf für jedes Verfahren erwartet werden, dass der Antragsteller insbesondere die vorgesehenen Versicherungen gesondert abgibt und diese damit jedenfalls aktualisiert. Unabhängig davon, dass dem anwaltlich vertretenen Antragsteller die Verpflichtung zur Vorlage des entsprechenden auf das konkrete Verfahren bezogene Formular bekannt zu sein hat, hat das Gericht ihn auch bereits im Verfahren S 3 AY 24/25 ER auf diese Verpflichtung hingewiesen. Der Umstand der (angenommenen) Hilfebedürftigkeit entbindet einen Antragsteller von der Vorlage dieser Erklärung auch nicht. Der Antragsteller kann sich mit seiner Erklärung jeweils auch das mit einer Prozesskostenhilfegewährung verbundene Risiko eines Rückgriffs bei Wegfall der Hilfebedürftigkeit bewusst machen.
Der Beschluss ist endgültig (§ 172 Abs. 3 Nr. 2a SGG).BESCHLUSS