Sozialgericht Trier – Beschluss vom 15.04.2025 – Az.: S 3 AY 30/25 ER

BESCHLUSS

In dem Rechtsstreit

xxx,

– Antragsteller –

Prozessbevollmächtigter:
Rechtsanwalt Sven Adam,
Lange Geismarstraße 55,
37073 Göttingen

gegen

Land Rheinland-Pfalz,
vertreten durch den Präsidenten der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion,
Willy-Brandt-Platz 3,
54290 Trier

– Antragsgegner –

hat die 3. Kammer des Sozialgerichts Trier am 15. April 2025 durch die Vizepräsidentin des Sozialgerichts xxx beschlossen:

1. Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller für die Zeit vom 01.04.2025 bis zum 04.05.2025, längstens bis zur Entscheidung über den Widerspruch vom 01.04.2025 oder der Ausreise/Abschiebung des Antragstellers aus dem Bundesgebiet, vorläufig Leistungen nach §§ 3, 3a Asylbewerberleistungsgesetz nach Regelbedarfsstufe 1 unter Anrechnung bereits erbrachter Leistungen zu gewähren.

2. Der Antragsgegner trägt die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers.

3. Dem Antragsteller wird zur Wahrnehmung seiner Rechte in der ersten Instanz Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt Sven Adam, Göttingen, zu den Bedingungen eines im Bezirk des Sozialgerichts Trier ansässigen Rechtsanwalts bewilligt.

GRÜNDE
I.

Der Antragsteller begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes höhere Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG).

Der im August 19xx geborene Antragsteller ist ukrainischer Staatsbürger. Er reiste am 07.12.2024 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 08.01.2025 einen förmlichen Asylantrag, den das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) durch Bescheid vom 18.02.2025 als unzulässig ablehnte. Es stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) nicht vorlägen und ordnete die Abschiebung nach Kroatien an. Das BAMF ordnete außerdem das Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Abs. 1 AufenthG an und befristete es auf 60 Monate ab dem Tag der Abschiebung. Der Asylantrag sei gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 1 Asylgesetz (AsylG) unzulässig, da Kroatien auf Grund der Zuständigkeit zur Prüfung des Asylantrages gem. Art. 20 Abs. 5 Dublin-III-VO für die Behandlung des Asylantrages zuständig sei. Das BAMF führte aus, es lägen keine Abschiebungsverbote vor. Der Antragsteller müsse sich darauf verweisen lassen, dass er sich bei einer Einreise in das Hoheitsgebiet der Dublin-Mitgliedsstaaten nicht einfach den Staat aussuchen dürfe, der sein Asylgesuch prüfen solle. Persönliche Präferenzen fänden im Rahmen des europäischen Asylverfahrens keine Berücksichtigung. Für das Asylbegehren sei der Mitgliedsstaat zuständig, in dem der erstmalige illegale Grenzübertritt in die Europäische Union oder die erstmalige Asylantragstellung erfolgt sei. Suche ein Antragsteller von dort aus einen weiteren Mitgliedstaat auf und stelle dann einen Antrag, so sei bzw. bleibe grundsätzlich der Mitgliedsstaat des illegalen Grenzübertritts bzw. der ersten Antragstellung zuständig. Kroatien sei für die Bearbeitung des Asylantrages des Antragstellers zuständig geworden. Die Anordnung der Abschiebung nach Kroatien beruhe auf § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG.

Der Antragsteller befindet sich seit dem 11.12.2024 in einer Aufnahmeeinrichtung für Asylbegehrende (AfA), zunächst in der AfA Trier, jedenfalls seit dem 17.12.2024 in der AfA Hermeskeil.
Der Antragsgegner gewährt dem Antragsteller in der Einrichtung Leistungen nach dem AsylbLG. Er zahlt auf entsprechende jeweilige Vorsprache des Antragstellers einen Barbetrag zur Deckung persönlicher Bedürfnisse des täglichen Lebens nach dem AsylbLG aus. Für Zeiträume jedenfalls seit dem 07.12.2024 wurde der auszuzahlende Bedarf erkennbar auf Grundlage von Bedarfsstufe 1 nach §§ 3 Abs. 1 Satz 2, 3a AsylbLG bestimmt. Die monatlichen Leistungen werden dabei zum Zweck der taggenauen Auszahlung auf einen Tagessatz (1/30) berechnet und für den jeweiligen Zeitraum ausgezahlt. Auf dieser Grundlage zahlte der Antragsgegner dem Antragsteller zuletzt für den Zeitraum 10.02.2025 bis 23.02.2025 einen Betrag von 91,50 € aus.
Für den Zeitraum 07.04.2025 bis 04.05.2025 zahlte der Antragsgegner am 03.04.2025 einen Betrag in Höhe von 96,20 €. Dieser ausgezahlte Betrag entspricht 52,60% des nach § 3a Abs. 1 Satz 2 AsylbLG in der Regelbedarfsstufe 1 bestimmten Betrages von 196 €. Der prozentuale Anteil ergibt sich aus dem entsprechenden Anteil, den die Summe notwendiger und notwendiger persönlicher Bedarfe gemäß § 1a AsylbLG an der Summe notwendiger und notwendiger persönlicher Bedarfe nach §§ 3, 3a AsylbLG nach der Regelbedarfsstufe 1 ausmacht.
Der Antragsgegner führt keine Leistungsakten, schriftliche Leistungsbescheide ergehen nicht.

Mit Schreiben vom 01.04.2025 legte der Antragsteller Widerspruch gegen die Gewährung der Leistungen nach dem AsylbLG ab Kürzung der Grundleistungen nach §§ 3, 3a AsylbLG ein.

Er beantragte ebenfalls am 01.04.2025 den Erlass einer einstweiligen Anordnung mit der er die Verpflichtung des Antragsgegners zur vorläufigen Gewährung von ungekürzten Grundleistungen nach §§ 3, 3a AsylbLG begehrt, soweit diese als Geldleistungen gewährt werden. Er begründet seinen Antrag mit verfassungsrechtlichen Bedenken gegen § 1 Abs. 4 AsylbLG und trägt dazu vor,
die Gewährung von Überbrückungsleistungen nach § 1 Abs. 4 Satz 2 AsylbLG verstoße gegen das durch Art. 1 Abs. 1 iVm Art. 20 Abs. 1 Grundgesetz (GG) gewährleistete menschenwürdige Existenzminimum. Daraus ergebe sich ein unmittelbarer verfassungsrechtlicher Leistungsanspruch, durch den die physische und soziokulturelle Existenz gesichert werden müsse. Der Staat sei im Rahmen seines Auftrages zum Schutz der Menschenwürde und in Ausfüllung seines sozialstaatlichen Gestaltungsauftrages verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass die materiellen Voraussetzungen für ein menschenwürdiges Dasein zur Verfügung stünden. § 1 Abs. 4 AsylbLG schließe die Betroffenen vollständig von Leistungen aus und enthalte damit eine generalisierende Einschränkung, die mit den durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bestimmten verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht vereinbar sei. Die in Art. 1 Abs. 1 GG garantierte Menschenwürde sei migrationspolitisch nicht zu relativieren. Der Leistungsausschluss des § 1 Abs. 4 AsylbLG verfolge kein legitimes Ziel, denn es sollten keine asyl- oder aufenthaltsrechtliche Mitwirkungspflichten durchgesetzt werden. Vielmehr gehe es offenkundig um die repressive Sanktionierung eines Verhaltens der Betroffenen im Einzelfall, unerwünschte Sekundärmigration solle eingedämmt werden. Im Übrigen sei die Leistungsminderung auch unverhältnismäßig, denn es liege nicht im Verantwortungsbereich des Hilfesuchenden selbst die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass er die Leistungen nach einer Minderung wieder erhalten könne. Die Regelung verfolge auch nicht das Ziel, die Bedürftigkeit zu überwinden. Darüber hinaus verstoße § 1 Abs. 4 AslybLG gegen Unionsrecht, denn eine Leistungskürzung sei nur bei Stellung eines Folgeantrags oder dem Vorwurf eines pflichtwidrigen Verhaltens zulässig. Beides sei bei ihm nicht der Fall. Das auch durch das Unionsrecht gewährleistete Mindestniveau an Leistungen werde nicht gewahrt.

Der Antragsteller beantragt,
den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm vorläufig und unter dem Vorbehalt der Rückforderung bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über seinen Widerspruch vom 31.03.2025 gegen die faktische Leistungsgewährung durch den Antragsgegner unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts die Grundleistungen nach den §§ 3, 3a AsylbLG ungekürzt ab Eingang dieses Antrages bei Gericht zu gewähren, soweit diese als Geldleistungen gewährt werden.

Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.

Zur Begründung trägt er vor,
der Antragsteller habe keinen Anspruch auf die vorläufige Gewährung höherer Leistungen bzw. von Leistungen nach §§ 3, 3a AsylbLG. Er gewähre Leistungen nach Maßgabe der gesetzlichen Regelungen, über die er sich wegen der Bindung an Gesetz und Recht nach Art. 20 Abs. 3 GG nicht hinwegsetzen dürfe. Er lege § 1 Abs. 4 Satz 6 AsylbLG im Rahmen des ihm verbleibenden Ermessensspielraums in zeitlicher Hinsicht bereits verfassungs- und europarechtskonform aus und nehme gerade keinen vollständigen Leistungsausschluss vor, sondern gewähre die Überbrückungsleistungen bis zum Zeitpunkt der freiwilligen Ausreise bzw. der Überstellung in den für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Mitgliedsstaat. Eine Versorgung der notwendigen Bedürfnisse wie der elementarsten, notwendigen persönlichen Bedarfe des Antragstellers sei gewährleistet. Bisher sei über die Verfassungs- und Europarechtskonformität der in Rede stehenden Regelung nicht entschieden. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) habe in der Entscheidung vom 12.05.2021 – 1 BvR 2682/17 – die Beschränkung des Anspruchs nach dem AsylbLG auf existenzsichernde Leistungen auf das unabweisbar Gebotene für verfassungsgemäß erachtet. Auch vorliegend werde der Antragsteller nicht vollständig von Leistungen ausgeschlossen, existenzsichernde Leistungen würden weiterhin gewährt. Damit sei auch eine Europarechtskonformität hergestellt. Dem Vorlagebeschluss des Bundessozialgericht (BSG) vom 25.07.2024 – B 8 AY 6/23 – könne nichts anderes entnommen werden, weil das BSG die Frage vorgelegt habe, ob das in Art. 17 Abs. 2 und Abs. 5 der Richtlinie 2013/33/EU beschriebene Mindestniveau abgedeckt werden, wenn eine Regelung eines Mitgliedstaates Antragstellern auf internationalen Schutz abhängig von ihrem Status als vollziehbar Ausreisepflichtige innerhalb der Überstellungsfrist nach der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 ausschließlich einen Anspruch auf Unterkunft, Ernährung, Körper- und Gesundheitspflege und Behandlung im Krankheitsfall sowie nach den Umständen im Einzelfall Kleidung und Gebrauchs- und Verbrauchsgüter des Haushalts gewähre. Er gewähre darüberhinausgehend aber anteilig Geldleistungen zur Deckung notwendiger persönlicher Bedarfe. Eine gänzliche Beschränkung auf Leistungen zur Deckung persönlicher Bedarfe nehme er gerade nicht vor. Im Wege der Gewährung effektiven vorläufigen Rechtsschutzes könne wegen der verbliebenen Leistungseinschränkung kein existenzieller Nachteil des Antragstellers angenommen werden und zu einer vorläufigen vollständigen Leistungsverpflichtung führen. Dies würde eine Nichtanwendung der gesetzlichen Norm gleichkommen und in das Verwerfungsmonopol des BVerfG nach Art. 100 GG eingreifen. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 AsylbLG lägen vor. Der Antragsteller sei vollziehbar ausreisepflichtiger Leistungsberechtigter nach § 1 Abs. 1 Nr. 5 AsylbLG; sein Asylantrag sei durch Entscheidung des BAMF nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 iVm § 31 Abs. 6 AsylG als unzulässig abgelehnt und eine Abschiebung nach § 34a Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 AsylG angeordnet worden. Es sei festgestellt, dass Abschiebeverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorlägen. Unabhängig von den konkreten Formulierungen im BAMF-Bescheid erfolge bereits mit der Entscheidung des BAMF über die Unzulässigkeit des Asylantrages die Feststellung über die tatsächliche und rechtliche Möglichkeit, die im Rahmen der vorliegenden Regelung maßgeblich sei. So führe die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Inneres und Heimat vom 16.10.2024 (BT-Drs. 20/13413, S. 53) bzgl. der gesonderten Benennung der rechtlichen und tatsächlichen Möglichkeit der Ausreise aus: „Die Änderung hat klarstellenden Charakter. Mit der Entscheidung über die Unzulässigkeit des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge erfolgt bereits die Feststellung über die tatsächliche und rechtliche Möglichkeit, die im Rahmen dieser Regelung maßgeblich ist. Insbesondere hat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge bereits geprüft, dass dem Ausländer keine Verletzung von Artikel 3 der Menschenrechtskonvention oder Artikel 4 der Grundrechtcharta im anderen Mitgliedstaat droht. Die selbstinitiierte Ausreise ist in der Regel mit der Unzulässigkeitsentscheidung innerhalb von zwei Wochen möglich, wenn der Transfer gewährleistet ist. Zu diesem Zweck wird dem Ausländer ein Laissez-passer ausgestellt. …“ Darauf verweise auch das Ministerium für Familie, Frauen, Kultur und Integration Rheinland-Pfalz in seinem elektronischen Brief vom 05.12.2024 (S. 3f des Briefes).

Mit dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat der Antragsteller unter Vorlage der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse die Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt Sven Adam, Göttingen, beantragt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Prozessakte sowie der von dem Antragsgegner vorgelegten Verwaltungsakte und der beigezogenen Akte der Kreisverwaltung Trier-Saarburg Bezug genommen.

II.

Der auf § 86b Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) gestützte Antrag ist zulässig und auch begründet. Der Antragsteller hat für den Zeitraum vom 01.04.2025 bis 04.05.2025 Anspruch auf vorläufige Gewährung von Leistungen nach §§ 3, 3a AsylbLG.

Nach § 86b Abs. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache, sofern kein Fall der Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung bzw. der sofortigen Vollziehung gemäß § 86b Abs. 1 SGG vorliegt, auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Satz 1). Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Satz 2).

Vorliegend kommt eine Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG in Betracht, da die vorläufige Begründung einer Rechtsposition begehrt wird. Der begehrte Rechtsschutz kann dann gewährt werden, wenn die Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, zur Abwendung wesentlicher Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen notwendig erscheint. Hierzu muss glaubhaft gemacht sein, dass das geltend gemachte Recht des Antragstellers gegenüber dem Antragsgegner besteht (Anordnungsanspruch) und dass der Antragsteller ohne den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung wesentliche Nachteile erleidet (Anordnungsgrund). Nach dem Sinn und Zweck des § 86b Abs. 2 SGG sollen mittels des dort geregelten Instrumentes des einstweiligen Rechtsschutzes irreparable Entscheidungen durch die Verwaltung und damit endgültige, vom Gericht nicht mehr zu korrigierende Umstände, verhindert werden. Demzufolge kann eine einstweilige Anordnung vor einer gerichtlichen Entscheidung in der Hauptsache nur erlangt werden, wenn ohne die begehrte Anordnung für den Antragsteller schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstünden und diese auch nicht durch die spätere Entscheidung in der Hauptsache beseitigt werden könnten. Zudem muss der Erfolg in der Hauptsache wahrscheinlich sein und diese darf nicht durch die einstweilige Anordnung erledigt oder vorweggenommen werden. Lässt also die im Eilverfahren durchgeführte Prüfung bereits erkennen, dass das von dem Antragsteller behauptete Recht zu seinen Gunsten nicht besteht, so ist auch nach § 86b Abs. 2 SGG eine einstweilige Anordnung nicht möglich, weil dann eine sicherungsfähige und sicherungswürdige Rechtsposition fehlt.
Sind Grundrechte tangiert, ist die Sach- und Rechtslage nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen (BVerfG, Beschluss vom 12.05.2005 – 1 BvR 569/05 – , juris). Für eine Entscheidung aufgrund einer sorgfältigen und hinreichend substantiierten Folgenabwägung ist nur dann Raum, wenn eine – nach vorstehenden Maßstäben durchzuführende – Rechtmäßigkeitsprüfung auch unter Berücksichtigung der Kürze der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren regelmäßig zur Verfügung stehenden Zeit nicht verwirklicht werden kann (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14.09.2016 – 1 BvR 1335/13 -, juris) Maßgebend für die Beurteilung der Anordnungsvoraussetzungen sind regelmäßig die Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Eilentscheidung.

Streitgegenstand im Rahmen des vorliegenden einstweiligen Rechtsschutzverfahrens sind unter Berücksichtigung des vom Antragsteller gestellten Antrages vorläufige Leistungen im Zeitraum 01.04.2025 bis 04.05.2025. Maßgeblich für ein Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ist der Gegenstand eines entsprechenden Hauptsacheverfahrens, das dem Eilverfahren zugrunde liegen könnte (vgl. mwN Bayerischen LSG, Beschluss vom 19.07.2028 – L 11 AS 329/18 B ER -, juris). Der Streitgegenstand ergibt sich damit aus den Bescheiden des Antragsgegners mit denen Leistungen für den Zeitraum vom 01.04.2025 bis 04.05.2025 gewährt werden. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist bei Gericht am 01.04.2025 eingegangen, ab diesem Zeitpunkt begehrt der Antragsteller Leistungen.
Soweit das Landessozialgericht Rheinland-Pfalz die Auffassung vertreten hat, der Antragsgegner erlasse keine Verwaltungsakte hinsichtlich der Bewilligung von Leistungen nach dem AsylbLG (vgl. nur Beschluss vom 04.06.2024 – L 3 AY 5/24 B ER -), gilt dies für den vorliegenden Fall nicht. Zwar erlässt der Antragsgegner keinen schriftlichen, mündlichen oder elektronischen Verwaltungsakt nach § 33 Abs. 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X). Entsprechende Bewilligungsbescheide werden aber „in anderer Weise“ iSd § 33 Abs. 1 Satz 2 SGB X, konkludent mit der Auszahlung erlassen. Der Antragsgegner handelt insoweit mit entsprechenden Rechtshandlungswillen, dem eine Prüfung der Leistungsvoraussetzungen und eine Entscheidung vorausgegangen ist. Vor den Auszahlungen hat der Antragsteller, jedenfalls in dem hier vorliegenden Fall, erkennbar die Leistungsvoraussetzungen des Antragstellers individuell geprüft und eine Entscheidung über die Höhe der auszuzahlenden Leistungen wie dem Bewilligungszeitraum getroffen. Auch wenn der Antragsgegner mit dem Auszahlungsvorgang als Verwaltungsmaßnahme gleichzeitig einen tatsächlichen Erfolg herbeiführen wollte, ist der Auszahlung ebenso der Rechtserfolg im Sinne einer Bewilligung immanent (vgl. in diesem Sinn für die Sozialhilfe VG Karlsruhe, Urteil vom 14.11.2002 – 2 K 1129/01 -; für die Krankengeldgewährung mwN BSG, Urteil vom 25.03.2003 – B 1 KR 36/01 R -, beide juris; allgemein: Schütze/Engelmann, 9. Aufl. 2020, SGB X § 33 Rn. 42; Pattar in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, 3. Aufl. § 33 Rn. 93).
Eine Bestandkraft dieser Entscheidungen des Antragsgegners steht dem Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht entgegen (vgl dazu Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, SGG, 14. Aufl. 2023, § 86b Rn. 26d), denn der Antragsteller hat für die dafür vorliegende Zeit am 01.04.2025 Widerspruch eingelegt, hinsichtlich der Entscheidung vom 03.04.2025 ist die Rechtsbehelfsfrist noch nicht verstrichen.

Zur Überzeugung des Gerichts besteht gemessen an dem oben dargestellten Maßstab für den Zeitraum vom 01.04.2025 bis 04.05.2025 sowohl ein Anordnungsanspruch als auch ein Anordnungsgrund. Bei der gegebenen Sach- und Rechtslage ist von einer Erfolgsaussicht des Widerspruchs resp. einer Klage in der Hauptsache auszugehen, denn der Antragsteller hat einen Anspruch auf Leistungen gemäß § 3, 3a AsylbLG.

Gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG erhalten Leistungsberechtigte nach § 1 Leistungen zur Deckung des Bedarfs an Ernährung, Unterkunft, Heizung, Kleidung, Gesundheitspflege und Gebrauchs- und Verbrauchsgütern des Haushalts (notwendiger Bedarf). Zusätzlich werden ihnen gemäß § 3 Abs. 1 Satz 2 AsylbLG Leistungen zur Deckung persönlicher Bedürfnisse des täglichen Lebens gewährt (notwendiger persönlicher Bedarf). Werden Bedarfe vollständig durch Geldleistungen gedeckt werden, ist der monatliche Betrag in § 3a Abs. 1 und 2 AsylbLG in der jeweiligen Fassung der Bekanntmachung über die Höhe der Leistungssätze nach § 3a Absatz 4 des Asylbewerberleistungsgesetzes bestimmt.

Der Antragsteller gehört gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 5 AsylbLG zum Kreis der nach dem Gesetz Leistungsberechtigten. Infolge der Ablehnung seines Asylantrags durch die Entscheidung des BAMF vom 18.02.2025 ist der Antragsteller vollziehbar ausreisepflichtiger Ausländer.

Der Antragsteller ist nicht gemäß § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 AsylbLG von Leistungen ausgeschlossen. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 AsylbLG liegen nicht vor.
Danach haben vollziehbar Ausreisepflichtige, deren Asylantrag durch eine Entscheidung des BAMF nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 iVm § 31 Abs. 6 AsylG als unzulässig abgelehnt wurde, für die eine Abschiebung nach § 34a Abs. 1 Satz 1 2. Altn. AsylG angeordnet wurde und für die nach der Feststellung des BAMF die Ausreise rechtlich und tatsächlich möglich ist, keinen Anspruch auf Leistungen nach dem AsylbLG, auch wenn die Entscheidung des BAMF noch nicht unanfechtbar ist.

Der Asylantrag des Antragstellers ist zwar mit Bescheid vom 18.02.2025 durch das BAMF nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 iVm § 31 Abs. 6 AsylG als unzulässig abgelehnt und eine Abschiebung nach § 34a Abs. 1 Satz 1 2. Altn. AsylG angeordnet worden. Eine (positive) Feststellung des BAMF, dass die Ausreise rechtlich und tatsächlich möglich ist, ist in dem Bescheid hingegen nicht getroffen. Das mit den in dem Bescheid getroffenen Feststellungen (konkludent) auch die Feststellung durch das BAMF erfolgt, dass die Ausreise rechtlich und tatsächlich möglich ist, vermag das Gericht nicht zu erkennen. Das Gesetz unterscheidet zwischen den Abschiebeverboten und der Aussetzung der Abschiebung, weil tatsächliche und rechtliche Gründe diese unmöglich machen (vgl. insoweit § 60a Abs. 2 AufenthG). Trotz fehlendem Abschiebungsverbot kann die Abschiebung aus tatsächlichen und rechtlichen Gründen unmöglich sein. Unbeschadet des Umstandes, dass Abschiebeverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG andere tatbestandliche Voraussetzungen normieren, als die tatsächliche und rechtliche Unmöglichkeit der Ausreise (vgl. insoweit auch § 60a Abs. 2 AufenthG, der das Tatbestandsmerkmal der tatsächlichen und rechtlichen Möglichkeit normiert, sowie die entsprechende Kommentierung BeckOK AuslR/Kluth/Breidenbach, 43. Ed. 1.10.2024, AufenthG § 60a insbesondere Rn. 9- 11 zur Unmöglichkeit aus tatsächlichen Gründen), fordert der Wortlaut des § 1 Abs. 4 AsylbLG ausdrücklich eine positive Feststellung mit dem benannten Inhalt. Allein die Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 AsylbG, die nach Satz 1 der Vorschrift erfolgt sobald feststeht, dass die Abschiebung durchgeführt werden kann, ersetzt diese Feststellung nicht. Andernfalls wäre § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 AsylbLG redundant, denn die Abschiebungsandrohung ist bereits tatbestandliche Voraussetzung für den Leistungsausschluss. Für eine Absicht des Gesetzgebers, Tatbestandsmerkmale mehrfach in einer Norm aufzunehmen, hat das Gericht keine Anhaltspunkte. Die in § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 AsylbLG ausdrücklich normierte Feststellung durch das BAMF versteht das Gericht daher als eigenständiges Tatbestandsmerkmal, das bisher erkennbar nicht vorliegt. Auch wenn der Normgeber sich dies so vorgestellt haben mag fehlt es für die Annahme einer lediglich klarstellenden Funktion des Tatbestandsmerkmals unter Berücksichtigung der dargestellten normativen Unterschiede an Anhaltspunkten.

Im Übrigen hat die Kammer erhebliche Zweifel an der Europarechtskonformität des hier herangezogenen § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 AsylbLG, jedenfalls ist offen, ob die Regelung mit Art. 17 Richtlinie 2013/33 EU vereinbar ist (vgl. auch Frerichs in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, § 1 AsylbLG Rn. 199ff).
Nach Art. 17 Abs. 2 der Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.06.2013 zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen, sorgen die Mitgliedsstaaten dafür, dass die im Rahmen der Aufnahme gewährten materiellen Leistungen einem angemessenen Lebensstandard entsprechen, der den Lebensunterhalt sowie den Schutz der physischen und psychischen Gesundheit von Antragstellern gewährleistet.

Der Antragsteller gehört auf Grund des von ihm gestellten Asylantrages, über den noch nicht endgültig entschieden ist, zu dem nach Art. 3 Abs. 1 Richtlinie 2013/33 EU berechtigten Personenkreis. In den Fällen, in denen der Asylbewerber (noch) nicht tatsächlich an einen anderen, als zuständig angesehenen Mitgliedsstaat überstellt ist, ist der Anwendungsbereich der Richtlinie offensichtlich eröffnet (vgl. Vorlagebeschluss des BSG vom 25.07.2024 – B 8 AY 6/23 R -, juris).

Der Umfang der zu gewährenden Leistungen bemisst sich auf der Grundlage eines Leistungsniveaus wie bei eigenen Staatsangehörigen. Zwar räumt Art. 17 Abs. 5 Satz 2 der Richtlinie 2013/33 EU den Mitgliedsstaaten die Möglichkeit ein, Antragstellern auf internationalen Schutz eine weniger günstige Behandlung als eigenen Staatsangehörigen zuteilwerden zu lassen. Die Leistungen müssen aber einem angemessenen Lebensstandard entsprechen (Art. 17 Abs. 2 der Richtlinie 2013/33 EU). Dabei bemisst sich der Umfang von materiellen Leistungen in Form von Geldleistungen oder Gutscheinen durch die Mitgliedsstaaten, auf der Grundlage des Leistungsniveaus, das der betreffende Mitgliedsstaat nach Maßgabe der einzelstaatlichen Rechtsvorschriften oder nach den Gepflogenheiten anwendet, um eigenen Staatsangehörigen einen angemessenen Lebensstandard zu gewährleisten (Art. 17 Abs. 5 der Richtlinie 2013/33 EU). Erlaubt ist eine weniger günstige Behandlung im Vergleich mit eigenen Staatsangehörigen, insbesondere, wenn materielle Unterstützung teilweise in Form von Sachleistungen gewährt wird oder wenn das auf eigene Staatsangehörige anzuwendende Leistungsniveau darauf abzielt, einen Lebensstandard zu gewährleisten, der über dem nach dieser Richtlinie für Antragsteller vorgeschriebenen Lebensstandard liegt (Art. 17 Abs. 5 Satz 2 Richtlinie 2013/33 EU). Eingeschränkt oder entzogen werden dürfen die im Rahmen der Aufnahme gewährte Leistungen nach Maßgabe von Art. 20 der Richtlinie 2013/33 EU. Dass § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 AsylbLG diesem Maßstab abstrakt gerecht wird ist fraglich, jedenfalls ist nicht zu erkennen, dass der Antragsgegner die Leistungseinschränkung auf die tatbestandlichen Voraussetzungen nach Art. 20 Abs. 1 Richtlinie 2013/33 EU, die eine Normierung von Leistungseinschränkungen bzw. Entziehung rechtfertigen können, stützt.

Da die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 AsylbLG bereits nicht erfüllt sind, bedarf es wegen der von der Kammer angezweifelten Europarechtskonformität der Regelung keiner Folgenabwägung zur vorläufigen Verpflichtung des Antragsgegners zur Gewährung von Leistungen, die nur dann möglich wäre, wenn dies unumgänglich und die Durchsetzung des Anspruchs andernfalls endgültig verwehrt wäre (vgl. dazu mwN Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, SGG, 14. Aufl. 2023 § 86b Rn. 39).

Der Anordnungsgrund ergibt sich aus der Art der Leistung, bei denen es sich um solche zur Sicherung des Existenzminimums handelt, die zur Deckung eines aktuellen Bedarfs gedacht sind, so dass von Eilbedürftigkeit auszugehen ist.

Die Leistungen sind dem Antragsteller vorläufig ab Antragstellung bei Gericht, dem 01.04.2025, bis zum 04.05.2025, der Befristung in der Entscheidung vom 03.04.2025, längstens bis zur Entscheidung über seinen Widerspruch oder die Ausreise/Abschiebung des Antragstellers, zu gewähren.

Die Kostenentscheidung folgt aus entsprechender Anwendung von § 193 Abs. 1 SGG.

Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG). Die Berufungssumme wird nicht erreicht, da der Antragsteller allein die Differenz zwischen den ihm bereits gewährten Leistungen und den Leistungen nach § 3, 3a AsylbLG in dem im einstweiligen Rechtsschutzverfahren streitigen Zeitraum vom 01.04.2025 bis 04.05.2025 begehren kann, insgesamt 112,17 €.

III.

Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe erfolgt gemäß § 73a SGG, §§ 114 ff ZPO, weil der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung in der Sache, wie zuvor dargelegt, hinreichend Aussicht auf Erfolg hat und der Antragsteller unter Berücksichtigung der Angaben in der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse die Mittel zum Führen des Rechtsstreits nicht selbst aufbringen kann. Die Beiordnung von Rechtsanwalt Sven Adam erfolgt gemäß § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG iVm § 121 Abs. 2 ZPO mit der Maßgabe, dass durch seine Beiordnung keine weiteren Kosten entstehen (§ 121 Abs. 3 ZPO).

Dieser Beschluss über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist für die Beteiligten unanfechtbar – § 73a Abs. 1 SGG iVm § 127 Abs. 2 ZPO. Er kann jedoch mit der Beschwerde der Staatskasse innerhalb von drei Monaten seit der Verkündung der Entscheidung angefochten werden (§ 127 Abs. 3 ZPO).