BESCHLUSS
in dem Beschwerdeverfahren
xxx,
Prozessbevollm.:
Rechtsanwalt Sven Adam,
Lange-Geismar-Straße 55,
37073 Göttingen
– Antragsteller und Beschwerdeführer –
gegen
Altmarkkreis Salzwedel, vertr. d. d. Landrat,
Karl-Marx-Straße 32,
29410 Salzwedel
– Antragsgegner und Beschwerdegegner –
weitere Verfahrensbeteiligte:
Land Sachsen-Anhalt – Landeskasse -,
vertr. d. d. Bezirksrevisorin beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt,
c/o Sozialgericht Magdeburg,
Breiter Weg 203-206,
39104 Magdeburg
– Beteiligt –
Der 8. Senat des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt in Halle hat am 6. Mai 2025 durch den Präsidenten des Landessozialgerichts xxx, die Richterin am Landessozialgericht xxx und den Richter am Landessozialgericht xxx beschlossen:
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Magdeburg vom 6. Februar 2025 aufgehoben.
Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung dazu verpflichtet, dem Antragsteller ab dem 20. Dezember 2024 bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache, längstens bis zum 20. Juni 2025 ungekürzte Grundleistungen nach §§ 3, 3a Asylbewerberleistungsgesetz zu gewähren.
Der Antragsgegner hat dem Antragsteller die notwendigen außergerichtlichen Kosten für beide Rechtszüge dem Grunde nach zu erstatten.
Dem Antragsteller wird Prozesskostenhilfe für das Antrags- und Beschwerdeverfahren unter Beiordnung von Rechtsanwalt Sven Adam, Lange-Geismar-Straße 55, 37073 Göttingen bewilligt. Monatliche Raten aus dem Einkommen und Zahlungen aus dem Vermögen sind nicht zu leisten.
GRÜNDE
I.
In dem zugrundeliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtschutzes wendet sich der Antragsteller gegen eine Leistungseinschränkung nach § 1a Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG). Weiter wendet er sich gegen einen Beschluss des Sozialgerichts Magdeburg, mit dem die Gewährung von Prozesskostenhilfe für die Durchführung des erstinstanzlichen Verfahrens abgelehnt wurde.
Der Antragsteller ist am xxx geboren und syrischer Staatsbürger kurdischer Volkszugehörigkeit. Er wohnte bis 2019 nach eigenen Angaben bei seinen Eltern in einem Dorf in der Provinz Al-Hassaka in einem Haus, das inzwischen zerstört sein soll. Am 16. Juni 2022 erhielt sein Vater unter dem Familiennamen xxx in Bulgarien auf einen entsprechenden Asylantrag subsidiären Schutz. Dieser umfasste auch den damals minderjährigen Antragsteller. Am 6. September 2022 reiste der Antragsteller mit seiner Familie in die Bundesrepublik Deutschland ein.
Am 8. September 2022 wurde er in Deutschland registriert und am 14. November 2022 dem Antragsgegner – dem Altmarkkreis Salzwedel – zugewiesen und in einer Gemeinschaftsunterkunft untergebracht. Der Antragsteller erhielt eine Aufenthaltsgestattung. Mit Bescheid vom 30. November 2022 erhielt er laufende Leistungen nach § 3 AsylbLG „ab dem 14.11.2022 bis auf weiteres“.
Sein Antrag auf Asyl und Zuerkennung internationalen Schutzes (Flüchtlingseigenschaft und subsidiärer Schutz) wurde vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) mit Bescheid vom 4. August 2023 abgelehnt. Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) lägen nicht vor. Der Antragsteller wurde aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche zu verlassen. Im Falle des Verstreichens der Ausreisefrist werde er nach Bulgarien abgeschoben. Er dürfe nicht nach Syrien abgeschoben werden.
Der Antrag, die aufschiebende Wirkung gegen die Abschiebungsandrohung in diesem Bescheid vom 4. August 2023 anzuordnen, wurde mit Beschluss des Verwaltungsgerichts Magdeburg vom 4. September 2023 unter Verweis auf die Unzulässigkeit des Asylantrages gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 2 Asylgesetz (AsylG) abgelehnt. Die Unzulässigkeitsentscheidung des BAMF finde ihre Rechtsgrundlage in § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG, da dem Antragsteller bereits durch einen anderen Mitgliedsstaat der EU – hier Bulgarien – internationaler Schutz zuerkannt worden sei. Auf das Vorliegen systemischer Mängel im Asylverfahren und den Aufnahmebedingungen für Asylsuchende in Bulgarien komme es damit entscheidungserheblich nicht an, da die Regelungen der Dublin-III-Verordnung, insbesondere Art. 3 Abs. 2 Dublin-III- Verordnung, nicht mehr auf den Antragsteller Anwendung fänden. Ein Zuständigkeitseintritt der Bundesrepublik Deutschland komme danach nicht in Betracht. Vorliegend sei auch nicht ausnahmsweise von der Anwendung des § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG angesichts der Lebens- und Aufnahmebedingungen für diejenigen, denen durch Bulgarien internationaler Schutz zuerkannt sei, abzusehen, weil die den Antragsteller als Schutzstatusinhaber erwartenden Lebensverhältnisse ihn der ernsthaften Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 der EU- Grundrechte-Charta aussetzen würde. Wegen des fundamental bedeutsamen EU- Grundsatzes des gegenseitigen Vertrauens sei davon auszugehen, dass jeder Mitgliedsstaat das Unionsrecht und die europarechtlich implementierten und in der EU anerkannten Grundrechte beachte. In Konsequenz daraus gelte die Vermutung, dass die Behandlung von Drittstaatenangehörigen in jedem einzelnen Mitgliedsstaat in Einklang mit den Erfordernissen der EU-Grundrechte-Charta, der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) stehe. Ein Verstoß gegen diese Normen liege nur dann vor, wenn mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit anzunehmen sei, dass die anerkannt Schutzberechtigten in dem Mitgliedsstaat auf Grund der dort bestehenden voraussichtlichen Lebensumstände extremer materieller Not ausgesetzt wären. Nach Auswertung der aktuellen Berichte und Stellungnahmen könne von einer Verletzung dieser Rechte für Schutzstatusinhaber, die – wie der Antragsteller – keinem vulnerablen Personenkreis angehörten, in Bulgarien nicht ausgegangen werden. Die unionsrechtliche Vermutung sei mithin nicht widerlegt. Dieser Beschluss war unanfechtbar. Der Antragsteller erhielt eine Duldung nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG, die bis heute verlängert wurde.
Der Antragsgegner hörte sodann den Antragsteller zu der Absicht der Kürzung der Leistungen nach § 1a AsylbLG an. Dieser erklärte sodann im Rahmen einer Vorsprache am 19. September 2023, er akzeptiere die Kürzung und werde nicht ausreisen. Weiter habe er dem Ganzen nichts hinzuzufügen. Daraufhin setzte der Antragsgegner mit Bescheid vom 22. September 2023 für den Antragsteller gekürzte Leistungen gemäß § 1a Abs. 4 AsylbLG mit Wirkung ab dem 1. Oktober 2023 bis zum 31. März 2024 fest. Hiergegen erhob der Antragsteller am 17. Oktober 2023 Widerspruch. Am 16. Oktober 2023 bezog der Antragsteller gemeinsam mit anderen Familienmitgliedern eine Wohnung in Salzwedel. Entsprechend wurden mit Bescheid vom 16. November 2023 die Leistungen den neuen Verhältnissen angepasst. Mit Widerspruchsbescheid vom 21. Dezember 2023 wurde der Bescheid vom 22. September 2023 aufgehoben, insbesondere, weil der Leistungsbescheid über Leistungen gemäß §§ 3, 3a AsylbLG vom 30. November 2022 nicht gemäß § 45 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) zurückgenommen, sondern nach § 48 SGB X aufgehoben worden sei.
Mit Bescheid vom 6. Februar 2024 wurde der Bescheid vom 30. November 2022 gemäß § 45 SGB X ab dem 2. August 2023 zurückgenommen und hilfsweise gemäß § 48 SGB X aufgehoben und dem Antragsteller für den Zeitraum ab dem 1. Oktober 2023 bis zum 31. März 2024 Leistungen gemäß § 1a Abs. 4 AsylbLG gewährt. Der hiergegen am 15. Februar 2024 eingelegte Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 13. Mai 2024 zurückgewiesen. Hiergegen hat der Antragsteller nach den Angaben in dem angefochtenen Beschluss Klage erhoben, über die noch nicht entschieden ist.
Zwischenzeitlich bewilligte der Antragsgegner dem Antragsteller für den Zeitraum vom 1. April bis zum 30. September 2024 mit Bescheid vom 22. März 2024 erneut nur gekürzte Leistungen gemäß § 1 Abs. 4 AsylbLG. Den hiergegen am 5. April 2024 eingelegten Widerspruch wies der Antragsgegner mit Bescheid vom 3. Juni 2024 zurück. Das diesbezügliche Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes war erfolglos. Über die gegen diesen Bescheid in der Fassung des Widerspruchsbescheides erhobene Klage wurde noch nicht entschieden. (jeweils laut Sozialgericht im angefochtenen Beschluss)
Mit Bescheid vom 24. September 2024 wurden auch die Leistungen vom 1. Oktober 2024 bis zum 31. März 2025 wie zuvor gemäß § 1a Abs. 4 AsylbLG gekürzt. Dieser Bescheid war an den Bevollmächtigten des Antragstellers adressiert und wurde am 24. September 2024 zur Post gegeben.
Mit Bescheid vom 16. Dezember 2024 berechnete der Antragsgegner die Leistungen neu und setzte sie für die Monate Januar bis März 2025 auf 175 €/Monat fest. Zur Begründung wies er auf § 48 SGB X hin und führte aus, die Höhe des Leistungssatzes sei geändert worden.
Am 20. Dezember 2024 legte der insoweit anwaltlich vertretene Antragsteller gegen den Bescheid vom 16. Dezember 2024 Widerspruch ein und erklärte zugleich, dass ihm ein Bescheid vom 24. September 2024 nicht bekannt sei. Vorsorglich werde auch gegen diesen bereits jetzt Widerspruch eingelegt.
Am 20. Dezember 2024 hat der Antragsteller außerdem beim Sozialgericht Magdeburg einen Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs vom 20. Dezember 2024 gegen den Bescheid vom 24. September 2024 in Gestalt des Änderungsbescheids vom 16. Dezember 2024 gestellt und zugleich die Bewilligung von Prozesskostenhilfe beantragt. Zur Begründung hat er auf verfassungsrechtliche Bedenken gegen § 1a AsylbLG (insbesondere zu Abs. 4) verwiesen. Insoweit hat er sich auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 12. Mai 2021 (1 BvR 2682/17), den Beschluss des Landessozialgerichts (LSG) Schleswig-Holstein vom 15. Juni 2020 (L 9 AY 78/20 B ER) sowie des Hessischen LSG vom 31. März 2020 (L 4 AY 4/20 B ER) gestützt. Diese Vorschrift verstoße auch gegen Unionsrecht, wie sich aus dem Beschluss des Bundessozialgerichts (BSG) vom 25. Juli 2024 (B 8 AY 6/23 R) ergebe. Außerdem hat er nach Akteneinsicht ausdrücklich betont, der Bescheid vom 24. September 2024 sei ihm nicht bekanntgegeben worden.
Mit Beschluss vom 6. Februar 2025 hat das Sozialgericht Magdeburg die Anträge auf einstweiligen Rechtsschutz sowie Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt und zur Begründung ausgeführt, statthafter Antrag sei allein eine einstweilige Anordnung nach § 86b Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Die Voraussetzungen dieser Norm lägen jedoch nicht vor. Der Antragsteller Unterfalle der Regelung des § 1a Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 i.V.m. Satz 1 AsylbLG. Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit dieser Vorschrift beständen nicht. Außergewöhnliche Gesichtspunkte seines Einzelfalles habe der Antragsteller nicht vorgetragen. Dieser Beschluss wurde dem Antragsteller am 6. Februar 2025 zugestellt.
Gegen die Ablehnung der Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes (L 8 AY 3/25 B ER) sowie gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe (L 8 AY 4/25 B) hat der Antragsteller jeweils am 7. Februar 2025 Beschwerde eingelegt und darauf hingewiesen, dass der Bescheid vom 6. Februar 2024 nicht bestandskräftig geworden sei. Er Unterfalle auch nicht dem persönlichen Anwendungsbereich des § 1a Abs. 4 AsylbLG.
Der Antragsteller beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Magdeburg vom 6. Februar 2025 aufzuheben und die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs vom 20. Dezember 2024 gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 24. September 2024 in Gestalt des Änderungsbescheides vom 16. Dezember 2024 anzuordnen und ihm Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren unter Beiordnung seines Bevollmächtigten zu gewähren.
Der Antragsgegner beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Er hält den angefochtenen Beschluss für zutreffend.
Mit Urteil vom 28. Februar 2025 hat das Verwaltungsgericht Magdeburg die erhobene Klage des Antragstellers gegen den Bescheid des BAMF vom 30. Mai 2023 abgewiesen. Die angefochtene Unzulässigkeitsentscheidung sei rechtmäßig und finde ihre Grundlage in § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG. Es bestehe für den Antragsteller keine ernsthafte Gefahr, bei einer Rückkehr nach Bulgarien eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 4 EU-Grundrechte-Charta/Art. 3 EMRK zu erfahren. Das Gericht schließe sich bei seiner Bewertung insbesondere den Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts (OVG) für das Land Nordrhein-Westfalen in seinem Beschluss vom 22. August 2023 (11 A 3374/20.A) an. Der Antragsteller werde in Bulgarien mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Unterstützung bei der Integration erhalten und in der Lage sein, eine Arbeit aufzunehmen und Wohnraum zu finden.
Ein Abschiebeversuch am 5. März 2025 blieb erfolglos.
Der Senat hat die Ausländerakte sowie die Akte des BAMF beigezogen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf diese Akten, die Gerichtsakte sowie auf die beigezogenen Verwaltungsakten des Antragsgegners verwiesen, die Gegenstand der Entscheidung gewesen sind.
II.
Die Beschwerden des Antragstellers haben Erfolg.
1.
Die im Hinblick auf die Ablehnung einstweiligen Rechtsschutzes nach § 173 SGG form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde des Antragstellers (L 8 AY 3/25 B ER) ist nach § 172 Abs. 1 und 3 Nr. 1 SGG statthaft. Der Wert des Beschwerdegegenstands überschreitet 750 €, denn der Antrag zielt auf die Differenz für einen Zeitraum von sechs Monaten zwischen den zumindest mit Bescheid vom 24. September 2024 nur in abgesenkter Höhe bewilligten Leistungen (183 €/Monat) im Vergleich zu Leistungen nach
§§ 3, 3a AsylbLG (368 €/Monat; vgl. Bekanntmachung über die Höhe der Leistungssätze nach § 3a Absatz 4 des Asylbewerberleistungsgesetzes für die Zeit ab 1. Januar 2024 vom 19. Oktober 2023 Nr. 1c) aa), 2 c) aa, BGBl. 2023 Teil I Nr. 288).
Zutreffend hat das Sozialgericht den Antrag als solchen auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 86b Abs. 2 SGG ausgelegt. Nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch und Anfechtungsklage wie hier gemäß § 11 Abs. 4 AsylbLG keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG sind dagegen einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (§ 86b Abs. 2 Satz 2 SGG).
Vorliegend kommt, da in der Hauptsache eine isolierte Anfechtungsklage unstatthaft wäre, die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs nicht in Betracht. Im Falle der Aufhebung der Bescheide vom 24. September 2024 und 16. Dezember 2024 erhielte der Antragsteller nicht die ursprünglich ab dem 30. November 2022 bis auf weiteres bewilligten Leistungen nach §§ 3, 3a AsylbLG. Denn der letztgenannte Bescheid wurde bereits mit Bescheid vom 6. Februar 2024 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 13. Mai 2024 aufgehoben, was auch der Bezug auf §§ 45, 48 SGB X verdeutlicht. Für eine (eventuell nach § 14 AsylbLG notwendige) Befristung gibt es keinen Anhalt. Die dagegen erhobene und noch rechtshängige Klage hat keine aufschiebende Wirkung (§ 11 Abs. 4 AsylbLG). Ein anderer Bescheid, der dem Antragsteller höhere Leistungen bewilligt hätte, liegt nicht vor.Aus diesem Grund ist auch die eventuell fehlende Bekanntgabe des Bescheides vom 24. September 2024 unerheblich.
Zwar hat der Antragsteller die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs beantragt. Nach § 123 SGG entscheidet das Gericht aber über die vom Antragsteller erhobenen Ansprüche, ohne an die Fassung der Anträge gebunden zu sein. Das BSG hat für den Bereich der Sozialleistungen stets betont, dass die Auslegung von Anträgen sich danach richtet, was als Leistung möglich ist, wenn jeder verständige Antragsteller mutmaßlich seinen Antrag bei entsprechender Beratung angepasst hätte und keine Gründe zur Annahme eines abweichenden Verhaltens vorliegen; im Zweifel ist davon auszugehen, dass der Kläger alles zugesprochen haben möchte, was ihm auf Grund des Sachverhalts zusteht (BSG, Urteil vom 23. Februar 2005 – B 6 KA 77/03 R – juris Rn. 16; BSG, Urteil vom 24. Juni 2021 – B 7 AY 3/20 R – juris Rn. 11 m.w.N.). Daher ist sein Begehren dahingehend zu verstehen, dass er mit dem zulässigen Rechtsmittel im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes ungekürzte Leistungen nach §§ 3, 3a AsylbLG erhalten möchte sowie für die Durchführung des Verfahrens für beide Instanzen Prozesskostenhilfe begehrt.
Gemäß § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch die Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes setzt einen Anordnungsanspruch, also einen materiell-rechtlichen Anspruch auf die Leistung, zu der der Antragsgegner verpflichtet werden soll, sowie einen Anordnungsgrund, nämlich die Dringlichkeit des Rechtsschutzes voraus. Die Tatsachen, die den Anordnungsgrund und den Anordnungsanspruch begründen sollen, sind darzulegen und glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung [ZPO]).
Sinn und Zweck des einstweiligen Rechtsschutzes liegen in der Sicherung der Entscheidungsfähigkeit und der prozessualen Lage, um eine endgültige Rechtsverwirklichung im Hauptsacheprozess zu ermöglichen. Es will nichts anderes als allein wegen der Zeitdimension der Rechtserkenntnis und der Rechtsdurchsetzung im Hauptsacheverfahren eine zukünftige oder gegenwärtige prozessuale Rechtsstellung vor zeitüberholenden Entwicklungen sichern und irreparable Folgen ausschließen und der Schaffung vollendeter Tatsachen vorbeugen, die auch dann nicht mehr rückgängig gemacht werden können, wenn sich die angefochtene Verwaltungsentscheidung im Nachhinein als rechtswidrig erweist. Hingegen dient das vorläufige Rechtsschutzverfahren nicht dazu, gleichsam unter Umgehung des für die Hauptsache zuständigen Gerichts und unter Abkürzung dieses Verfahrens, geltend gemachte materielle Rechtspositionen vorab zu realisieren. Bei der Auslegung und Anwendung der Regelungen des vorläufigen Rechtsschutzes sind die Gerichte gehalten, der besonderen Bedeutung der jeweils betroffenen Grundrechte und den Erfordernissen eines effektiven Rechtsschutzes Rechnung zu tragen. Die Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG verlangt grundsätzlich die Möglichkeit eines Eilverfahrens, wenn ohne sie dem Betroffenen eine erhebliche, über Randbereiche hinausgehende Verletzung in seinen Rechten droht, die durch die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden kann (vgl. BVerfG, Beschluss vom 25. Oktober 1999 – 2 BvR 745/88 – BVerfGE 79, 69, 74; BVerfG, Beschluss vom 16. Mai 1995 – 1 BvR 1087/91 – BVerfGE 93, 1, 14). Dies gilt sowohl für die Anfechtungs- als auch für Vornahmesachen. Hierbei dürfen die Entscheidungen der Gerichte grundsätzlich auf eine summarische Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache gestützt werden. Ist dem Gericht eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, so ist anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden. Auch in diesem Fall sind die grundrechtlichen Belange des Antragstellers umfassend in die Abwägung einzustellen. Die Gerichte müssen sich schützend und fördernd vor die Grundrechte des Einzelnen stellen. Dies gilt ganz besonders, wenn es um die Wahrung der Würde des Menschen geht. Eine Verletzung dieser grundrechtlichen Gewährleistung, auch wenn sie nur möglich oder nur zeitweilig andauert, haben die Gerichte zu verhindern (BVerfG, Beschluss vom 25. Februar 2009 – 1 BvR 120/09 – NZS 2009, 674, 675).
Gemessen daran kann sich der Antragsteller sowohl auf einen Anordnungsanspruch (dazu bei b.) als auch auf einen Anordnungsgrund (dazu bei a.) berufen.
a. Die Sache ist eilbedürftig, da der Antragsteller glaubhaft gemacht hat, weder über Einkommen noch über Vermögenswerte zu verfügen. Die nach § 1a Abs. 4 i.V.m. § 1a Abs. 2 AsylbLG gekürzten Leistungen decken grundsätzlich nur einen Teil des notwendigen Bedarfs im Sinne von § 3 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG ab. Damit ist sein verfassungsrechtlicher Anspruch auf Sicherung seines menschenwürdigen Existenzminimums gefährdet (dazu BVerfG, Urteil vom 5. November 2019 – 1 BvL 7/16 – juris Rn. 120).
b. Es besteht ein Anordnungsanspruch.
Der Antragsteller gehört zum leistungsberechtigten Personenkreis des § 1 Abs. 1 Nr. 4 AsylbLG. Er ist Ausländer, hält sich tatsächlich im Bundesgebiet auf und besitzt eine Duldung nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG. Die letztgenannte ausländerrechtliche Entscheidung entfaltet Tatbestandswirkung für die Frage nach der Zugehörigkeit zum leistungsberechtigten Personenkreis des § 1 AsylbLG (BSG, Urteil vom 25. Juli 2024 – B 8 AY 7/23 R – juris Rn. 18).
Für die Leistungsgewährung ist der Antragsgegner zuständig. § 10 Satz 1 AsylbLG sieht diesbezüglich vor, dass die Landesregierungen oder die von ihnen beauftragten obersten Landesbehörden die für die Durchführung dieses Gesetzes zuständigen Behörden und Kostenträger bestimmen; sie können Näheres zum Verfahren festlegen, soweit dies nicht durch Landesgesetz geregelt ist. Die danach zuständigen Behörden und Kostenträger können aufgrund näherer Bestimmung gemäß § 10 Satz 1 AsylbLG Aufgaben und Kostenträgerschaft auf andere Behörden übertragen (§ 10 Satz 2 AsylbLG). Dies ist im Land Sachsen-Anhalt erfolgt. Nach § 1 Abs. 1 Nr. 7 Allgemeine Zuständigkeitsverordnung für die Gemeinden und Landkreise zur Ausführung von Bundesrecht (vom 7. Mai 1994, zuletzt geändert durch Verordnung vom 12. Mai 2021, GVBl. LSA Seite 284, 285) ergibt sich die Zuständigkeit des Antragsgegners als Landkreis für die Durchführung des AsylbLG.
Die in § 1a Abs. 4 AsylbLG genannten Voraussetzungen für die Gewährung eingeschränkter Leistungen liegen nicht vor, worauf in der Beschwerdebegründung zutreffend hingewiesen wird.
Nach § 1a Abs. 4 Satz 1 AsylbLG erhalten Leistungsberechtigte nach § 1 Abs. 1 Nr. 1, 1a oder 5 AsylbLG, für die in Abweichung von der Regelzuständigkeit nach der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (ABl. L 180 vom 29.6.2013, Seite 31), nach einer Verteilung durch die Europäische Union ein anderer Mitgliedstaat oder ein am Verteilmechanismus teilnehmender Drittstaat, der die Verordnung (EU) Nr. 604/2013 anwendet, zuständig ist, nur Leistungen gemäß Absatz 1.
Unter diese Vorschrift fällt der Antragssteller nicht, da die Prüfung seiner Schutzbedürftigkeit bereits abgeschlossen ist. Wie Satz 2 dieser Vorschrift zeigt, differenziert das Gesetz hier. Nach dem Gesetzentwurf vom 31. Mai 2016 dient die Regelung des § 1a Abs. 4 Satz 2 AsylbLG der Vervollständigung der Regelung nach § 1a Abs. 4 Satz 1 AsylbLG (BT-Drucksache 18/8615, Seite 35), wonach eine Anspruchseinschränkung für bestimmte Fälle vorgesehen ist, in denen ein anderer Mitgliedstaat für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Bereits im Gesetzgebungsverfahren zu § 1a Abs. 4 AsylbLG in der ab dem 24. Oktober 2015 geltenden Fassung war gefordert worden, dass eine Leistungseinschränkung auch („erst recht“) bei Personen erfolgt, deren Asylverfahren in einem anderen Mitgliedstaat durch Gewährung eines Schutzstatus bereits positiv abgeschlossen worden ist (BR- Drucksache 446/1/15, Seite 7).
Auf den vorliegenden Fall ist aber auch § 1a Abs. 4 Satz 2 AsylbLG (in der Fassung vom 25. Oktober 2024) nicht anwendbar. Danach gilt Satz 1 dieser Vorschrift entsprechend für Leistungsberechtigte nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 1a AsylbLG (denen bereits von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union internationaler Schutz gewährt worden ist, wenn der internationale Schutz fortbesteht).
Denn der Antragsteller hat keine Aufenthaltsgestattung nach dem AsylG (vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 1 AsylbLG). Auch die Voraussetzungen nach § 1 Abs. 1 Nr. 1a AsylbLG liegen nicht vor, da der Antragsteller die Voraussetzungen nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 AsylbLG erfüllt (Nichtvorliegen der in den Nummern 1, 2 bis 5 und 7 genannten Voraussetzungen). Er besitzt eine Duldung nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG (§ 1 Abs. 1 Nr. 4 AsylbLG). Außerdem ist er vollziehbar ausreisepflichtig (§ 1 Abs. 1 Nr. 5 AsylbLG).
Schließlich ist auch § 1a Abs. 4 Satz 3 AsylbLG nicht anwendbar. Denn dieser erstreckt die Geltung von „Satz 2 Nummer 2“ (denen, den „aus anderen Gründen ein Aufenthaltsrecht gewährt worden ist“) auf „Leistungsberechtigte nach § 1 Absatz 1 Nummer 5“. Da der Antragsteller aber in Bulgarien internationalen Schutz genießt, unterfällt er § 1a Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 AsylbLG.
Die Auslassung dieser Gruppe von Flüchtlingen ist auch kein gesetzgeberisches Versehen. Der Fall des Antragstellers dürfte in § 1 Abs. 4 Nr. 1 AsylbLG geregelt sein. Auf diese Norm hat der Antragsgegner seine Entscheidung aber nicht gestützt. Ein Nachschieben von Gründen bzw. ein Wechsel der Rechtsgrundlage ist nur zulässig, soweit der Verwaltungsakt dadurch nicht in seinem Regelungsumfang oder seinem Wesensgehalt verändert und der Betroffene infolgedessen in seiner Rechtsverteidigung beeinträchtigt wird (BSG, Urteil vom 21.6.2011 – B 4 AS 21/10 R – juris Rn. 34). Eine Änderung des „Wesens“ eines Verwaltungsaktes ist in Anlehnung an den zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriff zu bestimmen und demzufolge anzunehmen, wenn die Regelung auf einen anderen Lebenssachverhalt gestützt wird oder ein Eingriff in den Tenor erforderlich wird, also Lebenssachverhalt und/oder Verfügungssatz nicht dieselben bleiben. Bei der Umdeutung erfolgt die Änderung auf der Regelungsebene, sodass der Verwaltungsakt danach eine andere Rechtsfolge ausspricht (Littmann, in: Hauck/Noftz, SGB, 10/09, § 43 SGB X, Rn. 6).
Für eine Leistungseinschränkung nach § 1 Abs. 4 AsylbLG sind aber andere Tatbestandsvoraussetzungen notwendig, die der Antragsgegner – konsequent – nicht geprüft hat. So bleibt offen, ob der internationale Schutz in Bulgarien fortbesteht (§ 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 AsylbLG) bzw. ob die Ausreise nach Bulgarien rechtlich und tatsächlich nach der Feststellung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge möglich ist (§ 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 AsylbLG).
Dies gilt auch eine Leistungseinschränkung nach § 1a Abs. 2 AsylbLG. Ob eine Einreise des Antragstellers zur Leistungserlangung als prägendes Motiv als weitere Voraussetzung des § 1a Abs. 2 AsylbLG vorlag, für die der Leistungsträger die Beweislast trägt und für die er zur erforderlichen Einzelfallprüfung eine vollständige Sachverhaltsermittlung vorzunehmen hat (Leopold in: Grube/Wahrendorf/Flint, SGB XII, 8. Auflage 2024, § 1a AsylbLG Rn. 52, 54), ist hier ebenfalls nicht geprüft worden. Angesichts der damals bestehenden Minderjährigkeit des Antragstellers könnte es auch naheliegen, dass er mit seinen Eltern und Geschwistern zusammenbleiben wollte.
Zudem gestattet § 43 Abs 1 SGB X eine Umdeutung nur, wenn der umgedeutete Verwaltungsakt auf das gleiche Ziel wie der fehlerhafte Verwaltungsakt gerichtet ist. Dies ist hier nicht der Fall. Die Rechtsfolgen sind deutlich weitergehender, da die Anwendung der § 1 Abs. 4 Satz 1 AsylbLG grundsätzlich alle Leistungen nach dem AsylbLG entfallen lässt.
Schließlich fehlt es an einer Anhörung zu diesem Sachverhalt und zu dieser Rechtsfolge.
c) Ohne dass es vorliegend darauf ankäme, bestehen gewichtige Gründe für die Annahme eines ungekürzten Leistungsanspruchs des Antragstellers. Der Bescheid vom 6. Februar 2024 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 13. Mai 2024, der Gegenstand eines Klageverfahrens am Sozialgericht ist, ist zwar vollstreckbar, da Widerspruch und Klage gemäß § 11 Abs. 4 AsylbLG keine aufschiebende Wirkung haben. Ein Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes mit dem Ziel, die aufschiebende Wirkung eines Rechtsmittels gegen diesen Bescheid anzuordnen, fehlt bis heute, so dass der Senat die im Bescheid vom 6. Februar 2024 ausgesprochenen Rechtsfolgen (d.h. die Rücknahme bzw. Aufhebung des Bescheides vom 30. November 2022) seiner Entscheidung zugrunde zu legen hat. Allerdings weist der Senat auch im Hinblick auf das anhängige Klageverfahren darauf hin, dass dieser nicht bestandskräftige Bescheid des Antragsgegners rechtswidrig sein könnte.
Gemäß § 9 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 AsylbLG i.V.m. § 45 Abs. 1, Abs. 2 SGB X darf ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsakts vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Der Bescheid vom 30. November 2022, der die begehrten Leistungen nach §§ 3, 3a AsylbLG auf Dauer gewährt hat, war ein begünstigender Dauerverwaltungsakt, der nach den Darlegungen des Antragsgegners rechtswidrig war.
Das Vertrauen in einen solchen Bescheid ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann er sich nicht berufen, soweit er u.a. die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte.
Soweit der Antragsgegner die Rücknahme des Bescheids vom 30. November 2022 in seinem Bescheid vom 6. Februar 2024 darauf stützt, dass der Antragsteller dessen Rechtswidrigkeit kannte, so überzeugt dies nicht. Ihm dürfte die Rechtswidrigkeit der Leistungsbewilligung weder bekannt gewesen sein, noch hätte sie sich ihm aufdrängen müssen. Wie der Antragsgegner selbst in dem Bescheid vom 6. Februar 2024 ausführt, war von den Eltern des damals noch minderjährigen Antragstellers im Rahmen der Anhörung zur Zulässigkeit des Asylantrages am 7. November 2022 bereits auf das Asylverfahren in Bulgarien sowie die anschließende Schutzgewährung hingewiesen worden. In dem aktenkundigen Antragsformular zur Leistungsgewährung fragt der Antragsgegner nicht einmal nach solchen Umständen. Auch sonst ist, soweit erkennbar, kein konkreter Hinweis auf eine solche Einschränkung des Leistungsanspruchs erteilt worden. Insoweit besteht bisher kein Anhaltspunkt, warum der Antragsteller angesichts zutreffender Angaben nicht von einer rechtmäßigen Leistungsbewilligung ausgehen durfte. Selbst leicht fahrlässige Unkenntnis (wofür ebenfalls nichts erkennbar ist) von der Rechtswidrigkeit ist bislang nicht ersichtlich.
Das Asylbewerberleistungsgesetz ist ein komplexes Regelungssystem mit zahlreichen Verweisungen und Ausnahmetatbeständen. Die Unterscheidung zwischen Grundleistungen, Überbrückungsleistungen und gekürzten Leistungen, deren Abhängigkeit von Aufenthaltstiteln sowie das Ineinandergreifen mit ausländerrechtlichen Vorschriften sind für juristische Laien kaum durchschaubar. Für Asylbewerber – wie der Antragsteller – ohne vertiefte Kenntnisse des deutschen Sozialrechts und ohne Zugang zu qualifizierter Beratung dürfte es nicht möglich sein, die Rechtswidrigkeit der ihm gewährten Leistungen zu erkennen. Eine spätere Kenntnis ist entgegen den Darlegungen im Bescheid vom 6. Februar 2024 unerheblich. Für unrichtige Angaben des Antragstellers ist ebenfalls nichts erkennbar. Zumindest da ein den Vertrauensschutz ausschließender Fall des § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X damit entgegen den Annahmen im Bescheid vom 6. Februar 2024 nicht vorliegen dürfte, handelt es sich bei der Rücknahme der Bewilligungsentscheidung um eine Ermessensentscheidung. Im Ausgangsbescheid wird aber unrichtig davon ausgegangen, dass kein Vertrauensschutz bestehe. In dem Widerspruchsbescheid wird hierzu lediglich ausgeführt: „Die rechtlichen Voraussetzungen einer Rücknahme nach § 45 SGB X wurden durch den Altmarkkreis Salzwedel geprüft.“ Ob diese vorlagen, wird nicht dargelegt und insbesondere auch kein Ermessen ausgeübt. Eine erneute Rücknahme dürfte wegen des Ablaufs der Frist von zwei Jahren gemäß § 45 Abs. 3 Satz 2 SGB X nicht möglich sein.
Eine Aufhebung nach § 48 SGB X dürfte daran scheitern, dass sich auch nach den Darlegungen des Antragsgegners wohl seit Erlass des Bescheides nichts geändert hat. Soweit darauf hingewiesen wird, dass sich der ausländerrechtliche Status geändert habe (statt Aufenthaltsgestattung nun Duldung nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG), so trifft dies zu. Warum dies allerdings die gewünschte Rechtsfolge der Leistungskürzung trägt, wird nicht darlegt und erschließt sich auch nicht (siehe die Darlegungen bei b).
Die Prüfung aller dieser Umstände obliegt allerdings dem Sozialgericht in dem anhängigen Klageverfahren.
Die Kostenentscheidung für das ER-Beschwerdeverfahren beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 Abs. 1 SGG.
2.
Auch die Beschwerde bezüglich der Ablehnung von Prozesskostenhilfe (L 8 AY 4/25 B) ist nach § 172 Abs. 1 SGG statthaft. Das Sozialgericht hat die Bewilligung von Prozesskostenhilfe ausschließlich wegen mangelnder Erfolgsaussicht verneint, sodass kein Fall des Ausschlusses der Beschwerde nach § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG vorliegt. Der nach
§ 172 Abs. 3 Nr. 2b SGG i.V.m. § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG für die Zulässigkeit notwendige Beschwerdewert von 750 € ist aus den oben genannten Gründen überschritten.
Die Beschwerde ist auch begründet.
Nach § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO ist auf Antrag Prozesskostenhilfe zu bewilligen, soweit der Antragsteller nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil- oder nur in Raten aufbringen kann, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder -verteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. In Anbetracht des Verfahrensergebnisses sind die Voraussetzungen erfüllt. Der Antragsteller ist auch mittellos.
Kosten sind für das Prozesskostenhilfe-Beschwerdeverfahren nach § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO nicht zu erstatten.
3.
Die Voraussetzungen der Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren im Sinne des § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO sind erfüllt.
Der Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).