BESCHLUSS
in dem Beschwerdeverfahren
1. xxx,
2. xxx,
Prozessbevollmächtigter zu 1 – 2:
Rechtsanwalt Sven Adam,
Lange-Geismar-Straße 55,
37073 Göttingen
– Antragsteller und Beschwerdeführer –
gegen
Altmarkkreis Salzwedel,
vertreten durch den Landrat, Karl-Marx-Straße 32,
29410 Salzwedel
– Antragsgegner und Beschwerdegegner –
Der 8. Senat des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt in Halle hat am 28. April 2025 durch den Präsidenten des Landessozialgerichts xxx, die Richterin am Landessozialgericht xxx und den Richter am Landessozialgericht xxx beschlossen:
Auf die Beschwerde der Antragsteller wird der Beschluss des Sozialgerichts Magdeburg vom 4. März 2025 aufgehoben und der Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, den Antragstellern ab dem 11. Februar 2025 bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache, längstens bis zum 10. August 2025, ungekürzte Grundleistungen nach §§ 3, 3a Asylbewerberleistungsgesetz zu gewähren.
Der Antragsgegner hat den Antragstellern ihre notwendigen außergerichtlichen Kosten für beide Rechtszüge zu erstatten.
Den Antragstellern wird Prozesskostenhilfe für das Antrags- und Beschwerdeverfahren ohne Ratenzahlungsverpflichtung unter Beiordnung von Rechtsanwalt Adam, Göttingen, bewilligt.
GRÜNDE
I.
Die Beteiligten streiten im einstweiligen Rechtsschutz über höhere Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG). Weiter wenden sich die Antragsteller gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe (PKH) für die Durchführung des erstinstanzlichen Verfahrens.
Der am xxx geborene Antragsteller zu 1. und die am xxx geborene Antragstellerin zu 2. sind miteinander verheiratet, haben sechs Kinder und sind syrische Staatsangehörige, kurdischer Volkszugehörigkeit. Auf ihren in Bulgarien gestellten Asylantrag wurde ihnen dort am 16. Juni 2022 internationaler Schutz im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 2 Asylgesetz (AsylG) gewährt.
Die Antragsteller reisten am 6. September 2022 mit vier (seinerzeit minderjährigen) Kindern nach Deutschland ein. In der Zentralen Anlaufstelle für Asylbewerber des Landes Sachsen-Anhalt (ZASt) in Halberstadt legten sie Personenstands- und Ausweisdokumente der Arabischen Republik Syrien vor und beantragten in der dortigen Außenstelle des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF), ihnen Asyl in der Bundesrepublik Deutschland zu gewähren. Von dort erfolgte mit Schreiben vom 20. September 2022 ein Übernahmeersuchen an Bulgarien im Rahmen des sog. „Dublin- Verfahrens“. Daraufhin informierte die Staatliche Flüchtlingsagentur von Bulgarien darüber, dass die Antragsteller und deren Kinder dort bereits am 16. Juni 2022 subsidiären Schutz erhalten hätten, weshalb das Übernahmeersuchen nicht akzeptiert werden könne (Schreiben vom 3. Oktober 2022). Das BAMF wandte sich sodann am 4. Oktober 2022 an den Landkreis Harz – Ausländerbehörde – und teilte mit, dass das Übernahmeersuchen abgelehnt worden sei, da die Antragsteller in Bulgarien internationalen Schutz erhalten hätten. Die Abschiebung in diesen Mitgliedstaat erfolge außerhalb des Dublin-Verfahrens in eigener Zuständigkeit der Ausländerbehörde. Es ergehe ein neuer Bescheid im nationalen Verfahren. Die Antragsteller und deren Kinder wurden mit Verfügung der ZASt vom 14. November 2022 dem Antragsgegner gemäß § 50 Abs. 2 und 6 AsylG zur Durchführung des Asylverfahrens zugewiesen und erhielten Aufenthaltsgestattungen.
Das BAMF lehnte den in Deutschland am 19. Oktober 2022 gestellten Asylantrag der Antragsteller und ihrer drei Kinder (xxx, xxx und xxx) nach persönlicher Anhörung am 7. November 2022 mit Bescheid vom 22. Juni 2023 als unzulässig ab und stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) nicht vorlägen. Die Antragsteller wurden aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche zu verlassen. Im Falle des Verstreichens der Ausreisefrist würden sie nach Bulgarien abgeschoben. Sie dürften nicht nach Syrien abgeschoben werden.
Gegen diesen Bescheid erhoben die Antragsteller am 4. Juli 2022 Klage zum Verwaltungsgericht (VG) Magdeburg und stellten gleichzeitig einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage nach § 80 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Mit Beschluss vom 12. Juli 2023 lehnte das VG (2 B 199/23 MD) die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes gegen die Abschiebungsanordnung nach Bulgarien rechtskräftig ab. Nach Auswertung der aktuellen Berichte und Stellungnahmen könne von einer Verletzung des Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC) bzw. Art. 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) – bei Zugrundelegung der „harten EuGH-Maßstäbe“ – mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit derzeit nicht ausgegangen werden. Die Familie der Antragsteller zähle nicht zu einer besonders schutzwürdigen Personengruppe. Für eine Abschiebeschutzberechtigung der Antragsteller lägen keine Anhaltspunkte vor.
Daraufhin erläuterte der Antragsgegner in seinem an die Antragsteller gerichteten Schreiben vom 14. Juli 2023, dass die Aufenthaltsgestattungen zum 27. Juli 2023 zum Eintritt der Vollziehbarkeit der Abschiebungsandrohung erlöschen würden. Wegen rechtlicher und tatsächlicher Abschiebungshindernisse erhielten die Antragsteller eine Duldung nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG, die mehrfach verlängert worden ist, zuletzt bis zum 28. März 2025.
Am 5. März 2025 scheiterte der Versuch, die Antragsteller nach Bulgarien abzuschieben. Am selben Tagänderte das VG Magdeburg seinen Beschluss vom 12. Juli 2023 gemäß § 80 Abs. 7 VwGO und ordnete die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung in Ziffer 3 des Bescheids des BAMF vom 22. Juni 2023 an (Beschluss vom 5. März 2025 – 2 B 104/25 MD). Den Antragstellern drohe im Falle ihrer Überstellung nach Bulgarien mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit die ernste Gefahr der unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GRC in Form von Obdachlosigkeit und extremer materieller Not. Am 11. März 2025 stellte das VG Magdeburg das am 28. Februar 2025 ergangene Urteil auf die erwähnte Klage zu. Damit hob das VG den Bescheid des BAMF vom 22. Juni 2023 mit Ausnahme von Ziffer 3 Satz 4 (Verbot der Abschiebung der Antragsteller nach Syrien) auf. Der Antragsgegner – Ausländerbehörde – hat mit Schreiben vom 28. März 2025 angekündigt, den Antragstellern Aufenthaltsgestattungen für die Dauer der einzuleitenden Asylverfahren zu erteilen.
Nach der oben erwähnten Zuweisung durch die ZASt bewilligte der Antragsgegner den Antragstellern mit Bescheid vom 30. November 2022 Grundleistungen nach §§ 3, 3a AsylbLG ab dem 14. November 2022 bis auf Weiteres.
Nachdem das BAMF die Asylanträge der Antragsteller als unzulässig abgelehnt hatte (Bescheid vom 22. Juni 2023), erließ der Antragsgegner den Bescheid vom 18. August 2023. Er hob damit die Entscheidung über die Bewilligung von Grundleistungen nach §§ 3, 3a AsylbLG vom 30. November 2022 mit Wirkung ab dem 2. August 2023 auf und gewährte nur noch eingeschränkte Leistungen nach § 1a Abs. 4 AsylbLG unter Hinweis auf die Vollziehbarkeit der Abschiebungsandrohung. Die Anspruchseinschränkung befriste er unter Bezugnahme auf § 14 Abs. 1 AsylbLG auf sechs Monate bis zum 17. Februar 2024 (offensichtlich versehentlich wurde das Jahr 2023 genannt).
Dagegen legten die Antragsteller am 18. September 2023 Widerspruch ein. Da ihnen bereits vor ihrer Einreise nach Deutschland internationaler Schutz durch Bulgarien eingeräumt worden sei, hätte der Antragsgegner allenfalls die Rücknahme dieses Bescheids in Betracht ziehen dürfen, sofern er sich im Zeitpunkt seines Erlasses als rechtswidrig erweisen sollte. Eine Änderung der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse bestehe jedoch nicht.
Das Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt erließ am 21. November 2023 einen Widerspruchsbescheid – wobei es sich in der Sache um einen Abhilfebescheid handelt: Es hob den Bescheid des Antragsgegners vom 18. August 2023 auf. Der Bescheid vom 30. November 2022 dürfe nur unter den Voraussetzungen des § 9 AsylbLG i.V.m. § 45 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) zurückgenommen werden. Die vom Antragsgegner verfügte Aufhebung des Bescheids nach § 48 SGB X sei zu Unrecht erfolgt.
Am 1. Februar 2024 hörte der Antragsgegner die Antragsteller zur Leistungseinschränkung nach § 1a Abs. 4 AsylbLG an. Mit Bescheid vom 16. Februar 2024 nahm der Antragsgegner die Entscheidung über die Bewilligung laufender Leistungen gemäß § 3 AsylbLG nach § 45 SGB X mit Wirkung ab dem 2. August 2024 zurück. Die Antragsteller hätten die Rechtswidrigkeit der Bewilligungsentscheidung vom 30. November 2022 gekannt. Deshalb könnten sie sich nicht auf Vertrauensschutz berufen. Unter Berücksichtigung „geänderter“ persönlicher und wirtschaftlicher Verhältnisse gewährte der Antragsgegner nur eingeschränkte Leistungen nach § 1a Abs. 4 AsylbLG für die Zeit vom 2. August 2023 bis zum 1. Februar 2024.
Mit Bescheid vom 20. Februar 2024 bewilligte der Antragsgegner den Antragstellern für die Zeit vom 2. Februar bis zum 1. August 2024 Leistungen mit einer Anspruchseinschränkung nach § 1a Abs. 4 AsylbLG. Der auf höhere Leistungen nach dem AsylbLG gerichtete Antrag der Antragsteller im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes blieb ohne Erfolg (Beschluss des SG vom 11.April 2024 – S 25 AY 13/24 ER, Beschluss des LSG Sachsen-Anhalt vom 24. Juli 2024 – L 8 AY 7/24 B ER).
Die Widersprüche der Antragsteller vom 27. Februar 2024 gegen die Bescheide vom 16. Februar und 20. Februar 2024 wies das Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt mit Widerspruchsbescheid vom 17. Juni 2024 als unbegründet zurück. Die Voraussetzungen des § 1a Abs. 4 Satz 2 AsylbLG lägen vor. Diese Vorschrift knüpfe nicht an ein konkretes Fehlverhalten an, sondern sanktioniere eine europäische Sekundärmigration (Bezug auf LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 2. August 2018 – L 8 AY 2/18 B ER). Da den Antragstellern mit Bescheid vom 30. November 2022 ungekürzte Leistungen nach § 3 AsylbLG auf Dauer bewilligt worden seien, sei neben der Anspruchseinschränkung dessen Rücknahme gemäß § 45 SGB X notwendig gewesen. Der Antragsgegner habe die rechtlichen Voraussetzungen dieser Vorschrift geprüft. Ob sich das Ergebnis dieser Prüfung als zutreffend erwiesen haben könnte, stellte das Landesverwaltungsamt nicht ausdrücklich fest. Dagegen erhoben die Antragsteller am 17. Juli 2024 Klagen beim SG Magdeburg (S 25 AY 37/24 und S 25 AY 38/24), über die bislang nicht entschieden worden ist.
Am 1. Juli 2024 hörte der Antragsgegner die Antragsteller zur Leistungseinschränkung nach § 1a Abs. 4 AsylbLG an. Mit Bescheid vom 18. Juli 2024 bewilligte er ihnen für die Zeit vom 2. August 2024 bis zum 1. Februar 2025 erneut Leistungen mit einer Anspruchseinschränkung nach § 1a Abs. 4 AsylbLG.
Den dagegen gerichteten Widerspruch der Antragsteller vom 14. August 2024 wies das Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt mit Widerspruchsbescheid vom 20. Dezember 2024 zurück. Die Tatbestandsmerkmale des § 1a Abs. 4 AsylbLG seien erfüllt und der Leistungsanspruch ab dem 1. Oktober 2023 entsprechend einzuschränken. Die Antragsteller hätten internationalen Schutz in Bulgarien erhalten, welcher auch fortdauere. Dagegen erhoben die Antragsteller am 2. Februar 2025 Klage beim SG Magdeburg (S 25 AY 10/25), über die bislang nicht entschieden worden ist.
Mit Beschluss vom 16. Dezember 2024 (L 8 AY 16/24 B ER) ordnete das LSG Sachsen- Anhalt die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragsteller gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 18. Juli 2024 bezogen auf Leistungen vom 26. November 2024 bis zum 1. Februar 2025 an, da die Antragsteller als Inhaber einer Duldung nach § 60a AufenthG nicht zum von § 1a Abs. 4 AsylbLG erfassten Personenkreis zählten.
Am 16. Dezember 2024 hörte der Antragsgegner die Antragsteller zur Leistungseinschränkung nach § 1a Abs. 4 AsylbLG an. Mit Bescheid vom 30. Januar 2025 bewilligte er ihnen für die Zeit vom 2. Februar bis zum 1. August 2025 erneut Leistungen mit einer Anspruchseinschränkung nach § 1a Abs. 4 AsylbLG.
Dagegen erhoben die Antragsteller am 11. Februar 2025 Widerspruch, über den der Antragsgegner bislang nicht entschieden hat.
Am 11. Februar 2025 haben die Antragsteller beim SG Magdeburg erneut um einstweiligen Rechtsschutz ersucht und Prozesskostenhilfe (PKH) beantragt. Die Regelung des § 1a AsylbLG sei evident verfassungswidrig, da sie das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums (Art. 1 Abs. 1 i.V.m.Art. 20 Abs. 1 Grundgesetz [GG]) verletze. § 1a Abs. 4 AsylbLG sei teleologisch dahingehend zu reduzieren, dass eine Anspruchseinschränkung nur dann zulässig sei, wenn den Leistungsberechtigten ein pflichtwidriges Verhalten vorwerfbar sei (Hinweis auf LSG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 15. Juni 2020 – L 9 AY 78/20 B ER). Auch eine starre Sanktionsdauer von sechs Monaten, wie sie in § 14 Abs. 1 AsylbLG vorgesehen sei, sei verfassungswidrig. Im Übrigen verstoße § 1a Abs. 4 AsylbLG auch gegen Unionsrecht. Darüber hinaus fielen die Antragsteller auch nach Auffassung des LSG nicht unter den Anwendungsbereich des § 1a Abs. 4 AsylbLG. Ein Anordnungsgrund ergebe sich daraus, dass ihr verfassungsrechtliches Existenzminimum aktuell nicht mehr gesichert sei.
Der Antragsgegner hat erwidert, bei den Antragstellern werde die Leistungsberechtigung nach § 1 Abs. 1 Nr. 5 AsylbLG gesehen. Dementsprechend würden die Leistungen nach § 1a Abs. 4 AsylbLG gekürzt. Selbst im Falle einer Leistungsberechtigung nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 AsylbLG (Duldung) ergebe sich eine Anspruchseinschränkung aus § 1a Abs. 2 AsylbLG. Die Antragsteller beantragten rechtsmissbräuchlich Leistungen.
Das SG hat den Antrag der Antragsteller und auch die Bewilligung von PKH mit Beschluss vom 4. März 2025 abgelehnt. Der Eilantrag sei als Antrag nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auszulegen und statthaft. Die Voraussetzungen für eine Anordnung der aufschiebenden Wirkung lägen jedoch nicht vor. Nach summarischer Prüfung erweise sich der Bescheid vom 30. Januar 2025 als rechtmäßig. Die Kammer habe keine Bedenken hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit der hier einschlägigen Norm des § 1a Abs. 4 AsylbLG. Den Antragstellern sei es zumutbar und ohne weiteres möglich, die Leistungseinschränkungen aufgrund einer bestehenden Rückkehrmöglichkeit in den Staat, in dem ihnen bereits internationaler Schutz gewährt worden sei, zu beseitigen, was diesen bereits in den Beschlüssen des Gerichts vom 21. Dezember 2023 (S 31 AY 66/23 ER) und 11. April 2024 (S 25 AY 13/24 ER) aufgezeigt worden sei. In Bulgarien herrschten keine handgreiflich eklatanten Missstände, die den Schluss zuließen, anerkannte Schutzberechtigte, die keinem vulnerablen Personenkreis angehörten, seien bei ihrer Rückkehr dorthin einer erniedrigenden oder unmenschlichen Behandlung ausgesetzt. Es sei insoweit davon auszugehen, dass auch im Rahmen einer teleologischen Reduktion der Regelung in § 1a Abs. 4 AsylbLG ein pflichtwidriges Verhalten der Antragsteller gegeben sei (Hinweis auf Bayerisches LSG, Urteil vom 9. März 2023 – L 8 AY 135/22). Die Anspruchseinschränkung sei auch ordnungsgemäß auf sechs Monate befristet worden, da der Antragsgegner bei fortbestehender Pflichtverletzung und nach Ablauf der vorherigen Anspruchseinschränkung nach § 14 Abs. 2 AsylbLG berechtigt gewesen sei, eine erneute Leistungskürzung vorzunehmen.
Gegen den ihnen am 4. März 2025 zugestellten Beschluss haben die Antragsteller am selben Tag Beschwerde beim SG hinsichtlich der Ablehnung von einstweiligem Rechtsschutz (L 8 AY 6/25 B ER) und hinsichtlich der Ablehnung von PKH (L 8 AY 7/25 B) eingelegt sowie PKH für das Beschwerdeverfahren beantragt. Das SG hat die Beschwerde an das LSG Sachsen-Anhalt weitergeleitet. Zur Begründung führen die Antragsteller aus, einer Anspruchseinschränkung auf der Grundlage von § 1a Abs. 4 AsylbLG stehe bereits entgegen, dass sie aufgrund der ihnen erteilten Duldung nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG anspruchsberechtigt nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 AsylbLG seien und somit dem Wortlaut nach nicht zum erfassten Personenkreis gehörten. Zudem erhielten sie nunmehr seit Jahren eine Leistungskürzung, die verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigen sei (Hinweis auf Sächsisches LSG, Beschluss vom 22. Februar 2021 – L 8 AY 9/20 B ER).
Die Antragsteller beantragen,
unter Aufhebung des Beschlusses des SG Magdeburgs vom 4. März 2025 die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs vom 11. Februar 2025 gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 30. Januar 2025 anzuordnen und
(hilfsweise) den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihnen vorläufig und unter dem Vorbehalt der Rückforderung bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über den Widerspruch der Antragsteller vom 11. Februar2025 gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 30. Januar 2025 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts die beantragten Leistungen in gesetzlicher Höhe ab dem 11. Februar 2025 zu gewähren.
Der Antragsgegner beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Er verweist zur Begründung auf sein Vorbringen in der ersten Instanz und ergänzt, der Gesetzgeber schließe eine Leistungskürzung in Folge nicht aus.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten und die als Datei übermittelten Verwaltungsakten des Antragsgegners sowie der Ausländerbehörde des Antragsgegners verwiesen. Diese haben bei der Entscheidungsfindung des Senats vorgelegen.
II.
Die Beschwerde der Antragsteller hat Erfolg.
1.
Die im Hinblick auf die Ablehnung einstweiligen Rechtsschutzes nach § 173 SGG form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde der Antragsteller (L 8 AY 6/25 B ER) ist nach § 172 Abs. 1 und 3 Nr. 1 SGG statthaft. Der Wert des Beschwerdegegenstands überschreitet 750 €, denn der Antrag zielt auf die Differenz zwischen den mit Bescheid vom 30. Januar 2025 nur in abgesenkter Höhe bewilligten Leistungen und Grundleistungen nach § 3 AsylbLG für einen Zeitraum von sechs Monaten.
Die Beschwerde ist auch begründet. Der Antragsgegner ist für die Zeit vom 11. Februar bis zum 1. August 2025 vorläufig zur Zahlung von Grundleistungen nach §§ 3, 3a AsylbLG zu verpflichten.
Ihr Rechtsschutzziel, ungekürzte Leistungen nach §§ 3, 3a AsylbLG zu erhalten, verfolgen die Antragsteller im Beschwerdeverfahren richtigerweise mit ihrem Hilfsantrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung. Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG ist Erlass einer einstweiligen Anordnung nur in den Fällen zulässig, in denen ein Fall des § 86b Abs. 1 SGG nicht vorliegt. § 86b Abs. 1 SGG erfasst einstweiligen Rechtsschutz bei einer reinen Anfechtungssituation. Dagegen ist eine einstweilige Anordnung in den Fällen zulässig, in denen in der Hauptsache eine kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage statthaft ist. Hier können die Antragsteller ihr Rechtschutzziel nur mit einer kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage verfolgen, die auf Aufhebung des die Leistungen einschränkenden Bescheids vom 30. Januar 2025 und auf Gewährung von Leistungen gemäß §§ 3, 3a AsylbLG gerichtet ist.
Die reine Anfechtungsklage in der Hauptsache erfasst das Rechtschutzbegehren der Antragsteller nicht in vollem Umfang. Zwar sind den Antragstellern mit dem Bescheid vom 30. November 2022 Leistungen ab dem 14. November 2022 bis auf Weiteres – also auf Dauer – bewilligt worden. Anders als im Fall einer lediglich begrenzten (z.B. monatsweisen) oder konkludenten Leistungsbewilligung käme damit grundsätzlich eine reine Anfechtungssituation mit der Folge der Statthaftigkeit eines Antrags auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung nach § 86b Abs. 1 Nr. 2 SGG in Betracht. Den diesen Dauerverwaltungsakt zunächst aufhebenden Bescheid vom 18. August 2023 hat das Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt auch mit „Widerspruchsbescheid“ vom 21. November 2023 aufgehoben. Jedoch ist der Bescheid vom 30. November 2022 sodann mit dem daraufhin ergangenen Bescheid vom 16. Februar 2024 erneut aufgehoben worden. Zwar haben die Antragsteller diesen Bescheid nach erfolglosem Widerspruchsverfahren (Widerspruchsbescheid vom 17. Juni 2024) mit ihrer Klage S 25 AY 37/24 angegriffen und der Ausgang des Verfahrens ist bislang offen. Aber die Klage hat gemäß § 11 Abs. 4 Nr. 2 AsylbLG keine aufschiebende Wirkung und die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ist sowohl vom SG mit Beschluss vom 11. April 2024 (S 25 AY 13/24 ER) als auch vom LSG Sachsen-Anhalt mit Beschluss vom 24. Juli 2024 (L 8 AY7/24 B ER) abgelehnt worden. Es reicht also nicht aus, den Rechtsschutz nur über die reine Anfechtungsklage zu verfolgen, da nach Aufhebung des hier angegriffenen Kürzungsbescheids vom 30. Januar 2025 zwar die Anspruchseinschränkung beseitigt werden kann. Die Antragsteller sind aber ex nunc auf eine Leistungsbewilligung angewiesen, da die dauerhafte Leistungsbewilligung vom 30. November 2022 aktuell nicht wiederauflebt.
Das Gericht kann nach § 86b Abs. 2 SGG eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Voraussetzung einer Regelungsanordnung ist gemäß § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) die Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrunds (die Eilbedürftigkeit der Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile) und eines Anordnungsanspruchs (die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines in der Hauptsache gegebenen materiellen Leistungsanspruchs). Grundsätzlich soll wegen des vorläufigen Charakters der einstweiligen Anordnung die endgültige Entscheidung der Hauptsache nicht vorweggenommen werden. Der Beweismaßstab im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes erfordert im Gegensatz zu einem Hauptsacheverfahren für das Vorliegen der anspruchsbegründenden Tatsachen nicht die volle richterliche Überzeugung. Dies erklärt sich mit dem Wesen dieses Verfahrens, das wegen der Dringlichkeit der Entscheidung regelmäßig keine eingehenden, unter Umständen langwierigen Ermittlungen zulässt. Deshalb kann im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nur eine vorläufige Regelung längstens für die Dauer des Klageverfahrens getroffen werden, die das Gericht der Hauptsache nicht bindet.
Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind glaubhaft gemacht, wenn die tatsächlichen Voraussetzungen überwiegend wahrscheinlich sind. Dies erfordert, dass mehr für als gegen die Richtigkeit der Angaben spricht (vgl. Keller in: Meyer- Ladewig/Keller/Schmidt, SGG, 14. Auflage 2023, § 86b Rn. 27, 41). Soweit mit einer einstweiligen Anordnung zugleich eine Vorwegnahme der Entscheidung in der Hauptsache verbunden ist, sind erhöhte Anforderungen an die Glaubhaftmachung des Anordnungsanspruchs und des Anordnungsgrunds zu stellen, weil der einstweilige Rechtsschutz trotz des berechtigten Interesses des Rechtsuchenden an unaufschiebbaren gerichtlichen Entscheidungen nicht zu einer Verlagerung in das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes führen darf. Erforderlich ist das Vorliegen einer gegenwärtigen und dringenden Notlage, die eine sofortige Entscheidung unumgänglich macht. Soweit es um die Sicherung einer menschenwürdigen Existenz geht, müssen die Gerichte die Sach- und Rechtslage abschließend prüfen, bzw., wenn dies nicht möglich ist, auf der Basis einer Folgenabwägung auf Grundlage der bei summarischer Prüfung bekannten Sachlage entscheiden (vgl. Bundesverfassungsgericht [BVerfG], Beschluss vom 12. Mai 2005 – 1 BvR 569/05 – juris).
Davon ausgehend können sich die Antragsteller nach summarischer Prüfung auf der Grundlage des gegenwärtigen Sach- und Streitstands sowohl auf einen Anordnungsanspruch als auch auf einen Anordnungsgrund berufen.
Es besteht ein Anordnungsanspruch. Die Voraussetzungen des Anspruchs auf Leistungen nach §§ 3, 3a AsylbLG liegen nach summarischer Prüfung vor.
Die Antragsteller gehören zum leistungsberechtigten Personenkreis des § 1 Abs. 1 Nr. 4 AsylbLG. Sie sind Ausländer, halten sich tatsächlich im Bundesgebiet auf und besaßen zum Zeitpunkt des Bescheiderlasses am 30. Januar 2025 und darüber hinaus eine Duldung nach § 60a des AufenthG. Bislang ist ihnen – soweit ersichtlich – von der Ausländerbehörde nach dem Urteil des VG Magdeburg vom 28. Februar 2025 noch nicht die beabsichtigte Aufenthaltsgestattung erneut ausgestellt worden.
Der Antragsgegner ist die zuständige Behörde für die Bewilligung von Leistungen nach dem AsylbLG (§§ 10, 10a Abs. 1 AsylbLG, § 1 Abs. 1 Nr. 7 Allgemeine Zuständigkeitsverordnung für die Gemeinden und Landkreise zur Ausführung von Bundesrecht [AllgZustVO-Kom] vom 7. Mai 1994, zuletzt geändert durch Verordnung vom 12. Mai 2021 [GVBl. LSA S. 284, 285]).
Der Senat hat erhebliche Zweifel daran, ob die Voraussetzungen für die in dem angegriffenen Bescheid vom 30. Januar 2025 ausdrücklich auf § 1a Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 AsylbLG gestützte Leistungseinschränkung vorliegen.
Gemäß § 1a Abs. 4 Satz 2 AsylbLG (in der Fassung vom 25. Oktober 2024) erhalten Leistungsberechtigte nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 oder 1a, denen bereits von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder von einem am Verteilmechanismus teilnehmenden Drittstaat im Sinne von Satz 1
1. internationaler Schutz oder
2. aus anderen Gründen ein Aufenthaltsrecht gewährt worden ist,
nur reduzierte Leistungen entsprechend § 1a Abs. 1. AsylbLG, wenn der internationale Schutz oder das aus anderen Gründen gewährte Aufenthaltsrecht fortbesteht.
Bereits nach dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift sind die Antragsteller hiervon nicht erfasst. Denn sie waren zum Zeitpunkt des Bescheiderlass im Besitz einer gültigen Aussetzung der Abschiebung (Duldung) nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG, die monatlich verlängert wurde, aktuell bis zum 28. März 2025. Damit waren sie Leistungsberechtigte nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 AsylbLG. Dieser Personenkreis wird jedoch von § 1a Abs. 4 Satz 2 AsylbLG nicht erfasst. Darauf ist der Antragsgegner auch bereits in den Beschlüssen des Senats vom 24. Juli 2024 (L 8 AY 7/24 B ER) und 16. Dezember 2024 (L 8 AY 16/24 B ER) hingewiesen worden.
Es kann dahingestellt bleiben, ob bei den Antragstellern auch eine Leistungsberechtigung nach § 1 Abs. 1 Nr. 5 AsylbLG (vollziehbare Ausreisepflicht) vorliegt. Denn gemäß § 1a Abs. 4 Satz 3 AsylbLG gilt nur die Leistungseinschränkung nach § 1a Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 AsylbLG für Leistungsberechtigte nach § 1 Abs. 1 Nr. 5 AsylbLG entsprechend. Den Antragstellern ist hier jedoch in Bulgarien als anderem Mitgliedstaat der Europäischen Union internationaler Schutz (§ 1a Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 AsylbLG) gewährt worden, so dass auch nach dem Verständnis des Antragsgegners eine Leistungseinschränkung nach § 1a Abs. 4 Satz 3 AsylbLG nicht in Betracht kommen kann. Darüber hinaus dürften die Antragsteller nach der Entscheidung des VG Magdeburg vom 28. Februar 2025, mit welchem der Bescheid des BAMF vom 22. Juni 2023 mit Ausnahme des Abschiebeverbots nach Syrien aufgehoben wurde, nicht mehr vollziehbar ausreisepflichtig sein.
Soweit der Antragsgegner im Rahmen der Antragserwiderung auch eine Leistungseinschränkung nach § 1a Abs. 2 AsylbLG für möglich hält, ist der Senat nicht gehalten, den Bescheid umzudeuten.
Gemäß § 43 Abs. 1 SGB X kann ein fehlerhafter Verwaltungsakt in einen anderen Verwaltungsakt umgedeutet werden, wenn er auf das gleiche Ziel gerichtet ist, von der erlassenden Behörde in der geschehenen Verfahrensweise und Form rechtmäßig hätte erlassen werden können und wenn die Voraussetzungen für dessen Erlass erfüllt sind. Zwar wären die Antragsteller als Leistungsberechtigte nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 AsylbLG vom Personenkreis der Norm erfasst, sodass die Voraussetzungen für den Erlass erfüllt sein könnten. Ob eine Einreise der Antragsteller zur Leistungserlangung als prägendes Motiv als weitere Voraussetzung des § 1a Abs. 2 AsylbLG vorlag, für die der Leistungsträger die Beweislast trägt und er zur erforderlichen Einzelfallprüfung eine vollständige Sachverhaltsermittlung vorzunehmen hat (Leopold in: Grube/Wahrendorf/Flint, SGB XII, 8. Auflage 2024, § 1a AsylbLG Rn. 52, 54), braucht hier jedoch vom Senat nicht weiter geprüft zu werden. Denn gemäß § 43 Abs. 2 Satz 1 SGB X darf ein Verwaltungsakt nicht umgedeutet werden, wenn er der erkennbaren Absicht der erlassenden Behörde widerspräche. Der Antragsgegner hat weder in der erforderlichen Anhörung noch in seinem Bescheid vom 30. Januar 2025 auf diese Norm abgestellt. Da er seinen Bescheid trotz des Hinweises des Senats bereits im Beschluss vom 24. Juli 2024 (L 8 AY 7/24 B ER) erneut ausdrücklich auf § 1a Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 AsylbLG gestützt hat, dürfte eine Umdeutung erkennbar seiner Absicht widersprechen.
Dies gilt auch für eine Leistungseinschränkung nach § 1 Abs. 4 AsylbLG. Das Vorliegen von dessen Tatbestandsvoraussetzungen hat der Antragsgegner – konsequent – nicht geprüft. So bleibt offen, ob der internationale Schutz in Bulgarien fortbesteht (§ 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 AsylbLG) bzw. ob die Ausreise nach Bulgarien nach den Feststellungen des BAMF rechtlich und tatsächlich möglich ist (§ 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 AsylbLG). Auch die Rechtsfolgen gehen deutlich weiter, was eine Umdeutung nicht zulässt.
Mit Blick auf die anhängige Klage S 25 AY 37/24 spricht nach Auffassung des Senats viel dafür, dass der Bescheid des Antragsgegners vom 30. November 2022, der die begehrten Leistungen nach §§ 3, 3a AsylbLG auf Dauer gewährt hat, vom Antragsgegner nicht rechtmäßig zurückgenommen worden ist. Denn die Voraussetzungen für die Rücknahme dieses Bescheids dürften nach summarischer Prüfung nicht erfüllt sein mit der Folge, dass der Bescheid vom 16. Februar 2024, der Gegenstand des Klageverfahrens S 25 AY 37/24 ist, rechtswidrig sein dürfte und vom SG wohl aufzuheben sein wird.
Gemäß § 9 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 AsylbLG i.V.m. § 45 Abs. 1, Abs. 2 SGB X darf ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsakts vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann er sich nicht berufen, soweit er u.a. die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte.
Soweit der Antragsgegner die Rücknahme des Bescheids vom 30. November 2022 in seinem Bescheid vom 16. Februar 2024 darauf stützt, dass die Antragsteller dessen Rechtswidrigkeit kannten, so überzeugt dies nicht. Den Antragstellern, denen mit der erstmaligen Leistungsbewilligung vom 30. November 2022 ab dem 14. November 2022 Grundleistungen gewährt worden waren, dürfte die Rechtswidrigkeit der Leistungsbewilligung weder bekannt gewesen sein, noch hätte sie sich ihnen aufdrängen müssen.
Nach Auffassung des Senats sind für eine positive Kenntnis bislang keine Anhaltspunkte ersichtlich. Die Leistungsbewilligung erfolgte durch einen förmlichen Bescheid des Antragsgegners, dem für die Antragsteller keine erkennbaren Anhaltspunkte für eine fehlerhafte Rechtsanwendung zu entnehmen waren. Ein konkreter Hinweis auf eine mögliche Rechtswidrigkeit dürfte den Antragstellern auch damals nicht erteilt worden sein. Auch Anhaltspunkte für eine grob fahrlässige Unkenntnis sind bislang nicht ersichtlich. Das Asylbewerberleistungsgesetz ist ein komplexes Regelungssystem mit zahlreichen Verweisungen und Ausnahmetatbeständen. Die Unterscheidung zwischen Grundleistungen, Überbrückungsleistungen und gekürzten Leistungen, deren Abhängigkeit von Aufenthaltstiteln sowie das Ineinandergreifen mit ausländerrechtlichen Vorschriften sind für juristische Laien kaum durchschaubar. Für Asylbewerber – wie die Antragsteller – ohne vertiefte Kenntnisse des deutschen Sozialrechts und ohne Zugang zu qualifizierter Beratung dürfte es nicht möglich sein, die Rechtswidrigkeit der ihnen gewährten Leistungen zu erkennen. Für unrichtige Angaben im Sinne von § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X ist nichts ersichtlich. Der Antragsgegner fragt in den Formularen für die Beantragung von Leistungen nicht nach einem anderweitigen Schutz. Im Asylverfahren wurde von Anfang an auf den anderweitigen Schutz hingewiesen. Dem Antragsgegner müsste der Umstand, dass den Antragstellern internationaler Schutz durch Bulgarien gewährt worden war, im Zeitpunkt des Erlasses des Bescheids vom 30. November 2022 bekannt gewesen sein, denn das BAMF hat deshalb auf das nationale Verfahren verwiesen.
Da ein den Vertrauensschutz ausschließender Fall des § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X nicht vorliegen dürfte, handelt es sich bei der Rücknahme der Bewilligungsentscheidung um eine Ermessensentscheidung. Der Antragsgegner hat in seinem Bescheid vom 16. Februar 2024 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17. Juni 2024 jedoch kein Ermessen ausgeübt.
Aufgrund der Nichtgewährung existenzsichernder Leistungen und fehlenden weiteren finanziellen Mitteln ist von der Eilbedürftigkeit auszugehen.
Die vorläufige Leistungsgewährung war hier bis zum 10. August 2025 zu begrenzen, da im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nur eine gegenwärtige Notlage zu beseitigen ist (vgl. Keller, a.a.O., § 86b Rn. 35b).
Die Kostenentscheidung für das ER-Beschwerdeverfahren beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 Abs. 1 SGG.
2.
Auch die Beschwerde bezüglich der Ablehnung von PKH ist nach § 172 Abs. 1 SGG statthaft. Das SG hat die Bewilligung von PKH ausschließlich wegen der mangelnden Erfolgsaussicht verneint, sodass kein Fall des Ausschlusses der Beschwerde nach § 172 Abs. 3 Nr. 2a) SGG vorliegt. Der nach § 172 Abs. 3 Nr. 2b) SGG i.V.m. § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG für die Zulässigkeit notwendige Beschwerdewert von 750 € ist aus den genannten Gründen überschritten.
Die Beschwerde ist auch begründet.
Nach § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO ist auf Antrag PKH zu bewilligen, soweit der Antragsteller nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder -verteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. In Anbetracht des Verfahrensergebnisses sind die Voraussetzungen erfüllt. Die Antragsteller sind auch mittellos.
Kosten sind für das PKH-Beschwerdeverfahren nach § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO nicht zu erstatten.
3.
Die Voraussetzungen der Bewilligung von PKH für das Beschwerdeverfahren im Sinne des § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO sind erfüllt.
Der Beschluss ist mit der Beschwerde nicht anfechtbar (§ 177 SGG).