Sozialgericht Kassel – Beschluss vom 07.05.2025 – Az.: S 6 AY 1/25 ER

BESCHLUSS

In dem Rechtsstreit

xxx,

Antragsteller

Prozessbevollm.:
Rechtsanwalt Sven Adam,
Lange-Geismar-Straße 55, 37073 Göttingen,

gegen

Land Hessen, vertreten durch das Regierungspräsidium Gießen,
– Landesversorgungsamt Hessen -, Abteilung VI,
Landgraf-Philipp-Platz 1-7, 35390 Gießen,

Antragsgegner

hat die 6. Kammer des Sozialgerichts Kassel am 7. Mai 2025 durch die Vorsitzende, Richterin am Sozialgericht xxx, beschlossen:

Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers vom 07.04.2025 gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 19.03.2025 wird angeordnet.

Der Antragsgegner hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Antragstellers zu tragen.

GRÜNDE
I.

Die Beteiligten streiten im Verfahren des vorläufigen Rechtschutzes über die Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines Widerspruchs gegen die Rücknahme von Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG).

Der Antragsteller wurde am xx.xx.1988 in Kabul/Afghanistan geboren und ist afghanischer Staatsangehöriger.
Im Oktober 2023 reiste er erstmalig in die Bundesrepublik Deutschland (BRD) ein und wurde in der Erstaufnahmeeinrichtung des Landes Hessen in Gießen registriert. Dort stellte er einen Asylantrag bei der zuständigen Außenstelle des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF). Er wurde dem Schwalm-Eder-Kreis zugewiesen. Nach Ablehnung seines Asylantrags durch das BAMF erfolgte im September 2024 seine Überstellung nach Kroatien.
Am 29.10.2024 reiste der Antragsteller erneut in die BRD ein und stellte am 31.10.2024 einen Asylantrag bei der zuständigen Außenstelle des BAMF.
Mit Bescheid vom 13.11.2024 wurden dem Antragsteller ab dem 29.10.2024 Leistungen gemäß § 3 in Verbindung mit § 3a AsylbLG gewährt. Mit Änderungsbescheid vom 09.12.2024 wurde der notwendige persönliche Bedarf aufgrund der geänderten Regelbedarfssätze zum 01.01.2025 angepasst.
Der Asylantrag des Antragstellers wurde mit Bescheid des BAMF vom 28.01.2025 gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 1 Asylgesetz (AsylG) als unzulässig abgelehnt, da er bereits in Kroatien einen Asylantrag gestellte hatte, und die Abschiebung nach Kroatien angeordnet. Seit dem 13.02.2025 ist der Bescheid unanfechtbar.
Mit Schreiben vom 05.03.2025 wurde dem Antragssteller hinsichtlich einer beabsichtigten Leistungseinstellung gemäß § 1 Abs. 4 AsylbLG die Möglichkeit gegeben, Gründe vorzutragen, die einem Ausschluss der Leistungen entgegenstehen, und sich gemäß § 28 Hessisches Verwaltungsverfahrensgesetz (HVwVfG) innerhalb von 14 Tagen nach Erhalt des Schreibens zu äußern. Das Anhörungsschreiben wurde von dem Antragsteller am 12.03.2025 in Empfang genommen. Der Antragsteller hat die folgenden im Fragebogen des Anhörungsschreibens vom 05.03.2025 ankreuzbaren Fragen jeweils mit „Nein“ angekreuzt:
–        Werden Leistungen zur Überwindung besonderer Härte für Sie oder gegebenenfalls für Ihre Kinder benötigt?
–        Ist Ihre Bedarfslage zeitlich befristet?
Zur Begründung gab er an, dass seine Familie in Deutschland sei und er medizinische Probleme habe. Er schulde der Staatsanwaltschaft Marburg Geld (Strafvollstreckung). Das Taschengeld würde ihm bei der Bezahlung hilfreich sein. Mit Einstellungsbescheid vom 19.03.2025 wurden sodann die Leistungen nach § 3 in Verbindung mit § 3a AsylbLG eingestellt und Überbrückungsleistungen in Anwendung des § 1 Abs. 4 Nr. 2 AsylbLG für die Dauer von höchstens zwei Wochen bis zum 07.04.2025 gewährt. Der Bescheid wurde dem Antragsteller am 25.03.2025 übergeben und eine Empfangsbestätigung unterzeichnet.
Am 07.04.2025 hat der Antragsteller Widerspruch erhoben.

Am 07.04.2025 hat der Antragsteller durch seinen Prozessbevollmächtigten einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung beim Sozialgericht Kassel gestellt.

Der Antragsteller meint, dass die Regelung des § 1 Abs. 4 AsylbLG evident verfassungswidrig sei, da sie das durch Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz (GG) in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG garantierte Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums verletze.
§ 1 Abs. 4 AsylbLG verstoße zudem auch gegen Unionsrecht.
Als europarechtliche Grundlage komme alleine Art. 20 Abs. 1 lit. c der Richtlinie 2013/33/EU (Aufnahmerichtlinie) in Betracht. Danach können die Mitgliedstaaten die im Rahmen der Aufnahme gewährten materiellen Leistungen in begründeten Ausnahmefällen einschränken oder entziehen, wenn ein Antragsteller einen Folgeantrag nach Artikel 2 Buchstabe q der Richtlinie 2013/32/EU (Asylverfahrensrichtlinie) gestellt habe. Ob ein Folgeantrag vorliegen könne, wenn der Erstantrag in einem anderen Mitgliedstaat gestellt worden sei, oder ob dem Folgeantrag ein Erstantrag im gleichen Mitgliedstaat vorausgegangen sein müsse, sei umstritten (dagegen spreche der Wortlaut des Art. 40 Abs. 1 Asylverfahrensrichtlinie: „…in demselben Mitgliedstaat…“). So habe die Europäische Kommission in dem Verfahren C-8/20 dahingehend Stellung genommen, dass das Unionsrecht einer mitgliedstaatsübergreifenden Anwendung des Folgeantragskonzepts entgegenstehe. Die mitgliedstaatsübergreifende Anwendung dieses Konzepts bedeute ein gewisses Maß an gegenseitiger Anerkennung negativer Asylentscheidungen und eine solche sei im gegenwärtigen Asylrecht der Union grundsätzlich nicht vorgesehen. Es spreche viel für die Annahme, dass ein solcher Schritt in Richtung gegenseitiger Anerkennung vom Unionsgesetzgeber ausdrücklich und in hinreichender Klarheit beschlossen werden müsste, zumal die Folgen der Einstufung eines Antrags als Folgeantrag für Asylantragsteller beträchtlich seien.
Darüber hinaus wäre eine Kürzung gem. Art. 20 Abs. 1 lit. c der Richtlinie 2013/33/EU nur zulässig, wenn dem Leistungsberechtigten ein pflichtwidriges Verhalten vorzuwerfen sei. Denn eine Zusammenschau mit den weiteren Kürzungstatbeständen gemäß Art. 20 Abs. 1 lit. a und b sowie Abs. 2 bis 4 der Richtlinie 2013/33/EU zeige, dass eine Einschränkung oder Entziehung der im Rahmen der Aufnahme gewährten materiellen Leistungen immer ein pflichtwidriges Verhalten voraussetze. Nur unter dieser Voraussetzung könne ein begründeter Ausnahmefall im Sinne des Art. 20 Abs. 1 der Richtlinie 2013/33/EU vorliegen. Hier sei ein pflichtwidriges Verhalten nicht vorwerfbar. Es sei sich weder pflichtwidrig in die BRD begeben worden noch sei pflichtwidrig in ihr verweilt worden.
Außerdem verstoße § 1 Abs. 4 S. 1 AsylbLG gegen Art. 20 Abs. 5 der Richtlinie 2013/33/EU. Danach werden Entscheidungen über die Einschränkung oder den Entzug der im Rahmen der Aufnahme gewährten materiellen Leistungen oder über Sanktionen nach den Absätzen 1, 2, 3 und 4 des Artikel 20 jeweils für den Einzelfall, objektiv und unparteiisch getroffen und begründet. Die Entscheidungen sind aufgrund der besonderen Situation der betreffenden Personen, insbesondere im Hinblick auf die in Artikel 21 genannten Personen, unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsprinzips zu treffen. Die Mitgliedstaaten gewährleisten im Einklang mit Artikel 19 in jedem Fall Zugang zur medizinischen Versorgung und gewährleisten einen würdigen Lebensstandard für alle Antragsteller. Diesen Anforderungen werde § 1 Abs. 4 S. 1 AsylbLG schon deshalb nicht gerecht, weil § 1 Abs. 4 S. 1 AsylbLG als gebundene Entscheidung ausgestaltet und damit für eine Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsprinzips kein Raum sei. Außerdem werde mit den nach § 1 AsylbLG vorenthaltenen Leistungen kein würdiger Lebensstandard im Sinne des Art. 20 Abs. 5 S. 3 der Richtlinie 2013/33/EU gewährleistet. Dabei richte sich das Leistungsniveau danach, was im jeweiligen nationalen Kontext als angemessen anzusehen sei. Nach dem nationalen Verfassungsrecht bestehe zur Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums ein unmittelbar verfassungsrechtlicher Leistungsanspruch. Gesichert werden müsse einheitlich die physische und soziokulturelle Existenz. Die den Anspruch fundierende Menschenwürde stehe allen zu und gehe selbst durch vermeintlich „unwürdiges“ Verhalten nicht verloren. Europarechtliche Bedenken bestehen zudem bereits aufgrund des Vorlagebeschlusses des Bundessozialgerichts vom 25.07.2024 zu dem Az.: B 8 AY 6/23 R hinsichtlich der vergleichbaren Regelung in § 1a Abs. 7 AsylbLG.

Der Antragsteller beantragt,
die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers vom 07.04.2025 gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 19.03.2025 anzuordnen.

Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.

Es liege kein Verstoß gegen Europarecht vor.
Art. 20 Abs. 1 der Richtlinie 2013/33/EU regele die Möglichkeiten der Mitgliedstaaten, die im Rahmen der Aufnahme gewährten materiellen Leistungen in begründeten Ausnahmefällen einzuschränken oder zu entziehen. Art. 20 Abs. 1 S. 1 c) der Richtlinie 2013/33/EU nenne hierbei ausdrücklich den Fall, in dem ein Antragsteller einen Folgeantrag nach Art. 2 q) der Richtlinie 2013/32/EU gestellt habe. Art. 2 q) der Richtlinie 2013/32/EU definiere „Folgeantrag“ als einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz, der nach Erlass einer bestandskräftigen Entscheidung über einen früheren Antrag gestellt werde. Nach den Ausführungen des BSG in seinem Vorlagebeschluss lasse sich die in § 1 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 AsylbLG vorgesehene Anspruchseinschränkung europarechtlich rechtfertigen, sofern die Voraussetzungen des Art. 20 Abs. 1 S. 1 c) der Richtlinie 2013/33/EU erfüllt sei. Das sei vorliegend der Fall. Wie die Ausführungen des BSG belegen, sehe das BSG die Erfüllung der Voraussetzungen des Art. 20 Abs. 1 S. 1 c) der Richtlinie 2013/33/EU nur dann als problematisch an, wenn das frühere Asylverfahren von einem anderen Mitgliedstaat als demjenigen durchgeführt worden sei, in dem der Folgeantrag gestellt worden sei. Die Ausführungen des BSG implizieren dagegen die Anwendbarkeit des Art. 20 Abs. 1 S. 1 c) der Richtlinie 2013/33/EU für den Fall, dass beide Anträge im selben Mitgliedstaat gestellt worden seien. Genau das sei vorliegend der Fall gewesen. Die Mitgliedstaaten seien zudem verpflichtet, die Ausreiseverpflichtung auf Grundlage der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 durchzusetzen. Die Leistungseinschränkung nach § 1 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 AsylbLG soll diese Ausreiseverpflichtung auf leistungsrechtlicher Ebene absichern. Bei der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 handele es sich um unmittelbar anzuwendendes Europarecht. Die Mitgliedstaaten seien nach Art. 29 Abs. 1 S. 1 Verordnung (EU) Nr. 604/2013 unmittelbar verpflichtet, die Überstellung des Asylbewerbers durchzuführen, sofern sein Antrag als unzulässig abgelehnt worden sei. Der Antragsteller müsse als Leistungsbehörde diese Überstellungspflicht achten und sei vor diesem Hintergrund verpflichtet, eine Leistungseinschränkung – wie in § 1 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 AsylbLG geregelt – vorzusehen, um die Überstellung zu flankieren.
Die der Regelung des § 1 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 AsylbLG unterfallenden Asylbewerber erhalten Überbrückungsleistungen für einen Zeitraum von zwei Wochen. Innerhalb dieses Zeitraums sei es den Asylbewerbern zuzumuten, die Bundesrepublik Deutschland zu verlassen und in den Dublin-Staat zurückzukehren, der für ihr Asylverfahren ausschließlich zuständig sei. Würde es die Vorschrift des § 1 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 AsylbLG nicht geben, würde das bereits jetzt schlecht funktionierende Dublin-System in sich zusammenfallen. Die Vorschrift sei daher europarechtlich geboten, um die Umsetzung der Dublin-Verordnung in der Praxis sicherzustellen.
Auch liege kein Verstoß gegen Verfassungsrecht vor. Nach den Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts dürfen zwar migrationspolitische Erwägungen, die Leistungen an Asylbewerber und Flüchtlinge niedrig zu halten, um Anreize für Wanderungsbewegungen durch ein im internationalen Vergleich eventuell hohes Leistungsniveau zu vermeiden, kein Absenken des Leistungsstandards unter das physische und soziokulturelle Existenzminimum rechtfertigen. Allerdings beziehen sich diese Ausführungen gerade nur auf die allgemeine Bemessung des Regelbedarfs. Nur für diesen Bereich seien die Aussagen des BVerfG entscheidend. Bei der Leistungsgewährung unter Berücksichtigung einer Leistungskürzung nach § 1 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 AsylbLG handele es sich aber gerade nicht um eine regelhafte Leistungsgewährung nach § 3 AsylbLG. Die Regelsätze werden also nicht allgemein niedrig gehalten, um Wanderbewegungen zu verhindern, sondern es werde auf eine bestimmte Situation reagiert. Es gehe bei § 1 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 AsylbLG um das konkrete leistungsrechtliche Flankieren einer auf Verordnung (EU) Nr. 604/2013 gestützten Ausreisepflicht, was verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden sei. Zudem obliege die Entscheidung über die Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes dem Bundesverfassungsgericht.
Im Übrigen sei § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 AsylbLG geltendes Recht und daher anzuwenden. Eine Abweichung der Leistungsträger von der gesetzlichen Regelung des § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 AsylbLG würde gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung verstoßen. Aufgrund des Vorrangs des Gesetzes besteht ein Anwendungsgebot und ein Abweichungsverbot, sodass die Leistungsgewährung nur unter den entsprechenden Voraussetzungen erfolgen könne. Die Anwendung des § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 AsylbLG erfolge auch rechtmäßig.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Antragsgegners Bezug genommen. Diese sind Gegenstand der Entscheidung gewesen.

II.

Der zulässige Antrag ist begründet.

Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers vom 07.04.2025 gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 19.03.2025 ist statthaft und auch im Übrigen zulässig.

Der Antrag ist auch begründet.
Insofern wird sich den Ausführungen des Sozialgerichts Darmstadt im Beschluss vom 4. Februar 2025 – S 16 AY 2/25 ER – angeschlossen.

Nach § 86b Abs. 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht auf Antrag, in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Soweit der angefochtene Verwaltungsakt offenbar rechtswidrig ist, besteht keine Veranlassung zum sofortigen Vollzug. Ist die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides gegeben, wirkt sich die Interessenabwägung zugunsten der Behörde aus. Bei offenem Ausgang bleibt es bei einer allgemeinen Interessenabwägung. Im Rahmen der Interessenabwägung kommt der Verpflichtung zum Schutz der Grundrechte eine besondere Bedeutung zu. Nach dem BVerfG (NJW 2003, 3617 (3618 f.) entspricht es der Funktion von Präventivmaßnahmen, mit denen für eine Zwischenzeit ein Sicherungszweck verfolgt wird, ausnahmsweise den Rechtsschutzanspruch des Grundrechtsträgers einstweilen zurückzustellen, um unaufschiebbare Maßnahmen im Interesse des allgemeinen Wohls rechtzeitig in die Wege zu leiten. Ob diese Voraussetzungen gegeben sind, hängt von einer Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalls und insbesondere davon ab, ob eine weitere Bewilligung konkrete Gefahren für wichtige Gemeinschaftsgüter befürchten lässt. Die rechtsschützende Funktion des Prozessrechts steht demnach unter grundrechtlichem Einfluss (Wahrendorf in: beck- online.GROSSKOMMENTAR GesamtHrsg: Roos/Wahrendorf/Müller, Stand: 01.02.2025, § 86b SGG Rn. 81, 82 m.w.N.). Je gewichtiger die drohende Grundrechtsverletzung und je höher ihre Eintrittswahrscheinlichkeit ist, desto intensiver hat die tatsächliche und rechtliche Durchdringung der Sache bereits im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zu erfolgen. Ist eine der drohenden Grundrechtsverletzungen entsprechende Klärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich – etwa weil es dafür weiterer, in der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit nicht zu verwirklichender tatsächlicher Aufklärungsmaßnahmen bedürfte –, ist es von Verfassungswegen nicht zu beanstanden, wenn die Entscheidung über die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes dann auf der Grundlage einer Folgenabwägung erfolgt (Hessisches Landessozialgericht, Beschluss vom 15. September 2024 – L 4 AY 19/24 B ER –, juris, Rn. 32).

Im Rahmen der Interessenabwägung ist dem Antrag zu entsprechen gewesen. Streitgegenständlich ist der Widerspruch gegen die Rücknahme des Leistungsbescheides nach dem AsylbLG.
Der Rücknahmebescheid ist nicht bereits formell rechtswidrig, die erforderliche Anhörung ist erfolgt.
Mit dem Rücknahmebescheid wurden die Leistungen nach dem AsylbLG aufgrund der Anwendung des § 1 Abs. 4 Nr. 2 S. 1 AsylbLG zurückgenommen. Danach haben Leistungsberechtigte nach Abs. 1 Nr. 5, deren Asylantrag durch eine Entscheidung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 in Verbindung mit § 31 Abs. 6 des Asylgesetzes als unzulässig abgelehnt wurde, für die eine Abschiebung nach § 34a Abs. 1 S. 1 zweite Alternative des Asylgesetzes angeordnet wurde und für die nach der Feststellung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge die Ausreise rechtlich und tatsächlich möglich ist, auch wenn die Entscheidung noch nicht unanfechtbar ist, keinen Anspruch auf Leistungen nach diesem Gesetz.
Der Antragssteller unterfällt dem benannten Personenkreis.
Vorliegend kann jedoch nicht abschließend geklärt werden, ob die Klage in der Hauptsache Erfolg hätte. Denn im Rahmen der Folgenabwägung ist insbesondere der Vorlagenbeschluss des Bundessozialgerichts vom 25.07.2024 (B 8 AY 6/23 R) an den EuGH zu berücksichtigen. Die bezüglich der Vorschrift des § 1a Abs. 7 AsylbLG aufgeworfenen Rechtsfragen haben auch für die hier einschlägige Norm unmittelbare Auswirkungen und sind somit im Hinblick auf den Schutz der Grundrechte erheblich. Die Beantwortung dieser Fragen dürfte sich auch unmittelbar auf die Leistungseinschränkung des hier einschlägigen § 1 Abs. 4 Nr. 2 AsylbLG auswirken. Unter Berücksichtigung des Vollziehungsinteresses der Behörde gegenüber dem Interesse des Antragsstellers hat das Vollziehungsinteresse der Behörde zurückzustehen. Denn im Hinblick auf das offene Hauptsacheverfahren ist der Anspruch des Antragsstellers auf eine menschenwürdige Grundversorgung bis zu einer tatsächlich erfolgten Abschiebung nach Kroatien als vorrangig zu gewichten.

Entsprechend ist dem Antrag stattzugeben gewesen.

Die Kostenentscheidung folgt der Entscheidung in der Sache und beruht auf § 193 SGG.

Es folgt die Rechtsmittelbelehrung.