Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen – Beschluss vom 28.05.2025 – Az.: L 8 AY 16/25 B

BESCHLUSS

L 8 AY 16/25 B
S 5 AY 5/25 ER Sozialgericht Stade

In dem Beschwerdeverfahren

xxx,

– Antragsteller und Beschwerdeführer –

Prozessbevollmächtigter:
Rechtsanwalt Sven Adam,
Lange Geismarstraße 55, 37073 Göttingen

gegen

Landkreis Stade,
vertreten durch den Landrat,
Am Sande 2, 21682 Stade

– Antragsgegner –

hat der 8. Senat des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen am 28. Mai 2025 in Celle durch den Richter xxx, die Richterin xxx und den Richter xxx beschlossen:

Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Sozialgerichts Stade vom 25. April 2025, soweit durch diesen der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe abgelehnt worden ist, aufgehoben.

Dem Antragsteller wird Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche einstweilige Rechtsschutzverfahren unter Beiordnung von Rechtsanwalt Adam, Göttingen, bewilligt. Ratenzahlung wird nicht angeordnet.

Kosten für das Beschwerdeverfahren sind nicht zu erstatten.

GRÜNDE
I.

Im Streit steht die Höhe der dem Antragsteller bewilligten Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) und insbesondere die Bewilligung von nach § 1a Abs. 4 Satz 2 AsylbLG gekürzten Leistungen.

Der 2002 geborene Antragsteller ist syrischer Staatsbürger und reiste nach einer zwischenzeitlichen Registrierung in Griechenland im August 2024 in die Bundesrepublik ein. Seit 23.4.2023 wurde ihm in Griechenland internationaler Schutz – befristet bis zum 22.4.2027 – gewährt (Auszug aus EURODAC-Datenbank vom 14.10.2024). Die Landesaufnahmebehörde Niedersachsen wies ihn zum 26.9.2024 der im Gebiet des Antragsgegners liegenden Stadt Buxtehude zu (Bescheid vom 12.9.2024), die ihn in eine Gemeinschaftsunterkunft einwies (Bescheid vom 26.9.2024).

Auf dessen Antrag bewilligte der Antragsgegner dem Antragsteller anteilig für den Monat September 2024 und vollständig für den Monat Oktober 2024 Grundleistungen und Leistungen der Krankenhilfe nach §§ 3, 4 AsylbLG (Bescheid vom 26.9.2024). Nachdem der Antragsgegner aufgrund einer Mitteilung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge Kenntnis von der Gewährung internationalen Schutzes für den Antragsteller in Griechenland erlangt hatte, bewilligte er dem Antragsteller nach zwischenzeitlicher Anhörung (vom 14.10.2024) für die Zeit vom 1.11.2024 bis 30.4.2025 eingeschränkte Leistungen nach § 1a AsylbLG (Bescheid vom 1.11.2024). Dem hiergegen eingelegten Widerspruch half der Antragsgegner aufgrund eines gerichtlichen Hinweises in einem vom Antragsteller zwischenzeitlich angestrengten einstweiligen Rechtsschutzverfahren (Sozialgericht – SG – Stade – S 5 AY 7/24 ER) teilweise ab, indem er dem Antragsteller für den Teilzeitraum vom 1.11.2024 bis 28.2.2025 Leistungen in ungekürzter Höhe nach §§ 3, 3a AsylbLG bewilligte (Bescheide vom 2.1. und 6.2.2025).

Für den nachfolgenden Zeitraum vom 1.3. bis 31.8.2025 bewilligte der Antragsgegner – nach erneuter Anhörung vom 6.2.2025 – dem Antragsteller wiederum nur eingeschränkte Leistungen nach § 1a Abs. 4 Satz 2 AsylbLG (Bescheid vom 26.2.2025). Hiergegen erhob der Antragsteller am 9.3.2025 Widerspruch, über den der Antragsgegner bisher noch nicht entschieden hat. Zu- gleich hat der Antragsteller beim SG Stade einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zur vorläufigen Gewährung ungekürzter Leistungen in gesetzlicher Höhe gestellt und die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) für das einstweilige Rechtsschutzverfahren beantragt. Zur Begründung hat er auf Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit einer Leistungskürzung nach § 1a Abs. 4 Satz 2 AsylbLG verwiesen.

Den PKH-Antrag lehnte das SG – zugleich mit dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung – ab. Der Antragsteller habe einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht. Der Antragsgegner habe zu Recht mit Bescheid vom 26.2.2025 gekürzte Leistungen auf der Grundlage des § 1a Abs. 4 Satz 2 AsylbLG bewilligt. Die Tatbestandsvoraussetzungen dieser Vorschrift lägen beim Antragsteller vor, weil ihm von Griechenland bereits internationaler Schutz gewährt worden sei, der noch bis zum 22.4.2027 fortbestehe, so dass der Antragsteller nicht mehr dem Dublin-Verfahren unterfalle. Die Rechtsgrundlage des § 1a Abs. 4 Satz 2 AsylbLG könne – trotz bestehender Zweifel an deren Verfassungsmäßigkeit – in der Weise verfassungs- konform ausgelegt werden, dass als zusätzliches ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal ein vorwerfbares Verhalten des Leistungsberechtigten für eine Leistungskürzung verlangt werde. Wie bereits das Bayerische Landessozialgericht (LSG) geurteilt habe, könne ein vorwerfbares Verhalten darin liegen, dass der Leistungsberechtigte trotz Kenntnis von seinem Schutzstatus in einem anderen EU-Staat nicht freiwillig in den Staat zurückkehre, der ihm Schutz gewähre, sondern in Deutschland bleibe (Bayer. LSG, Urteil vom 9.3.2023 – L 8 AY 135/22 – juris Rn. 49). Vor Eintritt der Leistungskürzung müsse der Leistungsberechtigte deshalb zumindest unter Fristsetzung darauf hingewiesen worden sein, dass er die Leistungskürzung durch eine freiwillige Ausreise abwenden könne. Im Falle seines Verbleibs trotz Kenntnis dieser Abwendungsmöglichkeit liege ein vorwerfbares Verhalten vor, das die Leistungseinschränkung rechtfertige. Der Antragsgegner habe den Antragsteller mit Schreiben vom 6.2.2025 auf die Möglichkeit zur Abwendung der Leistungskürzung hingewiesen, nämlich indem er bis zum 24.2.2025 Bemühungen zur freiwilligen Ausreise nach Griechenland nachweise. Der Antragsteller habe keine Bemühungen nachgewiesen und sei auch nicht nach Griechenland ausgereist. Ein Anordnungsgrund liege vor, da für das Gericht nicht erkennbar sei, ob der Antragsteller mittlerweile Einkommen aus Erwerbstätigkeit erziele. Die Rechtsverfolgung biete keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, weil die Gewährung eingeschränkter Leistungen gemäß § 1a Abs. 4 AsylbLG aus vorläufiger Sicht rechtmäßig sei. Die umstrittene Verfassungsmäßigkeit der Vorschrift be- gründe alleine noch keine hinreichenden Erfolgsaussichten für eine PKH-Bewilligung, weil nach summarischer Prüfung die Bescheidlage im Einklang mit den Anforderungen stehe, die sich aus verfassungskonformer Auslegung der Vorschrift ergäben (Beschluss vom 25.4.2025).

Gegen die Ablehnung seines Antrages auf Bewilligung von PKH durch Beschluss des SG vom 25.4.2025 wendet sich der Kläger mit seiner am 28.4.2025 eingelegten Beschwerde, die er im Wesentlichen – ohne Bezug auf seinen Einzelfall – wiederum mit Zweifeln an der Verfassungsmäßigkeit einer Leistungskürzung nach § 1a Abs. 4 AsylbLG und sich daraus ergebenden hin- reichenden Erfolgsaussichten für eine PKH-Bewilligung begründet. Mit demselben Schriftsatz hat der Antragsteller auch Beschwerde gegen die Ablehnung seines Antrages auf Erlass einer einstweiligen Anordnung eingelegt (L 8 AY 15/25 B ER).

Der Antragsgegner hat im hiesigen PKH-Beschwerdeverfahren keine Stellungnahme abgegeben.

II.

Die form- und fristgerecht (§ 173 SGG) eingelegte und insbesondere statthafte (§ 172 Abs. 3 Nr. 2 lit. b SGG i.V.m. §§ 143, 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG) Beschwerde des Antragstellers ist auch im Übrigen zulässig. Soweit der Antragsteller wörtlich Beschwerde „gegen den Beschluss des Sozialgericht Stade vom 25.04.2028, zugegangen am 28.04.2027, hinsichtlich der Ablehnung von Prozesskostenhilfe“ eingelegt hat, ist in Auslegung des Beschwerdevorbringens (§ 123 SGG) die Beschwerde als gegen den Beschluss des SG vom 25.4.2025, soweit mit diesem die Bewilligung von PKH abgelehnt wurde, gerichtet zu werten.

Die Beschwerde ist auch begründet. Das SG hat den Antrag auf Bewilligung von PKH zur Durchführung des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens betreffend die Leistungskürzung durch Bescheid des Antragsgegners vom 26.2.2025 zu Unrecht abgelehnt.

Nach § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.

Bei der Prüfung der Erfolgsaussichten sind alle Umstände zu berücksichtigen (B. Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, SGG, 14. Aufl. 2023, § 73a Rn. 7). Bei der Beurteilung, ob eine hinreichende Erfolgsaussicht besteht, muss der verfassungsrechtliche Rahmen berücksichtigt werden. Die Prüfung der Erfolgsaussicht darf nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung oder -verteidigung selbst in das PKH-Verfahren vorzuverlagern, die Anforderungen an die Erfolgsaussichten dürfen deswegen nicht überzogen werden. Für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist es im Hinblick auf den Rechtsstaatsgrundsatz daher ausreichend, dass eine hinreichende Erfolgsaussicht für den Rechtsstreit besteht, ohne dass der Prozesserfolg schon gewiss sein muss. Prozesskostenhilfe darf daher nur verweigert werden, wenn ein Erfolg in der Hauptsache fernliegend ist (BVerfG, Beschluss vom 7.4.2000 – 1 BvR 81/00 – juris Rn. 15). Eine hinreichende Erfolgsaussicht ist zu bejahen, wenn für den Antragsteller eine nicht fernliegende Möglichkeit besteht, sein Rechtsschutzziel durch Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes durchzusetzen. Hierfür ist es ausreichend, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt des Antragstellers auf Grund der Sachverhaltsschilderung und der vorliegenden Unterlagen nach summarischer Prüfung für zutreffend oder zumindest vertretbar hält und in tatsächlicher Hinsicht von der Möglichkeit der Beweisführung ausgeht (B. Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, SGG, 14. Aufl. 2023, § 73a Rn. 7a m.w.N.). Eine gewisse Erfolgswahrscheinlichkeit genügt (B. Schmidt, a.a.O., § 73a Rn. 7). Hält das Gericht die Einholung eines Sachverständigengutachtens oder eine andere Beweiserhebung von Amts wegen für notwendig, so kann in der Regel eine Erfolgsaussicht nicht verneint werden (BVerfG, Beschluss vom 29.9.2004 – 1 BvR 1281/04 – juris Rn. 14). Streiten die Beteiligten über klärungsbedürftige schwierige Rechtsfragen, liegt hinreichende Erfolgsaussicht vor, weil die Klärung der schwierigen Rechtsfragen dem Hauptsacheverfahren vorbehalten ist (BVerfG, Beschluss vom 14.2.2017 – 1 BvR 2507/16 – juris Rn. 13, 19). Auch bei Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit einer Regelung ist PKH wegen hinreichender Erfolgsaussicht zu gewähren (Gall in jurisPK-SGG, 2. Aufl. 2022, § 73a Rn. 46 m.w.N.).

Nach diesen Maßgaben kann der Rechtsverfolgung nicht von vornherein ihre Erfolgsaussicht abgesprochen werden. Sie ist auch nicht mutwillig.

Gegenstand des Verfahrens ist die vom Antragsteller beantragte einstweilige Anordnung (§ 86b Abs. 2 SGG), mit dem der Antragsgegner verpflichtet werden soll, vorläufig bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Widerspruch des Antragstellers vom 7.3.2025 (gegen den Bescheid vom 26.2.2025) ungekürzte Grundleistungen nach § 3 AsylbLG zu bewilligen. Da der Antragsgegner für den Zeitraum vom 1.3. bis 31.8.2025 vorher keine Grundleistungen nach § 3 AsylbLG bewilligt, sondern mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 26.2.2025 für den in der Zukunft liegenden Zeitraum unmittelbar gekürzte Leistungen auf Grundlage des § 1a Abs. 4 AsylbLG bewilligt hat, ist eine gleichzeitige Aufhebung früherer Leistungsbewilligungen nicht nötig gewesen (vgl. zu diesem Erfordernis LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 2.6.2022 – L 7 AY 82/20 – juris Rn. 37; Oppermann in jurisPK-SGB XII, 4. Aufl. 2024, § 1a AsylbLG Rn. 248), so dass in der Hauptsache mit dem Widerspruch des Antragstellers vom 7.3.2025 als streitiges Rechtsverhältnis i.S. des § 86b Abs. 2 SGG eine Verpflichtungssituation vorliegt und die begehrte einstweilige Anordnung der statthafte Rechtsbehelf im einstweiligen Rechtsschutzverfahren darstellt.

Das Bestehen eines Anordnungsanspruches auf ungekürzte Leistungen nach § 3 AsylbLG ist nicht ausgeschlossen oder gar fernliegend.

Bei der Prüfung, ob beim Antragsteller eine Leistungseinschränkung nach § 1a Abs. 4 Satz 2 AsylbLG eingreift oder ungekürzte Leistungen nach § 3 AsylbLG zu erbringen sind, stellen sich wegen Zweifeln an der Verfassungsmäßigkeit dieser Vorschrift schwierige Rechtsfragen (vgl. hierzu bereits den Senatsbeschluss vom 4.12.2019 – L 8 AY 36/19 B ER – juris), die nach den o.g. Maßstäben für sich genommen bereits hinreichende Erfolgsaussichten für eine PKH- Bewilligung bedingen. Ob § 1a Abs. 4 Satz 2 AsylbLG bzw. die (einheitlichen) Rechtsfolgen bei Anspruchseinschränkungen gemäß § 1a Abs. 1 AsylbLG mit dem Grundrecht auf Gewährung eines menschenwürdigen Existenzminimums (Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG) zu verein- baren ist, ist in Rechtsprechung und Literatur sehr umstritten und noch nicht höchstrichterlich geklärt (vgl. zum Streitstand etwa Oppermann in jurisPK-SGB XII, 4. Aufl. 2024, § 1a AsylbLG Rn. 141 ff. m.w.N.; Frerichs in jurisPK-SGB XII, 4. Aufl. 2024, § 1 AsylbLG Rn. 55 dort Fußn. 107 m.w.N.; Siefert in Siefert, AsylbLG, 2. Aufl. 2020, § 1a Rn. 52; zur Kritik am Rechtsfolgenkonzept vgl. Hohm in GK-AsylbLG, 105 Lfg., Januar 2025, § 1a Rn. 560 ff.). Dies gilt insbesondere im Hinblick auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 5.11.2019 (1 BvL 7/16) zu Sanktionsmöglichkeiten im Rahmen der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem SGB II. Nach dieser Entscheidung muss jede leistungsberechtigte Person in der Lage sein, eine „Sanktion“ – als eine solche dürfte auch die Leistungseinschränkung auf Grundlage des § 1a AsylbLG gelten – durch zumutbares Verhalten zu beenden. Im Rahmen des § 1a Abs. 4 Satz 2 AsylbLG wird allerdings alleine an die – entgegen europarechtlichen Verteilentscheidungen erfolgte – Einreise in das Bundesgebiet angeknüpft, die nicht mehr vom Leistungsberechtigten rückgängig gemacht werden kann (vgl. Siefert in Siefert, AsylbLG, 2. Aufl. 2020, § 1a Rn. 52).

Die vom SG für möglich gehaltene verfassungskonforme Auslegung des § 1a Abs. 4 Satz 2 AsylbLG durch ein zusätzlich aufgestelltes, ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal „vorwerfbares Verhalten des Leistungsberechtigten“ begegnet Bedenken, weil der Gesetzgeber eine der- artige Voraussetzung in den Wortlaut der Vorschrift bewusst nicht aufgenommen, sondern für die Leistungskürzung allein auf das Verweilen des Leistungsberechtigten im Bundesgebiet ab- gestellt hat (vgl. BT-Drs. 19/20984 vom 13.7.2020 zu den Auswirkungen der AsylbLG-No- velle von 2019, S. 8 zu § 1a Abs. 4, 7; ferner Oppermann in jurisPK-SGB XII, 4. Aufl. 2024, § 1a AsylbLG Rn. 144). Überdies hat der Senat bereits entschieden, dass in Fällen, in denen die Überführung des Leistungsberechtigten in den für die Schutzgewährung zuständigen EU- Staat nicht möglich oder unzumutbar ist (etwa bei vulnerablen Personen), eine Leistungskür- zung nach § 1a Abs. 4 Satz 2 AsylbLG ausscheidet (Senatsbeschluss vom 19.11.2019 – L 8 AY 26/19 B ER – juris Rn. 17). Auf ein vorwerfbares Verhalten des Leistungsberechtigten allein ohne weitere Berücksichtigung von Härtefällen und individuellen Gründen zum Verbleib in Deutschland (vgl. etwa zu einem Verstoß gegen Art. 3 EMRK bei drohender unmenschlicher und erniedrigender Behandlung in einem anderen EU-Mitgliedstaat: Oppermann in jurisPK- SGB XII, 4. Aufl. 2024, § 1a AsylbLG Rn. 147 f.) kann deshalb für eine bezweckte verfassungs- konforme Auslegung der Vorschrift nicht abgestellt werden.

Das Vorliegen und die Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes sind ebenfalls möglich und nicht ausgeschlossen. Bei einem Bezug von auf der Grundlage des § 1a AsylbLG gekürzten Leistungen ergibt sich ein Anordnungsgrund für eine einstweilige Anordnung auf Erbringung von Leistungen gem. § 3 AsylbLG regelmäßig bereits aus der Einschränkung der wirtschaftlichen Handlungsfreiheit durch die Beschränkung der Leistungen auf das unabweisbar Notwendige (vgl. hierzu Oppermann in jurisPK-SGB XII, 4. Aufl. 2024, § 1a AsylbLG Rn. 255). Ob die erst im Verlauf des – parallel zum hiesigen Verfahren geführten – Beschwerdeverfahrens L 8 AY 15/25 B ER bekannt gewordene Aufnahme eines Beschäftigungsverhältnisses in Voll- zeit durch den Antragsteller bei der TimePartner Personalmanagement GmbH (ab 10.4.2025) den Bedarf an existenzsichernden Leistungen nach § 3 AsylbLG für die Zukunft entfallen lassen und damit gegen die Annahme eines Anordnungsgrundes sprechen könnte, wird im Verfahren L 8 AY 15/25 B ER abschließend vom Senat beurteilt werden. Für das hiesige PKH-Beschwerdeverfahren ist dieser tatsächliche Umstand nicht relevant, weil für die Prüfung hinreichender Erfolgsaussichten i.S.d. § 73a SGG auch im Beschwerdeverfahren auf den Zeitpunkt der Be- willigungsreife im erstinstanzlichen PKH-Verfahren, also auf die Antragstellung am 7.3.2025, abzustellen ist (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 11.1.2018 – L 19 AS 2281/17 B – juris Rn. 29; B. Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, SGG, 14. Aufl. 2023, § 73a Rn. 7d; ferner Gall in jurisPK-SGG, 2. Aufl. 2022, § 73a Rn. 52 m.w.N.; vgl. im Übrigen umfassend zum maßgeblichen Zeitpunkt Leopold in BeckOGK-SGG, Stand 1.5.2025, § 73a Rn. 60 f.). Dies gilt insbesondere auch bei nachträglichen Änderungen zum Nachteil des Antragstellers (vgl. hierzu bei einer verzögerten Entscheidung über einen PKH-Antrag BVerfG, Beschluss vom 16.4.2019 – 1 BvR 2111/17 – juris Rn. 25), die hier u.U. in der nachträglichen Arbeitsaufnahme ab 10.4.2025 lägen.

Dem Antragsteller ist es nach seinen wirtschaftlichen Verhältnissen nicht zuzumuten, die Kosten des Rechtstreits zu tragen, auch nicht zum Teil oder in Raten.

Die Beiordnung des Rechtsanwaltes beruht auf § 73a SGG i.V.m. § 121 Abs. 2 ZPO.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 73a SGG i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 177 SGG.