1. Entscheidungen der Landessozialgerichte zur Grundsicherung nach dem SGB II-Bürgergeld
1.1 – LSG Baden-Württemberg, Beschluss v. 12.05.2025 – L 2 AS 1017/25 – www.sozialgerichtsbarkeit.de
Eine auf die Kostensenkungsobliegenheit gerichtete Feststellungsklage kann nur Ultima Ratio sein, hier verneinend
Dazu Detlef Brock
1. Denn ein sogenannter Härtefall (Auffassung des Klägers) bei einer Kostensenkungsaufforderung liegt nicht vor, wenn der Antragsteller keine auf Tatsachen gestützte Unzumutbarkeit bzw. Unmöglichkeit der Kostensenkung dargelegt und Unzulässig ist insbesondere jede unmittelbar im Anschluss an eine Kostensenkungsaufforderung erhobene Feststellungsklage (BSG Rechtsprechung).
2. Wenn der Antragsteller in regelmäßigen Abständen Zeitungsausschnitte von Wohnungsinseraten vorgelegt habe, die den Anforderungen des Jobcenters nicht entsprochen hätten, ließen sich daraus weder systematische Suchbemühungen ableiten, noch ließen diese Zeitungsausschnitte die Schlussfolgerung zu, dass auf dem für den Kläger maßgeblichen Wohnungsmarkt kein verfügbarer Wohnraum entsprechend den Vorgaben des Jobcenters existiere, da die vorgelegten Zeitungsausschnitte keinesfalls die verfügbaren Wohnungen umfassend abbildeten.
Dazu Detlef Brock – Orientierungshilfe
1. Es seien besondere Anforderungen auch an das Feststellungsinteresse zu stellen. Erforderlich sei insoweit zunächst, wie stets bei vorbeugendem Rechtsschutz, dass überhaupt eine belastende Verwaltungsmaßnahme aufgrund der vermeintlich bestehenden Kostensenkungsobliegenheit bevorstehe. Hiervon könne frühestens dann ausgegangen werden, wenn der mit der Kostensenkungsaufforderung initiierte „Dialog“ über die Angemessenheit der KdU als abgeschlossen anzusehen sei.
2. Unzulässig ist insbesondere jede unmittelbar im Anschluss an eine Kostensenkungsaufforderung erhobene Feststellungsklage.
3. Ein Feststellungsinteresse könne auch nicht auf die allgemeine Behauptung gegründet werden, die Höhe der vom Jobcenter bestimmten Angemessenheitsgrenze sei unzutreffend, denn hierbei handele es sich nur um eine Vorfrage der Kostensenkungsobliegenheit. Vielmehr sei es erforderlich, eine auf Tatsachen gestützte Unzumutbarkeit oder Unmöglichkeit der Kostensenkung im Sinne des § 22 Abs.1 Satz 3 SGB II darzulegen. Diese Voraussetzzungen lägen nicht vor.
4. Denn der Kläger habe keine auf Tatsachen gestützte Unzumutbarkeit bzw. Unmöglichkeit der Kostensenkung dargelegt.
5. Insbesondere ergebe sich dies nicht aus dem Umstand, dass er seit der Kostensenkungsaufforderung von März 2024 in regelmäßigen Abständen Zeitungsausschnitte von Wohnungsinseraten vorgelegt habe, die den Anforderungen des Jobcenters nicht entsprochen hätten. Denn hieraus ließen sich weder systematische Suchbemühungen ableiten, noch ließen diese Zeitungsausschnitte die Schlussfolgerung zu, dass auf dem für den Kläger maßgeblichen Wohnungsmarkt kein verfügbarer Wohnraum entsprechend den Vorgaben des Jobcenters existiere, da die vorgelegten Zeitungsausschnitte keinesfalls die verfügbaren Wohnungen umfassend abbildeten.
6. Im Übrigen stehe der Kläger seit Oktober 2024 nicht mehr im Leistungsbezug beim Jobcenter, sodass eine Absenkung der berücksichtigten KdU durch das Jobcenter ohnehin nicht unmittelbar bevorstehe.
Praxistipp Bürgergeld: Zum Eilrechtsschutz gegen eine Kostensenkungsaufforderung
Für vorbeugenden Rechtsschutz gegen eine Kostensenkungsaufforderung fehlt es regelmäßig am Rechtsschutzbedürfnis, insbesondere im Rahmen eines Eilverfahrens (LSG Bayern, Beschluss v. 28.01.2025 – L 7 AS 508/24 B ER -).
1.2 – LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 05.06.2025 – L 2 AS 1659/25 ER-B – www.sozialgerichtsbarkeit.de
Wie schon bei Hartz IV gilt auch beim Bürgergeld: Das Jobcenter muss für eine neue Mietwohnung – keine abstrakte Zusicherung (§ 22 Abs. 4 SGB II) erteilen
Dazu Detlef Brock
1. Eine Zusicherung vom Jobcenter kann nur verlangt werden, wenn die zukünftigen Unterkunftskosten der Höhe nach bestimmt sind (so auch LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 24.01.2012 – L 14 AS 1818/09 -).
2. Der kommunale Träger kann eine Prüfung der Angemessenheit der Unterkunftskosten im Einzelfall – der Antragsteller macht hier sogar ausdrücklich besondere Umstände des Einzelfalles geltend – erst dann vornehmen, wenn ein nach Lage der Wohnung sowie den aufzuwendenden Kosten konkretisiertes Wohnungsangebot vorliegt (vgl. BSG, Urteil vom 06.04.2011- B 4 AS 5/10 R -).
3. Bereits aus der Zielrichtung der Zusicherung lässt sich demnach gerade kein Anspruch eines Leistungsberechtigten auf abstrakte Feststellung der Angemessenheit von Unterkunftskosten ableiten (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 06.10.2014 – L 19 AS 1098/14 -).
1.3 – LSG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 13.02.2025 – L 5 AS 296/23 –
Leitsätze www.sozialgerichtsbarkeit.de
1. Die KdU-Richtlinie des Landkreis Börde auf der Grundlage der Mietwerterhebung 2012 in der Fassung des Korrekturberichts vom September 2019 in der Gestalt der im Mai und Juni 2023 erfolgten Gewichtung der Bruttokaltmiete bei den Bestandsmieten beruht für den streitigen Zeitraum von Juli bis Dezember 2014 auf einem schlüssigen Konzept. Dabei beschränkt sich die Amtsermittlungspflicht auf eine nachvollziehende Verfahrenskontrolle. Einer ins Einzelne gehenden Überprüfung bestimmter Detailfragen bedarf es nicht, wenn die Kläger weder gegen das ursprüngliche noch gegen das im Berufungsverfahren nachgebesserte Konzept fundierte Einwände erheben.
2. Die Fortschreibung des Konzepts für Zeiträume ab Januar 2014 nach Maßgabe des Preisindex für die Entwicklung der Mietkosten in Sachsen-Anhalt ist nicht zu beanstanden.
1.4 – LSG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 13.02.2025 – L 5 AS 299/23 –
Leitsätze www.sozialgerichtsbarkeit.de
1. Die KdU-Richtlinie des Landkreis Börde auf der Grundlage der Mietwerterhebung mit Stichtag 1. Oktober 2016 in der Fassung der Korrekturberichte aus August 2019 und September 2023 beruht für den streitigen Zeitraum von August bis Dezember 2018 auf einem schlüssigen Konzept. Dabei beschränkt sich die Amtsermittlungspflicht auf eine nachvollziehende Verfahrenskontrolle. Einer ins Einzelne gehenden Überprüfung bestimmter Detailfragen bedarf es nicht, wenn die Kläger weder gegen das ursprüngliche noch gegen das im Berufungsverfahren nachgebesserte Konzept fundierte Einwände erheben.
2. Die Fortschreibung des Konzepts für Zeiträume ab Januar 2018 nach Maßgabe des Preisindex für die Entwicklung der Mietkosten in Sachsen-Anhalt ist nicht zu beanstanden.
1.5 – Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 16. Juli 2025 – L 13 AS 152/23 –
Komplette Aufhebung von Leistungsbewilligungen nach dem SGB 2 bei Schwarzarbeit- Umkehr der Beweislast
1. Schwarzarbeit führt zur Rückzahlung von Bürgergeld Leistungen zu 100%, denn ein Leistungsempfänger muss sich nach der Rechtsprechung des BSG bei unklaren Einkommensverhältnissen so behandeln lassen, als habe NIEMALS Hilfebedürftigkeit nach dem SGB II bestanden.
2. Beweislastumkehr wegen fehlender Mitwirkung bei der Aufklärung des Sachverhalts gerechtfertigt. (Orientierungshilfe Detlef Brock)
Dazu Detlef Brock
1. Lässt sich aufgrund von Schwarzarbeit das genaue Einkommen der Klägerin rückblickend nicht sicher feststellen, muss sich nach Ansicht des 13.Senats des LSG NSB ein – Leistungsbezieher in einer solchen Konstellation so behandelt werden, als habe keine Hilfebedürftigkeit bestanden. Die Kläger hätten nicht hinreichend an der Aufklärung mitgewirkt und versucht, die Einkünfte zu verschleiern. Das Jobcenter dürfe sich daher auf eine Beweislastumkehr berufen.
Quelle: landessozialgericht.niedersachsen.de
Praxistipp von Detlef Brock
1. Für die hier vorliegende Konstellation ungeklärter Einkommensverhältnisse trotz Ausschöpfung sämtlicher verfügbarer Erkenntnisquellen und fehlender Grundlagen für eine realistische Schätzung hat das BSG bereits entschieden, dass der Leistungsbezieher so zu behandeln ist, als ob seine Hilfebedürftigkeit durchgehend nicht vorgelegen hätte (BSG, Urt. v. 15.06.2016 – B 4 AS 41/15 R -).
2. Eine Umkehr der Beweislast zu Ungunsten des Leistungsbeziehers ist gerechtfertigt, wenn eine besondere Beweisnähe zu einem Beteiligten besteht.
Das ist anzunehmen, wenn in dessen persönlicher Sphäre oder in dessen Verantwortungssphäre wurzelnde Vorgänge nicht aufklärbar sind und die zeitnahe Aufklärung des Sachverhalts durch unterlassene Angaben oder unzureichende Mitwirkung bei der Sachverhaltsaufklärung erschwert oder verhindert wird (vgl. BSG, Urteil vom 15. Juni 2016 – B 4 AS 41/15 R; Senatsurteile des LSG NSB vom 21. Dezember 2022 – L 13 AS 477/21 – und vom 24. Januar 2024 – L 13 AS 395/21 –).
2. Entscheidungen der Sozialgerichte zum SGB II / Bürgergeld
2.1 – SG Karlsruhe, Gerichtsbescheid vom 11.07.2025 – S 12 AS 1525/25 –
Leitsätze www.sozialgerichtsbarkeit.de
Die Aussetzung des sozialgerichtlichen Klageverfahrens bis zum Abschluss eines vor der Klageerhebung obligatorischen außergerichtlich Vorverfahrens ist nicht geboten.
Dazu Anmerkung zum Gerichtsbescheid von Detlef Brock
1. Keine Mietschuldenübernahme durch das Jobcenter – bei unangemessenen Kosten der Unterkunft, wenn die Darlehensgewährung nicht zur Sicherung der Unterkunft gerechtfertigt ist.
2. Zahlt ein 3-Personen Haushalt in der Mietenstufe III für seine monatlichen Mietkosten eine Bruttokaltmiete von 2.000,00 Euro und ergeben die herangezogenen Werte des Wohngeldgesetzes für einen 3-Personen Haushalt in der Mietenstufe III 726,66 Euro, wird die Bruttokaltmiete – um ein Vielfaches überschritten.
3. Eine konkrete Aussicht, wie die Antragsteller diese hohe Miete werden tragen können, bestehe nicht, zumal der Kläger für zwei minderjährige Kinder außerhalb der Bedarfsgemeinschaft dem Grunde nach unterhaltspflichtig ist. Es sei daher zu erwarten, dass erneut Mietschulden entstehen und eine dauerhafte Sicherung nicht erreicht werden könne.
Expertentipp
Es gibt – keine betragsmäßige Begrenzung des Darlehensanspruchs bei Mietschulden (Sächs. LSG Az. L 8 AS 235/15 B ER).
3. Entscheidungen der Landessozialgerichte zum Arbeitsförderungsrecht (SGB III)
3.1 – LSG Hamburg, Urteil vom 26.03.2025 – L 2 AL 16/24 –
Verfassungsmäßigkeit der Bemessung des Arbeitslosengeldes entsprechend dem tatsächlichen wöchentlichen Arbeitsvermögen des Arbeitslosen
Orientierungssatz Juris
1. Für die Bemessung des Arbeitslosengeldes ist nach § 151 Abs. 5 SGB 3 maßgeblich, wie viele Arbeitsstunden der Arbeitslose aufgrund seines Leistungsvermögens wöchentlich noch erbringen kann. Die Norm ist Ausdruck des Entgeltersatzprinzips, nach dem der Arbeitslose nicht mehr an Arbeitslosengeld erhalten soll, als mit einem bestimmten Leistungsvermögen an Arbeitseinkommen erzielt wird. Dabei kommt es auf die Stundenzahl der Tätigkeit an, die der Arbeitslose noch zu erbringen vermag. Die Regelung verstöß nicht gegen das Sozialstaatsprinzip des Art. 20 GG.
4. Entscheidungen der Landessozialgerichte zur Sozialhilfe (SGB XII)
4.1 – LSG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 15.04.2025 – L 8 SO 39/23 –
Leitsatz www.sozialgerichtsbarkeit.de
Lebt ein volljähriges behindertes Kind in häuslicher Gemeinschaft mit den Eltern, so ist das an den Elternteil ausgezahlte Kindergeld nur dann als Einkommen des Kindes anzurechnen, wenn es an das Kind weitergeleitet wird, ihm also tatsächlich zufließt (Bezug auf BSG, Urteil vom 8. Februar 2007 – B 9b SO 5/05 R – juris Rn 16).
Dazu Detlef Brock
1. Die Zurechnungsregel des § 82 Abs. 1 Satz 4 SGB XII gilt bereits ihrem Wortlaut nach nicht für volljährige Kinder (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 7. Dezember 2016 – L 2 SO 5358/15 –).
2. Dagegen lässt sich im Gegensatz zur Ansicht der rechtlichen Betreuerin – seiner Mutter – nicht erfolgreich einwenden, dass diese den jeweiligen monatlichen Betrag nach eigenem Vortrag dem Konto des Klägers entnommen und für eigene Zwecke verbraucht hat.
Denn das Sozialgericht hat bereits zutreffend darauf hingewiesen, dass die eigentumsrechtliche Zuordnung eines Bankkontos auch bei rechtlicher Betreuung unberührt bleibt und hier nicht etwa dem Vermögen der Betreuerin zuwächst. Deren irrige Annahme, sie könne nach Belieben über das Konto des Klägers verfügen, müsste gegebenenfalls vom zuständigen Amtsgericht – Betreuungsgericht – geprüft werden.
Als in diesem Sinne „bereites Mittel“ hat das Kindergeld als laufende Einnahme (vgl. dazu BSG, Urteil vom 30. Juli 2008 – B 14 AS 26/07 R –) den Bedarf des Klägers im jeweiligen Kalendermonat in Höhe des ausgezahlten Betrages gedeckt.
5. Entscheidungen zum Asylrecht und AsylbLG
5.1 – Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen – Beschluss vom 02.07.2025 – Az.: L 8 AY 22/25 B ER
Normen: § 1 Abs. 4 AsylbLG, § 193 SGG – Schlagworte: Kostenentscheidung, Leistungsausschluss nach § 1 Abs. 4 AsylbLG, Europarecht, Aufhebungsermessen, Landkreis Gifhorn, Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Leistungsausschluss nach § 1 Abs. 4 AsylbLG
Dazu Detlef Brock
1. Die Behörde hat die außergerichtlichen Kosten der Antragsteller für beide Rechtszüge zu erstatten, weil der einstellungsbescheid aus 02/2025 nicht rechtmäßig ist.
2. Es erscheint dem Gericht zweifelhaft, ob die Voraussetzungen für einen Leistungsausschluss nach § 1 Abs. 4 AsylbLG vorgelegen haben. So ist bei der Auslegung des in § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 AsylbLG erst auf Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Inneres und Heimat (4. Ausschuss; BT-Drs. 20/13413) in das Gesetz aufgenommenen Tatbestandsmerkmals, dass für die von dem Leistungsausschluss betroffene Person „nach der Feststellung des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge die Ausreise rechtlich und tatsächlich möglich“ sein muss, in Rechtsprechung und Literatur dessen Bedeutung noch weitgehend ungeklärt (vgl. etwa SG Hamburg, Beschluss vom 11.4.2025 – S 28 AY 188/25 ER –).
Quelle: RA Sven Adam
5.2 – Sozialgericht Gießen – Beschluss vom 17.07.2025 – Az.: S 30 AY 63/25 ER
Normen: § 1 Abs. 4 AsylbLG, § 44 SGB X – Schlagworte: Leistungsausschluss nach § 1 Abs. 4 AsylbLG, Überprüfungsverfahren, Europarecht, Land Hessen, Regierungspräsidium Gießen, Sozialgericht Gießen
Leistungsausschluss nach § 1 Abs. 4 AsylbLG verstößt mutmaßlich gegen Europarecht und Verfassungsrecht
Dazu Detlef Brock
1. 1 Abs. 4 Satz 1 AsylbLG verletzt insoweit nach Auffassung des Gerichts die europarechtlichen Regelungen über Mindeststandards der Versorgung während des Asylverfahrens aus Art. 17 bis 20 der Aufnahme-Richtlinie 2013/33/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 (EURL 2013/33), weil Art. 20 Abs. 5 Satz 1 RL 2013/33/EU ausdrücklich verlangt, dass Entscheidungen über die Einschränkung oder den Entzug der im Rahmen der Aufnahme gewährten Leistungen (Art. 2 Buchstabe g RL 2013/33/EU) unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsprinzips zu treffen sind.
Wichtiger Hinweis des Gerichts
Zwar ist der Widerspruch verfristet eingereicht worden und der Einstellungsbescheid bestandskräftig geworden. Grundsätzlich besteht für ein Begehren, das bereits mit bestandskräftigem Verwaltungsakt abgelehnt worden ist, kein Anordnungsanspruch. Durch die Bestandskraft steht fest (§ 77 SGG), dass der Antragsgegner dem Antragsteller die begehrten Leistungen nicht zu gewähren hat.
Etwas anderes kann nur der Fall sein, wenn hinsichtlich des bestandskräftigen Bescheides ein Überprüfungsverfahren nach § 44 SGB X anhängig ist und die Voraussetzungen für eine Rücknahme des Bescheides nach § 44 SGB X unzweifelhaft vorliegen, der Bescheid also offensichtlich rechtswidrig ist (Burkiczak in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 2. Aufl., § 86b SGG (Stand: 22.05.2025), Rn. 397).
Dies ist hier der Fall. Der Widerspruch ist als Überprüfungsantrag zu werten. Zudem ist der Einstellungsbescheid offensichtlich rechtswidrig, da dieser voraussichtlich sowohl verfassungs- als auch europarechtswidrig ist.
Quelle: RA Sven Adam
5.3 – Sozialgericht Speyer – Beschluss vom 14.07.2025 – Az.: S 16 AY 87/25 ER
Normen: § 1 Abs. 4 AsylbLG – Schlagworte: Leistungsausschluss nach § 1 Abs. 4 AsylbLG, Europarecht, Land Rheinland-Pfalz, Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion, Sozialgericht Speyer
Leistungsausschluss nach § 1 Abs. 4 AsylbLG
Dazu Detlef Brock
1. Der Anspruchsausschluss des § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 AsylbLG in der seit dem 31.10.2024 geltenden Fassung verstößt – gegen das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 20 Abs. 1 GG.
5.4 – Sozialgericht Stuttgart – Beschluss vom 15.07.2025 – Az.: S 9 AY 2572/25 ER
Normen: § 3 AsylbLG, § 3a AsylbLG, § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG – Schlagworte: Regelbedarfsstufe 1, Regelbedarfsstufe 2, Leistung nach §3 AsylbLG, Leistung nach §3a AsylbLG, Stadt Stuttgart, Sozialgericht Stuttgart
Gewährung im Eilverfahren von Grundleistungen gemäß §§ 3 und 3a AsylbLG in der Regelbedarfsstufe 1
Dazu Detlef Brock
1. Der Anspruch ergibt sich nach der Überzeugung des Gerichts bereits aus dem Beschluss des BVerfG vom 19. 10.2022 (Az. 1 BvL 3/21).
Quelle: RA Sven Adam
5.5 – SG Karlsruhe, Beschlüsse v. 21.07.2025 – S 12 AY 1183/25 ER – und – S 12 AY 1152/25 ER –
Dazu RA Sven Adam
Das Sozialgericht Karlsruhe bekräftigt in mehreren Beschlüssen die Auffassung, dass die Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge der obligatorischen Anschlussversicherung nach § 6 AsylbLG zu übernehmen sind.
SG Karlsruhe, S 12 AY 1183/25 ER
SG Karlsruhe, S 12 AY 1152/25 ER
6. Entscheidungen der Landessozialgerichte zum Kindergeldzuschlag
6.1 – Sächsisches LSG, Urteil v. 10.04.2025 – L 3 BK 6/21 –
Dazu Detlef Brock
1. Kindergeldzuschlag: Teilweise Rückforderung von Kinderzuschlag rechtens, denn die monatlichen Zahlungen der Mutter von 300,00 EUR dienten dem Zweck, die in § 6a Abs. 1 Nr. 2 BKGG a. F. geforderte Mindesteinkommensgrenze von 900,00 EUR zu erreichen. Weder wurde eine Rückzahlungspflicht als solche noch die Höhe, der Zeitpunkt oder die Modalitäten für eine etwaige Rückzahlung des Darlehens erwähnt.
Leitsätze www.sozialgerichtsbarkeit.de
1. Zur „Ernsthaftigkeit“ einer Darlehensabrede zwischen Familienangehörigen.
2. Privatdarlehen stellen kein Einkommen im Sinne des § 11 Abs. 1 SGB II dar.
3. § 24 Abs. 2 Nr. 5 SGB X ist nur einschlägig, wenn es sich um Einkommen des Betroffenen selbst handelt.
7. Verschiedenes zum Bürgergeld, Sozialhilfe, Wohngeld und anderen Gesetzesbüchern
7.1 – Jobcenter muss Brillenreparatur bezahlen – Beitrag von RA Helge Hildebrandt, Kiel
Die Kosten für Reparaturen u.a. von therapeutischen Geräten wie Brillen sind nicht vom Regelbedarf umfasst und deswegen vom Jobcenter zu übernehmen, auch wenn Leistungsberechtigte grundsätzlichen einen Anspruch auf Kostenübernahme gegenüber ihrer Krankenversicherung gehabt hätten.
Die im Bürgergeldbezug stehende Klägerin hatte sich eine Gleitsichtbrille gekauft. Kurz darauf wurden beide Gläser bei einem Sturz beschädigt. Den Antrag der Klägerin auf Übernahme der Kosten für zwei neue Brillengläser in Höhe von 780 € lehnte das Beklagte Jobcenter ab. Das Sozialgericht Köln wies ihre Klage ab.
Das Landessozialgericht NRW hat das Urteil auf die Berufung der Klägerin hin geändert und das Jobcenter zur Zahlung von 256 € verurteilt. Denn Bedarfe für die Reparatur von therapeutischen Geräten wie Brillen werden nach § 24 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3, Satz 2 SGB II gesondert erbracht (zum SGB XII siehe § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB XII). Der grundsätzlich vorrangige Anspruch gegen die gesetzliche Krankenversicherung war in diesem Fall ausgeschlossen, weil die Klägerin den Beschaffungsweg nicht eingehalten hatte. In diesem Fall ist das Jobcenter für eine entsprechende Leistungsgewährung verantwortlich.
weiter: sozialberatung-kiel.de
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Beispiel für Quellenangabe zum Rechtsprechungsticker:
Quelle: Tacheles Rechtsprechungsticker KW 14/2025 – Autor: Detlef Brock
Beispiel für Quellenangabe zum Newsletter: Quelle:
Thomé Newsletter 12/2025 vom 06.04.2025 – Autor Harald Thomé
Verfasser des Rechtsprechungstickers: Redakteur von Tacheles Detlef Brock
Quelle: Tacheles-Rechtsprechungsticker


