L 7 AY 1344/25 ER-B
S 15 AY 266/25 ER
SG Heilbronn
BESCHLUSS
in dem Verfahren
xxx,
– Antragsteller und Beschwerdeführer –
Proz.-Bev.:
Rechtsanwalt Sven Adam
Lange Geismarstraße 55, 37073 Göttingen
gegen
Land Baden-Württemberg
vertreten durch das Landratsamt Ludwigsburg Fachbereich Asyl
Hindenburgstr. 40, 71638 Ludwigsburg
– Antragsgegner und Beschwerdegegner –
Der 7. Senat des Landessozialgerichts Baden-Württemberg in Stuttgart
hat am 5. August 2025 durch
die Richterin am Landessozialgericht xxx als Vorsitzende,
die Richterin am Landessozialgericht xxx und
den Richter am Landessozialgericht xxx
ohne mündliche Verhandlung beschlossen:
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Heilbronn vom 22. April 2025 abgeändert und die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 4. Dezember 2024 (Aufhebung des Bescheids vom 31. Oktober 2024) angeordnet. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Der Antragsgegner trägt 60 v.H. der außergerichtlichen Kosten des Antragstellers in beiden Rechtszügen.
GRÜNDE
Die am 23. April 2025 gegen den Beschluss des Sozialgerichts Heilbronn (SG) vom 22. April 2025 eingelegte Beschwerde des Antragstellers ist statthaft und auch im Übrigen zulässig (§§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz [SGG]). Die Beschwerde ist auch insbesondere nicht nach § 172 Abs. 3 Nr. 1 i. V. m. § 144 Abs. 1 SGG ausgeschlossen, denn der Wert des Beschwerdegegenstands übersteigt den Betrag von 750 Euro (vgl. § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG). Der Antragsteller begehrt auch im Beschwerdeverfahren die (vorläufige) Gewährung von Leistungen nach §§ 3, 3a AsylbLG unter Ansatz der Regelbedarfsstufe 1 statt 2 (monatliche Differenz: 44,00 Euro), daneben die Anwendung der Besitzstandsklausel des § 28a Abs. 5 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) i.V.m. § 3a Abs. 4 AsylbLG und damit die Berücksichtigung der für 2024 geltenden Regelbedarfssätze (monatliche Differenz bezüglich der Regelbedarfsstufe 1: 19,00 Euro) sowie die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen den Bescheid vom 4. Dezember 2024, mit dem der Antragsgegner die Zahlung der Beiträge zur sog. obligatorischen Anschlussversicherung bei der gesetzlichen Krankenkasse und der sozialen Pflegeversicherung des Antragstellers in Höhe von monatlich 223,88 Euro eingestellt hat. Bereits bei Ansatz eines Zeitrahmens von nur drei Monaten wird damit ein Betrag von 860,64 Euro erreicht.
Die Beschwerde ist auch teilweise begründet.
Das SG hat den am 6. Februar 2025 eingegangenen Eilantrag, soweit er 1.) hinsichtlich der vorläufigen Gewährung höherer Leistungen auf den Erlass einer Regelungsanordnung gerichtet ist zu Recht und soweit er 2.) hinsichtlich der Einstellung der Beitragszahlung zur obligatorischen Anschlussversicherung auf die Anordnung der aufschiebenden Wirkung gerichtet ist, zu Unrecht als unbegründet abgelehnt.
1.) Hinsichtlich des Ansatzes der für 2024 festgesetzten Regelbedarfssätze – gleich welcher Regelbedarfsstufe – anstelle der für 2025 geltenden ist bereits kein Anordnungsanspruch und hinsichtlich der Berücksichtigung der Regelbedarfsstufe 1 statt 2 im Rahmen der dem Antragsteller gewährten Leistungen nach §§ 3, 3a AsylbLG jedenfalls kein Anordnungsgrund glaubhaft gemacht.
Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Für den Erlass einer einstweiligen Anordnung ist Voraussetzung, dass ein dem Antragsteller zustehendes Recht oder rechtlich geschütztes Interesse vorliegen muss (Anordnungsanspruch), das ohne Gewährung des vorläufigen Rechtsschutzes vereitelt oder wesentlich erschwert würde, so dass dem Antragsteller schwere, unzumutbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (Anordnungsgrund). Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund müssen glaubhaft gemacht sein (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung [ZPO]). Selbst wenn der Rechtsbehelf in der Hauptsache offensichtlich zulässig und begründet ist, vermindern sich zwar die Anforderungen an den Anordnungsgrund, aber auch in diesem Fall kann auf einen Anordnungsgrund nicht verzichtet werden (vgl. Beschluss des Senats vom 13. Juli 2021 – L 7 AY 1929/21 ER-B – juris Rdnr. 3 m.w.N.; Keller in Meyer-Ladewig u.a., SGG, 14. Aufl. 2023, § 86b Rdnr. 29).
Wie das SG in dem Beschluss vom 22. April 2025 bereits zutreffend ausgeführt hat, enthält das AsylbLG keine der Regelung des § 28a Abs. 5 SGB XII entsprechende Besitzstandsklausel für den Fall, dass ansonsten – wie vorliegend – die Fortschreibung der Regelbedarfe zu einer Verringerung der Regelbedarfshöhe führt. Insbesondere ist § 28a Abs. 5 SGB XII nicht über § 3a Abs. 4 AsylbLG anwendbar, wie sich bereits aus dem Wortlaut ergibt. Nach § 3a Abs. 4 Satz 1 AsylbLG werden die „Geldbeträge nach den Absätzen 1 und 2 […] jeweils zum 1. Januar eines Jahres entsprechend der Veränderungsrate nach § 28a des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch in Verbindung mit der Regelbedarfsstufen-Fortschreibungsverordnung nach § 40 Satz 1 Nummer 1 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch fortgeschrieben.“ § 3a Abs. 4 Satz 1 AsylbLG bezieht sich damit nicht auf § 28a SGB XII (in Verbindung mit der Regelbedarfsstufen-Fortschreibungsverordnung (RBSFV) nach § 40 Satz 1 Nr. 1 SGB XII) in Gänze, sondern einzig auf die nach den Maßgaben des § 28a SGB XII ermittelten Veränderungsraten, welche eine Grundlage für die Basisfortschreibung und die ergänzende Fortschreibung bilden und in den Absätzen 2 bis 4 des § 28a SGB XII geregelt werden (s. auch Siefert, jurisPR-SozR 22/2024 Anm. 1). § 28a Abs. 5 SGB XII gehört zwar zu den Regelungen über die Fortschreibung der Regelbedarfe (vgl. § 28a Abs. 1 SGB XII), beinhaltet aber gerade keine die Veränderungsraten betreffende Regelung, sondern eine Ausnahme von der Anwendung des Ergebnisses der Fortschreibung: „Ergeben sich aus der Fortschreibung nach den Absätzen 2 bis 4 für die Regelbedarfsstufen Eurobeträge, die niedriger als die im Vorjahr geltenden Eurobeträge sind, gelten die für das Vorjahr bestimmten Eurobeträge solange weiter, bis sich aus einer nachfolgenden Fortschreibung höhere Eurobeträge ergeben.“ Da § 3a AsylbLG einzig die Heranziehung der vorgenannten Veränderungsraten bestimmt, ergibt sich auch aus der Einbeziehung der RBSFV 2025 kein anderes Ergebnis, welche in ihrem § 1 Abs. 1 die maßgeblichen Veränderungsraten konkret benennt. Soweit daneben § 1 Abs. 2 RBSFV die Anwendung des § 28 Abs. 5 SGB XII aufgrund der nach der Fortschreibung niedrigeren Eurobeträge der Regelbedarfsstufen beinhaltet, ist dies schlicht von § 3a Abs. 4 Satz 1 AsylbLG nicht erfasst.
Anderes ergibt sich – entgegen der in dem Beschluss des Sozialgerichts Marburg vom 14. Februar 2025 (S 16 AY 11/24 ER) vertretenen Auffassung, auf welche sich der Antragsteller beruft – auch nicht aus dem Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 22. September 2014 (BT-Drs. 18/2592, S. 25), welcher der Einführung des § 3 Abs. 4 AsylbLG in der Fassung vom 23. Dezember 2014 (a. F.) zugrunde lag. In dem Gesetzentwurf heißt es u.a. „Die im Gesetz für das Jahr 2014 festgeschriebenen Beträge zum Bargeldbedarf und den Geldbeträgen nach Absatz 2 ergeben sich durch Fortschreibung der in der EVS 2008 ermittelten Beträge. Dabei wurden die bei den Regelbedarfen nach dem SGB XII vorgenommenen Fortschreibungen exakt nachvollzogen. Dies betrifft sowohl die Veränderungsraten als auch die einzelnen Berechnungsregeln.“ In dem vorgenannten Beschluss wird hierzu ausgeführt, dass nach dem Willen des Gesetzgebers mithin die bei den Regelbedarfen nach dem SGB XII vorgenommenen Fortschreibungen im Anwendungsbereich des AsylbLG „exakt nachvollzogen“ werden sollten und die Fortschreibung unzweifelhaft die Bestandsschutzregel des Absatz 5 enthalte, bei welcher es sich ersichtlich um eine Berechnungsregel handele. § 3a Absatz 4 AsylbLG verweise nach dem Willen des Gesetzgebers auf den gesamten § 28a SGB XII und damit auch auf § 28a Abs. 5 SGB XII und nicht lediglich isoliert auf einzelne Absätze des § 28a SGB XII, da der Verweis auf die „einzelnen Berechnungsregeln“ in der Gesetzesbegründung anderenfalls völlig überflüssig gewesen wäre.
Hierzu ist zunächst festzuhalten, dass auch § 3 Abs. 4 Satz 1 AsylbLG a.F. lediglich bestimmt hat, dass die Fortschreibung der Regelbedarfe entsprechend der Veränderungsrate nach § 28a SGB XII in Verbindung mit der RBSFV nach § 40 Satz 1 Nr. 1 SGB XII erfolgt – und gerade nicht schlicht entsprechend der Fortschreibung als solcher. Anderes folgt auch nicht aus der Gesetzesbegründung des § 3 Abs. 4 AsylbLG a.F. Der in Bezug genommene Teil der Gesetzesbegründung enthält insoweit lediglich die Beschreibung der (abgeschlossenen) Ermittlung der für 2014 festgeschriebenen Beträge und für sich gerade keine Vorgabe für die zukünftige Bedarfsermittlung. Hierzu heißt es vielmehr im Weiteren: Da der Gesetzgeber verpflichtet ist, die Regelbedarfsberechnungen stets auf die aktuellsten verfügbaren Erkenntnisse zu stützen, werden die Geldleistungen nach dem AsylbLG bei Vorliegen neuer EVS-Ergebnisse künftig jeweils auf Basis der Neuberechnung der Regelbedarfe nach § 28 SGB XII vorgenommen und hierbei die nach § 28 Absatz 3 SGB XII vorzunehmenden Sonderauswertungen genutzt (Absatz 5)“.
Weiter handelt es sich bei § 28a Abs. 5 SGB XII nach hiesiger Auffassung auch nicht um eine Berechnungsregel, sondern eine Bestimmung, welche eine Abweichung von dem nach den Berechnungsregeln gefundenen Ergebnis erlaubt bzw. vorgibt. Insbesondere aber konnte der 2014 verabschiedete und am 1. März 2015 in Kraft getretene § 3 Abs. 4 Satz 1 AsylbLG a.F. die Besitzschutzklausel des § 28a Abs. 5 SGB XII bereits deswegen noch nicht einbeziehen und konnte diese auch nicht in der entsprechenden Gesetzesbegründung (mit-)gemeint gewesen sein, weil § 28a Abs. 5 SGB XII erst mit dem Bürgergeld-Gesetz vom 16. Dezember 2022 eingeführt worden und am 1. Januar 2023 in Kraft getreten ist.
Eine § 28a Abs. 5 SGB XII jedenfalls für die Regelbedarfsstufen 4 bis 6 entsprechende Besitzstandsregelung fand sich zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des § 3 Abs. 4 Satz 1 AsylbLG a.F. vielmehr außerhalb des § 28a SGB XII in § 134 SGB XII in der Fassung vom 24. März 2011, auf welche § 3 Abs. 4 Satz 1 AsylbLG a.F. (und entsprechend seine Gesetzesbegründung) gerade keinen Bezug genommen hat, was die Beschränkung der Verweisung des § 3 Abs. 4 Satz 1 AsylbLG a.F. und auch des heutigen § 3a AsylbLG einzig auf die Regelung der Veränderungsraten selbst in § 28a SGB XII nochmals klarstellt.
Soweit der Antragsteller schließlich hinsichtlich der Berechnung der Veränderungsrate der Regelbedarfe im AsylbLG die Besorgnis äußert, dass Güter in die Berechnung eingeflossen sein könnten, die in dem Grundbedarf gar nicht enthalten seien, lässt sich auf diese Vermutung kein Anspruch auf die vorläufige Bewilligung von über die gesetzlich bestimmte Höhe hinausgehenden Leistungen im einstweiligen Rechtsschutz stützen.
Hinsichtlich der begehrten vorläufigen Gewährung von Leistungen nach §§ 3, 3a AsylbLG unter Berücksichtigung der Regelbedarfsstufe 1 – damit in einer monatlichen Höhe von 441 Euro insgesamt für den notwendigen und den notwendigen persönlichen Bedarf anstelle von 397 Euro – für den in einer Gemeinschaftsunterkunft untergebrachten Antragsteller fehlt es jedenfalls an der Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes.
Allein der Umstand, dass Grundleistungen der sozialen Sicherung betroffen sind, genügt nicht, um generell einen unabwendbaren Nachteil annehmen zu können (vgl. Bundesverfassungsgericht [BVerfG], Beschluss vom 19. September 2017 – 1 BvR 171917 – juris Rdnr. 8). Das SG – auf dessen Ausführungen zur Frage des diesbezüglichen Anordnungsanspruchs der Senat Bezug nimmt (§ 142 Abs. 2 Satz 3 SGG) – hat hierzu zutreffend insbesondere ausgeführt, der Antragsteller müsse substantiiert und einzelfallbezogen einen konkreten Bedarf darlegen, der nicht gedeckt sein solle und dessen Unterdeckung eine gerichtliche Entscheidung im Eilverfahren erforderlich mache bzw. welche durch eine spätere Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr korrigierbaren und irreparablen Schäden drohten. Der Antragsteller habe nicht ansatzweise dargelegt, welche konkreten Bedarfe nicht gedeckt sein sollten und dass deren Unterdeckung eine gerichtliche Entscheidung im Wege der einstweiligen Anordnung erforderlich machte. Eine Bedarfsunterdeckung von 10 % begründe nach Auffassung des Gerichts keine Notlage, welche eine Entscheidung im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes erforderte. Der Antragsteller habe auch keine konkreten Umstände vorgetragen, aus denen eine Notlage erkennbar sei, die sich aufgrund eines Fehlbetrages i. H. v. 44 Euro monatlich ergeben würde. Dem schließt sich der Senat an, denn auch im Beschwerdeverfahren beschränkt sich der Vortrag des Antragstellers insoweit – im Wesentlichen wortgleich, wie in anderen von dem Prozessbevollmächtigten des Antragstellers geführten Verfahren – auf allgemein gehaltene und nicht näher konkretisierte, geschweige denn substantiierte Angaben wie das Nichtvorhandensein ausreichender Geldmittel für eine gesunde Ernährung oder die fehlende Möglichkeit der Ansparung für ein Handy oder ein Fahrrad.
2.) Hinsichtlich der mit dem Bescheid vom 4. Dezember 2024 verfügten Einstellung der Beitragszahlung zur obligatorischen Anschlussversicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung gemäß § 188 Abs. 4 Sozialgesetzbuch V (SGB V) und in der sozialen Pflegeversicherung gemäß § 20 Abs. 3 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) unter Aufhebung des diese Beträge gewährenden Bescheides vom 31. Oktober 2024 ist der Antrag des Antragstellers auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs vom 19. Dezember 2024 gemäß § 86b Abs. 1 Nr. 1 SGG statthaft, da der Widerspruch § 86a Abs. 2 Nr. 4 SGG i.V.m. § 11 Abs. 4 Nr. 1 AsylbLG keine aufschiebende Wirkung hat. Der Antrag ist gemäß § 86b Abs. 3 SGG schon vor Klageerhebung und auch im Übrigen zulässig. Insbesondere fehlt ihm nicht deswegen das Rechtsschutzbedürfnis, weil die AOK als Kranken- und Pflegeversicherungsträger des Antragstellers mit Schreiben vom 28. März 2025 auf ihr regelhaftes Verfahren bei vorliegender Hilfebedürftigkeit verwiesen und mitgeteilt hat, dass aktuell eine Einziehung der Beitragsforderung gegenüber dem Antragsteller nicht stattfinde. Zwar liegt ein Rechtsschutzbedürfnis für einen Antrag auf Anordnung der in der Regel nicht vor, wenn die Behörde verbindlich erklärt hat, dass sie nicht vollziehen werde (Keller in Meyer-Ladewig u.a., SGG, 14. Aufl. 2023, § 86b Rdnr. 7a). Jedoch handelt es sich bei der AOK vorliegend bereits nicht um die Behörde, welche den Verwaltungsakt erlassen hat, dessen Vollziehung einstweilen verhindert werden soll. Es liegt auch im Übrigen keine vergleichbare Sach- und Interessenlage vor, da die AOK gerade nicht verbindlich erklärt hat, von einer Beitragsforderung bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache abzusehen, sondern – wie dargestellt – lediglich, dass aktuell eine Einziehung der Beitragsforderung nicht stattfinde. Daneben läuft auch bei einem vorübergehenden Absehen von der Weiterverfolgung des Beitragsanspruchs (§ 6 Abs. 1 Beitragserhebungsgrundsätze) ein weiterer Beitragsrückstand auf.
Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ist auch begründet. Gemäß § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch und Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen.
Da § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG selbst keinen Maßstab vorgibt, wann die aufschiebende Wirkung anzuordnen ist, ist diese Lücke durch eine entsprechende Anwendung des § 86a Abs. 2 Nr. 5 SGG zu schließen (ständige Senatsrechtsprechung; vgl. z.B. Beschluss vom 16. April 2008 – L 7 AS 1398/08 ER-B – juris Rdnr. 4 und Beschluss des Senats vom 13. Februar 2020 – L 7 AY 4273/19 ER-B –, juris Rdnr. 10). Erforderlich ist mithin eine Interessenabwägung, wobei das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes und das durch Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes verfassungsrechtlich geschützte Aussetzungsinteresse gegeneinander abzuwägen sind (ständige Senatsrechtsprechung; vgl. etwa Beschluss vom 12. April 2006 – L 7 AS 1196/06 ER-B – juris Rdnr. 4). Im Rahmen der gebotenen Interessenabwägung in die Betrachtung einzubeziehen sind die Erfolgsaussichten des Hauptsacherechtsbehelfs; dabei kommt dem voraussichtlichen Ausgang des Hauptsacheverfahrens bei der Abwägung jedenfalls insoweit entscheidende Bedeutung zu, als der Rechtsbehelf offensichtlich begründet oder aussichtslos erscheint (so schon BSGE 4, 151, 155; vgl. ferner BVerfG, Beschluss vom 30. Oktober 2009 – 1 BvR 2395/09 – juris Rdnr. 7). Bei Anordnung der aufschiebenden Wirkung in den Fällen des § 86a Abs. 2 Nrn. 1 bis 4 SGG, in denen – wie hier – der Rechtsbehelf von Gesetzes wegen keine aufschiebende Wirkung hat, ist die Entscheidung des Gesetzgebers, den abstrakten öffentlichen Interessen den Vorrang einzuräumen, zu beachten; die Anordnung muss deshalb eine mit gewichtigen Argumenten zu begründende Ausnahme bleiben (Keller, a.a.O., § 86b Rdnr. 12c; Wahrendorf in Roos/Wahrendorf/Müller, BeckOGK-SGG, Stand 1. Mai 2025, § 86b Rdnr. 121). Die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs zugunsten des Antragstellers sind mithin regelmäßig nur zu berücksichtigen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts bestehen, der Erfolg in der Hauptsache also überwiegend wahrscheinlich ist (arg. § 86a Abs. 2 Satz 2 SGG; vgl. Senatsbeschluss vom 16. April 2008 a.a.O.).
Bei Abwägung der Interessen beider Beteiligten überwiegt vorliegend das Suspensivinteresse des Antragstellers das öffentliche Interesse am Vollzug des Bescheids vom 4. Dezember 2024. Denn der Bescheid vom 4. Dezember 2024 ist voraussichtlich rechtswidrig ergangen.
Mit dem Bescheid vom 4. Dezember 2024 hat der Antragsgegner die zuvor mit Bescheid vom 31. Oktober 2024 ausgesprochene Bewilligung der Beitragszahlung auf die obligatorische Anschlussversicherung des Antragstellers, in welcher dieser nach dem Ende einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung seit dem 1. Oktober 2024 versichert war, für die Zukunft ab dem 1. Januar 2025 gemäß § 9 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 AsylbLG i.V.m. § 45 Abs. 1 und 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) zurückgenommen und gleichzeitig erklärt, auf die Rückforderung etwaiger in diesem Zusammenhang bereits ausbezahlter Leistungen zu verzichten.
Gemäß § 45 Abs. 1 SGB X darf ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), soweit er rechtswidrig ist, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist (§ 45 Abs. 2 Satz 1 SGB X). Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann (§ 45 Abs. 2 Satz 1 SGB X). Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, soweit 1. er den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat, 2. der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat, oder 3. er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat.
Zunächst ist der Bescheid vom 31. Oktober 2024 ohne Weiteres ein begünstigender Verwaltungsakt, da der Antragsgegner mit ihm dem Antragsteller die Übernahme der obligatorischen Anschlussversicherung ab Oktober 2024 i.H.v. 223,88 Euro zugesprochen hat. Dies ist jedoch nach der im Eilverfahren vorzunehmenden summarischen Prüfung (Burkiczak in Schlegel/Voelzke, ju- risPK-SGG, 2. Aufl., § 86b SGG, Stand 22. Mai 2025, Rdnr. 61) nicht rechtswidrig erfolgt. Als Anspruchsgrundlage für die Übernahme der Beiträge zur obligatorischen Anschlussversicherung kommt insoweit einzig § 6 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG in Betracht, nach dem „sonstige Leistungen“ insbesondere gewährt werden können, wenn sie im Einzelfall zur Sicherung des Lebensunterhalts oder der Gesundheit unerlässlich, zur Deckung besonderer Bedürfnisse von Kindern geboten oder zur Erfüllung einer verwaltungsrechtlichen Mitwirkungspflicht erforderlich sind. Nach § 6 Abs. 1 Satz 2 AsylbLG sind die Leistungen als Sachleistungen, bei Vorliegen besonderer Umstände als Geldleistung zu gewähren. Bei den Beiträgen zur obligatorischen Anschlussversicherung handelt es sich zunächst nicht um Leistungen für die in § 6 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG genannten Tatbestandsalternativen. Zur Sicherung der Gesundheit sind die Beiträge zur obligatorischen Anschlussversicherung im Falle des Antragstellers bereits deswegen nicht unerlässlich, weil ihm bereits nach § 4 AsylbLG ein Anspruch auf Gesundheitsversorgung zusteht und keine Anhaltspunkte vorliegen, dass diese Gesundheitsversorgung für den Antragsteller unzureichend, jedoch durch einen uneingeschränkten Krankenversicherungsschutz gewährleistet wäre.
Die Übernahme der Beiträge zur obligatorischen Anschlussversicherung ist vorliegend jedoch zur Sicherung des Lebensunterhalts im Sinne des § 6 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG unerlässlich. Die Ausnahmeregelung knüpft systematisch an die Bedarfspauschalierung der §§ 3, 3a AsylbLG an und ergänzt die Regelungen als grundrechtliche Notwendigkeit. Dort, wo nicht durch die Pauschalleistungen gedeckte unabweisbare Bedarfe bestehen, deren Deckung es zur Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums bedarf, fungiert die Vorschrift als Härtefallregelung. Eine Leistung ist also dort unerlässlich, wo das menschenwürdige Existenzminimum unterschritten wird oder zu unterschritten werden droht, was sich v.a. nach der Qualität des betroffenen Rechts, dem Ausmaß und der Intensität der tatsächlichen Beeinträchtigung im Falle der Leistungsablehnung, der voraussichtlichen Dauer des (weiteren) Aufenthalts in Deutschland, gleich geeigneteren und kostengünstigeren Leistungen sowie der Möglichkeit einer anderweitigen Bedarfsdeckung beurteilt (Spitzlei in BeckOK AuslR, 44. Ed. 1. April 2025, AsylbLG § 6 Rdnr. 4). Der Lebenssachverhalt muss stets eine gewisse Atypik aufweisen, die im Einzelfall eine besondere Härte begründet, die der Gesetzgeber bei den pauschalierten Leistungen nach den §§ 3, 3a AsylbLG nicht berücksichtigt hat bzw. aufgrund der Atypik gar nicht abstrakt-generell einpreisen konnte (Spitzlei a.a.O., Rdnr. 5). Insoweit sind etwa Leistungen zur Anmietung bzw. zum Bezug einer Unterkunft bei einem behördlich veranlassten Umzug oder Kosten eines – im Asylbewerberleistungsrecht nicht gerichtskostenfreien – Vorverfahrens mit jedenfalls hinreichender Erfolgsaussicht als unerlässlich zur Sicherung des Lebensunterhalts angesehen worden (vgl. Frerichs in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 4. Aufl., § 6 AsylbLG, Stand 23. Dezember 2024, Rdnr. 48 f.).
Bei den Beiträgen zur obligatorischen Anschlussversicherung handelt es sich um nicht von den Leistungen nach den §§ 3, 3a AsylbLG erfasste Bedarfe. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylbLG erhalten Leistungsberechtigte nach § 1 AsylbLG Leistungen zur Deckung des Bedarfs an Ernährung, Unterkunft, Heizung, Kleidung, Gesundheitspflege und Gebrauchs- und Verbrauchsgütern des Haushalts (notwendiger Bedarf; Satz 1) sowie zusätzlich Leistungen zur Deckung persönlicher Bedürfnisse des täglichen Lebens gewährt (notwendiger persönlicher Bedarf; Satz 2). Bei der Beitragszahlung im Rahmen der obligatorischen Anschlussversicherung handelt sich dabei insbesondere nicht um eine von den Bedarfen zur Gesundheitspflege im Sinne vom § 3 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG erfasste Bedarfslage, letztere betrifft konkret erforderliche Leistungen bzw. Güter wie Verbandsmaterial, Pflaster, Wundcreme (vgl. Frerichs a.a.O., § 3 AsylbLG, Stand 8. April 2025, Rdnr. 100). Der Beitragsverpflichtung war und ist der Antragsteller auch unausweichlich ausgesetzt, insbesondere konnte er nicht innerhalb von zwei Wochen nach Ende der Versicherungspflicht seinen Austritt aus der obligatorischen Anschlussversicherung erklären, da er – anders als beim Bezug von Analogleistungen nach § 2 AsylbLG (vgl. BSG, Urteil vom 10. März 2022 – B 1 KR 30/20 R –, BSGE 134, 6-13, SozR 4-2500 § 188 Nr. 4, SozR 4-2500 § 5 Nr. 31, SozR 4-3520 § 3 Nr. 6, juris Rdnr. 23) – über keinen anderweitigen Anspruch auf entsprechende Absicherung im Krankheitsfall verfügte (vgl. § 188 Abs. 4 Satz 1 und 2 SGB V). Insbesondere genügt hierfür nicht der abgesenkte Versorgungsanspruch nach § 4 AsylbLG (vgl. BSG, Urteil vom 10. März 2022, a.a.O.).
Die Beitragsforderungen von 223,88 Euro monatlich bedrohen auch die Sicherung des Existenzminimums des Antragstellers, nachdem ihm derzeit Leistungen unter Berücksichtigung eines Regelbedarfs von 397 Euro gewährt worden sind. Diese Bedrohung wird auch nicht dadurch beseitigt, dass die AOK mit Schreiben vom 28. März 2025 auf ihr regelhaftes Verfahren bei vorliegender Hilfebedürftigkeit verwiesen und mitgeteilt hat, dass „aktuell“ eine Einziehung der Beitragsforderung gegenüber dem Antragsteller nicht stattfinde. Anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass der Antragsteller im Weiteren – nach Erlass des Bescheides vom 4. Dezember 2024 – eine geringfügige, mithin nicht eine gesetzliche Pflichtversicherung in der Kranken- und Pflegeversicherung bedingende Beschäftigung aufgenommen hat.
Die im Rahmen des § 6 AsylbLG zu fordernden Atypik der Bedarfslage ergibt sich dabei daraus, dass der Antragsteller als Leistungsberechtigter nach dem AsylbLG zwar der obligatorischen Anschlussversicherung unterfallen kann, das AsylbLG jedoch – anders als die ebenfalls der Sicherung des grundrechtlich geschützten Existenzminimums dienenden Sozialgesetzbücher II und XII (SGB II und XII) – keine Regelung zur Berücksichtigung unvermeidbarer Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Kranken- und zur Pflegeversicherung als gesonderte Bedarfe enthält (§ 26 SGB II bzw. §§ 32, 32a SGB XII; vgl. SG Freiburg (Breisgau), Urteil vom 17. März 2025 – S 7 AY 3255/24 –, juris Rdnr. 36).
Zwar steht dem Antragsgegner bei Leistungen nach § 6 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG sowohl ein Entschließungs- als auch ein Auswahlermessen (Frerichs, a.a.O., § 6 AsylbLG, Stand 23. Dezember 2024, Rdnr. 40) zu. Der Antragsgegner kann sich hier jedoch nicht erfolgreich darauf berufen (und hat dies auch nicht getan), dass er sein Ermessen zu Gunsten des Antragstellers verkannt oder zu Unrecht begünstigend ausgeübt hätte. Selbst wenn man dies anders sehen wollte, wäre insoweit jedenfalls von einem schutzwürdigen Vertrauen des Antragstellers im Sinne des § 45 Abs. 2 Satz 1 SGB X auszugehen.
Aufgrund des teilweisen Obsiegens in der Sache ist dem Antragsteller für das vorliegende Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe gem. § 73a SGG i.V.m. §§ 114 ff. ZPO zu gewähren und ein Rechtsanwalt beizuordnen, da er nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht aufbringen kann und dessen Rechtsverfolgung jedenfalls hinsichtlich der Berücksichtigung der Regelbedarfsstufe 1 und der Fortzahlung der Beiträge zur obligatorischen Anschlussversicherung die erforderliche hinreichende Aussicht auf Erfolg geboten hat sowie nicht mutwillig erschienen ist (vgl. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Diese Entscheidung ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).


