Racial Profiling: Grundsatzentscheidung des OVG Rheinland-Pfalz aus dem Jahr 2012 (Az.: 7 A 10532/12.OVG)

Nach einem Aufsehen erregenden Urteil des Verwaltungsgerichts (VG) Koblenz, das der Bundespolizei erlaubte, Bahnreisende einzig aufgrund ihrer Hautfarbe verdachtsunabhängig zu kontrollieren, ist nach einer mündlichen Verhandlung vor dem Oberverwaltungsgericht (OVG) Rheinland-Pfalz am 29.10.2012 die Entscheidung des VG Koblenz nun für wirkungslos erklärt worden. Nach umfangreicher Beweisaufnahme erkannte die Bundespolizei für die beklagte Bundesrepublik Deutschland die Rechtswidrigkeit der Befragung und Kontrolle einzig bzw. ausschlaggebend wegen der Hautfarbe des Klägers als rechtswidrig und gegen das Diskriminierungsverbot aus Art. 3 Abs. 3 GG verstoßend an. Die Bundesrepublik entschuldigte sich daraufhin offiziell bei dem Kläger.

Dem Anerkenntnis der Bundespolizei war ein richterlicher Hinweis der Vorsitzenden Richterin Dagmar Wünsch vorausgegangen, nach der nach Auffassung der Kammer kein Zweifel daran bestehe, dass der Kläger einzig oder ausschlaggebend wegen seiner dunklen Hautfarbe kontrolliert worden war. Die sei mit dem Diskriminierungsverbot absolut nicht vereinbar.

Das erstinstanzliche Urteil des VG Koblenz vom 28.02.2012 erregte bundesweit großes Aufsehen, denn es legitimierte entgegen einer Entscheidung des Menschenrechtsausschusses der Vereinten Nationen aus dem Jahr 2009 (Az.: CCPR/C/96/D/1493/2006) das so genannte „ethnic profiling“. Auch die Bundesregierung hatte noch im Juli 2011 erklärt, bei rechtmäßigen verdachtsunabhängigen Kontrollen dürfe es keine unterschiedliche Behandlung von Personen nach Herkunft, Hautfarbe oder Religion geben. Das Urteil des Verwaltungsgerichts stieß bei Menschenrechtsorganisationen auf Empörung und scharfe Kritik. Dazu gehört das Deutsche Institut für Menschenrechte, das von einem Verstoß „gegen das grund- und menschenrechtliche Diskriminierungsverbot“ spricht, die Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS) befürchtete „schwere Folgen für das Zusammenleben in Deutschland und unser Bemühen um Verhinderung von Diskriminierung“.

Hier finden Sie die aktuelle Pressemitteilung unserer Kanzlei vom 29.10.2012 zu dem erfolgreichen Ausgang des Verfahrens.

Die Initiative Schwarze Menschen in Deutschland (ISD) und das Büro zur Umsetzung von Gleichbehandlung e.V. (BUG) unterstützten den Kläger bei der juristischen Durchsetzung seiner Rechte.


Pressemitteilungen als pdf

Pressemitteilung vom zur Zulassung der Berufung 15.05.2012
Dateiformat: pdf – Groesse: 21.2K – Hochgeladen: 15.05.12


Beschluss zur Zulassung der Berufung vom 08.05.2012
Dateiformat: pdf – Groesse: 126.9K – Hochgeladen: 14.05.12


Pressemitteilung 29.10.2012 zu dem Ausgang des Verfahrens vor dem OVG
Dateiformat: pdf – Groesse: 45.5K – Hochgeladen: 30.10.12


Pressemitteilung der ISD und des BUG vom 29.10.2012 zu dem Ausgang des Verfahrens
Dateiformat: pdf – Groesse: 46.7K – Hochgeladen: 30.10.12


Aussagen des 25-jährigen Klägers zum Vorgehen der Bundespolizei im Originalton

(alle mp3-Dateien in Mono, Bitrate: 128 Bit/s)


Interview Teil 1: „Wie haben Sie persönlich die Situation im Regionalzug erlebt?“, 39 sec.
Dateiformat: mp3 – Groesse: 609.5K – Hochgeladen: 15.05.12

Antwort: „Die Tatsache, dass jemand aus einer riesigen Masse von Menschen herausgepickt wird, wenn man sieht, dass es schon ganz klar ist, dass diese ganze Maßnahme auf seiner Hautfarbe basiert, da kocht es in mir über. Ich sehe mich, wie ich da in dem riesigen Zug stehe oder sitze und die Polizisten wie mit so ‘nem Fadenkreuz vor den Augen auf mich zulaufen und fragen oder diese Anweisung geben, dass sie meinen Ausweis sehen wollen. Diese Maßnahme hat mir gar nicht gefallen, die tut weh und ich wünsche das echt niemandem. Das war für mich der Grund zu sagen, das kann nicht mehr so weitergehen“
 


Interview Teil 2, „Warum genau haben Sie gegen das Vorgehen der Bundespolizei geklagt?“, 33 sec.
Dateiformat: mp3 – Groesse: 526.7K – Hochgeladen: 15.05.12

Antwort: „Ich bin mit dem Urteil natürlich nicht einverstanden, da es sehr fatale Auswirkungen vor allem für den schwarzen Mann oder die schwarze Frau hat. Das heißt ja jetzt laut dem Urteil, dass man verdachtsunabhängig kontrollieren darf und es darf gesagt werden, dass die Kontrolle aufgrund der Hautfarbe stattfinden darf. Da habe ich mir gesagt, da muss, wenn schon nicht von mir, dann von weiter oben ganz klar das Stoppschild gezeigt werden. Lange kann man so etwas nicht ertragen“.


Interview Teil 3, „Was wünschen Sie sich, wenn das Urteil des Verwaltungsgericht Koblenz gekippt wird?“, 34 sec.
Dateiformat: mp3 – Groesse: 536.5K – Hochgeladen: 15.05.12

Antwort: „Für die Zeit danach habe ich mir eine schöne Zeit ausgemalt: ich laufe durch den Bahnhof, sehe einen Polizisten oder eine Polizistin und zucke nicht zusammen, sondern erlebe das Ganze wieder in dieser Normalität wie man sie als Kind kannte, dass man nicht dauernd daran erinnert wird, dass man schwarz oder eine mögliche Gefahr ist. Und ich hoffe auch, dass sich dann die Einstellung ändert von mir gegenüber den PolizistInnen“.