1.1 – Landessozialgericht Berlin-Brandenburg Beschluss vom 25.01.2011, – L 14 AS 2337/10 B ER
Eine entsprechende Zusicherung zur Übernahme von Wohnbeschaffungskosten und Umzugskosten setzt voraus, dass die konkreten Gegebenheiten der angestrebten neuen Wohnung bekannt sind, da nur so das Jobcenter in die Lage versetzt wird, neben der Erforderlichkeit des Auszugs die Angemessenheit der neuen Wohnung zu prüfen.
Die Angemessenheit der neuen Wohnung ist stets mit zu berücksichtigen, da bei Einzug in eine unangemessene Wohnung grundsätzlich durch die dann erforderliche Kostensenkung ein neuer Umzug drohen würde. Ein Anordungsanspruch käme daher erst in Betracht, wenn dem Grundsicherungsträger ein nach Lage der Wohnung sowie den aufzuwendenden Kosten konkretisiertes Wohnungsangebot vorliegt (vgl. LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 30.07.2008 – L 7 AS 2809/08 ER-B – unter Verweis auf LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 7.09.2007 – L 9 AS 489/07 ER -). Ein derzeitiges – konkretes – Wohnungsangebot hat die HB nicht dargetan.
++ Anmerkung: Vgl. dazu Landessozialgericht Berlin-Brandenburg Beschluss vom 24.03.2010, – L 10 AS 216/10 B ER-, veröffentlicht im Rechtsprechungsticker von Tacheles 19/2010.
Keine isolierte Feststellung der Erforderlichkeit des Auszugs im Rahmen eines (einstweiligen) Zusicherungsverfahrens nach § 22 Abs. 2 Satz 2 SGB II.
1.2 – Landessozialgericht Berlin-Brandenburg Beschluss vom 03.02.2011, – L 34 AS 1509/10 B PKH –
Gewährung von Prozesskostenhilfe zur Frage, ob es sich bei den Empfehlungen des Deutschen Vereins zur Gewährung von Krankenkostzulagen in der Sozialhilfe, 3., völlig neu bearbeitete Auflage 2008 vom 1. Oktober 2008 (im Folgenden: Empfehlungen), um ein antizipiertes Sachverständigengutachten handelt.
Der Rechtsprechung des BSG (Urteile vom 27. Februar 2008, Az. B 14/7b AS 32/06 R und B 14/7b AS 64/06 R und vom 15. April 2008, Az. B 14/11b AS 3/07 R-) ist nicht eindeutig zu entnehmen, ob es sich nur bei den älteren Fassungen der Empfehlungen nicht (mehr) um antizipierte Sachverständigengutachten handelt oder ob dies auch bezüglich der neueren Empfehlungen (von 2008) der Fall ist.
1.3 – Landessozialgericht Sachsen-Anhalt Beschluss vom 19.01.2011, – L 5 AS 452/10 B ER –
Hartz IV- Behörde darf im Einzelfall für 3 Jahre rückwirkend die Vorlage von angeschwärzten Kontoauszügen fordern.
Keinen Bedenken begegnet der Umstand, dass der Antragsgegner Kontoauszüge für einen Zeitraum von annähernd drei Jahren fordert. Das BSG hat – ohne Verdachtsmomente – eine Vorlage von Kontoauszügen für die letzten drei Monate für zulässig erachtet (BSG, Urteil vom 19. September 2008, B 14 AS 45/07 R (17)). Der Umstand, dass die Kontoauszüge für einen sehr viel längeren Zeitraum abgefordert werden, ist durch die vorliegende Fallkonstellation gerechtfertigt.
Der Antragsteller beantragt staatliche Fürsorgeleistungen, die ihm ohne Gegenleistung und nur aufgrund seiner Hilfebedürftigkeit gewährt werden. Der Staat darf sich davor schützen, dass Grundsicherungsleistungen auch an Nichtbedürftige gewährt werden, die über verschwiegene oder nicht offengelegte Mittel verfügen. Diesem Schutzzweck steht in der Aufforderung, die Kontoauszüge ab dem Tod der Pflegemutter vorzulegen, ein vergleichsweise geringer Eingriff gegenüber (vgl. BSG, Urteil vom 19. September 2008, a.a.O. (26)).
1.4 – Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen Beschluss vom 17.01.2011, – L 6 AS 1914/10 B ER-
Empfänger von Leistungen der Grundsicherung Hartz-IV können einen Anspruch auf Zusicherung der Kostenübernahme für eine neue Wohnung vor einem Umzug nicht per Eilbeschluss gegen die zuständige Behörde durchsetzen.
Den Antragstellern sei es möglich, die neue Wohnung zunächst auch ohne vorherige Zusicherung des Leistungsträgers, die Wohnungskosten zu übernehmen, anzumieten. Durch die Versagung der Zusicherung drohe keine Rechtsverletzung, die später nicht mehr beseitigt werden könne. Im Hauptsacheverfahren könne die zuständige Behörde auch ohne vorherige Zusicherung verurteilt werden, die Kosten für die neue Wohnung rückwirkend zu übernehmen, wenn diese angemessen seien.
Zur Information: Nach § 22 Abs. 2 SGB II sollen erwerbsfähige Hilfebedürftige vor Abschluss eines Vertrags über eine neue Unterkunft die Zusicherung der zuständigen Behörde zu den Aufwendungen für die neue Unterkunft einholen. Der kommunale Träger ist nur zur Zusicherung verpflichtet, wenn der Umzug erforderlich ist und die Aufwendungen für die neue Unterkunft angemessen sind. Die Zusicherung – bzw.- ihre Verweigerung – hat Aufklärungs- und Warnfunktion.
++ Anmerkung: Vgl. dazu Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen Beschluss vom 03.09.2010,- L 19 AS 1085/10 B ER -, veröffentlicht im Rechtsprechungsticker von Tacheles 37/2010.
Zwischenzeitlich erfolgter Umzug lässt Anordnungsgrund im EA- Verfahren entfallen.
Denn auch die Tatsache, dass der Umzug durch ein Darlehen von Familienmitgliedern finanziert wurde, begründet keine besondere Eilbedürftigkeit. Der Antragstellerin ist zuzumuten, im Hauptsache zu klären, ob es sich bei ihrem Umzug im Hinblick auf die Eigenbedarfskündigung des Vermieters um einen notwendigen Umzug i.S.v. § 22 Abs. 3 S. 2 SGB II, verbunden mit der Pflicht der Antragsgegnerin, die angemessenen Umzugskosten zu tragen (BSG Urteil vom 06.05.2010 – B 14 AS 7/09 R – Rn 15 f), oder um einen Umzug i.S.v. § 22 Abs. 3 S. 1 SGB II (BSG Urteil vom 06.05.2010 – B 14 AS 7/09 R – Rn 18 f) handelt, bei dem der Antragsgegnerin hinsichtlich des Ob der Übernahme der Umzugskosten wie auch der Höhe der Umzugskosten ein Ermessen zusteht.
Die Erteilung einer Zusicherung nach § 22 Abs. 2 SGB II ist nicht Anspruchsvoraussetzung für die Übernahme von Umzugskosten nach § 22 Abs. 3 SGB II.
Die Übernahme von Umzugskosten nach § 22 Abs. 3 SGB II durch die Arge setzt nur voraus, dass die Arge dem Antragsteller vor der vertraglichen Begründung der zu übernehmenden Wohnungsbeschaffungs- und Umzugskosten eine Zusicherung hinsichtlich dieser Kosten erteilt (vgl. hierzu LSG NRW, Beschluss vom 03.07.2009 – L 19 B 138/09 AS ER m.w.N.).
Die Zusicherung nach § 22 Abs. 2 SGB II ist nicht inhaltlich identisch mit der nach § 22 Abs. 3 SGB II. Aus der Erteilung einer Zusicherung nach § 22 Abs. 2 SGB II folgt auch nicht zwangsläufig, dass eine Zusicherung hinsichtlich der Übernahme von Umzugskosten nach § 22 Abs. 3 SGB II seitens des Leistungsträgers zu erfolgen hat (vgl. zu den Voraussetzungen einer Zusicherung nach § 22 Abs. 3 SGB II: BSG Urteil vom 06.05.2010 – B 14 AS 7/09 R).
2. Entscheidungen der Sozialgerichte zur Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II)
2.1 – Sozialgericht Neuruppin Urteil vom 02.11.2010, – S 17 AS 1204/09 -, Berufung zugelassen
Zahlungen der Krankenkasse – Rückerstattung – sind nicht als Einkommen anzurechnen.
Zahlung der Krankenkasse – so sie denn als Einkommen und nicht als Vermögen einzuordnen ist, stellt eine zweckbestimmte Einnahme dar. (§ 11 Abs. 3 Nr. 1 a SGB II; vgl. BSG Urteil vom 1. Juni 2010 – B 4 AS 89/09 R -).
Die Zweckbestimmung der Rückzahlung der Krankenkasse ergibt sich gemäß § 29 Abs. 2 und 3 SGB V.
Der Zufluss ist letztlich nur dem gesetzlich angeordneten Zahlungsweg geschuldet. Die Entstehung des Anspruchs gegenüber der Krankenkasse setzt nicht nur den Abschluss der Behandlung voraus sondern auch die Zahlung des Eigenanteils durch den Versicherten (§ 29 Abs. 3 Satz 2 SGB V). Das Entstehen des Zahlungsanspruchs auf Seiten des Versicherten oder gar die Auszahlung des Eigenanteils ohne vorherige eigene Leistung an den behandelnden Kieferorthopäden ist ausgeschlossen. Auch entsteht der Anspruch gegen die Krankenkasse gerade nur wegen der Verauslagung des Eigenanteils und auch nur in dieser Höhe. Die Gefahr einer Doppelleistung für einen identischen Zweck (vgl. Bundessozialgericht a.a.O.) ist danach nicht gegeben. Auch eine unangemessene Verbesserung der Lage des Zahlungsempfängers ist nicht zu befürchten, da es sich bei der Zahlung des Eigenanteils für den Versicherten um einen durchlaufenden Posten handelt.
2.2 – Sozialgericht Darmstadt Urteil vom 07.02.2011, – S 20 AS 258/08 –
Nach § 33 Abs. 2 SGB II sind Ansprüche gegen Arbeitgeber nicht übergangsfähig, da insoweit die §§ 115, 116 SGB X vorgehen.
Der Anspruch auf eine in einem arbeitsgerichtlichen Vergleich vereinbarte Abfindung geht nur nach § 115 I SGB X auf den SGB II – Leistungsträger über, soweit in dem Vergleich eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor Ablauf der Kündigungsfrist vereinbart wurde. Nur in diesem Fall enthält die Abfindung Arbeitsentgelt, anderenfalls stellt sie eine Entschädigung für den Verlust des Arbeitsplatzes dar.
3. Medieninformation des BSG vom 17.02.2011 Nr. 8/11
Regelungen zur Berechnung des Elterngeldes nach Bezug von Streikgeld, Krankengeld oder Arbeitslosengeld verfassungsgemäß
Elterngeld wird grundsätzlich nach dem Einkommen aus Erwerbstätigkeit berechnet, das in den zwölf Kalendermonaten vor der Geburt des Kindes durchschnittlich erzielt worden ist. Als Einkommen ist dabei die Summe der positiven Einkünfte als Land und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb, selbstständiger Arbeit und nichtselbstständiger Arbeit im Sinne des Einkommenssteuerrechts zu berücksichtigen. Bei der Bestimmung der für die Einkommensermittlung maßgebenden zwölf Kalendermonate bleiben Monate unberücksichtigt, in denen die berechtigte Person für ein älteres Kind Elterngeld oder Mutterschaftsgeld bezogen hat oder in denen wegen einer auf die Schwangerschaft zurückzuführen den Erkrankung Erwerbseinkommen weggefallen ist.
Der 10. Senat des Bundessozialgerichts hat am 17. Februar 2011 entschieden, dass weder Streikgeld noch Krankengeld oder Arbeitslosengeld als Einkommen aus Erwerbstätigkeit im Sinne der Vorschriften des Bundeselterngeld und Elternzeitgesetzes anzusehen ist.
Az.: B 10 EG 17/09 R, B 10 EG 20/09 R und B 10 EG 21/09 R
4. Materialien aus dem Vermittlungsausschuss – Info von Harald Thome
Ich möchte heute auf die derzeit bekannten Informationen aus dem Vermittlungsausschuss hinweisen. Die Vereinbarungen vom 9. Feb. sind sogar schon in Form eines Gesetzesentwurfes umgesetzt worden. Darin sind insbesondere geregelt, Warmwasser zu den KdU, Ausweitung der der Mittagsverpflegung auf Tagesbetreuung und Tagespflege, Ausweitung des Schul- und Teilhabebedarfes auf Wohngeldkinder und auf Kinderzuschlagsberechtigte und Rückwirkung des Schul- und Teilhabeanspruchs auf Jahresbeginn 2011. Ebenso Rücknahme der Regelung der Anrechnung von Einkommen aus Aufwandsentschädigung und Übungsleiterpauschale. Den Gesetzestextentwurf vom 9.2. gibt es hier:
nachfolgend Zusammenfassung vom 10.2.:
Beachtenswert ist, dass „Weißware“ (Herd, Kühlschrank und Waschmaschine) aus der Regelleistung rausgenommen werden sollen und auch Mobilitätskosten. Alles begrüßenswerte Richtungen, hier wäre jetzt die Forderung aus Betroffenensicht zu stellen, dass noch die Haushaltsenergie aus der Regelleistung rauszunehmen ist.
5. Info also 2011 Heft 1
Streichung des Elterngeldes für GrundsicherungsempfängerInnen – ein gleichheitsrechtliches Desaster
Aufsatz von Frau Prof. Dr. jur. Anne Lenze, Jugendhilferecht Hochschule Darmstadt