1. Entscheidungen der Landessozialgerichte zur Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II)
1.1 – Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 03.12.2014 – L 19 AS 1909/14 B ER – rechtskräftig
Wiederholte Mietschuldenübernahme nach § 22 Abs. 8 SGB II durch das Jobcenter möglich – Verschulden des Leistungsempfängers tritt im Falle des § 22 Abs. 8 S. 2 SGB II ganz regelmäßig zurück.
Mietschulden bei Hartz IV: Jobcenter muss mit Darlehen unterstützen. Nur durch vollständige Erfüllung der vermieterseitigen Forderung war die Unterkunft der Antragstellerinnen zu erhalten bzw. ein Mietverhältnis erneut zu begründen (vgl. zur Erforderlichkeit der Neubegründung eines Mietverhältnisses bei Vorliegen eines Räumungstitels Beschluss des Senats vom 31.08.2010 – L 19 AS 1106/10 B ER).
Leitsätze (Autor)
1. Die Übernahme der Mietschulden ist bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 22 Abs. 8 SGB II der gesetzlich gewollte Regelfall, die Nichterbringung des Darlehens der Ausnahmefall, der nicht bereits dann vorliegt, wenn sich ein Verschulden des Leistungsempfängers an der Entstehung der Verbindlichkeiten feststellen lässt.
2. Die Sachverhalte des § 22 Abs. 8 SGB II haben wegen des Grundbedürfnisses „Wohnen“ existenzielle Bedeutung. Es geht um die Behebung einer gegenwärtigen Notlage. Eine Reduzierung der Möglichkeiten einer Darlehensgewährung auf die Fälle, in denen den Leistungsbezieher keinerlei Verschulden an der Entstehung von Verbindlichkeiten betrifft, würde den Anwendungsbereich der Vorschrift in nicht gesetzesentsprechender Weise verengen.
3. Die Schuldenübernahme ist vielmehr ausnahmsweise erst dann „nicht gerechtfertigt“, wenn der aufgelaufene Rückstand z.B. auf einer Verletzung sozialrechtlicher Obliegenheiten beruht oder auf den Missbrauch von Sozialleistungen wegen Nichtweiterleitung der für Unterkunft und Heizung bestimmten Mittel an die Vermieterseite. Gleiches kann gelten, wenn es trotz entsprechender Hilfeangebote und Unterstützung wiederholt zu Rückständen gekommen ist und kein Wille zur Selbsthilfe erkennbar ist. Keine dieser Konstellationen ist im Falle der Antragstellerinnen gegeben.
Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de
1.2 – Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 03.12.2014 – L 2 AS 1623/14 B ER –
Belgischer Staatsangehöriger hat kein Anspruch auf ALG II.
Leitsätze (Autor)
1. Der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II ist auf den Antragsteller anzuwenden, weil er auch die Ausländer erfasst, die – wie dieser – wirtschaftlich inaktiv sind, ohne über ausreichenden Krankenversicherungsschutz und ausreichende Existenzmittel zu verfügen.
2. Unter Berücksichtigung der Entscheidung des Gerichtshofes der Europäischen Union – EUGH in Sachen Dano (Urteil vom 11.11.2014 – C-333/13 -) ist auch davon auszugehen, dass der Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II nicht europarechtswidrig ist.
Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de
Anmerkung:
Ähnlich für rumänische Antragsteller – LSG NRW, Beschl. v. 01.12.2014 – L 2 AS 1146/14 B ER -.
1.3 – Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 26.11.2014 – L 11 AS 589/14
Voraussetzung einer Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft
Leitsätze (Juris)
Die Frage im Antragsbogen für Alg II nach dem Vorliegen eines Partners in eheähnlicher Gemeinschaft stellt eine Frage nach einem Rechtsbegriff dar und erfordert vom Antragsteller rechtliche Wertungen; sie stellt keine Frage nach Tatsachen dar.
Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de
1.4 – Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht, Beschluss vom 26.11.2014 – L 6 AS 271/14 B PKH
Sozialgerichtliches Verfahren – Beschwerde gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe im Hauptsacheverfahren – Bedarfe für Unterkunft und Heizung – Mutwilligkeit der Fortsetzung der Rechtsverfolgung
Leitsätze (Autor)
1. Es kann Empfängern von Grundsicherungsleistungen grundsätzlich zugemutet werden, ihr Verfahren im Widerspruchsverfahren nicht (weiter) zu betreiben, wenn der Ausgang dieses Verfahrens wesentlich von der Beantwortung einer grundsätzlich bedeutsamen Rechtsfrage abhängig ist, die bereits in anderen Verfahren in der Revisionsinstanz oder beim Bundesverfassungsgericht anhängig ist (vgl. zur Höhe der Regelbedarfe – LSG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 9. Juli 2012 – L 6 AS 12/12 B PKH).
2. Diese Grundsätze können auf Verfahren, die die abstrakte Angemessenheit der Bedarfe für Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II betreffen, zumindest dann übertragen werden, wenn ein rechtlich gleichartiges Verfahren, das eine Beantwortung der streitigen Rechtsfrage erwarten lässt, beim Landessozialgericht anhängig ist und der jeweilige Träger der Grundsicherungsleistungen der leistungsberechtigten Person neben der Ruhendstellung zusichert, die Höhe ihrer Leistungen an der rechtskräftigen Entscheidung im anhängigen „Musterverfahren“ auszurichten.
Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de
2. Entscheidungen der Sozialgerichte zur Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II)
2.1 – SG Berlin, Beschluss vom 04.12.2014 – S 131 AS 27736/14 ER, unveröffentlicht
Inhalt der Eingliederungsvereinbarung – Rechtsschutzbedürfnis –
Leitsätze (Autor)
1. Es ist dem Leistungsbezieher im Allgemeinen nicht zuzumuten, erst eine Sanktionierung abzuwarten und gegen die Feststellung einer Sanktion als Folge eines Verstoßes gegen den Eingliederungsverwaltungsakt i. Sinne von § 31 Abs. 1 Nr. 1 SGB II um einstweiligen Rechtsschutz nachzusuchen. Denn bereits eine Verpflichtung im Eingliederungsverwaltungsakt greift in die Individualinteressen eines Hilfebedürftigen ein und beschwert ihn unmittelbar i. S. v. § 54 Abs. 2 SGG.
2. Das Vorliegen von Erwerbsfähigkeit kann nicht zulässiger Gegenstand einer Eingliederungsvereinbarung bzw. eines Eingliederungsverwaltungsaktes sein, da es bereits Voraussetzung für dessen Abschluss bzw. Erlass ist (ebenso LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 05.07.2007 – L 3 ER 175/07 AS und LSG NRW, Beschluss vom 30.08.2012 – L 12 AS 1044/12 B ER).
Anmerkung:
Gleicher Auffassung – SG Kiel, Beschl. v. 26.11.2013 – S 33 AS 357/13 ER; vgl. auch SG Düsseldorf, Beschl. v. 06.12.2010 – S 7 AS 4509/10E R – Der Gesetzgeber hat dem Leistungsträger nach dem SGB II nicht zugestanden, eine amtsärztliche Untersuchung zum Regelungsgegenstand einer durch Verwaltungsakt festgesetzten Eingliederungsvereinbarung zu machen.
2.2 – SG Berlin, Urt. vom 10.04.2014 – S 82 AS 25836/12, unveröffentlicht
Bei den Aufwendungen für den Rückbau der Wohnung handelt es sich nicht um Unterkunftskosten im Sinne von § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II. Anspruch auf Rückbaukosten für vom Mieter eingebaute Einrichtungen in der ursprünglichen Mietwohnung folgt aus § 22 Abs. 6 SGB II – sozialrechtlicher Herstellungsanspruch – Kosten auch angemessen
Leitsätze (Autor)
1. Mietvertraglich geregelte Rückbaukosten für vom Mieter eingebaute Einrichtungen in der ursprünglichen Mietwohnung sind vom Jobcenter bei aufgefordertem Umzug als Umzugskosten zu übernehmen.
2. Auf die fehlende vorherige Zusicherung der Umzugskosten konnte sich das JC nicht berufen, da es unterlassen hat, über den rechtzeitig gestellten Antrag der Antragsteller zu entscheiden. Insoweit sind die Antragsteller im Rahmen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs so zu stellen, wie sie stünden, wenn das JC rechtzeitig rechtmäßig entschieden hätte.
Anmerkung:
S. dazu auch Wenn Leistungsempfänger des Jobcenters aufgefordert werden, in eine preiswertere Wohnung zu ziehen, müssen sie die Kosten nicht selbst tragen. Und auch die Rückbaukosten für die ursprüngliche Wohnung werden unter Umständen erstattet: www.n-tv.de
2.3 – SG Berlin, Beschluss vom 20.08.2014 – S 173 AS 16566/14 ER, unveröffentlicht
Eingliederungsvereinbarung ersetzender Verwaltungsakt – Regelung zu den Bewerbungskosten ist nicht hinreichend bestimmt – Rechtswidrigkeit einzelner Regelungen eines Ersetzungsbescheides
Die Regelung in dem Verwaltungsakt, wonach der Antragsteller 8 Bewerbungsbemühungen je Monat zu unternehmen hat, ist rechtswidrig, da eine nur unzureichende Regelung über die Erstattung von Bewerbungskosten getroffen wurde.
Soweit dem Leistungsberechtigten Maßnahmen abverlangt werden, die mit nicht unerheblichen finanziellen Aufwendungen verbunden sind, ist dies ohne eine Finanzierungszusage unzumutbar, da der Leistungsberechtigte insoweit nicht auf den Regelbedarf verwiesen werden kann (vgl. LSG BB, Beschl. v. 04.02.2014 – L 32 AS 3188/13 B ER, n. v.).
Leitsätze (Autor)
1. Die Regelung zu den Bewerbungskosten erfüllt diese Anforderungen nicht. Sie ist nicht hinreichend bestimmt. Es wurde folgende Regelung getroffen:
2. „Das Jobcenter unterstützt Ihre Bewerbungsaktivitäten durch Übernahme von angemessenen nachgewiesenen Kosten für schriftliche (keine Email) Bewerbungen nach Maßgabe des § 16 Abs. 1 SGB II i.V.m. § 44 5GB III, sofern Sie diese zuvor beantragt haben.“
3. Es wird bereits nicht hinreichend deutlich. ob das JC eine verbindliche Zusage betreffend die Übernahme angemessener nachgewiesener Bewerbungskosten gibt und der Antragsteller insoweit einen Anspruch erwirbt oder ob das JC sich eine Ermessensentscheidung vorbehält. Diese Unklarheit ergibt sich aus dem Verweis auf § 16 Abs. 1 SGB II i.V.m. § 44 SGB III. Nach §§ 16 Abs. 1 Satz 2 SGB II, 44 SGB III kann der Leistungsträger nach dem SGB II Leistungen aus dem Vermittlungsbudget bei Anbahnung einer versicherungspflichtigen Beschäftigung erbringen, wenn dies für die berufliche Eingliederung notwendig ist. Die Förderung umfasst die Übernahme der angemessenen Kosten. Dem Leistungsträger steht ein Entschliessungs- und Auswahlermessen zu (vgl. LSG NRW, Beschluss vom 08.11.2013 – L 19 AS 1186/13 B). § 44 SGB III erlaubt die Festlegung von Pauschalen.
Soweit der Verweis auf die genannten Vorschriften wegen der Möglichkeit einer Pauschale vorgenommen wurde, macht das nur Sinn, wenn tatsächlich eine pauschale Übernahme von Bewerbungskosten beabsichtigt ist. Dann wäre die Regelung in dem Eingliederungsverwaltungsakt deshalb unbestimmt, weil die pauschalen Beträge gerade nicht genannt werden.
4. Zumal § 44 SGB III keine Regelung enthält, die die Übernahme von Bewerbungskosten näher regeln, kann die Unterstützung durch das JC „nach Maßgabe“ der Vorschriften – sofern es sich nicht um einen sinnlosen Verweis handelt – durch den Leistungsberechtigten so verstanden werden, dass es bei dem gesetzlich eingeräumten Ermessen bleiben soll.
Eine bloße Ermessensentscheidung wäre jedoch nicht ausreichend, da der Leistungsberechtigte insoweit ein unzumutbares Kostenrisiko tragen würde (LSG NSB, Beschluss vom 17.06.2013 – L 7 AS 332/13 B ER).
5. Auch die Wendung „sofern Sie diese zuvor beantragt haben“ ist jedenfalls nicht hinreichend bestimmt. Es ist unklar, welchen Bezugspunkt „zuvor“ hat: die Bewerbungsaktivität, die Entstehung der Kosten oder die Bewilligungsentscheidung durch das JC (nach Entstehung der Kosten). Zwar erscheint letzteres am Sinnvollsten, freilich wäre das Wort „zuvor“ dann unnötig (vgl LSG Hessen, Beschluss vom 16.01.2014 – L 9 AS 846/13 ER). Außerdem wird der Begriff „Übernahme“ anders als „Erstattung“ im SGB III nicht verwendet, wenn Kosten bereits verauslagt wurden.
6. Es spricht ferner Einiges dafür, dass es nicht genügt. die Bewerbungskosten durch das Adjektiv „angemessen“ zu kennzeichnen. Es erscheint zumutbar, zumindest die Vorstellungen des JC über die übliche Gestaltung bzw. den Umfang einer Bewerbung und über die üblichen Kosten bezogen auf die Person des Leistungsberechtigten näher darzulegen, um das Risiko des Leistungsberechtigten, zu hohe Kosten aufzuwenden, gering zu halten (a.A. etwa LSG NRW, Beschl. v. 21.05.2013 – L 7 AS 112/13 B ER: eine weitere Einschränkung der Kostenübernahmeregelung im Vorfeld würde mögliche Ansprüche des Antragstellers zu dessen Nachteil eingrenzen).
7. Die Rechtswidrigkeit der Regelung führt zur Gesamtrechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes, da dieser nicht teilbar ist (vgl. LSG Hessen, Beschl. v. 10.01.2014 – L 9 AS 846/13 B ER).
2.4 – Sozialgericht Berlin, Urteil vom 28.11.2014 – S 37 AS 9238/13
Das Leben in der Stiftung Synanon ist eine stationäre Unterbringung i. S. von § 7 Abs. 4 SGB II.
Leitsätze (Juris)
1. Eine stationäre Einrichtung im Sinne von § 7 Abs.4 SGB 2 liegt vor, wenn das gemeinschaftliche Zusammenleben suchtkranker Menschen und die Arbeit in therapeutischen Zweckbetrieben wesentlicher Teil des Hilfekonzepts sind, um einen schützenden Rahmen für zu bieten, weil die Bewohner noch nicht wieder fähig sind, ohne Rückfall in die Sucht einer regulären Erwerbstätigkeit außerhalb der Gemeinschaft nachzugehen.
2. Nicht entscheidend für die Einordnung als stationäre Einrichtung ist, ob die abstrakte Möglichkeit besteht, aus der Einrichtung heraus einer regulären Erwerbstätigkeit nachzugehen.
3. Sind einer Person Tätigkeiten außerhalb therapeutischer Zweckbetriebe wegen der damit verbundenen Gefahr des Rückfalls in die Sucht generell unzumutbar, deutet dies auf eine Erwerbsunfähigkeit im Sinne von § 43 SGB 6 hin.
Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de
Anmerkung:
Siehe dazu auch Kein „Hartz IV“ für Mitglieder einer Selbsthilfegemeinschaft suchtkranker Menschen – Pressemitteilung, Berlin, den 08.12.2014: www.berlin.de
2.5 – Sozialgericht Frankfurt, Beschluss vom 04.1.2014 – S 32 AS 1815/14 ER
Rumänischer Staatsangehöriger hat kein Anspruch auf ALG II, denn nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II sind vom Leistungsbezug ausgenommen Ausländerinnen und Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt.
Leitsätze (Autor)
1. Der Leistungsausschluss ist auch nicht wegen Verstoßes gegen Europarecht unanwendbar.
2. Der EuGH hat in der Rechtssache Dano mit Urteil vom 11.11.2014 (C-333/13, juris) entschieden, dass Art. 24 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38/EG in Verbindung mit Art. 7 Abs. 1 Buchst. b dieser Richtlinie und Art. 4 der Verordnung (EG) 883/2004 in der durch die Verordnung 1244/2010 geänderten Fassung dahin auszulegen sind, dass sie der Regelung eines Mitgliedstaats nicht entgegenstehen, nach der Staatsangehörige anderer Mitgliedstaaten vom Bezug bestimmter „besonderer beitragsunabhängiger Geldleistungen“ im Sinne des Art. 70 Abs. 2 der Verordnung (EG) 883/2004 ausgeschlossen werden, während Staatsangehörige des Aufnahmemitgliedstaats, die sich in der gleichen Situation befinden, diese Leistungen erhalten, sofern den betreffenden Staatsangehörigen anderer Mitgliedstaaten im Aufnahmemitgliedstaat kein Aufenthaltsrecht nach der Richtlinie 2004/38/EG zusteht.
3. Auch ein Anspruch des Antragstellers auf Grundsicherungsleistungen nach dem SGB XII ist nicht ersichtlich. Von dem Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II betroffene Personen, auch wenn sie erwerbsfähig i.S. des § 8 Abs. 1 SGB II sind, sind nicht nach dem SGB II „dem Grunde nach leistungsberechtigt“ (vgl. § 21 SGB XII) und können damit einen Anspruch auf lebensunterhaltssichernde Leistungen nach dem 3. Kapitel des SGB XII haben (LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 23.5.2014, L 8 SO 129/14 B ER). Allerdings greift für den Antragsteller, der Arbeit sucht, der Leistungsausschluss des § 23 Abs. 3 Satz 1, 2. Alt. SGB XII.
4. Der Leistungsausschluss im SGB XII verstößt damit gleichfalls nicht gegen Europarecht.
Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de
Anmerkung:
Im Ergebnis ebenso – LSG NRW, Beschluss vom 03.12.2014 – L 2 AS 1623/14 B ER -.
3. Entscheidungen der Landessozialgerichte zur Sozialhilfe (SGB X II)
3.1 – Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 04.12.2014 – L 7 SO 4268/11
Leitsätze (Juris)
Eine Überleitungsanzeige i.S. des § 93 SGB XII ist hinreichend bestimmt (§ 33 Abs. 1 SGB X), wenn der Wille des Sozialhilfeträgers zur Überleitung zum Ausdruck kommt und der Hilfeempfänger, die Art der Hilfe sowie der überzuleitende Anspruch nebst Angaben von Gläubiger und Schuldner bezeichnet werden. Bei einer Gläubigermehrheit muss in der Überleitungsanzeige zum Ausdruck kommen, welche Art der Gläubigermehrheit (Gesamt-, Teilgläubigerschaft, Gläubigergemeinschaft) vorliegt.
Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de
4. Entscheidungen der Sozialgerichte zur Sozialhilfe (SGB X II)
4.1 – SG Karlsruhe, Urteil vom 28.11.2014 – S 1 SO 903/14
Bestattungskosten – Realisierbare Ausgleichsansprüche
Leitsatz (Autor)
1. Realisierbare Ausgleichsansprüche gegen andere Bestattungspflichtige stehen der vollständigen Übernahme von Bestattungskosten aus Sozialhilfemitteln entgegen.
2. Ein solcher Verweis sei nur ausgeschlossen, wenn deren Durchsetzung ein gerichtliches Vorgehen erfordere, das mit einem unsicheren Ausgang verbunden sei, mithin der Ausgleichsanspruch bereits dem Grunde nach nicht realisierbar sei.
3. Es sei nicht die Aufgabe des Sozialhilfeträgers, etwa bei innerfamiliären Zerwürfnissen, wie sie nach Todesfällen nicht selten aufträten, als „Ausfallbürge“ zur Verfügung zu stehen.
Quelle: sozialgericht-karlsruhe.de
Anmerkung 1:
Vgl. dazu BSG, Urt. v. 29.09.2009 – B 8 SO 23/08 R – Das BSG lehnt einen Verweis auf derartige Ausgleichsansprüche weitestgehend ab. Dies sei nur im extremen Ausnahmefall möglich, da es sich bei § 2 Abs. 1 SGB XII nicht um eine Ausschlussnorm handele, und § 2 Abs. 1 SGB XII zudem auf den Erhalt anderer Leistungen abstelle.
Anmerkung 2:
Das SG Reutlingen, Urteil vom 14.11.2013 – S 4 SO 1520/12 – folgt dem BSG (a.a.O) in dieser Tragweite nicht.
Leitsatz (Juris)
Ist ein Ausgleichsanspruch gegen einen Dritten nicht mit ziemlicher Sicherheit auszuschließen und besteht insbesondere der Eindruck, dass sich ein wirtschaftlich durchaus leistungsfähiges Familienmitglied vor der finanziellen Verantwortung drücken möchte, bedarf die Übernahme von Bestattungskosten durch den Sozialhilfeträger einer Einzelfallprüfung. Diese darf nicht schon mit einer lapidaren (auch schriftlichen) Weigerung eines Familienmitglieds zur Kostenübernahme als im Sinne des bedürftigen Antragstellers abgeschlossen betrachtet werden.
4.2 – SG Karlsruhe, Urteil vom 28.11.2014 – S 1 SO 515/14
Leitsatz (Juris)
Keine Erstattung von Mehrkosten für Schülerbeförderung eines behinderten Kindes beim Besuch einer anderen als der vom Schulamt zugewiesenen Schule durch Sozialhilfeträger.
Quelle: sozialgericht-karlsruhe.de
4.3 – Sozialgericht Düsseldorf, Urteil vom 26.11.2014 – S 17 SO 181/12
Sozialhilfeträger muss für geistig behinderten Schüler die Fahrtkosten (Taxikosten) für seinen Transport zur und von der Schule als Hilfe zur angemessenen Schulbildung gemäß § 54 Abs. 2 Nr. 1 SGB XII übernehmen.
Leitsätze (Autor)
Nach § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XII sind Leistungen der Eingliederungshilfe insbesondere auch Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung, insbesondere im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht. Die Bestimmungen über die Ermöglichung der Schulbildung im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht bleiben dabei unberührt. Eine Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung kann dabei auch die Übernahme des Eigenanteils der notwendigen Fahrtkosten in Form von Taxikosten zum Besuch der Schule sein.
Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de
4.4 – SG Kiel, Beschluss vom 09.12.2014 – S 22 SO 24/14 ER, unveröffentlicht
Zur Warnfunktion einer Mietkostensenkungsaufforderung, ein Beitrag von Rechtsanwältin Sabine Vollrath, Kiel
„Wenn also letztmalig 2012 zur Kostensenkung aufgefordert worden sei, in der Folgezeit durchgängig die tatsächlichen Kosten der Unterkunft gewährt worden seien und lediglich formularmäßig an den Nachweis der Kostensenkungsbemühungen erinnert worden sei, dann habe der Grundsicherungsträger nicht hinreichend deutlich gemacht, dass er an der Kostensenkungsaufforderung festhalte.
Die Warnfunktion der Kostensenkungsaufforderung sei danach so sehr in den Hintergrund geraten, dass die Bezugnahme darauf als treuwidrig zu qualifizieren sei. „
Quelle: www.hartz4-in.de
Anmerkung:
Im Ergebnis ebenso zum SGB II: BSG, Urteil vom 12.06.2013 – B 14 AS 60/12 R, Rz. 36: Da auf die erste Kostensenkungsaufforderung hin über längere Zeit (16 Monate) hinweg gleichwohl die Kosten der Unterkunft und Heizung vollständig übernommen worden sind, durfte allein auf Grundlage dieser Kostensenkungsaufforderung eine Absenkung nicht mehr erfolgen (vgl im Einzelnen BSG Urteil vom 22.11.2011 – B 4 AS 219/10 R, RdNr 21 mit weiteren Rechtsprechungshinweisen).
5. Entscheidungen der Sozialgerichte zum Arbeitsförderungsrecht (SGB III)
5.1 – Sozialgericht Wiesbaden, Gerichtsbescheid vom 28.5.2013 – S 10 AL 11/12 – bestätigt durch Hessisches LSG, Urt. v. 08.10.2013 – L 6 AL 94/13 –
Aufhebung der Arbeitslosengeldbewilligung für die Zukunft – Minderung der Leistungsfähigkeit – Bewilligung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung – Rentenbeginn nach Aufhebung – Lücke im Leistungsbezug – keine planwidrige Regelungslücke
Kein Anspruch auf Arbeitslosengeld nach Feststellung verminderter Erwerbsfähigkeit
Leitsätze (Juris)
1. Der Anspruch auf Arbeitslosengeld aufgrund der so genannten Nahtlosigkeitsregelung erlischt mit der Feststellung der vollen Erwerbsminderung durch den Träger der gesetzlichen Rentenversicherung.
2. Die Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld durch die Bundesagentur für Arbeit erfolgt in der Regel nur mit Wirkung für die Zukunft mit Bekanntgabe des Aufhebungsbescheides.
3. Dies gilt auch dann, wenn der Beginn des Anspruchs auf eine befristete Rente wegen voller Erwerbsminderung mit Beginn des siebten Monats nach Eintritt des Versicherungsfalls zeitlich nach der Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld liegt, sodass für die Zwischenzeit weder ein Anspruch auf Arbeitslosengeld noch auf Rente besteht. Dieser Rechtslage liegt keine planwidrige Gesetzeslücke zugrunde.
Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de
6. Aktuelle Entwicklungen in der Rechtsprechung zu den Kosten der Unterkunft (Teil 1) – Aufsatz von Uwe Berlit in info also 2014, 243
I. Einleitung
Wohnen in Würde ist ein zentrales Bedürfnis des Menschen. Die Deckung des Wohnbedarfs ist vom Grundrecht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum umfasst. § 22 SGB II regelt seine Deckung. Der Bedeutung des Bedarfs entspricht der Anteil, den Entscheidungen rund um die Kosten der Unterkunft an der Rechtsprechung der Sozialgerichte zum SGB II haben. Die hohe Zahl streitiger gerichtlicher Entscheidungen zu einer Regelung, die zwar im Laufe der Zeit mehrfach novelliert und erweitert worden ist, die aber in ihrem Kern unverändert geblieben ist, lässt an sich erwarten, dass inzwischen – nahezu – alle Fragen abschließend geklärt und die Rechtsprechung konsolidiert ist. Der Bericht zur Rechtsprechung der letzten Jahre wird dies nur zum Teil bestätigen. Die wesentlichen Weichenstellungen sind zwar in den ersten Jahren der Rechtsprechung erfolgt. Es gibt aber immer wieder Konkretisierungen, Modifikationen oder Fortschreibungen, die erwähnenswert scheinen und auch für die Praxis der Behörden, der Sozialgerichte und – vor allem – die Lebenssituation der Leistungsberechtigten Bedeutung haben.
Download: www.info-also.nomos.de (pdf)
Autor des Rechtsprechungstickers: Willi 2 von Tacheles – alias Detlef Brock
Quelle: Tacheles-Rechtsprechungsticker, www.tacheles-sozialhilfe.de