Tacheles Rechtsprechungsticker KW 41/2016

1.   Entscheidungen des Bundessozialgerichts zur Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II)

1.1 – BSG, Urteil v. 26.07.2016 – B 4 AS 54/15 R

Grundsicherung für Arbeitsuchende – Einkommensberücksichtigung – Zusammentreffen von Erwerbseinkommen aus selbstständiger Tätigkeit mit Taschengeld aus Bundesfreiwilligendienst – Freibeträge

Leitsatz (Redakteur)
Die Freibeträge vom Erwerbseinkommen und solche vom Taschengeld dürfen nicht kumuliert werden.

Quelle: juris.bundessozialgericht.de

1.2 – BSG, Urteil v. 23.06.2016 – B 14 AS 30/15 R

Wegfall des Arbeitslosengeld II – Nichterfüllung von Pflichten aus der Eingliederungsvereinbarung – Verpflichtung zu Bewerbungsbemühungen ohne Regelung der Erstattung von Bewerbungskosten – sozialrechtliches Verwaltungsverfahren – öffentlich-rechtlicher Vertrag – Austauschvertrag – Nichtigkeit

Keine Vereinbarung von Bewerbungsbemühungen ohne Vereinbarung zur Bewerbungskostenübernahme.

Leitsatz (Redakteur)
Die Behörde darf nicht das Arbeitslosengeld II wegen “unterbliebener Bewerbungsbemühungen” kürzen, wenn sie dem Arbeitslosen in einer Eingliederungsvereinbarung nicht die Übernahme aller Bewerbungskosten konkret zugesagt hat.

Quelle: juris.bundessozialgericht.de

1.3 – BSG, Urteil v. 15.06.2016 – B 4 AS 41/15 R

Rücknahme rechtswidriger Bewilligungen von Arbeitslosengeld II – Nichtangabe von Glücksspielgewinnen – Einkommensberücksichtigung – keine Absetzung von Spieleinsätzen – Unmöglichkeit der Feststellung oder Schätzung der Höhe der Einnahmen – Beweislastentscheidung zu Lasten des Leistungsberechtigten

Leitsatz (Redakteur)
Glücksspielgewinne sind bei Hartz-IV-Empfängern nahezu komplett als Einkommen anzurechnen. Lediglich der Spieleinsatz für das konkrete gewinnbringende Spiel kann abgezogen werden, die Einnahmen aus Spielgewinnen sind als einmalige Einnahmen im Regelfall auf einen angemessenen Zeitraum aufzuteilen.

Quelle: juris.bundessozialgericht.de

2.   Entscheidungen der Landessozialgerichte zur Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II)

2.1 – Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil v. 22.09.2016 – L 7 AS 3613/15

Zu den Mitwirkungspflichten nach § 60 Abs. 1 SGB I gehören unter Umständen auch Auskünfte bzw. Angaben, die einen Dritten betreffen, soweit dies für die Gewährung der begehrten Leistung von Bedeutung ist (statt vieler nur BSG, Beschluss vom 25. Februar 2013 – B 14 AS 133/12 B).

Die Versagungsentscheidung des Jobcenters (JC) ist rechtswidrig, weil die Klägerin ihre Mitwirkungspflichten nicht verletzt hat, indem sie keine Angaben über das Einkommen und Vermögen des Partners gemacht hat, und weil das JC seiner gesetzlichen Hinweispflicht nicht ordnungsgemäß nachgekommen ist.

Der Senat lässt offen, ob die Entscheidung des JC auch deshalb wegen Verstoßes gegen § 66 Abs. 3 SGB I rechtswidrig ist, weil der Hinweis auf die Folgen im Falle fruchtlosen Fristablaufs im Schreiben, der lediglich den Gesetzeswortlaut wiedergibt, nicht den Anforderungen der höchstrichterlichen Rechtsprechung an eine ordnungsgemäße Rechtsfolgenbelehrung entspricht (vgl. Sächsisches LSG, Urteil vom 23. Mai 2013 – L 7 AS 804/12; demgegenüber a.A. jüngst LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 23. September 2015 – L 13 AS 170/13 -, Revision beim BSG anhängig (B 4 AS 52/15 R).

Leitsatz (Redakteur)
1. Der Leistungsantragsteller kann auch verpflichtet sein, leistungserhebliche Angaben, die einen Dritten betreffen, zu tätigen.

2. Indes geht diese Pflicht nicht dahin, dass der Antragsteller verpflichtet wäre, Beweismittel – etwa Nachweise über Einkommensverhältnisse – von dem Partner oder sonstigen Dritten zu beschaffen und vorzulegen.

3. Insbesondere dann, wenn es um die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Partners geht und der Partner bereits erklärt hat, seinerseits darüber keine Angaben machen zu werden, kann vom Leistungsantragsteller allenfalls verlangt werden, ungefähre Angaben über die Höhe etwaigen Einkommens oder Vermögens des Partners zu machen, was aber wiederum voraussetzt, dass feststeht, dass der Antragsteller über eine entsprechende Tatsachenkenntnis verfügt, denn erst beschaffen muss er sich eine solche nicht (BSG, Beschluss vom 25. Februar 2013, a.a.O.; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 26. April 2012 – L 18 AS 2167/11).

Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de

2.2 – Hessisches Landessozialgericht, Beschluss v. 29.09.2016 – L 9 AS 427/16 B ER

Grundsicherung für Arbeitsuchende – Leistungsausschluss für Ausländer bei Aufenthalt zur Arbeitsuche – Sozialhilfe – Leistungsausschluss nach § 23 Abs 3 S 1 SGB 12 – Leistungsgewährung nach § 23 Abs 1 S 3 SGB 12 – keine Ermessensreduzierung auf Null nach mehr als sechsmonatigem Aufenthalt

Sozialhilfe für arbeitssuchende EU-Bürger: Auch LSG Hessen stellt sich gegen BSG-Urteile.

Keine Leistungen nach dem Dritten Kapitel des SGB XII für polnische Staatsangehörige.

Leitsatz (Redakteur)
Der Sozialhilfeanspruch von EU-Bürgern, die durch § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II vom ALG II -Bezug ausgeschlossen werden, ist gemäß § 23 Abs. 3 S. 1 und Abs. 1 S. 3 SGB XII auch bei einem mehr als sechsmonatigen Aufenthalt im Bundesgebiet auf eine fehlerfreie, von den Umständen des Einzelfalles abhängige Ermessensentscheidung des Sozialhilfeträgers beschränkt. Von einer mit dem Beginn des siebten Aufenthaltsmonats einsetzenden, regelhaften Verpflichtung, im Wege der Ermessensreduzierung auf Null laufende Leistungen nach Maßgabe des Dritten Kapitels SGB XII zu gewähren, ist entgegen der Rechtsprechung des BSG (Urt. v. 3. Dezember 2015, Az. B 4 AS 44/15 R) nicht auszugehen.

Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de

Rechtstipp:
Ebenso: Beschluss des Senats vom 26. September 2016 – L 9 AS 643/16 B ER, n. v. und LSG NSB, Beschluss vom 7. März 2016 – L 15 AS 185/15 B ER; a. A. Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 23.05.2016 – L 20 SO 139/16 B ER

2.3 – Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 16.12.2015 – L 15 AS 159/14

Zu den Mietobergrenzen und den Anforderungen an die realitätsgerechte Ermittlung der abstrakt angemessenen Unterkunftskosten i. S. von § 22 Abs. 1 S. 1 SGB 2 in der Stadt Osnabrück.

Leitsatz (Juris)
Die der Erstellung eines schlüssigen Konzepts dienende Ermittlung der Durchschnittsmieten ohne Einbeziehung von Bestandsmieten, nur unter Rückgriff auf öffentlich annoncierte Wohnungen führt zu einer den Leistungsempfängern zu Gute kommenden höheren angemessenen Bruttokaltmiete und ist daher von der den Grundsicherungsträgern nach der Rechtsprechung des BSG (Urt. v. 19.10.2010 – B 50/10 R -) zustehenden Methodenfreiheit gedeckt.

Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de

2.4 – Sächsisches Landessozialgericht, Beschluss v. 20.09.2016 – L 7 AS 155/15 NZB – rechtskräftig

Grundsicherung für Arbeitsuchende – Einkommensberücksichtigung – vorläufige Leistungen wegen Einkommensschwankungen – endgültige Leistungsfestsetzung unter Anrechnung eines monatlichen Durchschnittseinkommens – § 41a Abs. 4 SGB II (i. d. aktuellen Fassung ab 01.08.2016) – keine Absetzung von allgemeinen “Vorhaltekosten” für die Abnutzung des Pkw – pauschale Fahrtkostenentschädigung des Arbeitgebers ist Einkommen

Leitsatz (Juris)
1. Allgemeine Vorhaltekosten für die Abnutzung eines Kraftfahrzeugs sind keine Ausgaben im Sinne des §11b Abs 1 Satz 1 Nr. 5 SGB II.

2. Zweifel am gesetzgeberischen Willen, mit § 2 Abs. 3 AlgII V a.F. bei der abschließenden Bedarfsberechnung im Bewilligungszeitraum ein durchschnittliches Monatseinkommen zuzulassen, sind seit Inkrafttreten des Neunten Gesetzes zur Änderung des SGB II ausgeräumt.

Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de

Hinweis:
Folgende Rechtsfrage ist beim BSG unter dem Az. B 14 AS 18/16 R anhängig

Vorinstanz: LSG Erfurt, L 4 AS 1310/15
Darf bei der endgültigen Leistungsbewilligung gem § 40 SGB 2 iVm § 328 Abs 3 SGB 3 auf der Rechtsgrundlage des § 2 Abs 3 S 1 AlgIIV 2008 abweichend vom Zuflussprinzip ein tatsächliches Durchschnittseinkommen zu Grunde gelegt werden?

2.5 – Sächsisches Landessozialgericht, Beschluss v. 20.09.2016 – L 7 AS 774/16 B ER – rechtskräftig

Zur Rechtmäßigkeit eines eine Eingliederungsvereinbarung ersetzenden Verwaltungsaktes (hier verneinend) – Geltungsdauer der Eingliederungsvereinbarung § 15 Abs. 1 Satz 3 SGB II a.F – fehlende Ermessenentscheidung – Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs – Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des § 15 Abs 1 Satz 6 SGB II bestehen nicht

Bei der Entscheidung über die Gültigkeitsdauer einer Eingliederungsvereinbarung (§ 15 Abs. 1 Satz 1 SGB II – EGV) und des diese EGV gemäß § 15 Abs. 1 Satz 6 SGB II ersetzenden Verwaltungsakts ist das Ermessen des Jobcenters entsprechend § 15 Abs. 1 Satz 3 SGB II gebunden.

Behördlicherseits ist hier im Regelfall stets eine Laufzeit von sechs Monaten zu beachten. Eine Überschreitung dieser Frist ohne die Darlegung gesonderter Ermessenserwägungen ist als rechtswidrig aufzufassen.

Leitsatz (Juris)
1. Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des § 15 Abs 1 Satz 6 SGB II bestehen nicht.

2. Werden einem Leistungsempfänger im Eingliederungsverwaltungsakt Bewerbungsbemühungen abverlangt, entspricht es einem ausgewogenen Verhältnis der gegenseitigen Leistungen, wenn für jede schriftliche Bewerbung ein Kostenersatz von 5,00 EUR vom Grundleistungsträger bei maximal 20 Bewerbungen im Halbjahr zugesagt wird.
 
3. Der Zusatz soweit zwischenzeitlich nichts anderes geregelt wird ist inhaltlich eindeutig und eröffnet dem Leistungsempfänger die Möglichkeit, durch Verhandlungen mit dem Grundsicherungsträger vor Ablauf des Eingliederungsverwaltungsaktes eine andere Eingliederungsvereinbarung abzuschließen.

Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de

2.6 – Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss v. 26.09.2016 – L 25 AS 1938/16 B ER – rechtskräftig

Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung; Unionsbürger; Aufenthaltsrecht allein zum Zweck der Arbeitsuche; Kein materielles Aufenthaltsrecht; Anspruch auf Sozialhilfe; Folgenabwägung

Der Senat hält daran fest, dass die Rechtsprechung des BSG der Entscheidung im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes zu Grunde zu legen ist – 200,00 Euro monatlich durch Verkauf von Obdachlosenzeitungen

Leitsatz (Redakteur)
Der Antragstellerin sind im Wege der Folgenabwägung Leistungen nach § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB XII zuzuerkennen (Anschluss an die Rechtsprechung der Sozialhilfesenate des LSG Berlin-Brandenburg (Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 13. April 2016 – L 15 SO 53/16 B ER).

Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de

a. A. LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 11. August 2016 – Az.: L 3 AS 376/16 B ER; LSG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 7. Juli 2016 – L 9 SO 12/16 B ER; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 22. Januar 2016 – Az.: L 29 AS 20/16 B

3.   Entscheidungen der Sozialgerichte zur Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II)

3.1 – Sozialgericht Dortmund, Urteil v. 31.03.2014 – S 40 (28, 23) AS 70/09

Sozialrechtlicher Herstellungsanspruch (hier bejahend) – unterlassene Beratung seitens des Jobcenters – Hinweis auf Folgeantrag

Pflicht des Leistungsträgers zum rechtzeitigen Hinweis auf erforderlichen Folgeantrag.

Hinweis Gericht
1. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass der Beklagte verpflichtet ist, auf die Notwendigkeit von Folgeanträgen hinzuweisen (BSG, Urteil vom 18.01.2011, Az.: B 4 AS 29/10 R). Unterlässt er einen entsprechenden Hinweis, ist er ggf. auf Grundlage des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs verpflichtet, Leistungen auch vor der konkreten Antragstellung zu erbringen.

2. Dies hat erst recht für den Fall zu gelten, dass ein Mitglied einer Bedarfsgemeinschaft aufgrund einer mittlerweile aufgehobenen gesetzlichen Regelung mit der Vollendung des 18. Lebensjahres aus der Bedarfsgemeinschaft ausscheidet und nunmehr verpflichtet ist, einen eigenen Antrag zu stellen, um weiter Leistungen zu beziehen. Dafür spricht einerseits, dass die von der Regelung betroffene Personengruppe in der Regel gemäß § 38 SGB II im Verwaltungsverfahren durch die Sorgeberechtigten vertreten werden, d.h. bis zum Erreichen des 18. Lebensjahres kaum Kontakt mit dem Jobcenter, geschweige denn ausreichend eigene Kenntnisse bezüglich der eigenen Antragstellung erworben haben.

Quelle: www.beispielklagen.de

Rechtstipp:
Ebenso: LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 24.02.2015 – L 7 AS 187/14

3.2 – SG Mainz, Urteil vom 17.03.2016 – S 15 AS 708/14. n. v.

SG Mainz: Jobcenter muss unter Umständen Möbellagerkosten eines Wohnungslosen als Härtefallmehrbedarf nach § 21 Abs. 6 SGB II übernehmen (hier aber verneint).

Leitsatz (Redakteur)
1. Möbellagerkosten eines Wohnungslosen sind nicht nach § 22 Abs. 1 SGB II zu übernehmen, weil der Lagerraum keine Unterkunft im Sinne der Bestimmung ist.

2. Die technischen Dokumentationen und Lehrgangsunterlagen dürften klar beruflichen Zwecken zugeordnet werden können. Solche sind jedoch von § 22 SGB II erfassten Lagerungskosten auszunehmen (vgl Sächsisches LSG, Beschluss vom 24.01.2008 – L 3 B 434/06 AS ER; LSG Nordrhein-?Westfalen, Beschluss vom 06.01.2011 – L 19 AS 1591/10 B).

3. Die hier angefallenen Lagerkosten stellen jedoch grundsätzlich einen Mehrbedarf im Sinne des § 21 Abs 6 SGB II dar (der beim Kläger entstandene Mehrbedarf war jedoch nicht unabweisbar im Sinne des § 21 Abs 6 SGB II – hier war es dem Ast. zumutbar einige hochwertige Möbel zu verkaufen).

4. Bei den Einlagerungskosten handelt es sich um einen besonderen Bedarf. Hierunter sind Bedarfe zu verstehen, die nicht schon vom Regelbedarf abgedeckt werden, sondern auf Grund atypischer Bedarfslagen über den Durchschnittsbedarf hinausgehen oder auf Grund ihrer A-Typik vom Regelbedarf nicht erfasst sind. Die vorliegend entstandenen Kosten sind nach Auffassung der Kammer zunächst solche des Regelbedarfs. Ausweislich der §§ 5, 6 Regelbedarfsermittlungsgesetz werden in Abteilung 5 Innenausstattung, Haushaltsgeräte und -Gegenstände als regelbedarfsrelevant berücksichtigt.

5. An der Unabweisbarkeit fehlt es, wenn der Bedarf nicht auf andere Art und Weise gedeckt werden kann. Dies ist etwa bei zumutbaren Handlungsalternativen der Fall (vgl zur alten Gesetzeslage BSG, Urteil vom 01.06.2010 – B 4 AS 63/09 R). Insbesondere kommen hier Einsparmöglichkeiten in Betracht.

3.3 – SG Leipzig, Beschluss v. 19.09.2016 – S 10 AS 1910/16 ER

Schlüssiges Konzept Stadt Leipzig (zweifelnd, offen gelassen)

Leitsatz (Juris)
Bei der Bestimmung der Mietobergrenzen ist sicherzustellen, dass tatsächlich Wohnraum einfachen Standards und angemessener Größe für alle Bedarfsgemeinschaften verfügbar ist.

3.4 – Sozialgericht Dessau-Roßlau, Urteil v. 14.06.2016 – S 13 AS 1257/14

Zur Frage, ob die Verwaltungsvorschrift des Landkreises Wittenberg zur Gewährung von Leistungen für Unterkunft und Heizung nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites und Zwölftes Buch (II und XII) auf einem schlüssigen Konzept beruht (hier verneinend) -nicht der gesamte Landkreis Wittenberg kann als maßgeblicher Vergleichsraum angesehen werden

Nichterfüllung der Anforderungen an ein schlüssiges Konzept des Grundsicherungsträgers

Leitsatz (Redakteur)
Grundsicherung für Arbeitsuchende: Kosten der Unterkunft; Anforderungen an ein schlüssiges Konzept zur Bestimmung der Angemessenheit von Unterkunftskosten im Landkreis Wittenberg.

Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de

4.   Entscheidungen der Landessozialgerichte zum Asylrecht

4.1 – Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Beschluss v. 23.09.2016 – L 8 AY 24/16 NZB

Normen: § 44 SGB I, 291 BGB – Schlagworte: Verzinsung von Nachzahlungsansprüchen, AsylbLG, Berufungszulassung

Hinweis Gericht
Die Rechtsfrage, ob Leistungen nach dem AsylbLG im Falle der Nachzahlung zu verzinsen sind, ist klärungsbedürftig. Allerdings ist § 44 SGB I nicht direkt anwendbar, denn das AsylbLG ist kein Teil des SGB (vgl. § 68 SGB I) und § 44 SGB I gehört nicht zu den Vorschriften, deren entsprechende Anwendung im Rahmen des AsylbLG gesetzlich angeordnet ist (vgl. § 9 Abs. 3 AsylbLG in der seit dem 1. März 2015 geltenden Fassung; § 7 Abs. 4 AsylbLG in der bis zum 28. Februar 2015 geltenden Fassung). Auch eine analoge Anwendung des § 44 SGB I dürfte mangels planwidriger Regelungslücke (vgl. zu den Voraussetzungen einer Analogie: BSG, Urteil vom 23. Juli 2015 – B 8 SO 7/14 R – juris Rn. 16) nicht in Betracht kommen. Es ist aber nicht geklärt, ob sich ein Zinsanspruch aus der analogen Anwendung des § 291 BGB ergeben kann. Das BSG hat die Rechtsfrage, soweit ersichtlich, noch nicht entschieden. Mehrere Revisionsverfahren hierzu endeten, indem sich die Beteiligten im Vergleichswege auf die Zahlung von Prozesszinsen (§ 291 BGB) einigten (BSG, Termin-bericht Nr. 53/13 vom 30. Oktober 2013 zu den Verfahren B 7 AY 8/12 R, B 7 AY 1/13 R, B 7 AY 2/13 R). Im Übrigen geht das BSG davon aus, dass im Anwendungsbereich des AsylbLG allenfalls ein Anspruch auf Prozesszinsen bestehen kann (BSG, Urteil vom 30. Oktober 2013 – B 7 AY 2/12 R – juris Rn. 31), eine Klärung der Rechtslage ist insoweit aber noch nicht eingetreten. Insbesondere ist nicht erkennbar, dass ein Anspruch auf Prozesszinsen in der sozialgerichtlichen Rechtsprechung mittlerweile anerkannt ist (einen Zinsanspruch ablehnend: Schleswig-Holsteinisches LSG, Urteil vom 26. November 2014 – L 9 AY 70/12 – juris Rn. 61).

Quelle: Rechtsanwalt Sven Adam, Lange Geismarstraße 55, 37073 Göttingen:
www.anwaltskanzlei-adam.de

5.   Verschiedenes zu Hartz-IV und anderen Gesetzesbüchern

5.1 – Sozialhilfeempfänger befürchten Mietpreis-Chaos im Kreis Kleve:

www.rp-online.de

5.2 – Ermitteln auf Verdacht

Neue Weisung regelt Bußgeldverfahren gegen Hartz-IV-Bezieher. Demnach haben Jobcenter ähnliche Kompetenzen wie ein Staatsanwalt.

Von Susan Bonath
Wenn es darum geht, Hartz-IV-Bezieher umfassend zu bespitzeln, ist der Bundesagentur für Arbeit (BA) kein Aufwand zu hoch. Für die Bußgeldparagraphen 63 und 64 im Zweiten Sozialgesetzbuch (SGB II) hat die Mammutbehörde nun 75 Seiten umfassende “Fachliche Hinweise” herausgegeben.

Das Papier unter dem Titel “Das Bußgeldverfahren im SGB II”, vorausdatiert auf den 20. Oktober, veröffentlichte der Sozialrechtler Harald Thomé am Montag. Es belegt, wie akribisch und rigide Jobcenter mit dem am Existenzminimum Lebende ab einem Alter von 14 Jahren vorgehen – auch sogar gegen Menschen, die sicher oder vermutet in finanzieller Verbindung zu ersteren stehen. Dafür bedarf es einzig des Vorwurfs, mangelhaft “mitgewirkt” zu haben. Bemerkenswert ist, dass alles in einem Haus passiert: Sowohl die “Feststellung” des Verdachts, “ordnungswidrig” gehandelt zu haben, als auch weitere “Ermittlungen” und die Festsetzung der Geldbuße obliegen dem Jobcenter.

Demnach sollen die für die Betroffenen zuständigen Sachbearbeiter “Verdachtsfälle” erkennen und an die hausinterne Bearbeitungsstelle für Ordnungswidrigkeiten (OWi) weiterleiten. Letztere soll von ersteren mit den Unterlagen des Klienten sowie monatlichen automatischen Datenabgleichen gefüttert werden. Überprüft werden dabei Konto- und Meldedaten sowie Geld- oder Postverkehre mit externen Behörden. Das können das Finanz- oder Grundbuchamt sein, die Kindergeldkasse oder die Rentenversicherung.

Weiter: www.jungewelt.de

Siehe dazu auch:
Alles unter einem Dach im Jobcenter: Vermuten, ermitteln, bestrafen. Zur Potenzierung der Asymmetrie zwischen angeblichen “Kunden” und der Behörde, ein Beitrag von Stefan Sell: aktuelle-sozialpolitik.blogspot.de

Verfasser des Rechtsprechungstickers: Redakteur von Tacheles Detlef Brock

Quelle: Tacheles-Rechtsprechungsticker, www.tacheles-sozialhilfe.de