1. Entscheidungen der Landessozialgerichte zur Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II)
1.1 – LSG Schleswig-Holstein, Urt. v. 06.04.2017 – L 6 AS 8/15 – Revision zugelassen
Grundsicherung für Arbeitsuchende – Einkommens- oder Vermögensberücksichtigung – Zahlungen aus titulierter Schadensersatzforderung aus außergerichtlichem Vergleich wegen Vermögensschadens nach unerlaubter Handlung – Unterschlagung von Baumaschinen – Verzugs- oder Prozesszinsen
Zur Frage, ob Zahlungen auf eine Schadensersatzforderung aus unerlaubter Handlung wegen Unterschlagung von Eigentum als Einkommen oder Vermögen einzuordnen sind, wenn die Forderung vor Beginn des Leistungsbezuges entstanden und tituliert worden ist, die Zahlungen aber erst aufgrund eines während des laufenden Leistungsbezuges geschlossen Vergleichs erfolgten.
Leitsatz (Redakteur)
1. Ein Schadensersatzanspruch (Zahlungen auf eine Schadensersatzforderung aus unerlaubter Handlung wegen Unterschlagung von Eigentum), der lediglich der Wiederherstellung der früheren Vermögenslage dient, stellt Vermögen dar.
2. Die monatlichen Teilzahlungen in Höhe von 150,00 EUR sind nicht als Einkommen im Sinne des § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II, sondern als Vermögen einzustufen.
Quelle: Juris
Rechtstipp:
Eine Schadensersatzleistung, z. B. für die Beschädigung oder den Verlust einer Sache, die nur eine frühere Vermögenslage wiederherstellt, bewirkt keinen Zufluss. Der Ersatz ist keine Einnahme, sondern, wie das durch die Schadensersatzzahlung Ersetzte wiederum Vermögen (LSG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 7.5.2014, L 18 AS 3167/12).
Sozialgericht Karlsruhe Urteil vom 16.08.2011, – S 13 AS 1617/10 – Schadensersatz und andere Geldleistungen, die lediglich eine frühere Vermögenslage wiederherstellen (hier: Minderung wegen mangelhafter Auftragsausführung der Bauarbeiten am Eigenheim) sind auch nach der „Zuflusstheorie“ unabhängig vom Zeitpunkt des Zuflusses als Vermögen zu berücksichtigen (Anschluss an BVerwG, Urteil vom 18.02.1999, 5 C 14/98).
a. A. VG Bremen, Urteil vom 13. März 2008 – S 8 K 2309/07
Leitsatz:
Dass Versicherungsentschädigungen grundsätzlich als Einkommen zu berücksichtigen ist, ergibt sich schon aus einem Umkehrschluss zu § 11 Abs. 3 Nr. 2 SGB II. Danach sind solche Einnahmen nicht als Einkommen zu berücksichtigen, die als Entschädigungen, die wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, nach § 253 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) geleistet werden. Das heißt, dass nur Schmerzensgeld nach § 253 Abs. 2 BGB nicht als Einkommen zu berücksichtigen ist. Entschädigungen, die – wie hier – wegen eines Vermögensschadens geleistet werden, hat der Gesetzgeber nicht in die Ausnahmeregelung einbezogen, so dass sie grundsätzlich als Einkommen anzusehen sind.
1.2 – Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht, Beschluss v. 21.07.2017 – L 3 AS 125/17 B PKH und L 3 AS 126/17 B PKH – rechtskräftig
Zu den leistungsrechtlichen Folgen der Rückforderung von Kindergeld – keine Bewilligung von PKH
Stand das Kindergeld im Zeitpunkt der Anrechnung auf den Leistungsanspruch nach dem SGB II zur teilweisen Deckung des Lebensunterhalts zur Verfügung und ist es ersichtlich auch entsprechend verwendet worden, so ändert eine spätere Verpflichtung zur Rückzahlung nach einem finanzgerichtlichen Verfahren nichts an der Rechtmäßigkeit des ursprünglichen Bewilligungsbescheides.
Leitsatz (Redakteur)
1. Entsteht eine Verpflichtung zur Rückzahlung einer laufenden Einnahme erst nach dem Monat des Zuflusses (hier durch Aufhebung und Rückforderung für die Vergangenheit), bleibe es für den Zuflussmonat bei der Berücksichtigung als Einkommen (BSG, Urteil vom 23. August 2011 – B 14 AS 165/10 R; vgl. auch – ebenfalls in diesem Sinne – LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 21. März 2012, L 2 AS 5392/11; Hessisches LSG, Urteil vom 24. April 2013, L 6 AS 376/11).
2. Der Senat weist allerdings darauf hin, dass vor dem Hintergrund der vom Beklagten bei wirtschaftlicher Betrachtung ersparten Aufwendungen nach dem SGB II eine entsprechende Übernahme zu erwägen sein könnte (vgl. dazu bereits Beschluss des Senats vom 25. Mai 2010- L 3 AS 64/10 B PKH).
Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de
1.3 – Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 29.06.2017 – L 7 AS 395/16 – Revision zugelassen
Nicht angegebenes Vermögen in Form eines Sparbuchs – keine Berücksichtigung eines fiktiven Vermögensverbrauchs
Im Falle eines verschwiegenen Vermögens besteht keine Rechtsgrundlage für die Beschränkung der Leistungsaufhebung und Erstattung auf das fiktiv bei rechtmäßiger Anzeige maximal zu verbrauchende Vermögen (a. A. LSG Sachsen-Anhalt, 25. Juli 2012 – L 5 AS 56/10 -).
Leitsatz (Redakteur)
1. Steht vorhandenes, zu verwertendes Vermögen bis zu seinem tatsächlichen Verbrauch einer Leistungsbewilligung entgegen, so kann nichts anderes für den Fall der Rücknahme und Erstattung von zu Unrecht bewilligten Leistungen gelten. Auch in einem solchen Fall ist – wie vorliegend – nicht rückschauend zu prüfen, wie lange das einzusetzende Vermögen zur Deckung des Lebensunterhalts ausgereicht hätte (in diesem Sinne auch Sächsisches LSG Urteil vom 13.03.2008 – L 2 AS 143/07; LSG Berlin-Brandenburg Urteil vom 12.03.2010 – L 5 AS 2340/08; LSG Baden-Württemberg Urteil vom 22.07.2011 – L 12 AS 4994/10; LSG Niedersachsen-Bremen Urteil vom 03.04.2014 – L 7 AS 827/12).
2. Der Senat folgt der Gegenauffassung (LSG Sachsen-Anhalt Urteil vom 25.07.2012 – L 5 AS 55/10; SG Karlsruhe Urteil vom 30.06.2011 – S 13 AS 1217/09 für das Recht der Ausbildungsförderung BVerwG Beschluss vom 18.07.1986 – 5 B 10/85) hinsichtlich der Einschränkung des Erstattungsbetrags aus Billigkeitsgründen nicht.
3. Auch soweit in der Literatur (vgl. Berlit, info also 2011, 225, 226) versucht wird, eine Korrektur des als unbillig empfundenen Ergebnisses über die Annahme einer besonderen Härte im Sinne des § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 SGB II vorzunehmen, überzeugt dieser Ansatz nicht, weil die tatbestandlichen Voraussetzungen der Norm nicht vorliegen.
4. Von einer Unbilligkeit der Einziehung der Forderung ist zudem in der Regel auszugehen, wenn die Einziehung für den Schuldner existenzgefährdend oder existenzvernichtend wirken würde (vgl. Beschluss des Senats vom 24.10.2016 – L 7 AS 882/16 B, Rn. 16, wird hier zu prüfen sein – § 44 SGB II).
Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de
Rechtstipp:
Ebenso Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Beschluss v. 27.10.2016 – L 11 AS 107/15
Hinweis:
Hohe Hartz-IV-Rückforderung wegen bewusst verschwiegenen Vermögens, ein Beitrag von RA Dipl.-Jur. Thorsten Blaufelder, Kanzlei Blaufelder
Geben Hartz-IV-Bezieher vorsätzlich jahrelang ein über den Freibeträgen liegendes Vermögen nicht beim Jobcenter an, müssen sie sämtliche seitdem erhaltene Leistungen wieder zurückzahlen. Da wegen des Vermögens nie Hilfebedürftigkeit bestanden hat, sei Arbeitslosengeld II auch nie rechtmäßig gewährt worden, entschied das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen in einem aktuell veröffentlichten Urteil vom 29.06.2017 (Az: L 7 AS 395/16). Das Jobcenter müsse die Rückforderungen auch nicht auf das Vermögen begrenzen, das über der Freibetragsgrenze liegt, so die Essener Richter.
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1.4 – Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Beschluss v. 30.09.2017 – L 11 AS 378/17 B ER – rechtskräftig
Grundsicherung: Jobcenter muss nicht bei Scheingeschäften zahlen
Das LSG Celle-Bremen hat sich im Streit um die Gewährung vorläufiger SGB II-Leistungen mit der Frage befasst, ob es sich bei familiär geleisteten Geldzahlungen um einen Darlehensvertrag oder um eine verdeckte Schenkung handelt.
Quelle: Pressemitteilung des LSG Celle-Bremen Nr. 12/2017 v. 07.08.2017
Zum Volltext: sozialgerichtsbarkeit.de
Hinweis:
Darf sich ein Hartz-IV-Empfänger kein Geld leihen?
Das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen (LSG) entschied jüngst: Hartz-IV-Empfänger dürfen sich nur unter bestimmten Bedingungen Geld leihen. Sonst drohen Kürzungen.
Leiht sich ein Hartz-IV-Empfänger größere Summen von einem Angehörigen, könnten ihm „Scheingeschäfte“ vorgeworfen werden – und somit das Hartz IV (Arbeitslosengeld II) gekürzt oder gar gestrichen werden. Das entschied das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen (LSG) am 27. Juni (L 11 AS 378/17 B ER).
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dazu Leitsatz von Dr. Manfred Hammel
1. Bei einem „Privaten Darlehens-Nothilfevertrag“ handelt es sich um ein für das Jobcenter weitgehend unbeachtliches, sog. Scheingeschäft, weil aus dieser Vereinbarung überhaupt keine faktisch durchsetzbaren Rückzahlungspflichten von Antragsteller/innen hervorgehen, z. B. weder die Darlehens- noch die Vertragslaufzeit fest geregelt ist und eine Rückzahlung erhaltener Geldmittel weder erfolgte noch erkennbar ernsthaft geltend gemacht wird.
2. Von einer Hilfebedürftigkeit im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 3 SGB II in Verbindung mit § 9 Abs. 1 SGB II ist aber dann auszugehen, wenn die Höhe der solchermaßen zufließenden „Darlehensmittel“ nicht abschätzbar ist, und das Einkommen aus dem Gewerbebetrieb, die ausgeübte abhängige Beschäftigung sowie das Kindergeld zur Existenzsicherung nicht ausreicht.
1.5 – Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 27.04.2017 – L 15 SF 18/16 EK AS
Leitsatz (Juris)
1. Eine Geldentschädigung gem. § 198 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 S. 1 u. 3 GVG wegen der überlangen Dauer eines gerichtlichen Verfahren stellt Einkommen im Sinne von § 11 Abs. 1 SGB II dar. Der Entschädigungsanspruch eines Beziehers von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes geht daher bei Gleichzeitigkeit der Leistungserbringung und dem Entstehen des Entschädigungsanspruches gem. § 33 Abs. 1 S. 1 SGB II auf den Leistungsträger über. Dies hat den Wegfall der für eine Entschädigungsklage erforderlichen Aktivlegitimation des Leistungsberechtigten zur Folge.
2. Bei der Entschädigung von immateriellen Nachteilen gem. § 198 GVG handelt es sich nicht um eine zweckgebundene Leistung im Sinne von § 11a Abs. 3 SGB II.
3. Der Entschädigungsanspruch entsteht nicht erst mit Erhebung der Verzögerungsrüge, sondern bereits mit der Erfüllung der gesetzlichen Anspruchsvoraussetzungen (jeweiliger Monat einer zu entschädigenden überlangen Verfahrensdauer).
Quelle: www.rechtsprechung.niedersachsen.de
Rechtstipp:
a. A. Dem diesbezüglich eine andere Ansicht zumindest in Erwägung ziehenden 10. Senat des LSG Niedersachsen-Bremen (Beschluss vom 28. April 2016 – L 10 SF 22/15 EK AS unter Verweis auf Söhngen in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 4. Aufl. 2015, § 11a Rn. 38), der den Zweck der Geldentschädigung nach § 198 GVG auf eine vom Gesetzgeber beabsichtigte Wiederherstellung der durch das überlange Verfahren beeinträchtigten Lebensqualität reduziert, daher eine zweckbestimmte Leistung i.S. von § 11 a Abs. 3 S. 1 SGB II bejaht und im Weiteren eine Zweckidentität der Entschädigung mit unterhaltssichernden Leistungen nach dem SGB II „eher“ verneint, folgt der erkennende Senat nicht.
1.6 – Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 16.05.2017 – L 7 AS 87/17 B
Leitsatz (Juris)
1. Der Antrag auf Zusicherung der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs. 4 SGB II kann auch einen Antrag auf Zusicherung bezüglich einer Mietkaution nach § 22 Abs. 6 SBG II umfassen.
2. Nach erfolgtem Umzug in die neue Wohnung ist die zuvor erhobene Klage zwecks Erteilung der Zusicherung in eine Anfechtungs- und Verpflichtungsklage auf Gewährung der Mietkaution des Darlehens umzustellen.
Quelle: www.rechtsprechung.niedersachsen.de
1.7 – Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Beschluss v. 27.03.2017 – L 5 AS 176/17 B ER – rechtskräftig
Die Rechtsansicht des Hilfebedürftigen, zur Mitwirkung bei der Beantragung der vorzeitigen Altersrente wegen der Teilnahme am Bundesfreiwilligendienst nicht verpflichtet zu sein, rechtfertigt sein Verhalten nicht. Ihm ist es zuzumuten, seinen Mitwirkungspflichten der Deutschen Rentenversicherung Mitteldeutschland gegenüber nachzukommen. Denn er hat die Möglichkeit, gegen den Bewilligungsbescheid der Rente Widerspruch zu erheben und auf die aufschiebende Wirkung zu verzichten (Vgl. BSG, Urteil vom 13. August 2015, B 14 AS 1/15 R).
Leitsatz (Juris)
1. Zu den Anforderungen an eine Rücknahme der Rentenantragstellung durch das Jobcenter nach § 5 Abs 3 SGB II im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes.
2. Kann eine Altersrente wegen fehlender Mitwirkung des Leistungsberechtigten bei der Ausfüllung der Rentenformulare nicht bewilligt werden, kommt eine Leistungsentziehung oder -versagung nach § 66 SGB I in Betracht.
Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de
1.8 – Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Beschluss v. 29.05.2016 – L 5 AS 649/16 B ER – rechtskräftig
Zur vorläufigen Verpflichtung des Jobcenters (JC) zur Übernahme der Kosten für den Austausch einer Heizungsanlage (hier verneinend)
Leitsatz (Juris)
1. § 22 Abs 2 SGB II findet keine direkte Anwendung, wenn kein selbst genutztes Wohneigentum iSv § 12 Abs 3 Satz 1 Nr 4 SGB II bewohnt wird. Dies liegt nicht vor, wenn im Grundbuch lediglich eine Auflassungsvormerkung eingetragen ist.
2. Die Übernahme der Kosten für den Einbau einer neuen Heizungsanlage setzt zudem voraus, dass die Aufwendungen unerlässlich sind. Im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens ist glaubhaft zu machen, dass eine Reparatur wirtschaftlich unvertretbar ist. Ferner ist glaubhaft zu machen, dass eine Teil- oder Vollfinanzierung nicht ohne wesentlichen Nachteil mit eigenen Mitteln möglich ist.
Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de
2. Entscheidungen der Sozialgerichte zur Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II)
2.1 – Sozialgericht Kiel, Beschluss vom 26. Juli 2017 (Az.: S 32 AS 142/17.ER):
Leitsatz Dr. Manfred Hammel
Wenn im Bereich eines Jobcenters ein vollkommen neuer qualifizierter Mietspiegel im Sinne von § 558d BGB Gültigkeit hat, der mit der sog. Regressionsmethode erstellt wurde, die mit einer kleineren Stichprobe auskommt, d. h. neue Mietobergrenzen weder ermittelt noch veröffentlicht wurden, dann ist dem SGB II-Träger eine angemessene Übergangszeit einzuräumen, in der weiterhin die bisherigen Mietobergrenzen als Grundlage für die Bestimmung der Angemessenheit von unterkunftsbezogenen Kosten gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II herangezogen werden können.
Angesichts der verstrichenen Zeit seit dem Ablauf der Geltungszeit des Mietspiegels 2014 ist es geboten, dass bei der bisherigen Mietobergrenze ein pauschaler Mietpreisentwicklungszuschlag von zehn v. H. bei der bisherigen Mietobergrenze berücksichtigt wird.
Rechtstipp:
SG Kiel: Kieler Mietobergrenzen sind seit Dezember 2016 um 10 Prozent zu erhöhen, ein Beitrag von RA Helge Hildebrandt
weiter: sozialberatung-kiel.de
3. Entscheidungen der Landessozialgerichte zur Sozialhilfe (SGB XII)
3.1 – Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht, Urt. v. 25.01.2017 – L 9 SO 31/13 – rechtskräftig
Zur Übernahmepflicht von Bestattungskosten durch den Beklagten.
Leitsatz (Redakteur)
1. Es ist nicht Aufgabe der Sozialhilfe, einen Bedürftigen vor der gegebenenfalls unangenehmen Inanspruchnahme leistungspflichtiger Familienangehöriger zu bewahren (vgl. bereits der erkennende Senat durch Beschluss vom 9. Oktober 2008, L 9 B 434/08 SO ER; ebenso LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 14. April 2016, L 7 SO 81/15; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 29. Oktober 2008, L 12 SO 3/08).
2. Im vorliegenden Fall ist dabei insbesondere noch zu berücksichtigen, dass der jetzige Kläger Insolvenzverwalter des Vermögens des H K ist und ihm insofern ein Herantreten an Familienangehörige des H K noch eher zugemutet werden kann als dem betroffenen Familienmitglied selbst. Warum es ihm nicht zumutbar sein sollte, die Geltendmachung etwaiger Ausgleichsansprüche zumindest außergerichtlich zu versuchen, ist nicht ersichtlich.
Leitsatz (Juris)
1. Beruft sich ein zur Bestattung Verpflichteter allein darauf, dass er über die Einkommens- und Vermögensverhältnisse von gleichrangig Verpflicheten keine Angaben machen könne, genügt dies der Selbsthilfeobliegenheit nicht. Auch wenn mit der Rechtsprechung des BSG die Durchführung eines Zivilprozesses mit ungewissem Ausgang nicht zu verlangen ist, kann sich der Kläger nicht auf bloßes Nichtstun beschränken. Zumindest der Versuch einer außergerichtlichen Geltendmachung zivilrechtlicher Ausgleichsansprüche ist zumutbar.
2. Anforderungen an einen Terminsverlegungsantrag kurz vor dem Termin zur mündlichen Verhandlung
Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de
3.2 – Landessozialgericht Baden-Württemberg, Beschluss v. 31.07.2017 – L 7 SO 2557/17 ER-B
Der Leistungsausschluss nach § 23 Abs 3 SGB XII in der ab dem 29. Dezember 2016 geltenden Neufassung findet keine Anwendung für Bürgerinnen und Bürger von Unterzeichnerstaaten des Europäischen Fürsorgeabkommens (EFA).
Leitsatz (Juris)
Das Europäische Fürsorgeabkommens (EFA) gilt für Staatsangehörige von Signatarstaaten bereits dann, wenn sie zwar noch keine gültige Aufenthaltserlaubnis haben, jedoch die materiellen Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis vorliegen und die Erteilung einer solchen Erlaubnis lediglich in Folge einer Nachlässigkeit des Beteiligten unterblieben ist.
Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de
4. Entscheidungen der Sozialgerichte zum Asylrecht
4.1 – Sozialgericht Dresden, Beschluss v. 07.07.2017 - S 20 AY 29/17 ER
Dauerhafte Anspruchseinschränkung nach § 1a AsylbLG bei langjährigem Aufenthalt rechtswidrig
Leitsatz (Redakteur)
Es verstößt gegen die Menschenwürde des Antragstellers, ihm nach mehr als 17 Jahre langem Aufenthalt in Deutschland große Teile des menschenwürdigen Existenzminimums bereits über 1 ½ Jahre lang vorzuenthalten, obwohl der Antragsgegner offenbar über keinerlei Strategie oder Konzept zur Aufenthaltsbeendigung in absehbarer Zeit verfügt.
Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de
5. Verschiedenes zu Hartz IV, zur Sozialhilfe, zum Asylrecht, Wohngeldrecht und anderen Gesetzesbüchern
5.1 – Das Pfändungsschutzkonto, ein Beitrag von Rechtsanwalt Jan Bergmann, Piper & Partner Rechtsanwälte
Pfändungsschutzkonto oder P-Konto
Damit Sie auch bei einer Kontopfändung an Ihr Geld kommen, gibt es nur noch Pfändungsschutz über ein Pfändungsschutzkonto, umgangssprachlich auch P-Konto genannt.
Eine durch einen Gläubiger ausgebrachte Kontopfändung führt dazu, dass dieses vollständig gesperrt ist. Es können anfallende Zahlungsverpflichtungen wie Miete, Strom, Versicherungen usw. nicht mehr bedient werden. Als Kontoinhaber kommen Sie nicht mehr an Ihr Geld. Damit Sie aber wenigstens über einen bestimmten Geldbetrag (pfändungsfreier Betrag) verfügen konnten, mussten Sie bis zum 31.12.2011 beim zuständigen Amtsgericht die Freigabe des Kontos über eine bestimmte Höhe erwirken, was sehr oft mehrere Wochen dauern konnte.
Damit dieses für alle Beteiligten umständliche Verfahren vereinfacht wird, hat der Gesetzgeber mit dem 01.01.2012 die Einführung des Pfändungsschutzkontos, umgangssprachlich auch P-Konto genannt, eingeführt.
weiter: www.anwalt.de
5.2 – KiZ-Lotse: Interaktive Berechnungshilfe zum Kinderzuschlag
Ein neues, innovatives Angebot ergänzt nun diesen Service: Der KiZ-Lotse ist eine interaktive Berechnungshilfe, mit der potenzielle Antragsteller schnell und einfach feststellen können, ob für sie ein Anspruch auf Kinderzuschlag besteht. In moderierten Videos wird die persönliche Situation von Kundinnen und Kunden abgefragt. Mehr als 16 unterschiedliche Beratungsvideos stehen zur Verfügung, damit möglichst schnell und mit wenigen Eingaben ein Ergebnis angezeigt werden kann. Auch bei Sonderfällen oder fehlenden Anspruchsvoraussetzungen lässt der KiZ-Lotse den Anwender nicht im Regen stehen. Für jeden Fall werden weiterführende Hilfen angeboten oder auf ein notwendiges Beratungsangebot hingewiesen. Die Kundinnen und Kunden können sich somit trotz räumlicher Entfernung schnell und einfach von zu Hause über den Kinderzuschlag informieren und einen individuellen Anspruch prüfen.
Der KiZ-Lotse ist unter www.familienkasse.de und www.berufe.tv ab sofort verfügbar: www.berufe.tv
Verfasser des Rechtsprechungstickers: Redakteur von Tacheles Detlef Brock
Quelle: Tacheles-Rechtsprechungsticker, www.tacheles-sozialhilfe.de