Tacheles Rechtsprechungsticker KW 40/2017

1.   Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Grundsicherung (SGB II)

1.1 – BVerfG, 05.09.2017 – 1 BvQ 46/17

Erfolgloser Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung betreffend die vorläufige Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts

Kurzfassung:
Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts – und die einstweilige Anordnung des Bundesverfassungsgerichts
Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 32 Abs. 1 BVerfGG, vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II zu gewähren, liegen nicht vor, wenn der Antragsteller den von ihm geltend gemachten Anspruch auf existenzsichernde Leistungen teilweise auf Unterlagen stützt, die den Fachgerichten bei ihrer Beschlussfassung nicht vorgelegen haben.
Es bedurfte daher im vorliegenden Fall keiner Entscheidung, ob die gerichtliche Schlussfolgerung, der Antragsteller habe in den vergangenen Monaten so wenig Geld zur Verfügung gehabt, dass er anzurechnende Hilfe durch Dritte erhalten haben müsse1, verfassungsrechtlich tragfähig ist oder ob im Hinblick auf Art.19 Abs. 4 GG eine Entscheidung über die vorläufige Leistungsgewährung auf Grundlage einer Folgenabwägung nahe gelegen hätte2.

Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 5. September 2017 – 1 BvQ 46/17: dejure.org

2.   Entscheidungen des Bundessozialgerichts vom 24.05.2017 zur Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II)

2.1 – BSG, Urteil v. 24.05.2017 – B 14 AS 32/16 R

Grundsicherung für Arbeitsuchender – Einkommensberücksichtigung – Einbehalt eines Teils des Arbeitsentgelts durch den Arbeitgeber – Arbeitgeberdarlehen zur Finanzierung eines Kraftfahrzeuges – keine Berücksichtigung der Schuldentilgung – bereite Mittel

Mindert der Einbehalt von monatlich 100 Euro zur Rückführung eines – zur Finanzierung eines Kraftfahrzeugs verwandten – Arbeitgeberdarlehens durch den Arbeitgeber das zu berücksichtigende Einkommen nach dem SGB 2?

Leitsatz (Redakteur)
1. Die zur Darlehenstilgung einbehaltenen Beträge sind als zu berücksichtigendes Einkommen anzusehen.

2. Entscheidend dafür ist allein, dass die Verbindlichkeit des Klägers bei seinem Arbeitgeber durch den Abrede gemäßen Lohneinbehalt monatlich um 100 Euro reduziert worden ist und der Kläger insoweit einen wertmäßigen Zuwachs um diesen Betrag erlangt hat (zur Qualifizierung von Darlehensrückzahlungen als Einkommen vgl nur BSG vom 16.5.2012 – B 4 AS 132/11 R).

3. Der Berücksichtigung des zur Tilgung eines Arbeitgeberdarlehens einbehaltenen Arbeitsentgelts als Einkommen stehen anders als mit der Revision geltend gemacht die Grundsätze zum bereiten Mittel jedenfalls dann nicht entgegen, wenn dem Leistungsberechtigten ausreichend Mittel zur Deckung des Existenzminimums verbleiben.

4. Die einbehaltenen Beträge sind nicht als mit der Erzielung des Einkommens verbundene notwendige Ausgabe iS von § 11b Abs 1 Satz 1 Nr 5 SGB II von dem zu berücksichtigenden Einkommen abzusetzen, denn die Anschaffung eines Pkw ist schon einkommensteuerrechtlich durch einen Arbeitnehmer, wenn es sich bei dem Fahrzeug nicht um ein Arbeitsmittel handelt, stets ein privater Vorgang (BFH vom 1.10.1982 – VI R 192/79 – BFHE 136, 488), was eine Berücksichtigung damit verbundener Aufwendungen als notwendige Ausgabe iS von § 11b Abs 1 Satz 1 Nr 5 SGB II über die Beträge nach § 6 Abs 1 Nr 3 Buchst a Alg II-V aF hinaus grundsätzlich schon im Ansatz ausschließt (vgl zum Verhältnis zwischen steuerrechtlichen Werbungskosten und der Einkommensbereinigung nach dem SGB II nur BSG vom 19.6.2012 – B 4 AS 163/11 R; BSG vom 11.12.2012 – B 4 AS 27/12 R).
 
Quelle: juris.bundessozialgericht.de

3.   Entscheidungen der Landessozialgerichte zur Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II)

3.1 – Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss v. 15.09.2017 – L 14 AS 1469/17 B ER – rechtskräftig

Eingliederungsvereinbarung ersetzt auch Verwaltungsakt – Anforderungen an konkreten Bezug auf Vermittlungsrelevante Umstände und auf Verpflichtungen des Leistungsberechtigten – gesundheitsbedingt eingeschränkte Vermittelbarkeit

Leitsatz (Redakteur)
Der die Eingliederungsvereinbarung ersetzende Verwaltungsakt entspricht nicht den im Rahmen der EV gemäß § 15 Abs. 1 S. 2 SGB II einzuhaltenden Mindestanforderungen und ist daher rechtswidrig. Es fehlt den Festsetzungen an der hinreichenden Bestimmtheit und an der notwendigen Verbindlichkeit.

Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de

3.2 – Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss v. 31.08.2017 – L 31 AS 1462/17 B ER – rechtskräftig

Bedürftigkeit – Einkommen aus Straftaten – bereite Mittel

Leitsatz (Juris)
1.) Ein der Aufhebung unterliegender Bescheid erweist sich im Sinne des § 45 SGB X schon dann als rechtswidrig, wenn die Voraussetzungen für die Bewilligung anders als bei der ursprünglichen Bewilligung nicht mehr festgestellt werden können.

2.) Aus Straftaten erlangte Vermögens- oder Einkommenswerte sind bei der Bedürftigkeitsprüfung erst dann nicht mehr zu berücksichtigen, wenn sie nicht mehr der Verfügungsgewalt des Anspruchssteller unterliegen.

3.) Das Jobcenter ist nicht Ausfallbürge für Rückforderungen Dritter aus vom Antragssteller begangenen Straftaten.

Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de

3.3 – Hessisches Landessozialgericht, Beschluss v. 28.08.2017 – L 9 AS 228/17 B ER

SGB-II-Leistungen -  Einstweiliger Rechtsschutz Aufwendungen zur Erfüllung gesetzlicher Unterhaltsverpflichtungen -  Absetzung vom Einkommen verneint -  Tatsächlich erbrachte Aufwendungen

Es ist bereits zweifelhaft, ob die notarielle Unterhaltsurkunde eine notariell beurkundete Unterhaltsvereinbarung i. S. d. § 11b Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 SGB II sei, weil der Sohn des Antragstellers nicht an der Erklärung beteiligt gewesen sei.

Leitsatz (Redakteur)
1. Zumindest in den Fällen, in denen eine gesetzliche Unterhaltspflicht offensichtlich nicht besteht oder in denen der dem Grunde nach Unterhaltsverpflichtete sich einseitig zu Zahlungen verpflichtet, sind die SGB II – Träger und die Gerichte befugt, die Frage der gesetzlichen Unterhaltspflicht zu überprüfen.

2. Titulierte Unterhaltszahlungen, die nicht auf einer gesetzlichen Verpflichtung beruhen, sind nicht als Absetzbeträge vom Einkommen zu berücksichtigen (BSG, Urteil vom 9. November 2010 – B 4 AS 78/10 R). Der Umstand, dass die Verwaltung im Rahmen des § 11b Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 SGB II jedenfalls im Regelfall von der eigenständigen Ermittlung gesetzlicher Unterhaltsansprüche entlastet werden soll, schließt eine Prüfung, ob die Aufwendungen der “Erfüllung gesetzlicher Unterhaltspflichten” dienen, nicht aus (BSG, Urteil vom 8. Februar 2017 – B 14 AS 22/16 R; noch offen gelassen von BSG, Urteil vom 9. November 2010 – B 4 AS 78/10 R; abweichend noch Schleswig-Holsteinisches LSG, Beschluss vom 23. März 2012 – L 6 AS 32/12 B ER; LSG für das Land NRW, Beschluss vom 20. August 2012 – L 12 AS 918/12 B).

3. Zumindest in den Fällen, in denen eine gesetzliche Unterhaltspflicht offensichtlich nicht besteht oder in denen der dem Grunde nach Unterhaltsverpflichtete sich einseitig zu Zahlungen verpflichtet, sind die SGB II – Träger und die Gerichte befugt, die Frage der gesetzlichen Unterhaltspflicht zu überprüfen.
 
Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de

3.4 – Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Urt. v. 10.05.2017 – L 4 AS 14/16 – rechtskräftig

Leitsatz (Juris)
1. Bei der Ablehnung eines Antrags auflaufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II gilt für das Widerspruchsverfahren, dass die Dauer eines Bewilligungszeitraums den (verwaltungs-)verfahrensrechtlichen Streitgegenstand begrenzt. Eine solche Begrenzung kommt – wie bei im Klageverfahren zu überprüfenden Ablehnungsbescheiden – aber nur in Betracht, wenn dem Widerspruchsverfahren ein Bewilligungsbescheid zugrunde liegt, mit dem Begehren eines Antragstellers zumindest teilweise entsprochen worden ist.

2. Mit der vorläufigen Bewilligung eines Zuschusses zu den Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung kann – abhängig von der Formulierung der Entscheidung im Einzelfall – die endgültige Ablehnung des Antrags auf Arbeitslosengeld II für die weiteren Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft verbunden sein. Ähnliches gilt, wenn die vorläufige Bewilligung des Zuschusses zu den Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung mit Wirkung für die Zukunft ganz aufgehoben wird.

Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de

3.5 – Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 23.08.2017 – L 13 AS 133/17

Sozialgerichtliches Verfahren – Statthaftigkeit der Berufung – Ablehnung eines unstatthaften Antrags auf mündliche Verhandlung durch Beschluss

Leitsatz (Juris)
Ein zwar rechtzeitig gestellter, aber gemäß § 105 Abs. 2 S. 2 SGG unstatthafter Antrag auf mündliche Verhandlung, bewirkt nicht, dass der Gerichtsbescheid als nicht ergangen gilt (§ 105 Abs. 3 Hs. 2 SGG). Über einen derartigen Antrag hat das Sozialgericht durch Beschluss zu entscheiden.

Quelle: www.rechtsprechung.niedersachsen.de

3.6 – Sächsisches Landessozialgericht, Urteil v. 04.05.2017 -   L 3 AS 99/12 -  rechtskräftig

Zur Nichtanerkennung der Tilgungskosten für das von ihm bewohnte Hausgrundstück.

Leitsatz (Redakteur)
Allein ein geringer Kaufpreis und entsprechend niedrige Tilgungsraten rechtfertigt nicht die Übernahme der Finanzierung durch den Sozialleistungsträger. Auch bei einem niedrigen Kaufpreis verbleibt es dabei, dass in einem solchen Fall der Aspekt des Vermögensaufbaus aus Mitteln der Existenzsicherung im Vordergrund steht und gerade nicht der Zweck, einem Leistungsempfänger die Beibehaltung der Wohnung zu ermöglichen.

Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de

3.7 – LSG NRW, Beschluss v. 08.09.2017 – L 2 AS 1437/17 B

Leitsatz RA Lars Schulte-Bräucker
1. Bei einem Streit über die Rechtmäßigkeit eines verhängten Hausverbotes ist der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit eröffnet, unter Berufung auf BSG, Beschluss vom 21.7.14, B 14 SF 1/14 R.

2. Das Hausverbot muss dafür im engen sachlichen Zusammenhang mit der Verwaltungstätigkeit der Behörden nach dem SGB II stehen.

3. Eine Einschränkung von künftigen möglichen Vorsprachen in eigenen Angelegenheiten begründet eine solche Sachnähe.

Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de

3.8 – Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 01.09.2017 – L 21 AS 1441/17 B ER – rechtskräftig

Keine Bewilligung von Leistungen für die Kinder mittels einstweiliger Verpflichtung, wenn vom Anwalt nur Leistungen für die Eltern beantragt wurden.

Leitsatz (Redakteur)
1. Bei einem von einem Rechtsanwalt oder einem anderen qualifizierten Prozessbevollmächtigten gestellten Antrag ist in der Regel anzunehmen, dass dieser das Gewollte richtig wiedergibt (Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 30.11.2015, L 19 AS 1713/15 B ER – unter Hinweis auf BSG, Beschluss vom 05.06.2014, B 10 ÜG 29/13 B).

2. Die Kinder der Antragsteller sind nicht Beteiligte des erstinstanzlichen Verfahrens gewesen. Der Antrag auf Erlass einer Regelungsanordnung betreffend Leistungen nach dem SGB II ist ausschließlich von den anwaltlich vertretenen Antragstellern gestellt worden. Im Hinblick auf den eindeutigen Wortlaut der Antragsschrift und dem Charakter der Leistungsansprüche nach dem SGB II als Individualansprüche eines jeden einzelnen Mitglieds der Bedarfsgemeinschaft (BSG, Urteil vom 23.05.2013, B 4 AS 67/12 R) ist die rechtsanwaltlich verfasste Antragsschrift auch nicht im Wege des Meistbegünstigungsgrundsatzes dahingehend auslegbar, dass neben den Antragstellern auch deren Kinder einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gestellt hätten. Die Regelung des § 38 Abs. 1 SGB II (Bevollmächtigungsvermutung) erfasst ausschließlich das Verwaltungsverfahren, nicht dagegen das gerichtliche Verfahren (BSG, Urteil vom 02.07.2009, B 14 AS 54/08 R, und Urteil vom 07.11.2006, B 7b AS 8/06 R).

Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de

4.   Entscheidungen der Sozialgerichte zur Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II)

4.1 – Sozialgericht Nordhausen, Urteil v. 29.05.2017 – S 31 AS 1908/15 – rechtskräftig

Leitsatz (Juris)
1. Voraussetzung für die Rückwirkung eines Antrages auf SGB II – Leistungen nach § 28 SGB X ist, dass der Hilfebedürftige zuvor erfolglos eine vergleichbare Sozialleistung beantragt hat.

2. Die Einstellung der Vermittlung nach § 38 Abs. 3 Satz 2 SGB III ist keine solche vergleichbare Sozialleistung.

Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de

4.2 – Sozialgericht Magdeburg vom 12.09.2017 – S 47 AS 3686/13

Leitsatz RA Michael Loewy
1. Die Richtlinie des Landkreises Harz zur Bestimmung der Angemessenheit der Unterkunftskosten nach dem SGB II basiert bezüglich der Gemeinde Nordharz auf keinem schlüssigen Konzept (Firma Analyse & Konzepte), weil der maßgebliche Vergleichsraum unzutreffend bestimmt ist (vgl. LSG Sachsen-Anhalt vom 11.05.2017 – L 5 AS 547/16).

2. Mangels Vorliegens geeigneter anderer Datengrundlagen ist zur Bestimmung des maximal angemessen Mietpreises auf die Tabelle zu § 12 WoGG zzgl. eines Sicherheitszuschlages von 10 Prozent zurückzugreifen. [noch nicht rechtskräftig]

Quelle: www.anwaltskanzlei-loewy.de

4.3 – Sozialgericht Augsburg, Urt. v. 07.09.2017 – S 8 AS 621/17

Zur Frage eines Anspruchs auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für rumänische Staatsangehörige

Leitsatz (Juris)
1. Leistungsausschluss bejaht nach Auszug des Ehemanns nach fristloser Kündigung.

2. Ein Unionsbürger, der seine Beschäftigung durch fristlose Kündigung wegen des Verdachts des Diebstahls verliert, kann sich nicht auf die Fortwirkung der Arbeitnehmereigenschaft berufen. Es liegt kein Fall der unfreiwilligen Arbeitslosigkeit im Sinne des FreizügG/EU vor. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)

3. Trennen sich Eheleute endgültig, kann ein Aufenthaltsrecht nicht mehr abgeleitet werden, denn ein Begleiten oder Nachziehen im Sinn des § 3 Abs. 1 S. 1 FreizügG/EU ist dann nicht mehr denkbar. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)

4. Der Leistungsausschluss von Unionsbürgern im SGB II begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. (Rn. 41) (redaktioneller Leitsatz)

5. Die im Dezember 2016 durch das Gesetz zur Regelung von Ansprüchen ausländischer Personen in der Grundsicherung für Arbeitssuchende und in der Sozialhilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch erfolgten Änderungen an beiden Gesetzen belegen, dass der Gesetzgeber hilfebedürftige Personen maßgeblich nach dem Kriterium der Erwerbsfähigkeit bzw. deren Fehlen entweder dem Sicherungssystem des SGB II oder alternativ dem des SGB XII zuweisen will. (Rn. 46) (redaktioneller Leitsatz)

Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de

5.   Entscheidungen der Sozialgerichte zum Asylrecht

5.1 – Sozialgericht Kassel – Az.: S 11 AY 4/17 ER vom 11.09.2017

Normen: § 3 AsylbLG, § 2 AsylbLG – Schlagworte: Einstweilige Anordnung, Analogleistungen, Kirchenasyl, Kein Rechtsmißbrauch durch Kirchenasyl

Hinweis Gericht:
Dazu folgt die erkennende Kammer den entsprechenden Ausführungen des SG Stade im Beschluss vom 17.03.2016 (S 19 AY 1/16 ER, zitiert nach juris, Rd.-Nr. 14 ff.). Das SG Stade verneint bei Wahrnehmung des Kirchenasyls einen Rechtsmissbrauch im Sinne von § 2 AsylbLG. Es verweist dabei auch nach Auffassung der erkennenden Kammer zutreffend auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) im Urteil vom 17.06.2008 (B 8/9 AY 1/07 R).

Quelle: Rechtsanwalt Sven Adam, Lange Geismarstraße 55, 37073 Göttingen:
 www.anwaltskanzlei-adam.de

Rechtstipp:
Sozialgericht Stade, Beschluss vom 17. März 2016 (Az.: S 19 AY 1/16 ER):

Leitsatz Dr. Manfred Hammel
1. Verzichtet die staatliche Gewalt zeitweise darauf, die Ausreisepflicht durchzusetzen, dann handelt die einzelne nichtdeutsche Person in keiner Weise rechtsmissbräuchlich im Sinne des § 2 Abs. 1 AsylbLG.

2. Entsprechendes ist auch gegeben, wenn die Ausländerbehörde ein Kirchenasyl tatsächlich beachtet und den Aufenthalt des Ausländers während der Dauer des Kirchenasyls duldet.

3. Dass Kirchen nichtdeutschen, mit einer drohenden Abschiebung konfrontierten Personen ein Kirchenasyl anbieten, ist mit den moralischen Werten unserer Gesellschaft vereinbar und wird auch von den Behörden respektiert.

4. Dies gilt gerade dann, wenn das Kirchenasyl dem Ausländeramt sofort zur Kenntnis gegeben und von den zuständigen Ämtern toleriert wird.

6.   Verschiedenes zu Hartz IV, zur Sozialhilfe, zum Asylrecht, Wohngeldrecht und anderen Gesetzesbüchern

6.1 – BVerfG, Beschl. v. 14.09.2017 – 2 BvQ 56/17: Missbrauchsgebühr wegen falscher Angaben zur Eilbedürftigkeit der Abschiebung

BVerfG, Beschl. v. 14.09.2017 – 2 BvQ 56/17
Normen: Art 19 Abs 4 GG, § 32 Abs 1 BVerfGG, § 34 Abs 2 BVerfGG, § 71 Abs 5 S 2 AsylVfG 1992, § 59 Abs 1 S 8 AufenthG 2004
Ablehnung des Erlasses einer eA bzgl einer Abschiebung nach Afghanistan: Substantiierungsmangel bei Nichtvorlage der ergangenen Bescheide – Zur Frage des Rechtsschutzbedürfnisses in Fällen des § 59 Abs 1 S 8 AufenthG – Auferlegung einer Missbrauchsgebühr zu Lasten des Bevollmächtigten bei grob irreführenden Angaben über Eilbedürftigkeit.

Quelle: dejure.org

6.2 – Vorschriften zur abschlagsfreien Rente ab 63 verfassungsgemäß – BSG, 17.08.2017 – B 5 R 8/16 R, B 5 R 16/16 R

weiter: juris.bundessozialgericht.de

Anmerkung von Prof. Dr. Mathias Ulmer, RiLSG zu LSG Mainz, 06.07.2017 – L 5 KR 135/16: Arbeitsunfähigkeit im EU-Ausland
Autor: Prof. Dr. Mathias Ulmer, RiLSG
Erscheinungsdatum: 28.09.2017
Normen: § 6 SGB 4, § 30 SGB 1, § 16 SGB 5, § 216 RVO, Art 6 GG, Art 3 GG, § 60 SGB 1, § 52 SGB 5, 32004R0883, 31972R0574, 32009R0987
Zitiervorschlag: Ulmer, jurisPR-SozR 19/2017 Anm. 1
Quelle: juris
Arbeitsunfähigkeit im EU-Ausland

Leitsatz
Art. 21 Abs. 1 VO (EG) 883/04 geht § 16 SGB V vor. Eine in Deutschland getroffene Feststellung von Arbeitsunfähigkeit verliert grundsätzlich nicht dadurch ihre Wirkung, dass der Versicherte sich danach überwiegend im EU-Ausland aufhält.

weiter: www.juris.de

6.3 – Vorläufige Bewilligungsbescheide und Klagemöglichkeiten, ein Beitrag v. Herbert Masslau

Vorbemerkung
Die Vorläufigkeit von Bewilligungsbescheiden ist im SGB II seit Einführung des Neunten Gesetzes zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch zum 1. August 2016 [1] in § 41a SGB II manifestiert. Diese war vorher in § 40 Abs. 1 Nr. 1a SGB II a.F. geregelt und 2006 eingeführt worden [2], ab 2011 als § 40 Abs. 2 Nr. 1 SGB II a.F. [3]. Die Vorläufigkeit nach § 40 SGB II greift dabei auf die Regelung nach § 338 SGB III a.F./n.F. zurück.

weiter: www.herbertmasslau.de

Verfasser des Rechtsprechungstickers: Redakteur von Tacheles Detlef Brock

Quelle: Tacheles-Rechtsprechungsticker, www.tacheles-sozialhilfe.de