Tacheles Rechtsprechungsticker KW 52/2017

1.  Entscheidungen des Bundessozialgerichts vom 12.10.2017 zur Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II)

1.1 – BSG, Urteil vom 12.10.2017 – B 4 AS 34/16 R

Absenkung des Arbeitslosengeld II – Aushändigung von Lebensmittelgutscheinen – eigenständiger Verwaltungsakt – Leistungsnachzahlung nach Rücknahme der Sanktion – keine Anrechnung des Wertes der Gutscheine bei alleiniger Aufhebung der Sanktionsbescheide

Keine Anrechnung des Wertes der Gutscheine bei alleiniger Aufhebung der Sanktionsbescheide.

Leitsatz (Redakteur)
Der Zahlungsanspruch ist noch nicht durch das Jobcenter befriedigt worden. Dem steht entgegen, dass die Aushändigung der Gutscheine an den Kläger den Erlass eigenständiger Verwaltungsakte darstellt, die als Rechtsgrund fortbestehen. Eine Anrechnung des Wertes dieser Gutscheine auf den Zahlungsanspruch des Klägers kommt schon deshalb nicht in Betracht. Auf die Anwendung zivilrechtlicher Bestimmungen zur Erfüllung von Leistungsansprüchen im vorliegenden sozialrechtlichen Regelungszusammenhang kommt es nicht an.

Quelle: juris.bundessozialgericht.de

2.   Entscheidungen der Landessozialgerichte zur Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II)

2.1 – Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 06.12.2017 – L 7 AS 2132/17 B ER u. L 7 AS 2133/17 B – rechtskräftig

Die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit haben in einstweiligen Rechtsschutzverfahren anhand der Umstände des Einzelfalls zu prüfen, ob tatsächlich die notwendige Eilbedürftigkeit für eine vorläufige Leistungsgewährung vorliegt. Sie können die Eilbedürftigkeit von vorläufigen Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung deshalb nicht nur pauschal darauf beziehen, ob schon eine Räumungsklage erhoben worden ist.

Leitsatz (Redakteur)
1. In Verfahren des Eilrechtsschutzes zu den Kosten der Unterkunft darf nicht allein schematisch auf die Erhebung der Räumungsklage abgestellt werden, sondern zu prüfen ist, welche Folgen im konkreten Einzelfall drohen (vgl. BVerfG, 01.08.2017 – 1 BvR 1910/12). Der Senat hält daher an seiner ständigen Rechtsprechung, nach der es für die Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes weder einer Räumungsklage noch einer “Kündigungslage” bedarf, fest.

2. Das BVerfG hat auch in seiner jüngsten Rechtsprechung zu den Unterkunftskosten (Beschluss vom 10.10.2017 – 1 BvR 617/14) betont, dass es sich bei den Kosten für Unterkunft und Heizung um eine der “grundrechtsintensivsten Bedarfspositionen” handelt. Ausnahmen hiervon sind denkbar, wenn die Wohnung nicht erhaltenswert erscheint, etwa weil es sich um eine “Schrottimmobilie” handelt oder Kinder unzureichend mit Wohnraum versorgt sind.

3. Zur Klarstellung ist darauf hinzuweisen, dass die vorstehenden Ausführungen für die Übernahme der laufenden Miete gelten. Die Übernahme von Mietschulden nach § 22 Abs. 8 SGB II richtet sich nach anderen Maßstäben (vgl. hierzu Beschluss des Senats vom 18.07.2014 – L 7 AS 982/14 B ER).

Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de

2.2 – Bayerisches Landessozialgericht, Urt. v. 14.11.2017 – L 11 AS 368/17

Versagung der Leistungen gemäß § 66 Abs. 1 SGB I rechtmäßig – keine Vorlage Kontoauszüge

Leitsatz (Redakteur)
Zu dieser Aufforderung ist das Jobcenter auch ohne besonderen Anlass berechtigt (vgl. BSG, Urteil vom 19.09.2008 – B 14 AS 45/07 R -, Urteil vom 19.02.2009 – B 4 AS 10/08 R – und Beschluss vom 15.07.2010 – B 14 AS 45/10 B).

Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de

2.3 – Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen 11. Senat, Urteil vom 28.09.2017, L 11 AS 1067/15 – Die Revision wird zugelassen.

Zur Frage, ob über die Ansprüche nach § 31a Abs 3 Satz 2 SGB II ohne Antrag des Betroffenen von Amts wegen zu entscheiden ist und das Unterlassen einer solchen gleichzeitigen Entscheidung zur Rechtswidrigkeit des Sanktionsbescheides führt.

Leitsatz (Redakteur)
Sanktionsbescheide sind – nicht- rechtswidrig, weil der Grundsicherungsträger in diesen Bescheiden nicht zugleich ergänzende Sachleistungen oder geldwerte Leistungen gemäß § 31a Abs. 3 S. 1 SGB II gewährt hat (vgl. Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 04. März 2014 – L 20 AS 3422/13 B ER).

Leitsatz (Juris)
1. Gegen eine 100 %-Sanktion (U 25) bestehen bei entsprechender Erhöhung der KdU/H-Anteile der übrigen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft (vgl. hierzu: BSG, Urteil vom 23. Mai 2013 – B 4 AS 67/12 R -) angesichts der Möglichkeit der Gewährung von Sachleistungen bzw. geldwerter Leistungen (§ 31a Abs 3 SGB II) keine verfassungsrechtlichen Bedenken.

2. Sachleistungen bzw. geldwerte Leistungen nach § 31a Abs 3 Satz 2 SGB II sind – ebenso wie die Leistungen nach § 31a Abs 3 Satz 1 SGB II – nicht von Amts wegen sondern nur auf Antrag zu erbringen. Dementsprechend führt das Unterlassen einer Entscheidung von Amts wegen über Ansprüche nach § 31a Abs 2 Satz 2 SGB II nicht zur Rechtswidrigkeit der Sanktionsentscheidung.

Quelle: www.rechtsprechung.niedersachsen.de

Rechtstipp:
Entgegen einer in Teilen der Literatur vertretenen Auffassung (vgl. etwa: Knickrehm/Hahn in Eicher/Luik, SGB II, 4. Auflage 2017, § 31a, Rn 41; Lauterbach in Gagel, SGB II, Stand 6/2017, § 31a Rn 25; Berlit in: LPK-SGB II, 6. Aufl. 2017, § 31a Rn. 42, 50f; Loose in GK-SGB II, Stand 10/14, § 31a Rn 38.2; Sonnhoff in juris-PK, § 31a SGB II, Rn 51; jeweils m.w.N.

3.   Entscheidungen der Sozialgerichte zur Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II)

3.1 – Sozialgericht Augsburg, Urt. v. 20.11.2017 – S 8 AS 1095/17

Geltendmachung eines Ersatzanspruchs bei sozialwidrigem Verhalten dem Grunde nach – Bescheid rechtswidrig – Berechtigung zum Erlass eines Feststellungbescheids lässt sich weder bejahen noch verneinen

Leitsatz (Juris)
§ 34 Abs. 1 SGB II enthält keine Befugnis zur Geltendmachung eines Ersatzanspruchs dem Grunde nach durch Feststellungsbescheid. (Rn. 17 – 29)

Quelle: www.gesetze-bayern.de

3.2 – SG Chemnitz, Urt. v. 09.11.2017 – S 26 AS 1106/16

Leitsatz (Juris)
1. Ein mit einem abrissreifen Wohngebäude nebst Scheune bebautes Grundstück, das in ungünstiger Lage in einer strukturschwachen Region liegt, kann die Bewertung mit einem Verkehrswert von 0,00 EUR rechtfertigen. Es kann daher nicht als Vermögenswert im Sinne von § 12 SGB II für den eigenen Lebensunterhalt eines nach dem SGB II Hilfebedürftigen verwendet werden.

2. Unbebaute Grundstücke im Außenbereich sind mit einem geringen Verkehrswert anzusetzen.

3. Zur Marktgängigkeit eines von einem Wohnhausgrundstück abgetrennten Grundstücksteils in einer strukturschwachen Region.

3.3 – SG Rostock, Beschluss v. 12.12.2017 – S 13 AS 631/17 ER

Nichtantritt einer Maßnahme – Sanktion rechtswidrig, wenn EGV nicht eindeutig

Voraussetzung eines Pflichtverstoßes ist es, dass dem Leistungsempfänger sei es in einer Eingliederungsvereinbarung oder im Rahmen eines Maßnahmenangebotes hinreichend deutlich gemacht wird, welches Verhalten genau abverlangt wird und welche Folgen welche Pflichtverletzungen nach sich ziehen (vgl. bereits BSG, Urt. v. 15.12.2010 – B 14 AS 92/09 R)

Leitsatz (Redakteur)
EGV rechtswidrig, weil die Pflicht des Ast. an der Maßnahme teilzunehmen nicht konkret aufgenommen wurde. An keiner Stelle kommt zum Ausdruck, dass der Ast. verpflichtet werden sollte an der konkreten Maßnahme teilzunehmen und dass ihm bei Nichtantritt eine absenkung seiner Leistungen droht.

4.   Entscheidungen der Landessozialgerichte zur Arbeitsförderung (SGB III)

4.1 – Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen 11. Senat, Urteil vom 24.10.2017, L 11 AL 9/15

Leitsatz (Juris)
1. Es besteht keine subjektive Verfügbarkeit im Sinne des § 138 Abs 5 Nr 3 und 4 SGB III, wenn der Versicherte ausschließlich die Wiederaufnahme des bestehenden Arbeitsverhältnisses nach Ende seiner Arbeitsunfähigkeit beabsichtigt, jedoch nicht bereit ist, sich in eine andere leidensgerechte Tätigkeit vermitteln zu lassen.

2. Arbeitslosengeld ist nicht allein deshalb zu zahlen, weil kein Krankengeld gewährt wird (hier bei einer Deckungslücke einer privaten Krankentagegeldversicherung).

Quelle: www.rechtsprechung.niedersachsen.de

5.   Entscheidungen der Landessozialgericht zur Sozialhilfe (SGB XII)

5.1 – Bayerisches Landessozialgericht, Urt. v. 16.11.2017 – L 8 SO 154/15

Zur Anrechnung von Landesblindengeld auf die Blindenhilfe nach § 72 SGB XII.

Leitsatz (Redakteur)
1. Landesblindengeld is als Einkommen zu berücksichtigen.

2. § 72 Abs. 1 S 1 SGB XII normiert keine spezielle Konkurrenzregelung für Sozialleistungen, die Blindheit bedingte Mehraufwendungen ausgleichen wollen.

3. Der vom SG Landshut vom 02.02.2011 (S 10 SO 36/09) vertretenen Annahme, § 72 SGB XII sei als lex specialis zu § 83 SGB XII anzusehen, stehen die systematische Stellung beider Vorschriften sowie der Umstand entgegen, dass sie nicht etwa gleiches regeln, sondern unterschiedliche Zielsetzungen verfolgen und damit keine Normenkonkurrenz besteht.

Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de

6.   Entscheidungen der Sozialgericht zur Sozialhilfe (SGB XII)

6.1 – Sozialgericht Berlin, Beschluss v. 18.12.2017 – S 145 SO 1717/17 ER – Beschwerde beim LSG BB wurde eingelegt durch den Rechtsbeistand

Zur Gewährung von Grundsicherungsleistungen im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem IV. Kapitel des SGB XII im Wege der einstweiligen Anordnung (hier verneinend)

Leitsatz (Redakteur)
1. Kein Wahlrecht zwischen Wohngeld und Sozialhilfe (entgegen LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 7. Februar 2017 – L 15 SO 252/16 B PKH, unveröffentlicht).

2. Dagegen spricht auch, dass Beziehern von Wohngeld bestimmte Vergünstigungen gewährt werden, die auch Empfänger von Grundsicherungsleistungen enthalten. So können sich Wohngeldempfänger z. B. als besonderer Härtefall von der Rundfunkgebühr befreien lassen, wenn ihr Einkommen ihren sozialen Bedarf – wie bei der Antragstellerin – um weniger als die Höhe des monatlichen Rundfunkbeitrags von 17,50 Euro überschreitet. Diese Vergünstigung beruht auf Verfahren, die vor dem Bundesverfassungsgericht geführt wurden (vgl. BVerfG, Gegenstandswertfestsetzung im verfassungsgerichtlichen Verfahren vom 9. November 2011 – 1 BvR 665/10).

Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de

Rechtstipp:
aA SG Berlin, Beschluss vom 24.10.2017- S 146 SO 1475/17 ER – rechtskräftig

Wieder einmal: Kein Wohngeld statt Grundsicherung
Auch in einem weiteren Verfahren hat das SG Berlin die Rechtsansicht bestätigt, dass keine Verpflichtung besteht, dass wenn man auch einen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB XII (Grundsicherung / Sozialhilfe) hat, Wohngeld in Anspruch genommen werden muss.

Das SG folgt insofern der Rechtsprechung des Landessozialgericht Berlin-Brandenburg (siehe: „Wahlpflicht“ zwischen Grundsicherung und Wohngeld oder: Müssen Armutsrentner noch ärmer werden?)

weiter bei RA Kay Füßlein, Berlin: www.ra-fuesslein.de

Hinweis:
Dazu das LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 7. Februar 2017 – L 15 SO 252/16 B PKH

Es besteht ein Wahlrecht zwischen Wohngeld und Leistungen nach dem SGB XII
Bei Wohngeld handelt sich nicht um eine im Verhältnis zur Sozialhilfe vorrangige Leistung. Der in § 2 Abs. 1 SGB X aufgestellte „Nachranggrundsatz“ ist, „wenn andere Leistungen tatsächlich nicht erbracht werden, keine eigenständige Ausschlussnorm, sondern ihr kommt regelmäßig nur im Zusammenhang mit ergänzenden bzw. konkretisierenden sonstigen Vorschriften des SGB XII Bedeutung zu; ein Leistungsausschluss ohne Rückgriff auf andere Normen des SGB XII ist mithin allen falls in extremen Ausnahmefällen denkbar.

Volltext hier: www.ra-fuesslein.de

6.2 – Sozialgericht Darmstadt, Urt. v. 23.11.2017 – S 17 SO 90/16

Zur Rechtmäßigkeit eines Aufwendungsersatzanspruches (hier verneinend)

Leitsatz (Juris)
1. Sozialhilfe wird nur dann als begründete Hilfe gewährt, sofern in den Verfügungssätzen im Bewilligungsbescheid eine ausdrückliche Gewährung von Sozialhilfe als erweiterte Hilfe aufgeführt ist. Der Hinweis in der Begründung des Bewilligungsbescheides darauf, dass Sozialhilfe als erweiterte Hilfe gewährt wird, ist nicht ausreichend.

2. Ein begründeter Fall für die Gewährung von Sozialhilfe als erweiterte Hilfe liegt nur vor, sofern beispielsweise die Gewährung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse nicht geklärt sind. Sofern die wirtschaftlichen Verhältnisse geklärt sind, kommt eine Gewährung von Sozialhilfe als erweiterte Hilfe nicht in Betracht.

3. Bei erheblichen Streitigkeiten innerhalb einer Erbengemeinschaft besteht bei Beantragung von Sozialhilfeleistungen keine Verwertbarkeit eines Hausgrundstückes. Sozialhilfe kann dann nur darlehensweise gewährt werden.

Quelle: dejure.org

7.   Entscheidungen der Landessozialgerichte zum Asylrecht

7.1 – Landessozialgericht Hamburg, Urteil v. 20.11.2017 – L 4 AY 3/14

Ausschluss einer Nachzahlung von Leistungen nach dem AsylbLG mangels Feststellung der Bedürftigkeit – § 44 Abs. 1 SGB X

Kurzfassung:
Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, der sich der erkennende Senat anschließt (vgl. dazu bereits das Urteil des Senats vom 1.9.2016 – L 4 AY 1/15), scheidet eine Nachzahlung von Leistungen nach dem AsylbLG aus, wenn die Bedürftigkeit inzwischen vorübergehend oder auf Dauer entfallen ist (vgl. BSG, Urteil vom 9.6.2011 – B 8 AY 1/10 R unter Berufung auf das Urteil vom 29.9.2009 – B 8 SO 16/08 R; Urteil vom 20.12.2012 – B 7 AY 4/11 R und Urteil vom 26.6.2013 – B 7 AY 3/12 R). Denn unter Berücksichtigung des § 44 Abs. 4 SGB X (“nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuchs”, hier des AsylbLG) muss den Besonderheiten des jeweiligen Leistungsrechts Rechnung getragen und berücksichtigt werden, dass die Leistungen nach dem AsylbLG ebenso wie die Sozialhilfe nur der Behebung einer gegenwärtigen Notlage dienen. Infolgedessen sind sie für zurückliegende Zeiten nur dann zu erbringen, wenn die Leistungen ihren Zweck noch erfüllen könnten, was nur der Fall ist, wenn die Bedürftigkeit ununterbrochen fortbesteht. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Prüfung der ununterbrochen fortbestehenden Bedürftigkeit ist derjenige der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz (vgl. BSG, Urteil vom 9.6.2011 – B 8 AY 1/10 R und Urteil vom 29.9.2009 – B 8 SO 16/08 R). Die Frage, ob die Bedürftigkeit des Klägers durchgehend vorgelegen hat, ist – abhängig vom Aufenthaltsstatus der Kläger – nach dem SGB II, SGB XII oder AsylbLG zu prüfen (vgl. BSG, Urteil vom 20.12.2012 – B 7 AY 4/11 R).

Sind mangels durchgehender Bedürftigkeit des Klägers von der Beklagten Leistungen rückwirkend nicht zu erbringen, so besteht unabhängig von der Frage der Rechtmäßigkeit der bestandskräftig gewordenen Bewilligungsentscheidungen für den streitgegenständlichen Zeitraum kein Anspruch auf Rücknahme dieser Bewilligungsentscheidungen nach § 44 Abs. 1 SGB X (vgl. BSG, Urteil vom 29.9.2009 – B 8 SO 16/08 R).

Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de

8.   Entscheidungen der Sozialgerichte zum Kinderzuschlag

8.1 – Sozialgericht Osnabrück, Urt. v. 13.11.2017 – S 27 BK 8/16

Leitsatz (Juris)
1. Die Rücknahme nach § 44 SGB X steht nach § 11 Abs. 4 BKGG grundsätzlich im Ermessen der Familienkasse.

2. Aus Art. 3 GG und Art. 1 GG ist das Ermessen auf Null reduziert, soweit die Jahresfrsit des § 40 SGB II einschlägig ist.

3. Eine rückwirkende Gewährung von Kinderzuschlag für Zeiträume die länger als ein Jahr, gerechnet von dem ersten Tage des Jahres der Antragstellung an, zurückliegen kommt regelmäßig nicht in Betracht kommen.

Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de

Hinweis Gericht:
1. Die Unterkunftsbedarfe sind monatsgenau entsprechend ihrer Fälligkeit zu berücksichtigen und entsprechend vom Kläger hinreichend genau nachzuweisen (Sächsisches Landessozialgericht, Urteil vom 11. August 2016 – L 3 BK 14/13 –, juris, Rn. 38; BSG, Urteil vom 22. August 2013 – B 14 AS 78/12 R –, SozR 4-4200 § 11 Nr. 63, Rn. 20).
2. Für Berücksichtigung des Einkommens ist eine Durchschnittsbetrachtung nicht statthaft. Dem steht nicht entgegen, dass das neue Recht mit § 11 Abs. 5 BKGG auf § 41a SGB II n. F. verweist. Die dort vorgesehenen Möglichkeiten der Durchschnittsbetrachtung gelten, unabhängig von der Frage der Anwendbarkeit in diesem Fall, nur für vorläufige Bewilligungen und endgültige Bewilligungen nach vorläufiger Festsetzung. Davon abgesehen bleibt es beim Zuflussprinzip (vgl. zum alten Recht BSG, Urteil vom 30. März 2017 – B 14 AS 18/16 R –, SozR 4 (vorgesehen), juris, Rn. 18). Das gilt erst Recht, wenn das alte Recht anzuwenden ist (BSG, a. a. O., Rn. 18).
3. Dazu, ob das Wohngeld monatsgenau oder auch fiktiv zu berücksichtigen ist, gibt es keine Entscheidung des BSG. Auch wenn die Beklagte der Rechtsauffassung der Kammer (vgl. Urteil in Sachen 27 BK 11/16 vom 13. November 2017, zur Veröffentlichung in juris vorgesehen) nicht folgt, so hat sie gleichwohl Ermittlungen zum Zufluss anzustellen.

9.   Verschiedenes zu Hartz IV, zur Sozialhilfe, zum Asylrecht, Wohngeldrecht und anderen Gesetzesbüchern

9.1 – Anmerkung zu: BSG 14. Senat, Urteil vom 10.08.2016 – B 14 AS 58/15 R

Autor: Jörg Neunaber, RA und FA für Sozialrecht
Übernahme der Umzugskosten für Umstellung des Telefon- und Internetanschlusses sowie Postnachsendeauftrag

Leitsätze
1. Zu den einmalig durch die besondere Bedarfslage “Umzug” verursachten Kosten gehören heutzutage auch die Kosten für die Bereitstellung eines Telefon- und Internetanschlusses sowie die Kosten für einen Nachsendeantrag.
2. Die nicht näher konkretisierte Verpflichtungsklage ist nicht als unzulässig abzuweisen, wenn das Gericht verfahrensfehlerhaft den ihm obliegenden Hinweis unterlässt, auf eine bezifferte Leistungsklage umzustellen.

Quelle: www.juris.de

9.2 – Vorläufiges Berufsverbot

Anwaltsgericht stoppt Lausitzer Hartz-IV-Anwalt
Cottbus. Seit 2011 machte Rechtsanwalt Thomas Lange aus Calau durch ein ungewöhnliches Geschäftsmodell auf sich aufmerksam. Das Sozialgericht Cottbus stockte wegen seiner Tätigkeit das Personal auf. Jetzt ist Lange mit einem vorläufigen Berufsverbot belegt.

weiter: www.lr-online.de

9.3 – EuGH, Urt. v. 20.12.2017 – C-442/16

Einem Unionsbürger, der nach mehr als einem Jahr eine Erwerbstätigkeit als Selbstständiger in einem anderen Mitgliedstaat wegen eines Mangels an Arbeit, der auf von seinem Willen unabhängigen Gründen beruht, aufgegeben hat, bleibt die Eigenschaft eines Selbstständigen und infolgedessen ein Aufenthaltsrecht in diesem Mitgliedstaat erhalten. Dies hat der Gerichtshof der Europäischen Union mit Urteil vom 20.12.2017 entschieden (Az.: C-442/16).

weiter: rsw.beck.de

9.4 – BVerwG, Urt. v. 18.12.2017 – 5 C 36.16: Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz für in Portugal lebende Kinder

Einem Anspruch auf staatlichen Unterhaltsvorschuss steht nicht entgegen, dass die betroffenen Kinder in Portugal leben, wenn der alleinerziehende Elternteil in Deutschland mehr als nur geringfügig beschäftigt ist. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden.

Pressemitteilung Nr. 88/2017 vom 18.12.2017: www.bverwg.de

9.5 – Muster-Schriftsatz: Eilrechtsschutz zur fristgerechten Dublin-Familienzusammenführung

Muster-Eilrechtsschutzantrag zur Durchsetzung der fristgerechten Überstellung von Angehörigen zur Familienzusammenführung nach der Dublin-Verordnung
Stand: November 2017

weiter: www.asyl.net

9.6 – Erfolglose Verfassungsbeschwerde gegen Einführung des elektronischen Anwaltspostfachs

Das BVerfG hat entschieden, dass ein Rechtsanwalt durch die Einführung des elektronischen Anwaltspostfachs (beA) nicht in seiner Berufsfreiheit verletzt wird.

weiter: www.juris.de

9.7 – Familiennachzug zu Flüchtlingen – eine Beratungshilfe, Stand November 2017

Autor der Beratungshilfe ist der Rechtsanwalt Robert Stuhr, Rechtsberater des Deutschen Caritasverbandes und Leiter des Bildungsprojekts Recht & Migration.

Die Beratungshilfe wird vom Deutschen Caritasverband herausgegeben und ist in der aktuellen Ausgabe der Reihe „Fluchtpunkte intern” erschienen: www.caritas.de

9.8 – Keine Bekanntgabefiktion bei Fehlen des Vermerks über Aufgabe zur Post (LSG Berlin, Beschl. v. 09.10.2017 – L 31 AS 1907/147 B ER)

Über die Voraussetzungen der Zugangsfiktion hatte das Landessozialgericht Berlin (LSG Berlin) zu entscheiden. Der aus Marokko stammende Antragsteller hatte Leistungen nach dem SGB II beantragt und bewilligt bekommen. Da Zweifel daran bestanden, ob er und seine Familienangehörigen sich in Deutschland aufhalten, hob das zuständige Jobcenter den Hartz 4 Bewilligungsbescheid auf. Der Antragsteller bestritt im Verfahren, den Aufhebungsbescheid erhalten zu haben. Das Sozialgericht Berlin behandelte den Bescheid als zugegangen. Diese Entscheidung wurde nun durch das LSG Berlin aufgehoben. Auf dem Bescheid befindet sich ein Stempel, auf dem durch Ankreuzen vermerkt werden kann, ob der Bescheid lokal oder zentral versendet oder persönlich übergeben worden ist. Dieser Stempel wies allerdings keine Eintragung auf. Daher kann – so das LSG Berlin – nicht ermittelt werden, ob der Bescheid zur Post gegeben worden ist. Wenn die Aufgabe zur Post nicht ermittelt werden kann, greift die Zugangsfiktion nicht. Vielmehr ist es dann Sache der Behörde, den Zugang nachzuweisen. Der Beschluss des Sozialgerichts war daher aufzuheben – der Antragsteller darf daher zunächst weiter die Grundsicherung beanspruchen.

Hintergrund: Die Entscheidung ist für den Hartz 4 Empfänger nur ein Etappensieg. Denn Behörden können solche Zustellungsfehler schnell korrigieren, indem sie einfach einen neuen Bescheid herausgeben, und diesen mit einem ordnungsgemäß ausgefüllten Stempel versehen. Das ändert aber nichts daran, dass der Antragsteller im vorliegenden Verfahren erfolgreich war.

weiter: rechtstipp24.de

9.9 – Urteil des Verwaltungsgerichts – Beim Familiennachzug zählt das Kindeswohl

Beim Familiennachzug für minderjährige Flüchtlinge zählt allein das Kindeswohl. Das urteilte das Berliner Verwaltungsgericht – eine schallende Ohrfeige für die Bundesregierung. Eigentlich wollte sie Berufung einlegen. Doch Außenminister Gabriel entschied nun anders.

weiter: www.tagesschau.de

 

Wir wünschen allen Lesern ein frohes und gesegnetes Weihnachtsfest!

Verfasser des Rechtsprechungstickers: Redakteur von Tacheles Detlef Brock

Quelle: Tacheles-Rechtsprechungsticker, www.tacheles-sozialhilfe.de