Tacheles Rechtsprechungsticker KW 06/2018

1.   Entscheidungen des Bundessozialgerichts vom 30.08.2017 zur Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II)

1.1 – BSG, Urteil vom 30.08.2017 – B 14 AS 30/16 R

Grundsicherung für Arbeitsuchende – Vermögensberücksichtigung – besondere Härte – unangemessenes Hausgrundstück – Zuschuss statt Darlehen – Wiedereingliederung in Arbeit – oder eine stufenweise Wiedereingliederung iS von § 28 SGB IX

Eine absehbar kurze Leistungsdauer kann die Annahme einer besonderen Härte gemäß § 12 Abs. 3 S 1 Nr. 6 Alt 2 SGB 2 rechtfertigen.

Zuschuss statt Darlehen, wenn Leistungsbezug absehbar kurz ist.

Leitsatz (Redakteur)
1. Bei nur absehbar kurzzeitigen Leistungsbezug sein Haus als Lebensmittelpunkt verwerten zu müssen, wäre für den Kläger eine besondere Härte gewesen, denn er könne voraussichtlich in kurzer Zeit an einen Arbeitsplatz zurückkehren.

2. Bei der Verwertung selbst genutzter Hausgrundstücke können Zeitmomente ihrem Nutzungszweck nach nicht außer Betracht bleiben.

3. Bei einem absehbar kurzen Leistungsbezug (hier wegen Wiedereingliederung in Arbeit – oder eine stufenweise Wiedereingliederung iS von § 28 SGB IX) dennoch die Verwertung des selbst bewohnten Hausgrundstücks und somit die endgültige Aufgabe des bisherigen Lebensmittelpunkts anzusinnen, bedeutet eine besondere Härte iS von § 12 Abs 3 Satz 1 Nr 6 Alt 2 SGB II.

Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de

2.   Entscheidungen der Landessozialgerichte zur Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II)

2.1 – Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss v. 08.01.2018 – L 11 AS 868/17 NZB

Keine Anwendung des § 30 SGB II – berechtigte Selbsthilfe – Versagung der Übernahme der Kosten für außerschulischen Nachhilfeunterricht wegen verspäteter Antragstellung

Leitsatz (Redakteur)
1. Keine Erstattungspflicht der Verwaltung besteht, wenn der Leistungsberechtigte sich aus freien Stücken die Leistung selbst beschafft hat und danach die Erstattung fordert (BT-Drs. 17/12036, 8).

2. Dabei muss ggf. der Leistungsberechtigte dartun, aus welchen Gründen eine frühere Antragstellung nicht möglich oder zumutbar gewesen ist. Dies gilt auch Fällen, in denen geltend gemacht wird, dass Bedarfslagen (zu) kurzfristig aufgetreten sind. Die Klägerin aber hat bislang lediglich das Vorliegen einer Eil- bzw. Notsituation behauptet, jedoch nicht dargelegt, weshalb eine rechtzeitige Antragstellung nicht möglich gewesen ist, insbesondere nachdem es sich beim Nachhilfeunterricht um einen Zeitraum zu Schuljahresanfang gehandelt haben dürfte und eine Gefährdung der Klägerin nach den ersten Prüfungen nicht sofort ausgeglichen werden muss und kann.

Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de

2.2 – LSG Schleswig-Holstein, Beschluss v. 08.06.2017 – L 6 AS 78/17 B ER

Nur eine tatsächlich zugeflossene Einnahme ist als „bereites Mittel“ geeignet, den konkreten Bedarf im jeweiligen Monat zu decken; die Anrechnung einer fiktiven Einnahme zur Bedarfsminderung ist nach dem System des SGB II dagegen ausgeschlossen (LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 9. April 2014 – L 32 AS 623/14 B ER).

Leitsatz (Juris)
1. Ist der vom Sozialgericht abgelehnte Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung lediglich unbestimmt auf höhere Leistungen gerichtet, ist der für die Berechnung des Werts des Beschwerdegegenstands maßgebliche Zeitraum grundsätzlich auf sechs Monate zu begrenzen.

2. An dieser Rechtsprechung hält der Senat trotz Verlängerung des Regelbewilligungszeitraums auf ein Jahr (§ 41 Abs. 3 Satz 1 SGB II) fest.

3. Ein Anordnungsgrund kann in der Regel nicht mit Hinweis auf die mögliche Inanspruchnahme einer vorrangigen Leistung verneint werden, wenn die vorrangige Leistung nicht ohne Weiteres realisiert werden kann oder die Verpflichtung zu ihrer Inanspruchnahme streitig ist.

4. Zur fehlenden Berücksichtigungsfähigkeit fiktiven Einkommens.

Quelle: Juris

2.3 – LSG Schleswig-Holstein, Urt. v. 21.06.2016 – L 6 AS 121/13

Rechtswidrigkeit der Leistungsversagung für die gesamte Bedarfsgemeinschaft nach Verletzung von Mitwirkungspflichten nur durch ein Mitglied (vgl. SG Potsdam, Urteil vom 9. April 2014 – S 40 AS 1288/11)

Leitsatz (Juris)
1. § 66 Abs. 1 Satz 1 SGB I ermächtigt nicht dazu, einer Person Sozialleistungen zu entziehen oder zu versagen, die keine eigene Mitwirkungspflicht verletzt. Dies gilt auch dann, wenn (hier: wegen Zugehörigkeit zur Bedarfsgemeinschaft) der individuelle Sozialleistungsanspruch von Umständen abhängig ist, die in der Person eines Dritten begründet liegen und diese Person ihre Mitwirkungspflicht verletzt.

2. Es obliegt dem Leistungsträger, die geforderte Mitwirkungshandlung soweit wie möglich zu konkretisieren. Je unspezifischer die Mitwirkungshandlung definiert wird, desto eher ist die um Leistungen nachsuchende Person in der Lage, die Mitwirkungspflicht durch allgemeine Erklärungen zu erfüllen.

Quelle: Juris

2.4 – Sächsisches Landessozialgericht, Beschluss v. 14.12.2017 – L 7 AS 513/16 B ER – rechtskräftig

Schlüssiges Konzept des Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge

Leitsatz (Juris)
1. Die VwV des Landkreises Sächsische Schweiz-Osterzgebirge vom 01.07.2013 in der Fassung der Fortschreibung vom 01.07.2014 zur Bestimmung der Höhe der angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch und Zwölften Buch Sozialgesetzbuch genügt nicht den Anforderungen an ein “schlüssiges Konzept”.

2. Der Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge in Gänze bildet keinen homogenen Lebens- und Wohnbereich ab.

3. Die Heranziehung von Wohnungsmarkttypen als örtlicher Vergleichsraum ist, da diese allein anhand mietpreisbildener Faktoren ermittelt werden, nicht möglich.

4. Die Stadt Pirna kann auf Grund ihrer Einwohnerzahl einen eigenen Vergleichsraum darstellen.

Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de

2.5 – Sächsisches Landessozialgericht, Urt. v. 26.10.2017 – L 7 AS 209/14 – rechtskräftig

Bewilligung einer Leistung für Bildung und Teilhabe nach § 28 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB II, speziell für einen vierwöchigen Aufenthalt der Klägerin in den USA, hier bejahend).

Die Bedarfe nach § 28 SGB II lösen allein Hilfebedürftigkeit und damit einen Leistungsanspruch aus. Auch wenn keine Regelleistung zu gewähren ist, werden trotzdem Leistungen nach den §§ 28, 29 SGB II gewährt, wenn die entsprechenden Bedarfe nicht aus eigenen Kräften und Mitteln vollständig gedeckt werden können.

Leitsatz ( Juris)
1. Bei einem vom Sächsischen Staatsministerium für Kultus organisierten vierwöchigen Schulbesuch in den USA handelt es sich um eine mehrtägige Klassenfahrt im Rahmen der schulrechtlichen Bestimmungen im Sinne des § 28 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB II. Der grundlegende Teilhabegedanke gebietet eine weite Auslegung des Begriffs der Klassenfahrt, weshalb auch ein vierwöchiger Schulbesuch im Ausland ohne weitere Teilnehmer derselben Klasse oder Jahrgangsstufe eine Klassenfahrt in diesem Sinne sein kann.

2. Ein Kostenerstattungsanspruch kann im Wege der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage geltend gemacht werden, wenn die leistungsberechtigte Person in Vorleistung gegangen ist (§ 30 Satz 1 SGB II).

3. Auch wenn an ein Mitglied der Bedarfsgemeinschaft wegen fehlender Hilfebedürftigkeit keine Regelleistung zu gewähren ist, können trotzdem Leistungen nach § 28 SGB II bewilligt werden, wenn die entsprechenden Bedarfe nicht aus eigenen Kräften und Mitteln vollständig gedeckt sind.

Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de

3.   Entscheidungen der Sozialgerichte zur Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II)

3.1 – Sozialgericht Magdeburg vom 23.01.2018 – S 12 AS 3461/17 ER –

Leitsatz RA Michael Loewy
1. Der Leistungsträger hat bei Erlass eines Eingliederungsverwaltungsaktes Ermessen auszuüben und die tragenden Gründe für den Erlass des Verwaltungsaktes zu erläutern und zu begründen.

2. Fehlt in einem Eingliederungsverwaltungsakt eine solche Begründung ist dieser wegen fehlender Ermessensausübung rechtswidrig.

3. Der Leistungsträger hat auch bei Ersetzungsentscheidungen nach § 15 Abs. 3 Satz 3 SGB II neben der gegebenenfalls die Sanktionsfolgen nach den §§ 31a, 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II auslösenden Konkretisierung der Eigenbemühungen des Leistungsberechtigten eine der individuellen Bedarfslage des erwerbsfähigen Leistungsbezieher gerecht werdende Konkretisierung der Leistungen zur Eingliederung in Arbeit vorzunehmen.

Quelle: www.anwaltskanzlei-loewy.de

3.2 – Sozialgericht Kiel, Beschluss vom 11. Januar 2018 (Az.: S 31 AS 1/18 ER):

Leitsatz Dr. Manfred Hammel
1. Ein zur Bestimmung der Angemessenheit im Sinne des § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II von der Kommune erstellter, neuer Mietspiegel nach § 558d BGB ist nicht berücksichtigungsfähig, sofern dieses Papier nicht auf einem schlüssigen Konzept beruht.

2. Dieser vorübergehende Zustand führt weder dazu, dass die bisherigen Mietobergrenzen weiterhin uneingeschränkt Gültigkeit haben können, noch dazu, dass aktuell ein gänzlicher Erkenntnisausfall vorliegt. In dieser Situation hat vom Jobcenter für die Konkretisierung der Angemessenheit von Unterkunftskosten auf die Werte der Wohngeldtabelle zu § 12 WoGG zuzüglich eines zehnprozentigen Sicherheitszuschlags zurückgegriffen zu werden.

Quelle: sozialberatungkiel.files.wordpress.com

3.3 – Sozialgericht Kiel, Beschluss vom 26. Oktober 2017 (Az.: S 37 AS 254/17 ER):

Leitsatz Dr. Manfred Hammel
1. Auch wenn es unstreitig sein sollte, dass ein Antragsteller mangels des weiteren Bestehens einer Erwerbsfähigkeit nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II in Verbindung mit § 8 Abs. 1 SGB II nicht (mehr) leistungsberechtigt gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II ist, kann das Jobcenter den von dieser Person eingereichten Antrag auf Weiterbewilligung existenzsichernder Leistungen nicht ablehnen, ohne zuvor eine nahtlose Gewährung notwendiger Hilfen durch den Sozialhilfeträger zu gewährleisten.

2. Dies folgt aus § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB I („Vorläufige Leistungen“) in Verbindung mit § 44a SGB II („Feststellung von Erwerbsfähigkeit und Hilfebedürftigkeit“), zumal der vom SGB II-Träger nach § 44a Abs. 1 Satz 1 SGB II getätigten Feststellung der Erwerbsunfähigkeit auch der Sozialhilfeträger gemäß § 44a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB II widersprechen kann.

Quelle: sozialberatung-kiel.de

3.4 – Sozialgericht Schleswig, Beschluss vom 7. März 2016 (Az.: S 16 AS 48/16 ER):

Leitsatz Dr. Manfred Hammel
1. Wenn zwischen einem Antragsteller und seiner ebenfalls Alg II beziehenden Mitbewohnerin lediglich eine enge emotionale Bindung sowie eine intensive Freundschaft besteht, dann darf hier das Jobcenter nicht von einer eheähnlichen Gemeinschaft entsprechend § 7 Abs. 3 Nr. 3c) SGB II in Verbindung mit § 7 Abs. 3a SGB II ausgehen.

2. Eine derartige Beziehung weist nicht diejenige Intensität auf, die vom Gesetzgeber in Anlehnung an die Charakteristika einer eheähnlichen Gemeinschaft für das Vorliegen einer Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft nach § 7 Abs. 3 Nr. 3c) SGB II gefordert wird.

3. Eine enge Freundschaft ist von einer Partnerschaft abzugrenzen.

4. Gegen ein gemeinsames, wie bei Ehepaaren übliches Wirtschaften spricht, wenn gerade nach Sichtung der Kontoauszüge der beiden Personen beachtenswerte finanzielle Verflechtungen, die für ein gemeinsames Wirtschaften sprechen würden, zwischen diesen in einer Wohnung lebenden Menschen in keiner Weise greifbar sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn von diesen beiden Personen keiner weder über das Einkommen noch das Vermögen des jeweils anderen verfügen kann.

Rechtstipp:
Vgl. LSG NSB, Urteil vom 11.12.2012 – L 11 AS 679/08 u. LSG NSB, Urteil vom 29.05.2013 – L 13 AS 268/11

3.5 – SG Gießen, Urt. v. 28.11.2017 – S 22 AS 734/16

Die Kündigung eines Arbeitnehmers während der Probezeit ist ein “wichtiger Grund” im Sinne von § 31 Abs. 1 Satz 2 SGB II

Leitsatz (www.sozialgerichtsbarkeit.de)
Der Begriff “wichtiger Grund” in § 31 Abs. 1 Satz 2 SGB II ist ein unbestimmter Gesetzesbegriff. Eine Sanktion tritt nur dann ein, wenn dem Leistungsberechtigten unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung seiner Interessen und den öffentlichen Interessen ein anderes Verhalten zugemutet werden kann.

Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de

3.6 – Sozialgericht Kassel, Beschluss v. 17.01.2018 – S 8 AS 191/17 ER

Leitsatz (Redakteur)
Auch unter den seit dem 01.08.2016 geltenden Neuregelungen zur vorläufigen Leistungsbewilligung in § 41 a SGB II ist weiterhin eine teilweise vorläufige Leistungsbewilligung möglich und führt nicht zur Vorläufigkeit des Bescheides insgesamt (aA. etwa Conradis in: Münder, Sozialgesetzbuch II, Grundsicherung für Arbeitssuchende, 6. Auflage 2017, § 41 a Rnr. 9).

Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de

3.7 – Sozialgericht Berlin, Urteil vom 7. Juli 2017 (Az.: S 175 AS 14857/15):

Leitsatz Dr. Manfred Hammel
1. Die aus den §§ 31 ff. SGB II hervorgehenden Regelungen über die Absenkung des Arbeitslosengeldes II bei Pflichtverletzungen sind nicht verfassungswidrig.

2. Der Staat hat das soziokulturelle Existenzminimum nicht voraussetzungslos zu gewähren. Auch das aus Art. 1 Abs. 1 GG ableitbare Grundrecht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum gewährleistet keinen von Mitwirkungsobliegenheiten und Eigenaktivitäten unabhängigen Anspruch auf die Gewährleistung einer sozialen Grundsicherung.

3. Die Möglichkeit der Ausstellung von Lebensmittelgutscheinen durch das Jobcenter bei sanktionswürdigen Pflichtverletzungen entsprechend § 31a Abs. 3 SGB II stellt die Basis für die Verfassungsmäßigkeit dieser Sanktionsregelungen dar.

4. Bei der Einlösung dieser Gutscheine in Läden liegt insbesondere kein Fall einer öffentlichen Demütigung oder Entwürdigung des Leistungsbeziehers vor. Es bezahlen stets auch andere Kunden mit Gutscheinen, die z. B. von ihrem Arbeitgeber zu Verpflegungszwecken ausgegeben werden.

5. Die Vergabe dieser modifizierten Sachleistung durch den SGB II-Träger dient der Anerkennung der Individualität und der Selbstbestimmtheit des Leistungsempfängers. Dieser kann selbst entscheiden, welche Lebensmittel er in welchem Geschäft erwerben möchte.

4.   Entscheidungen der Sozialgericht zur Sozialhilfe (SGB XII)

4.1 – SG Oldenburg, Beschluss vom 15.12.2017 -  S 21 SO 47/17 ER

Leitsatz (Juris)
Leistungen der Eingliederungshilfe und der Hilfe zur Pflege nach dem SGB XII als Persönliches Budget gem. §§ 53 ff SGB XII i.V.m.§ 17 Abs. 2 S. 1 SGB IX (in der bis zum 31.12.2017 geltenden Fassung) sowie Kosten für eine Budgetassistenz im Eilverfahren trotz fehlender Zielvereinbarung.

Quelle: www.rechtsprechung.niedersachsen.de

Hinweis:
aA. Das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen hat mit Beschluss vom 29. November 2016 (L 9 SO 522/16 B ER) die Auffassung vertreten, dass einem Anordnungsanspruch auf Gewährung eines persönlichen Budgets das Fehlen einer Zielvereinbarung gem. § 4 i. V. m. § 3 Abs. 4 der Budgetverordnung entgegenstehe (ebenso: LSG Sachsen-Anhalt, Beschl. vom 06. August 2015, L 8 SO 24/15 B ER; abweichend hierzu, wonach in bestimmten Fällen die Gewährung eines persönlichen Budgets auch im Wege der einstweiligen Anordnung möglich sein muss, Schweigler, RdLH 2016, S. 15f).

5.   Verschiedenes zu Hartz IV, zur Sozialhilfe, zum Asylrecht, Wohngeldrecht und anderen Gesetzesbüchern

5.1 – Anmerkung zu: BSG 4. Senat, Urteil vom 04.04.2017 – B 4 AS 6/16 R

Autor: Dietrich Hengelhaupt, Direktor SG
Zugunstenverfahren nach § 44 SGB X: Aktuelle Hilfebedürftigkeit keine Nachleistungsvoraussetzung

Leitsatz
Der Anspruch auf Rücknahme eines rechtswidrigen nicht begünstigenden Verwaltungsakts über die Bewilligung von Arbeitslosengeld II und der Anspruch auf eine sich daraus ergebende Leistungsnachzahlung setzt keine bis zum Abschluss des Überprüfungsverfahrens durchgehend bestehende Hilfebedürftigkeit voraus.

weiter Juris: www.juris.de

5.2 – Arbeitslosengeld an der Supermarktkasse

Arbeit und Soziales/Antwort – 30.01.2018 (hib 38/2018)

Berlin: (hib/CHE) Der Plan, Bargeld-Auszahlungen beim Arbeitslosengeld II (zum Beispiel für Vorschüsse und in akuten Notlagen) künftig über Supermarktkassen abzuwickeln, gewährleistet den Sozialdatenschutz in vollem Umfang. Das betont die Bundesregierung in ihrer Antwort ( 19/507) auf eine Kleine Anfrage ( 19/371) der Fraktion Die Linke.

weiter: www.bundestag.de

5.3 – Kosten für Aufenthaltstitel: Wann ist man von den Gebühren befreit?

Oft stellt sich einerseits die Frage, ob und wer Kosten für Aufenthaltstitel tragen muss. Wir stellen deshalb die gesetzlichen Grundlagen dazu zusammen.

weiter: berlin-hilft.com

5.4 – Niedersächsische Oberverwaltungsgericht: Derzeit unzulässige Abschiebung anerkannter Flüchtlinge nach Bulgarien

Der 10. Senat des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts hat mit Urteil vom 29. Januar 2018 (Az. 10 LB 82/17) entschieden, dass Asylbewerber, die bereits in Bulgarien als Flüchtlinge anerkannt worden sind, derzeit nicht nach Bulgarien rücküberstellt werden dürfen.

weiter: www.oberverwaltungsgericht.niedersachsen.de

5.5 – Schuldenfrei erwachsen: Volljährigkeit und Hartz IV, ein Beitrag von Rechtsanwalt Stefan Senkel, Berlin

Zum 18. Geburtstag
Den Tag ihrer Volljährigkeit hatte sich Sara eigentlich anders vorgestellt: Sei wollte eine Ausbildung machen, endlich eigenes Geld verdienen und auf eigenen Beinen stehen. Kurz vor ihrem Geburtstag erhielt sie aber einen Brief vom regionalen Inkassodienst der Bundesagentur für Arbeit. Von dort wurden mehrere tausend Euro von Sara zurückforderte.

Ihre Mutter hatte in den letzten Jahren aufstockend Leistungen vom Jobcenter bezogen, weil das Geld, das die Mutter in ihrem Halbtagsjob verdiente, für beide nicht ausreichte. Weil die Mutter auch unregelmäßig verdient kam es deshalb zu Überzahlungen und dadurch zu Rückforderungen vom Jobcenter.

Schuldenfalle JobCenter

weiter: www.anwalt.de

Rechtstipp:
Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Urt. v. 28.09.2017 – L 2 AS 695/16 – Revision anhängig beim BSG – B 4 AS 43/17 R

Zur Frage, wie sich der Eintritt der Haftungsbeschränkung entsprechend § 1629a BGB nach Erlass des Widerspruchsbescheids auf ein laufendes Klageverfahren auswirkt.

Erstattung von SGB II-Leistungen – Beschränkung der Minderjährigenhaftung

Leitsatz (Juris)
1. Die Beschränkung der Minderjährigenhaftung gemäß § 1629a BGB findet im SGB II entsprechende Anwendung. Sie ist bereits im Erkenntnisverfahren über eine Anfechtungsklage gegen einen Erstattungsbescheid zu berücksichtigen (vgl BSG, Urt v 7. Juli 2011 – B 14 AS 153/10 R = BSGE 108, 289 = SozR 4-4200 § 38 Nr 2; Urt v 18. November 2014 – B 4 AS 12/14 R = SozR 4-1300 § 50 Nr 5).

2. Dies gilt auch, wenn die Volljährigkeit erst nach Erlass des Widerspruchsbescheids, während des laufenden Klageverfahrens eintritt (aA: LSG Berlin-Brandenburg, Urt v 19. April 2013 – L 26 AS 1379/10).

3. Bei der Ermittlung des zu berücksichtigenden Altvermögens sind solche Gegenstände außer Betracht zu lassen, die gemäß § 811 ZPO von einer Pfändung ausgenommen sind.

5.6 – Bundesgerichtshof bejaht unmittelbaren Rückforderungsanspruch eines Jobcenters gegen Vermieter wegen Mietzahlung nach Vertragsende

Urteil vom 31. Januar 2018 – VIII ZR 39/17

Der Bundesgerichtshof hat sich heute in einer Entscheidung mit der Frage beschäftigt, ob einem Jobcenter, welches im Rahmen von Sozialleistungen Mietzahlungen versehentlich auch noch nach der Beendigung des Mietverhältnisses unmittelbar an den bisherigen Vermieter überweist, ein Rückforderungsanspruch unmittelbar gegen den Vermieter zusteht oder ob ein solcher Anspruch gegen den Mieter als Empfänger der Sozialleistung zu richten ist.

weiter: juris.bundesgerichtshof.de

5.7 – Antwort

Regierung: BAföG keine Grundsicherung
Die vom Bundesverfassungsgericht getroffene Entscheidung zur Gewährleistung des Existenzminimums kann nicht unverändert auf die Bemessung der Bedarfssätze beim BAföG übertragen werden.

weiter: bildungsklick.de

5.8 – Umzug bei Bezug von Leistungen vom Jobcenter, ein Beitrag von Rechtsanwältin Berna Cohn-Mondri, Bochum

Übernahme von neuen Wohn- und Umzugskosten durch das Jobcenter (§ 22 SGB II)

Als Empfänger von Leistungen nach dem SGB II stellt sich ein Umzug häufig als nur schwer überwindbare Hürde dar. Ist die Entscheidung zum Umzug gefallen, gibt es einige zu beachtende Punkte, die im Folgenden kurz behandelt werden sollen.

I. Erteilung der Zustimmung zum Umzug
Als erstes sollten Sie, sobald Sie eine Wohnung gefunden haben, die Wohnkosten überprüfen. Entsprechen diese den Vorgaben des örtlich zuständigen Trägers hinsichtlich der Angemessenheit? Auf den Homepages der jeweils zuständigen Jobcenter können Sie sich im Vorfeld einen Überblick verschaffen. Achtung! Die dortigen Angaben betreffen die Bruttokaltmiete, d. h. Kaltmiete und kalte Nebenkosten. Heizkosten sind (grundsätzlich; Ausnahme: verschwenderisches Heizverhalten) in voller Höhe zu übernehmen.

weiter: www.anwalt.de

5.9 – Jobcenter muss nahtlosen Übergang in die Grundsicherung sicherstellen, ein Beitrag von RA Helge Hildebrandt

Denn aus § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB I und § 44a SGB II folgt, dass der zuerst angegangene Sozialleistungsträger vorläufig so lange Leistungen zu erbringen hat, bis der eigentlich zuständige Träger die Leistungsgewährung tatsächlich aufnimmt.

weiter: sozialberatung-kiel.de

5.10 – Bundesrat für Entlastung der Sozialgerichte

Der Bundesrat möchte die Verfahren der Sozialgerichte beschleunigen, um insbesondere die hohen Fallzahlen bei den Hartz-IV-Klagen schneller abzubauen und hat daher in einem am 02.02.2018 beschlossenen Gesetzentwurf dem Bundestag Vereinfachungen vor allem im Prozessrecht vorgeschlagen.

Unter anderem sollen mehr Einzelrichter ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Beisitzer entscheiden, so wie dies bereits in verwaltungs- oder finanzgerichtlichen Verfahren möglich ist. Klägerinnen und Kläger sollen künftig selbst bestimmen können, in welchem Umfang die Sozialgerichte behördliche Verwaltungsakte überprüfen. So wären zum Beispiel Beschränkungen auf bestimmte Teile eines Leistungsbescheids für einen Hartz-IV-Empfänger möglich, sofern alle Beteiligte sich einig sind. Bislang müssen die Sozialgerichte einen angegriffenen Bescheid vollumfänglich unter jedem rechtlichen Gesichtspunkt überprüfen, auch wenn der Betroffene sich nur gegen einen Teilbereich wie die Kosten der Unterkunft oder die Höhe des Arbeitslosengeldes wendet.

weiter: www.juris.de

5.11 – Hartz IV: Leipziger Mietspiegel rechtswidrig!

Stadt betrügt mal wieder – Die KdU-Praxis der Jobcenter verstößt erneut gegen geltendes Recht und höchstrichterlicher Rechtsprechung! Über 67.000 Leistungsbezieher sind betroffen!

weiter: www.freitag.de

Verfasser des Rechtsprechungstickers: Redakteur von Tacheles Detlef Brock

Quelle: Tacheles-Rechtsprechungsticker, www.tacheles-sozialhilfe.de