Tacheles Rechtsprechungsticker KW 15/2018

1.   Entscheidungen der Landessozialgerichte zur Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II)

1.1 – Sächsisches Landessozialgericht, Beschluss v. 20.03.2018 – L 3 AS 73/18 B ER- rechtskräftig

Verlust des Freizügigkeitsrechts für EU-Bürger

Orientierungssatz (Redakteur)
Zur Frage, ob der aus Polen stammende Antragsteller von der Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II ausgeschlossen ist, nachdem die Ausländerbehörde nach einem länger als fünfjährigen Aufenthalt des Antragstellers in der Bundesrepublik Deutschland den Verlust des Rechts auf Freizügigkeit festgestellt, jedoch der Antragsteller gegen den Bescheid Widerspruch mit aufschiebender Wirkung erhoben hatte.

Leitsatz (Juris)
Die Feststellung des Verlustes des Rechts auf Einreise und Aufenthalt durch die Ausländerbehörde und die Begründung der Ausreisepflicht nach § 7 Abs. 1 Satz 1 FreizügG/EU hat, solange der Bescheid nicht bestandskräftig ist und auch nicht für sofort vollziehbar erklärt worden ist, keine Auswirkungen auf den bereits bestehenden Anspruch nach § 7 Abs. 1 Satz 4 Halbsatz 1 SGB II.

Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de

1.2 – Sächsisches Landessozialgericht, Urt. v. 21.12.207 – L 7 AS 1806/13

Orientierungssatz (Redakteur)
Zur Frage, ob dem Kläger zur Anschaffung von Schuhen und Strümpfen aufgrund seiner Größe ein Mehrbedarf nach § 21 Abs. 6 SGB II zusteht, verneinend hier.

Leitsatz (Redakteur)
1. Im Ergebnis kann vom Kläger erwartet werden, dass er den konkreten Bedarf zum Kauf von Schuhen in seiner Größe durch Leistungen aus dem ihm gewährten Regelbedarf deckt, denn sein Bedarf war nicht unabweisbar i. S. d. § 21 Abs. 6 SGB II.

2. In Anlehnung an die Rechtsprechung des BSG zum Sozialhilferecht kann darauf abgestellt werden, dass es sich um eine Abweichung von nicht nur unbedeutendem wirtschaftlichen Umfang handeln muss (vgl. BSG, Urteil vom 11.12.2007 – B 8/9b SO 21/06 R). Wann diese “Geringfügigkeitsgrenze” überschritten ist, unterliegt einer Beurteilung im Einzelfall. Dauer und Häufigkeit des auftretenden Bedarfs werden dabei ebenso berücksichtigt werden müssen, wie die besonderen Umstände des Leistungsberechtigten (hier auf einen monatlichen Betrag Mehrkosten in Höhe von 5,61 EUR bis 11,71 EUR).

Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de

1.3 – LSG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 13.12.2017 – L 5 AS 2612/14 – anhängig BSG Az.: B 14 AS 5/18 R

Arbeitslosengeld II – Unterkunft und Heizung – Darlehen – Tilgung durch monatliche Aufrechnung in Höhe von 10 % des Regelbedarfs – Anwendbarkeit auf Mietkautionsdarlehen – gebundene Entscheidung |

Ist die Aufrechnungsregelung des § 42a Absatz 2 Satz 1 SGB II auch auf Mietkautionsdarlehen anzuwenden?

Leitsatz (Juris)
1. Die Aufrechnungsregelung des § 42a Abs 2 S 1 SGB 2 ist auch auf Mietkautionsdarlehen anzuwenden. (Rn.24)

2. § 42a Abs 2 S 1 SGB 2 sieht weder ein Entschließungs- noch ein Auswahlermessen vor. (Rn.27)

Quelle: Juris

Rechtstipp:
(ebenso LSG NRW, Urt. v. 31.08.2017 – L 19 AS 787/17 – Revision anhängig BSG Az. B 14 AS 41/17 R; Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 11. Mai 2017, L 6 AS 111/14, – Revision anhängig beim BSG unter dem Az.: B 14 AS 40/17 R ; Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 18. November 2013, L 10 AS 1793/13 B PKH; unentschieden Bundessozialgericht, Urteil vom 25. Juni 2015, B 14 AS 28/14 R; zweifelnd Bundessozialgericht, Beschluss vom 29. Juni 2015, B 4 AS 11/14 R, Rn; ablehnend Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 29. Juni 2017, L 7 AS 607/17, – anhängig BSG Az.: B 14 AS 31/17 R)

1.4 – Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urt. v. 15.03.2018 – L 34 AS 1469/16 u. L 34 AS 1468/16

Arbeitslosengeld II – Minderung der Unterkunftskosten durch Betriebskostenguthaben – Verfügbarkeit – Zufluss – direkte Erbringung der Unterkunftskosten an den Vermieter

Orientierungssatz (Redakteur)
§ 22 Abs. 3 SGB II ist auch auf die Konstellation anwendbar, in der das JobCenter die Miete an den Vermieter zahlt.

Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de

2.   Entscheidungen der Sozialgerichte zur Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II)

2.1 – Sozialgericht Kassel, Urt. v. 19.02.2018 – S 3 AS 102/17

Leitsatz (Redakteur)
Das Konzept des Werra-Meißner-Kreises zur Feststellung der Angemessenheit von Unterkunftskosten ist – ” nicht ” – schlüssig im Sinne der Rechtsprechung des BSG (entgegen SG Kassel v. 7.03.2016 – S 8 AS 447/14).

Quelle: www.anwaltskanzlei-adam.de

2.2 – Sozialgericht Dessau-Roßlau, Urt. v. 30.08.2016 – S 14 AS 232/14

Grundsicherung für Arbeitsuchende – Unterkunft und Heizung – Angemessenheit der Unterkunftskosten – Fünfpersonenhaushalt im Landkreis Wittenberg – Nichterfüllung der Anforderungen an ein schlüssiges Wohnkonzept

Orientierungssatz (Redakteur)
Die der Verwaltungsvorschrift des Landkreises Wittenberg zur Gewährung von Leistungen für Unterkunft und Heizung nach dem SGB II und SGB XII zugrunde liegende Mietwerterhebung entspricht nicht den Mindestanforderungen des Bundessozialgerichts an ein schlüssiges Konzept zur Bestimmung von Angemessenheitsgrenzwerten.

Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de

Rechtstipp:
Ebenso Sozialgericht Dessau-Roßlau, Urt. v. 30.08.2016 – S 14 AS 1403/14

2.3 – Sozialgericht Dessau-Roßlau, Urt. v. 09.08.2017 – S 3 AS 3216/14 – rechtskräftig

Kosten der Unterkunft und Heizung; Anforderungen an ein schlüssiges Konzept zur Bestimmung der Angemessenheit von Unterkunftskosten im Landkreis Anhalt-Bitterfeld; Bestimmung des Vergleichsraumes; Indexierung

Orientierungssatz (Redakteur)
Die vom Beklagten zugrunde gelegte Richtlinie zur Gewährung von Leistungen für Unterkunft und Heizung im Landkreis Anhalt-Bitterfeld entspricht ab dem 1. April 2012 den Mindestanforderungen des BSG an ein schlüssiges Konzept zur Bestimmung von Angemessenheitsgrenzwerten.

Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de

2.4 – SG Münster, Beschluss v. 03.04.2018 – S 8 AS 145/18 ER

Orientierungssatz (Redakteur)
Zum Bestehen ernstlicher Zweifel an der Rechtmäßigkeit zur Verpflichtung an der Maßnahme.

Leitsatz (Redakteur)
1. Die zugewiesene Maßnahme muss für den Hilfebedürftigen zumutbar und zur Erreichung des Eingliederungsziels geeignet und erforderlich sein (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 24.11.2015, L 7 AS 1519/15 B ER).

2. Eine Eingliederungsvereinbarung und auch der eine solche Vereinbarung ersetzende Verwaltungsakt sollen sicherstellen, dass Angebote unterbreitet werden, die den individuellen Bedürfnissen, den Anforderungen des Arbeitsmarktes und den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit entsprechen (vgl. BT- Drucks15/516, S.46). Es sollen individuelle und maßgeschneiderte Eingliederungsleistungen unterbreitet werden (BSG, Urt. v. 23.06.2016 – B 14 AS 42/15 R).

3. Hier nicht ersichtlich, dass die Maßnahme den individuellen Bedürfnissen angepasst und erforderlich zur Erreichung des Eingliederungsziels ist.

3.   Entscheidungen der Landessozialgerichte zur Sozialhilfe (SGB XII)

3.1 – Landessozialgericht Hamburg, Urt. v. 15.02.2018 – L 4 SO 42/17

Orientierungssatz (Redakteur)
Zur Übernahme der Kosten für den Einbau einer neuen, teureren Gastherme (hier ablehnend)

Leitsatz (Redakteur)
1. Obgleich es im SGB XII an einer dem § 22 Abs. 2 SGB II – entsprechenden Regelung fehlt, gehören Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur auch im Bereich der Leistungen nach § 35 SGB XII zu den Kosten der Unterkunft (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 20.7.2017 – L 23 SO 247/17).

2. Entsprechend der Rechtsprechung zu § 22 Abs. 2 SGB II sind danach Kosten für Erhaltungs- und Instandhaltungsmaßnahmen zu übernehmen, nicht aber wertsteigernde Erneuerungsmaßnahmen. Zwar scheiden damit nicht alle wertsteigernden Maßnahmen aus, jedoch besteht ein Anspruch nur auf Übernahme der zur Sicherung der Substanz und der Aufrechterhaltung der Bewohnbarkeit notwendigen Kosten. Berücksichtigungsfähig sind daher nur die Aufwendungen, die der Erhaltung bzw. Wiederherstellung der Wohnung in ihrer bisherigen Substanz dienen (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 26.9.2013 – L 7 AS 1121/13).

3. Bei Anwendung dieser Maßstäbe hat der Kläger keinen Anspruch auf eine über die ihm im Bescheid bewilligten Leistungen hinausgehende Übernahme von Kosten. Durch den Einbau der ihm angebotenen, zuvor als Ausstellungsstück genutzten V.-Niedertemperaturtherme hätte der Kläger seinen Instandhaltungs- und Reparaturbedarf decken können. Den Einbau der teureren Gasbrennwerttherme bedurfte es hierfür nicht. Bereits aus diesem Grund sind weitergehende Ansprüche des Klägers ausgeschlossen, denn er kann allein das verlangen, was zur Wiederherstellung der Beheizbarkeit seiner Wohnung erforderlich ist.

Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de

4.   Verschiedenes zu Hartz IV, zur Sozialhilfe, zum Asylrecht, Wohngeldrecht und anderen Gesetzesbüchern

4.1 – Hartz-IV-Empfänger mit Schweizer Schwarzgeldkonto muss Leistungen zurückzahlen

Das LSG Celle-Bremen hat entschieden, dass Hartz-IV-Empfänger, die Vermögenswerte auf einem Schweizer Konto verschwiegen haben, Grundsicherungsleistungen für zehn Jahre in Höhe von 175.000 Euro zurückzahlen müssen.

Quelle: Pressemitteilung des LSG Celle-Bremen v. 03.04.2018
weiter: www.juris.de

Verfasser des Rechtsprechungstickers: Redakteur von Tacheles Detlef Brock

Quelle: Tacheles-Rechtsprechungsticker, www.tacheles-sozialhilfe.de