Tacheles Rechtsprechungsticker KW 37/2019

1.   Entscheidungen des Bundessozialgerichts zur Grundsicherung nach dem SGB II und zur Sozialhilfe (SGB XII)

1.1 – BSG, Urt. v. 08.05.2019 – B 14 AS 15/18 R

Grundsicherung für Arbeitsuchende – Einkommens- oder Vermögensberücksichtigung – Erbschaft – Zeitpunkt des Erbfalls während des Leistungsbezugs – Zufluss der Geldmittel erst nach Unterbrechung des Leistungsbezugs

Orientierungssatz (Redakteur)
1. Bezieht der Erbe zum Zeitpunkt des Erbfalles Leistungen nach dem SGB II, fließen ihm die Mittel aus der Erbschaft aber erst nach einer Unterbrechung der Hilfebedürftigkeit (durch Bezug von Arbeitslosengeld I und Wohngeld) während eines erneuten Leistungsbezuges zu, so ist der aus der Erbschaft zufließende Betrag nicht als Einkommen, sondern als – Vermögen – anzusehen.

2. Dabei ist es nicht von Belang, dass vorliegend kein Erwerbseinkommen erzielt wurde, sondern andere Einkommensarten der Beendigung der Hilfebedürftigkeit zugrunde lagen. Entgegen der Ansicht des Beklagten kann nicht deshalb von einem einheitlichen Leistungsfall ausgegangen werden, weil nur eine “unechte” Unterbrechung der Hilfebedürftigkeit wegen des Bezugs anderweitiger Sozialleistungen vorliege, denn eine Unterbrechung ist von vornherein nicht das maßgebliche Kriterium, sondern die Beendigung des (ersten) Leistungsfalls.

Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de

1.2 – BSG, Urteil v. 04.04.2019 – B 8 SO 10/18 R

Sozialhilfe – Bestattungskosten – Unzumutbarkeit der Kostentragung – Einsatz von Einkommen über der Einkommensgrenze des § 85 SGB XII – Anwendbarkeit des § 87 Absatz 3 SGB XII – Möglichkeit zur Verteilung der Belastung auf mehrere Monate

Orientierungssatz (Redakteur)
Bestattungskosten dürfen von Sozialamt nicht über mehrere Monate aufgeteilt werden.

Quelle: www.bsg.bund.de

Hinweis:
Grundsätzlich kann auch Hinterbliebenen, die nicht im Sozialhilfebezug stehen, die Übernahme von Kosten einer Sozialbestattung gewährt werden. Haben Hinterbliebenen nur kleine Einkünfte bzw. Vermögen und ist die Übernahmen der Bestattungskosten dadurch nicht zumutbar, darf das Sozialamt nicht pauschal auf die Tatsache hinweisen, die Angehörigen könnten die Bestattungskosten über einen Zeitraum von mehreren Monaten aufbringen.

weiter: www.juraforum.de

1.3 – Bundessozialgericht, Urt. v. 08.05.2019 – B 14 AS 6/18 R

Jobcenter muss Kosten für Schulbücher tragen.

Orientierungssatz (Redakteur)
Die Kosten für Schulbücher sind vom Jobcenter als Härtefall-Mehrbedarf zu übernehmen, wenn Schüler mangels Lernmittelfreiheit ihre Schulbücher selbst kaufen müssen.

Ein Darlehen nach § 24 Absatz 1 SGB II scheidet aus, weil dieses einen vom Regelbedarf zutreffend erfassten Bedarf voraussetzt, was bei fehlender Lernmittelfreiheit gerade nicht der Fall ist.

Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de

1.4 – BSG, Urt. v. 05.09.2019 – B 8 SO 14/18 R

Orientierungssatz (Redakteur)
1. Dem Bestehen einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft steht nicht entgegen, dass die Ehe des Klägers nicht geschieden ist.

2. Diese Auslegung verstößt nicht gegen Verfassungsrecht. Der besondere Schutz der staatlichen Ordnung, den Art. 6 Abs. 1 GG gewährleistet, gilt zwar auch der gescheiterten Ehe. Die Entscheidung, bei Getrenntleben eine neue Lebensgemeinschaft einzugehen, unterliegt aber dem Selbstbestimmungsrecht des getrennt lebenden Ehegatten. Erfüllt die neue Lebensgemeinschaft die Kriterien an eine Einstands- und Verantwortungsgemeinschaft, ist die wechselseitige Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen nur eine rechtliche Folge dieser dem staatlichen Zugriff entzogenen Entscheidung.

Quelle: www.juris.de

Hinweis dazu zum SGB II:
Das Bestehen einer Verantwortungs- und Einstandsgemeinschaft in diesem Sinne wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass einer der Partner noch anderweitig verheiratet ist (mehr dazu im Beschluss des LSG Baden- Württemberg L 7 AS 640/07 ER-B vom 22.03.2007 und Hessisches Landessozialgericht, Beschluss vom 21.06.2013 – L 9 AS 103/13 B ER rechtskräftig).

2.   Entscheidungen der Landessozialgerichte zur Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II)

2.1 – LSG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 27.08.2019 – L 4 AS 472/17

Grenzwerte für Hartz IV-Richtlinie des Landkreises Wittenberg nicht anwendbar

Das LSG Halle hat eine Richtlinie beanstandet, mit der der Landkreis Wittenberg die Höhe der Hartz IV-Leistungen für Unterkunftskosten festgelegt hatte.

Kurzfassung:
Nach Auffassung des Landessozialgerichts sei dadurch ein erheblicher Teil des Mietwohnungsmarkts unberücksichtigt geblieben; denn 58% aller Wohnungen im Landkreis befänden sich in Ein- und Zweifamilienhäusern. Für das ländlich geprägte Kreisgebiet sei es typisch, in Häusern zu wohnen, die nicht mehr als zwei Wohneinheiten aufweisen. Die vom Landkreis festgelegten Grenzwerte für die Jahre 2011 bis 2014 beruhten deshalb trotz einer Überarbeitung im März 2019 nicht auf einem sog. schlüssigen Konzept und seien nicht anzuwenden. Stattdessen haben die Leistungsberechtigten nach der Entscheidung einen Anspruch auf Berücksichtigung ihrer tatsächlich angefallenen Wohnkosten bis zu einem Höchstbetrag, der sich aus dem Wohngeldgesetz und einem zusätzlichen Aufschlag von 10% ergebe. Dies betreffe allerdings nur Fälle, in denen noch Verwaltungs- oder Gerichtsverfahren für den betroffenen Zeitraum anhängig seien.

Die Entscheidung des LSG Halle ist noch nicht rechtskräftig.

juris-Redaktion
Quelle: Pressemitteilung des LSG Halle Nr. 2/2019 v. 04.09.2019

2.2 – LSG NRW, Beschl. v. 17.07.2019 – L 7 AS 987/19 B ER

Arbeitslosengeld II: 100%-Sanktion trotz BVerfG-Verfahren

Das LSG Essen hat entschieden, dass auch eine vorläufige Leistungsgewährung nach § 41a Abs. 7 SGB II ausscheidet, solange beim Bundesverfassungsgericht die Verfassungsmäßigkeit der Sanktionsregelungen zur Klärung ansteht.

Kurzfassung: Nach Auffassung des Landessozialgerichts spricht nach der maßgebenden Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Eilentscheidung mehr für als gegen die Rechtmäßigkeit des Sanktionsbescheides. Der Antragsteller könne sich nicht auf ein die Aussetzung der Vollziehung des Sanktionsbescheides rechtfertigendes Aufschubinteresse aus § 41a Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 SGB II berufen. Danach könne über die Erbringung von Geld- und Sachleistungen vorläufig entschieden werden, wenn die Vereinbarkeit einer Vorschrift des SGB II, von der die Entscheidung über den Antrag abhänge, mit höherrangigem Recht Gegenstand eines Verfahrens (u.a.) vor dem BVerfG sei. Zwar sei die hier entscheidungserhebliche Frage der – vom Landessozialgericht bejahten – Verfassungsmäßigkeit der Sanktionsregelungen (§§ 31 ff. SGB II) vor dem BVerfG anhängig (AZ.: 1 BvL 7/16). Indes lasse sich mit § 41a Abs. 7 SGB II nur eine vorläufige, aber keine gesetzeswidrige Leistungsgewährung begründen. Denn dabei handele es sich lediglich um eine Verfahrensvorschrift. Diese ermächtige nicht dazu, Leistungen zu gewähren, die nach dem geltenden einfachen Recht nicht zustünden.

Der Beschluss ist unanfechtbar.

juris-Redaktion
Quelle: Pressemitteilung des LSG Essen v. 04.09.2019

Zum Volltext der Entscheidung

2.3 – Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 26.08.2019 – L 31 AS 1300/19 B ER – rechtskräftig

Verkauf von Schmuckstücken im Internet; Freelancer-Vertrag; selbstständige Tätigkeit

Orientierungssatz (Redakteur)
Schwedische Staatsangehörige hat keinen Anspruch auf ALG II, denn jedenfalls reicht der Umfang, der nicht über den Umfang des hobbymäßigen Herstellens und Verkaufens von Schmuck und T-Shirts hinausgeht, nicht aus, um den Status eines niedergelassenen selbstständigen Erwerbstätigen zu erlangen (vgl. dazu Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 07. Februar 2019, L 2 AS 860/18 B ER – die nur gelegentliche Erbringung handwerklicher Leistungen kann Anhaltspunkt für eine fehlende wirtschaftliche Relevanz der Tätigkeit sein).

Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de

2.4 – Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 16.08.2019 – L 15 AS 274/18

Grundsicherung für Arbeitsuchende – Eingliederungsleistung – Eingliederungsverwaltungsakt – Geltungsdauer – fehlende Regelungen hinsichtlich der Überprüfung und Fortschreibung

Orientierungshilfe Kanzlei RA Heemann
1. Das Jobcenter muss im Eingliederungsverwaltungsakt zu erkennen geben, dass es hinsichtlich der Geltungsdauer „bis auf Weiteres“ Ermessensgesichtspunkte zu berücksichtigen hat (BSG, Urteil vom 21. März 2019, B 14 AS 28/18 R, Rn 26f.). Die Ermessensentscheidung ist nach den Grundsätzen des § 35 SGB X zu begründen.

2. Der Eingliederungsverwaltungsakt ist rechtswidrig, wenn die getroffene Geltungsdauer „bis auf Weiteres“ ohne Ausübung des ordnungsgemäßen Ermessens erfolgte.

Quelle:  Kanzlei RA Heemann

Rechtstipp: SG Karlsruhe, Urt. v. 21.03.2019 – S 14 AS 3653/18 –
Ein EGVA ist rechtswidrig, wenn er keine konkreten Regelungen hinsichtlich der Überprüfung und Fortschreibung seiner Inhalte trifft und insbesondere diesbezüglich keinen spätesten Zeitpunkt benennt, sondern die Bescheide nur unspezifisch „regelmäßig“ einer Überprüfung und Fortschreibung unterzieht (vgl. dazu Bundessozialgericht Urt. v. 21.03.2019, Az.: B 14 AS 28/18 R, zuvor Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urt. vom 15.05.2018, Az.: L 9 AS 4118/17).

3.   Entscheidungen der Sozialgerichte zur Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II)

3.1 – Sozialgericht Dessau-Roßlau, Urt. v. 14.12.2018 – S 3 AS 1773/15

Leitsatz (Juris)
1. Zur Schlüssigkeit des Konzepts über die Angemessenheit der Unterkunftskosten in der Stadt Dessau-Roßlau. Der Umfang der gerichtlichen Überprüfung einer Richtlinie ist auf deren Schlüssigkeit und Plausibilität beschränkt.

2. Durch den Rückgriff auf die Daten aus dem konkreten Mietspiegel wird erreicht, dass nur aktuell zuzahlende Mieten der Datenerhebung zugrunde gelegt werden (vgl. BSG, Urteil vom 10. September 2013 – B 4 AS 77/12).

3. Die Erweiterung des Datenbestandes auf Bestandsmieten, die über einen Vier-Jahres-Zeitraum hinausreichen, ist im Hinblick auf die Methodenfreiheit im Rahmen der Datenauswertung nur dann ohne Auswirkung, wenn ein angespannter Wohnungsmarkt verneint werden kann und im Wege einer Korrekturrechnung das (abstrakte) Vorhandensein ausreichend anmietbarer Wohnungen nachgewiesen wird.

Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de

3.2 – Sozialgericht Dessau-Roßlau, Urt. v. 12.07.2019 – S 3 AS 519/16

Orientierungssatz (Redakteur)
Ein unentgeltliches Praktikum fällt grundsätzlich nicht unter die Vorschrift des § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II (vgl. LSG Niedersachsen, Beschluss vom 12. Januar 2012 – L 7 AS 242/10 B).

Hinweis: Leitsatz (Juris)
1. Eine ordentliche Aktenführung und Dokumentation des Sachverhalts durch den Leistungsträger ist für den Nachweis des Abschlusses eines vermittelten Arbeitsverhältnisses oder das Anforderungsprofil an die Tätigkeit unerlässlich. Erst der Vergleich zwischen dem Anforderungsprofil einerseits und den Fähigkeiten bzw. der Eignung des Leistungsberechtigten andererseits lässt die Prüfung der Zumutbarkeit der Tätigkeit zu.

2. Eine versicherte Beschäftigung liegt nach den Kriterien der § 7 SGB IV auch bei einer unentgeltlichen Probearbeit zumindest dann vor, wenn objektiv die zu dieser Zeit und an diesem Ort notwendige Arbeit verrichtet wird und der Unternehmer diesbezüglich ein konkludent vereinbartes Weisungsrecht hat (vgl. LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 14. Dezember 2017 – L 6 U 82/15, derzeit anhängig beim BSG zum Aktenzeichen B 2 U 1/18 R). An die Annahme, dass ausnahmsweise auch eine unentgeltliche Tätigkeit unter § 31 Abs. 1 Satz 1 Nummer 2 SGB II fällt, sind strenge Anforderungen zu stellen.

Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de

3.3 – Sozialgericht Duisburg, Beschluss v. 30.08.2019 – S 38 AS 3126/19 ER

Kosten für die Anschaffung eines privaten Laptops/PC für den Besuch der Oberstufe – Mehrbedarf § 21 Abs. 6 SGB II – Anspruch auf Zugang

Leitsatz (Redakteur)
Das Jobcenter muss 10 EUR im Monat während des Besuches der Oberstufe für einen 16-jährigen bedürftigen Schüler zahlen, damit dieser einen Zugang zu einem internetfähigen Computer außerhalb der Schule hat, um nicht von vornherein in der Oberstufe “abgehängt” zu werden.

Orientierungssatz (Redakteur)
1. Der Antragsteller besitzt nach § 21 Abs. 6 SGB II keinen Anspruch auf die Kosten für die Anschaffung eines privaten Laptops/PC den Besuch der Oberstufe.

2. Der Antragsteller besitzt aber einen Anspruch auf einen Zugang zu einem internetfähigen Computer gemäß § 21 Abs. 6 SGB II außerhalb der Schule.

Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de

Hinweis Gericht:
Bei der Entscheidung des SG Gotha vom 17.08.2018, S 26 AS 3971/17 handelt es sich um eine Einzelfallentscheidung und die dortigen Darlegungen gelten nicht unbedingt für Kinder, die bereits 16 Jahre alt sind und denen durchaus zumutbar ist, dass sie sich den PC selbst etwa im Rahmen eines Ferienjobs verdienen.

3.4 – Sozialgericht Duisburg, Urt. v. 09.08.2019 – S 41 AS 2408/18

Orientierungssatz (Redakteur)
1. Die Kammer folgt nicht der teilweise vertretenen Ansicht, wonach sich ein Aufenthaltsrecht des die elterliche Sorge tatsächlich ausübenden Elternteils im Ergebnis aus Art. 21 AEUV ergeben soll (Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 30. Oktober 2018 – L 19 AS 1472/18 B ER), denn Art. 21 AEUV greift nach seinem Wortlaut nur vorbehaltlich der in den Verträgen und in den Durchführungsvorschriften vorgesehenen Beschränkungen.

Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de

4.   Entscheidungen der Landessozialgerichte zur Sozialhilfe (SGB XII)

4.1 – Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 27.06.2018 – L 9 SO 521/16 rechtskräftig

Keine rückwirkende Gewährung des Mehrbedarfs nach § 30 Abs. 5 SGB XII (entgegen BSG, Urt. v. 20.02.2014 – B 14 AS 65/12 R) – Laktose-Intoleranz

Orientierungssatz (Redakteur)
Nach Auffassung des 9. Senats ist es – sinnwidrig einen Mehrbedarf erst nachträglich zu gewähren -, obwohl die besondere Ernährung nicht mehr nachholbar ist.

Kurzfassung:
1. Einem Anspruch der Klägerin auf den Mehrbedarf nach § 30 Abs. 5 SGB XII steht nach Auffassung des Senats bereits entgegen, dass hier ausschließlich eine Leistung für einen in der Vergangenheit liegenden Zeitraum begehrt wird. Zwar hat das BSG zur parallelen Regelung des § 21 Abs. 5 SGB II entschieden, dass die Voraussetzungen für den Anspruch auf Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung bereits bei “Vorliegen der objektiven Bedarfslage” erfüllt seien und es deshalb nicht mehr darauf ankomme, dass bei einer nachträglich verpflichtenden Gewährung des Mehrbedarfs dessen Zweck nicht mehr erreicht werden könne, da die besondere Ernährung für diesen Zeitraum nicht mehr nachholbar und damit auch die Einflussnahme auf die gesundheitliche Beeinträchtigung nicht mehr möglich sei. In diesen Fällen sei dem Gebot des effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) Vorrang zu geben, da andernfalls der Sozialleistungsträger durch unberechtigtes Bestreiten des Anspruchs den Beginn der Leistung oder gar den ab Antragstellung entstandenen Anspruch vereiteln könne und so die Einklagbarkeit abgelehnter Leistungen nicht effektiv wäre (BSG, Urt. v. 20.02.2014 – B 14 AS 65/12 R -).

2. Dies hält der Senat für nicht überzeugend.

3. Einer rückwirkenden Gewährung des Mehrbedarfs nach § 30 Abs. 5 SGB XII stehen vielmehr, anders als das BSG meint, sowohl die Zweckbindung der Leistung, als auch ihre Ausgestaltung als Deckung des individuellen, gerade aus der konkreten Erkrankung erwachsenen Bedarfes des Betroffenen entgegen. Soweit das BSG ausführt, dass der Gesetzgeber das Erfordernis eines zweckentsprechenden Einsatzes der konkreten Leistung in § 21 SGB II nicht normiert habe, obwohl ihm die Möglichkeit einer solchen Regelung bekannt gewesen sei, übersieht es, dass sich die Zweckbindung von Leistungen auch ohne deren ausdrückliche Normierung ergeben kann. Es reicht aus, dass die Zweckbestimmung aus den Voraussetzungen für die Leistungsgewährung folgt, soweit sich aus dem Gesamtzusammenhang die vom Gesetzgeber gewollte Zweckbindung eindeutig ableiten lässt.

Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de

4.2 – Hessisches Landessozialgericht, Beschluss v. 15.08.2019 – L 4 SO 120/19 B

Orientierungssatz (Redakteur)
Keine PKH für den Antragsteller, denn der Senat ist nach wie vor der Überzeugung, dass die Regelbedarfsermittlungen für 2017 wie 2018 jedenfalls in ihrer abstrakten Konstruktion verfassungskonform sind. Sie folgen denselben Grundsätzen, die dem RBEG 2011 zugrunde gelegen haben, dass bereits Gegenstand der verfassungsgerichtlichen Überprüfung war (s.o. BVerfGE 137, 34). Konkrete Anhaltspunkte für eine evidente Unterdeckung des Existenzminimums liegen weiterhin nicht vor.

Auch soweit das Bundesverfassungsgericht zukunftsgerichtete Anforderungen an das RBEG 2017 gestellt hat, unterliegen die Regelsätze für 2018 keinen Bedenken.

Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de

5.   Entscheidungen der Landessozialgerichte zum Asylrecht

5.1 – Landessozialgericht Baden-Württemberg, Beschluss v. 28.08.2019 – L 7 AY 2735/19 ER-B

Leitsatz (Juris)
Allein der Umstand, dass Grundleistungen der sozialen Sicherung (hier Analogleistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG statt Leistungen nach §§ 3 ff. AsylbLG) betroffen sind, genügt nicht, um generell einen Anordnungsgrund anzunehmen.

Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de

6.   Verschiedenes zu Hartz IV, zur Sozialhilfe, zum Asylrecht, Wohngeldrecht und anderen Gesetzesbüchern

6.1 – Landessozialgericht: Leistungen für Asylbewerber zu niedrig – gerichtliche Erhöhung rechtmäßig, ein Beitrag von Rechtsanwältin Zahra Oubensalh

Das SG Stade hatte die unterbliebenen Anpassungen an die Erhöhung der Leistungen für Asylbewerber nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) angeordnet. Diese Entscheidung wurde nun vom Landessozialgericht Niedersachsen – Az. L 8 AY 49/18 – bestätigt.

weiter: www.anwalt.de

Verfasser des Rechtsprechungstickers: Redakteur von Tacheles Detlef Brock

Quelle: Tacheles-Rechtsprechungsticker