Sozialgericht Nordhausen – Beschluss vom 12.07.2021 – Az.: S 15 AY 1701/20 ER

BESCHLUSS

In dem Rechtsstreit

1. xxx,
2. xxx,
zu 1 und 2 wohnhaft: xxx

– Antragsteller –

zu 1 und 2 Prozessbevollm.:
Anwaltskanzlei
Sven Adam,
Lange Geismarstraße 55, 37073 Göttingen

gegen

Landkreis Eichsfeld,
vertreten durch den Landrat,
Friedensplatz 8, 37308 Heilbad Heiligenstadt

– Antragsgegner –

hat die 15. Kammer des Sozialgerichts Nordhausen durch ihren Vorsitzenden, Richter am Sozialgericht xxx, ohne mündliche Verhandlung am 12. Juli 2021 beschlossen:

Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, den Antragstellern vorläufig unter dem Vorbehalt der Rückforderung die beantragten Leistungen der Regelbedarfsstufe 2 nach §§ 3, 3a Asylbewerberleistungsgesetz für die Zeit vom 1. Januar 2021 bis zum 28. Februar 2021 ungekürzt zu gewähren.

Der Antragsgegner hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Antragsteller zu tragen.

GRÜNDE
I.

Die verheirateten Antragsteller begehren nach der teilweisen Erledigungserklärung noch die Gewährung von höheren Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz für die Zeit vom 1. Januar 2021 bis zum 28. Februar 2021.

Nach den Angaben der Antragsteller reisten diese im Juni 2015 in Italien ein. Einen Monat später beantragten sie dort die Gewährung von Asyl. Im März 2017 wurde ihnen Flüchtlingsschutz bewilligt. Die entsprechenden italienischen Aufenthaltstitel sind nach der Mitteilung der Ausländerbehörde des Antragsgegners seit dem 22. März 2019 abgelaufen. Nach ihren Angaben sind die Antragssteller von Italien in die Niederlande eingereist. Von dort seien sie nach Italien zurückgeschickt worden. Sie seien aber nach Deutschland gegangen, um einen erneuten Asylantrag zu stellen. Sie reisten mit ihren Kindern nach ihren Angaben am 1. Februar 2018 in die Bundesrepublik Deutschland ein. Weitere Kinder wurden nach der Einreise in der Bundesrepublik geboren. Sie bezogen seit dem März 2018 Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Ende Juni 2019 wurden die Antragsteller an der niederländischen Grenze von der Bundespolizei aufgegriffen. Sie seien im Besitz einer niederländischen Bescheinigung gewesen, wonach sie in den Niederlanden als Asylbewerber gemeldet seien. Die Antragsteller wurden daraufhin zum 30. Juni 2019 nach unbekannt abgemeldet. Ab dem 9. Januar 2020 hielten sie sich dann wieder in der Erstaufnahmeeinrichtung in Suhl auf.

Am 19. April 2020 stellten die Antragsteller einen weiteren Asylantrag.

Mit Bescheid vom 7. Juni 2018 lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die Anträge der Antragsteller als unzulässig ab. Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes lägen nicht vor. Die Antragsteller wurden aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe dieser Entscheidung zu verlassen. Sollten sie die Ausreisefrist nicht einhalten, würden sie nach Italien abgeschoben. Die Antragsteller dürften nicht nach Nigeria abgeschoben werden. Die Antragsteller hätten bereits in Italien Asylanträge gestellt. Im Rahmen des Asylverfahrens sei ihnen im März 2017 von diesem Mitgliedstaat der Europäischen Union internationaler Schutz im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 2 AsylG gewährt worden.

Mit Schriftsatz vom 1. Dezember 2020 hörte der Antragsgegner die Antragsteller zur beabsichtigten Kürzung der Leistungen an. Die Asylanträge seien als unzulässig abgelehnt worden, da sie einen rechtmäßigen internationalen Schutzstatus in Italien hätten. Daher sei beabsichtigt zum 1. Januar 2021 eine Leistungskürzung nach § 1a Abs. 4 i.V.m. § 3 AsylbLG vorzunehmen. Gem. § 1 a Abs. 4 AsylbLG erhalten Leistungsberechtigte nach § 1 Absatz 1 Nummer 1 oder 5, deren Asylantrag durch eine Entscheidung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge nach § 29 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit § 31 Absatz 6 des Asylgesetzes als unzulässig abgelehnt worden sei und für die eine Abschiebung nach § 34a Absatz 1 Satz 1 2. Alternative des Asylgesetzes angeordnet worden sei, nur Leistungen entsprechend Absatz 1, auch wenn die Entscheidung noch nicht unanfechtbar sei. Satz 1 gelte nicht, sofern ein Gericht die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsanordnung angeordnet habe. Bei einer möglichen Leistungskürzung würden für die Eltern jeweils die Geldleistungen grundsätzlich auf das Minimum gekürzt. Die gesamten notwendigen persönlichen Leistungen würden entzogen. Soweit tatsächliche Kosten für notwendige persönliche Leistungen unabdingbar seien, könnten diese Kosten mit einer entsprechenden Begründung eingereicht werden.

Mit Bescheid des Antragsgegners vom 17. Dezember 2020 bewilligte der Antragsgegner den Antragstellern für die Zeit vom 1. Januar 2021 bis zu 30. Juni 2021 Leistungen nach Asylbewerberleistungsgesetz in Höhe von 1.387,00 € monatlich. Dabei handele es sich um gekürzte Leistungen nach § 1 a Abs. 4 AsylbLG, da sie einen internationalen Schutzstatus in Italien besäßen. Es sei der komplette notwendige persönliche Bedarf entzogen worden, da die Antragsteller nicht nachgewiesen hätten, welche der beschriebenen Abteilungen benötigt würden. Die Kürzung sei für 6 Monate befristet und werde im Anschluss neu geprüft. Berechnet werde der notwendige Bedarf gemäß § 3a Abs. 2 AsylbLG. Die Berechnung ergebe sich aus dem beigefügten Berechnungsbogen.

Mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 19. Dezember 2020 erhoben die Antragsteller gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 17. Dezember 2020 Widerspruch. Die Kürzung der Leistungen nach § 1a Abs. 4 AsylbLG seien rechtswidrig. Es bestünden bereits im Hinblick auf den Gleichbehandlungsgrundsatz Bedenken. Den in § 1a Abs. 1-3 AsylbLG genannten Personen werde ein konkretes, selbst zu vertretendes ausländerrechtliches Fehlverhalten vorgeworfen, an das die Leistungseinschränkungen anknüpften. Zudem sei die Kürzung im Hinblick auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 5. November 2018 verfassungswidrig. Den Antragstellern verbleibe mit Ausnahme der Ausreise keine Möglichkeit, die Sanktion zu verhindern.

Nach der Mitteilung der Kanzlei Waldmann-Stocker an den Antragstellerbevollmächtigten vom 3. Februar 2021 vertrete diese die Antragsteller vor dem BAMF und der zuständigen Ausländerbehörde. Sie befänden sich im laufenden Asylverfahren. Es gebe derzeit keine Abschiebungsandrohung oder -anordnung, aus der vollzogen werden könne. Sie hätten zuletzt im Oktober ein ausführliches Interview beim BAMF gehabt. Seitdem habe das BAMF in der Hauptsache keine Entscheidung getroffen, so dass bis zu dieser Entscheidung auch gar keine Rückführung, egal ob ins Heimatland oder nach Italien zulässig sei.

Mit Bescheid vom 25. März 2021 berechnete der Antragsgegner den Anspruch der Antragsteller gem. § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X ab dem 1. März 2021 neu. Das Thüringer Landesverwaltungsamt habe mitgeteilt, dass eine Rückführung in den EU-Staat Italien, wo die Antragsteller einen internationalen Schutzstatus besäßen, nicht mehr möglich sei. Die Leistungskürzung nach § 1a Abs. 4 AsylbLG werde somit aufgehoben. Die Antragsteller seien am 1. Februar 2018 in die Bundesrepublik Deutschland eingereist. Die Voraussetzungen für einen Leistungswechsel von § 3 auf § 2 AsylbLG seien nicht erfüllt. Sie seien untergetaucht gewesen und damit in der Zeit vom 30. Juni 2019 bis zum 12. März 2020 nach unbekannt abgemeldet gewesen. Damit hätten sie ihren wesentlichen Aufenthalt im Bundesgebiet unterbrochen und ihren Aufenthalt in Deutschland rechtsmissbräuchlich verlängert. In dieser Zeit hätten keine Maßnahmen, zur Aufenthaltsbeendigung vollzogen werden können. Sie blieben Empfänger von Leistungen nach § 3 i.V.m. § 3a AsylbLG. Der Bescheid hebe alle vorhergehenden Bescheide über die Gewährung von Hilfe nach dem Asylbewerberleistungsgesetz auf, soweit er sich auf gleiche Zeiträume beziehe.

Die Antragsteller haben mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 20. Dezember 2020, eingegangen beim Sozialgericht Nordhausen am gleichen Tag, um die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nachgesucht. Es bestehe ein Anordnungsanspruch. Die verhängte Sanktion sei nicht rechtmäßig. Die Ermächtigungsgrundlage sei mit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu Sanktionen bei den SGB II Leistungen nicht vereinbar. Jedenfalls im Rahmen der Folgenabwägung sei daher die Leistungskürzung bis zum Ausgang der Hauptsache auszusetzen. Zudem sei die Kürzung des Regelbedarfs um mehr als 50 % nicht mit Art. 1 Grundgesetz vereinbar. Ein Anordnungsanspruch sei gegeben, da das Existenzminimum der Antragsteller nicht mehr abgesichert sein. Stünden existenzsichernde Leistungen nicht zur Verfügung, sei regelmäßig vom Vorliegen eines Anordnungsgrundes auszugehen. Die Antragsteller seien nicht dafür begründungspflichtig, dass das ihnen verweigerte Existenzminimum auch tatsächlich benötigt werde. Der Regelbedarf sei als Gesamt-Pauschalbetrag auszuzahlen. Bereits der Grundbedarf nach dem SGB II sei verfassungsrechtlich an der Grenze dessen, was noch geeignet sei, die verfassungsrechtlichen Vorgaben zu erfüllen. Daher sei bereits die Regelbedarfsstufe 1 nach dem Asylbewerberleistungsgesetz verfassungsrechtlich bedenklich. Dies gelte erst recht für die vorgenommene Kürzung. Es werde darauf hingewiesen, dass die Antragsteller entgegen der Ansicht des Antragsgegners gerade nicht abgeschoben werden könnten.

Die Antragsteller beantragen,
den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, den Antragstellern vorläufig unter dem Vorbehalt der Rückforderung bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über den Widerspruch der Antragsteller vom 19. Dezember 2020 gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 17. Dezember 2020 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts die beantragten Leistung nach §§ 3, 3a Asylbewerberleistungsgesetz für die Monate Januar und Februar 2021 zu gewähren.

Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen.

Die Antragsteller hätten ein Aufenthaltsrecht in Italien. Für Leistungsberechtigte nach § 1 Abs. 1 Nummer 1 oder nach § 1 a AsylbLG, denen bereits von einem anderen Unionsstaat oder von einem am Verteilermechanismus teilnehmenden Drittstaat im Sinne von Satz 1 internationaler Schutz oder aus anderen Gründen ein Aufenthaltsrecht gewährt worden sei, trete eine Leistungseinschränkung ein, wenn der internationale Schutz oder das aus anderen Gründen gewährte Aufenthaltsrecht fortbestehe. Dies sei im vorliegenden Fall gegeben. Die Entscheidung entspreche den gesetzgeberischen Vorgaben. Bereits im Rahmen der Anhörung seit den Antragstellern die Möglichkeit gegeben worden, einen konkret notwendigen persönlichen Bedarf darzulegen, um diesen im Rahmen der Leistungsgewährung zu berücksichtigen. Entsprechende Angaben seien nicht gemacht worden. Die aktuelle Gesamtkürzung betrage bei den Antragstellern 292 € (2x 146 €). Dies entspreche im Hinblick auf den ausgezahlten Leistungsbetrag von 1292 € einem Prozentsatz von 18 %. Eine freiwillige Ausreise bzw. zwangsweise Überstellung nach Italien sei bis zum 21. Dezember 2020 möglich gewesen. Auch ab dem 1. Januar 2021 gebe es wieder Abschiebungstermine. Sowohl eine freiwillige Ausreise nach Italien als auch eine zwangsweise Überstellung seien möglich. Aktuell dürfte einer Überstellung nach Italien, die Weigerung der italienischen Behörden entgegenstehen. Ob und inwieweit die zuständigen Behörden ein Schlichtungsverfahren gem. Art. 7 und 15 EÜÜVF mit Italien anstrebten, sei nicht bekannt.

Die Antragsteller haben mit Schriftsatz vom 30. März 2021 den Rechtsstreit für die Zeit ab dem 1. März 2021 teilweise für erledigt erklärt. Der Antragsgegner hat sich dieser Teilerledigungserklärung mit Schriftsatz vom 20. April 2021 angeschlossen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte des vorliegenden Verfahrens sowie die Verwaltungsvorgänge des Antragsgegners Bezug genommen.

II.

Soweit das Verfahren nicht übereinstimmend für erledigt erklärt wurde, ist der Antrag zulässig und begründet.

Gem. § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch die Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (sog. Sicherungsanordnung). Eine solche Anordnung soll der Veränderung eines bestehenden Zustandes vorbeugen. Sie dient einer Bewahrung des Status quo mit einem Unterlassungsgebot an den zu Verpflichtenden. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (§ 86b Abs. 2 Satz 2 SGG; so genannte Regelungsanordnung). Die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes setzt einen Anordnungsanspruch, also einen materiell-rechtlichen Anspruch auf die Leistung, zu der der Antragsgegner verpflichtet werden soll, sowie einen Anordnungsgrund, nämlich die Dringlichkeit des Rechtsschutzes voraus. Der Anordnungsanspruch bezieht sich auf den geltend gemachten materiellen Anspruch, für den vorläufiger Rechtsschutz begehrt wird. Die erforderliche Dringlichkeit betrifft den Anordnungsgrund. Die Tatsachen, die den Anordnungsgrund und den Anordnungsanspruch begründen sollen, sind darzulegen und glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO). Sinn und Zweck des einstweiligen Rechtsschutzes liegen in der Sicherung der Entscheidungsfähigkeit und der prozessualen Lage, um eine endgültige Rechtsverwirklichung im Hauptsacheprozess zu ermöglichen. Es will nichts anderes als allein wegen der Zeitdimension der Rechtserkenntnis und der Rechtsdurchsetzung im Hauptsacheverfahren eine zukünftige oder gegenwärtige prozessuale Rechtsstellung vor zeitüberholenden Entwicklungen sichern und irreparable Folgen ausschließen und der Schaffung vollendeter Tatsachen vorbeugen, die auch dann nicht mehr rückgängig gemacht werden können, wenn sich die angefochtene Verwaltungsentscheidung im Nachhinein als rechtswidrig erweist. Hingegen dient das vorläufige Rechtsschutzverfahren nicht dazu, gleichsam unter Umgehung des für die Hauptsache zuständigen Gerichts und unter Abkürzung dieses Verfahrens, geltend gemachte materielle Rechtspositionen vorab zu realisieren. Bei der Auslegung und Anwendung der Regelungen des vorläufigen Rechtsschutzes sind die Gerichte gehalten, der besonderen Bedeutung der jeweils betroffenen Grundrechte und den Erfordernissen eines effektiven Rechtsschutzes Rechnung zu tragen. Die Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG verlangt grundsätzlich die Möglichkeit eines Eilverfahrens, wenn ohne sie dem Betroffenen eine erhebliche, über Randbereiche hinausgehende Verletzung in seinen Rechten droht, die durch die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden kann (vgl. BVerfG Beschluss vom 25.10.1999 — 2 BvR 745/88 — BVerfGE 79, 69, 74; Beschluss vom 16.05.1995 — 1 BvR 1087/91 — BVerfGE 93, 1, 14). Hierbei dürfen die Entscheidungen der Gerichte grundsätzlich sowohl auf eine Folgenabwägung wie auch auf eine summarische Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache gestützt werden.

Im vorliegenden Fall sind diese Anforderungen erfüllt.

Der erforderliche Anordnungsgrund ist im vorliegenden Fall gegeben, da es sich bei den von den Antragstellern begehrten Leistungen um solche der Existenzsicherung handeln. Zwar liegen die noch streitgegenständlichen Leistungszeiträume inzwischen in der Vergangenheit, jedoch ist der Antrag auf die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes vor diesen Zeiträumen gestellt worden, sodass die Dauer der aufwändigen Ermittlungen und der rechtlichen Prüfung nicht zulasten der Antragsteller gehen kann.

Den Antragstellern steht auch ein Anordnungsanspruch zu.

Hierbei kann im vorliegenden Fall dahinstehen, ob die Regelungen des § 1 a AsylbLG verfassungsgemäß sind und ob eine Rückkehr bzw. eine Rückführung nach Italien zumutbar ist. Die vom Antragsgegner hier vorgenommene Leistungskürzung ist vielmehr aus einem anderen Grundrechtswidrig, so dass ungekürzte Leistungen beansprucht werden können.

Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass die Antragsteller dem Grunde nach zu den Leistungsberechtigte gemäß §§ 3, 3a i.V.m. § 1 AsylbLG gehören. Analogleistungen nach § 2 AsylbLG wurden mit dem Antrag nicht geltend gemacht. Auch stehen ihre Voraussetzungen aufgrund des mehrmonatigen unbekannten Aufenthalts der Antragsteller jedenfalls im Rahmen des Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes nicht zur Überzeugung des Gerichts fest.

Es liegen jedoch die Voraussetzungen für die im vorliegenden Fall allein geltend gemachte und wohl auch einzig in Betracht kommende Kürzung dieser Leistungen nach § 1a Abs. 4 S. 2 AsylbLG nicht vor. Nach Satz dieser Norm erhalten Leistungsberechtigte nach § 1 Absatz 1 Nummer 1, la oder 5, für die in Abweichung von der Regelzuständigkeit nach der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (ABI. L 180 vom 29.6.2013, S. 31) nach einer Verteilung durch die Europäische Union ein anderer Mitgliedstaat oder ein am Verteilmechanismus teilnehmender Drittstaat, der die Verordnung (EU) Nr. 604/2013 anwendet, zuständig ist, nur Leistungen entsprechend § 1 a Abs. 1 AsylbLG. Nach Satz 2 gilt dies entsprechend für Leistungsberechtigte nach § 1 Absatz 1 Nummer 1 oder 1 a AsylbLG, denen bereits von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder von einem am Verteilmechanismus teilnehmenden Drittstaat internationaler Schutz oder aus anderen Gründen ein Aufenthaltsrecht gewährt worden ist, wenn der internationale Schutz oder das aus anderen Gründen gewährte Aufenthaltsrecht fortbesteht.

Dieser Satz 2 ist entgegen der Auffassung des Antragsgegners aber nicht auf die Antragsteller anwendbar. Im Falle der Antragsteller besteht für den hier geltend gemachten Leistungszeitraum der Monate Januar 2021 und Februar 2021 der den Antragsteller in Italien bewilligte internationale Schutz nicht mehr fort. Nach der Akte des Antragsgegner war dieser vielmehr bis zum März 2019 befristet und daher im hier streitgegenständlichen Leistungszeit bereits abgelaufen. Dass eine Verlängerung des internationalen Schutzes durch Italien erfolgt sei, wurde weder vorgetragen noch nachgewiesen. Andere Kürzungsgründe hat der Antragsgegner nicht vorgetragen.

Eine wegen des vorläufigen Charakters der einstweiligen Anordnung unzulässige Vorwegnahme der Hauptsache ist vor dem Hintergrund des Artikel 19 Abs. 4 GG nicht gegeben. Der Grundsatz effektiven Rechtsschutzes erfordert es im vorliegenden Fall — auch wegen der eindeutigen Rechtslage — die begehrten Leistungen zu zusprechen (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 22. November 2002 – 1 BvR 1586/02 -, juris und vom 12. Mai 2005 – 1 BvR 569/05 juris).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Es folgt die Rechtsmittelbelehrung.