Sozialgericht Dresden – Beschluss vom 24.03.2023 – Az.: S 3 AY 20/23 ER

BESCHLUSS

In dem Rechtsstreit

xxx,

– Antragstellerin –

Prozessbevollmächtigter:
Rechtsanwalt Sven Adam, Lange Geismarstraße 55, 37073 Göttingen

gegen

Landeshauptstadt Dresden Rechtsamt,
vertreten durch den Oberbürgermeister,
Grunaer Straße 2, 01069 Dresden

– Antragsgegnerin –

hat die 3. Kammer des Sozialgerichts Dresden durch die Richterin am Sozialgericht xxx ohne mündliche Verhandlung am 24. März 2023 beschlossen:

Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, der Antragstellerin vorläufig und unter dem Vorbehalt der Rückforderung längstens bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über den Widerspruch der Antragstellerin vom 06.03.2023 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 04.01.2023 Leistungen nach § 3 AsylbLG in Höhe der Regelbedarfsstufe 1 ab 06.03.2023 unter Verrechnung bereits erhaltener Leistungen zu gewähren, soweit die übrigen Leistungsvoraussetzungen weiter vorliegen.

Die Antragsgegnerin trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin.

GRÜNDE:
I.

Die Antragstellerin (ASt.) begehrt von der Antragsgegnerin (AGeg.) Leistungen nach dem AsylbLG nach Regelbedarfsstufe 1 anstatt 2.

Die 19xx geborene, geschiedene ASt. ist libanesische Staatsbürgerin und reiste offenbar am xx.xx.2015 nach Deutschland ein. Nach einem Aufenthalt in Österreich wurde sie im Februar 2018 mit ihren 4 Kindern einer Gemeinschaftsunterkunft in Dresden zugewiesen. Die Asylanträge aller Familienmitglieder sind inzwischen abgelehnt und die Familie ist vollziehbar ausreisepflichtig und geduldet.

Die ASt. bezieht von der AGeg. Leistungen nach dem AsylbLG, für die Kinder nach § 2 AsylbLG und für sich gemäß § 3 AsylbLG, zuletzt mit Bescheid vom 04.01.2023 für den Monat Januar unter Zugrundelegung von Regelbedarfsstufe 2. Im Bescheid wird ausgeführt:
„Dieser Bescheid regelt das Leistungsverhältnis nur für den eingangs genannten Bewilligungszeitraum. Ergibt sich in den wesentlichen Verhältnissen keine Veränderung, bleibt vorbehalten, die Leistungen für nachfolgende Zeiträume stillschweigend durch Zahlung des zu zahlenden Betrags zu bewilligen. In einem solchen Fall können Sie davon ausgehen, dass die Begründung sowie die Berechnung und Festsetzung der Einzelansprüche denen des vorliegenden Bescheides entsprechen. Sofern nicht ausdrücklich abweichend geregelt, gilt als Bewilligungszeitraum der Kalendermonat, für den die Leistung erbracht wird.“

Hiergegen erhob die ASt. am 06.03.2023 Widerspruch, im Wesentlichen mit der Begründung, dass die Regelungen der §§ 3, 3a Abs. 1, Nr. 2b, Abs. 2 Nr. 2b AsylbLG verfassungswidrig seien, wozu ausführlich vorgetragen wurde. Zudem sei die Rechtsmittelbelehrung des Bescheides vom 04.01.2023 unrichtig, so dass der Widerspruch zulässig sei, hilfsweise ein Antrag gemäß § 44 SGB X anzunehmen sei.

Am selben Tag stellte die ASt., vertreten durch ihren Prozessbevollmächtigten Antrag auf einstweiligen Rechtschutz mit derselben Begründung. Es bestehe Anspruch auf Leistungen gemäß Regelbedarfsstufe 1. Es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass in Gemeinschaftsunterkünften untergebrachte Leistungsempfänger tatsächlich irgendwie von Einspareffekten profitierten. Diese Rechtsansicht teilten offensichtlich eine Vielzahl von Sozialgerichten und auch das Bundessozialgericht habe bereits verfassungsrechtliche Bedenken signalisiert. Schließich habe das Bundesverfassungsgericht mit seinem am 2411.2022 veröffentlichten Beschuss vom 19.10.2022 (1 BvL 3/21) die Verfassungswidrigkeit der entsprechenden Parallelvorschrift in § 2 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 festgestellt und eine Neuregelung auf der Grundlage von Regelbedarfsstufe 1 verfügt. Ein Anordnungsgrund sei gegeben, weil es sich um existenzsichernde Leistungen handele.

Die ASt. beantragt,
die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, der Antragstellerin vorläufig und unter dem Vorbehalt der Rückforderung bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über den Widerspruch der Antragstellerin vom 06.03.2023 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 04.01.2023 (Az.: 1 075 1 01 04 0357 3) unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts die beantragten Leistungen in verfassungsgemäßer Höhe in der Regelbedarfsstufe 1 ab Eingang dieses Antrages bei Gericht zu gewähren.

Der Antragsgegner hat innerhalb der gesetzten und verlängerten Frist keinen Antrag gestellt und auf den richterlichen Hinweis zur Rechtslage vom 07.03.2023 nicht reagiert.

Für das weitere Vorbringen der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte sowie die Verwaltungsakte des Antragsgegners Bezug genommen.

II.

Der Antrag ist zulässig und begründet. Der Antragsgegner war im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes zu verpflichten, vorläufig Leistungen gemäß § 3 AsylbLG nach Regelbedarfsstufe 1 für die ASt. bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Widerspruch zu zahlen.

1. Der Antrag war auszulegen. Soweit Bezug genommen wird auf den Widerspruch gegen den Bescheid vom 04.01.2023 wird im Sinne des Meistbegünstigungsprinzips davon ausgegangen, dass der Widerspruch sich auch gegen die Verwaltungsakte richten soll, die in der Auszahlung auf der Grundlage dieses Bescheides bestehen. Die AGeg. bewilligt regelmäßig und auch vorliegend nicht ausdrücklich für längere Zeitabschnitte, sondern regelmäßig für einzelne Monte, indes auch nicht für jeden Monat gesondert, sondern weist darauf hin, dass bei unveränderten Verhältnissen sodann stillschweigend durch Auszahlung bewilligt werde. Damit ist dann aber auch in jeder gleichbleibenden Auszahlung ein neuer, gesonderter Verwaltungsakt zu sehen. Da die stillschweigenden Bewilligungen keine Rechtsmittelbelehrung enthalten (können) gilt für den Widerspruch regelmäßig die Jahresfrist. Da nicht absehbar ist, ob und wann der AGeg. in der Zukunft einen neuen schriftlichen Bewilligungsbescheid erlassen wird ist davon auszugehen, dass der Antrag ebenso wie der Bewilligungsbescheid vom 04.01.2023 zunächst unbegrenzt in die Zukunft zielt. Es ist nicht absehbar, wann eine rechtskräftige Entscheidung über den Widerspruch vorliegen wird.

Weiter wird der Antrag dahingehend verstanden, dass nicht etwa doppelte Leistungen begehrt werden, sondern die Differenz zu den jeweils in Höhe der Regelbedarfsstufe 2 bewilligten und gezahlten Leistungen und nur für die Zeit, für die die allgemeinen Leistungsvoraussetzungen bei der ASt. weiterhin vorliegen.

2. Inhaltlich handelt es sich mithin um einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) mit dem Begehren, den Antragsgegner zu verpflichten, Leistungen nach § 3 AsylbLG auf der Grundlage von Regelbedarfsstufe 1zu gewähren.

§ 86b Abs. 2 Satz 2 SGG lautet: „Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint.“ Der Antrag hat daher dann Aussicht auf Erfolg, wenn ein sog. Anordnungsanspruch und ein sog. Anordnungsgrund vorliegen. Für eine vorläufige Entscheidung, d.h. vor Entscheidung des Antragsgegners über den Widerspruch bzw. vor Entscheidung des Gerichts über eine ggf. von den Antragstellern erhobenen Klage, müssen gewichtige Gründe vorliegen; dies ist der sog. Anordnungsgrund. Er liegt vor, wenn der Antragstellerin wesentliche, insbesondere irreversible Nachteile drohen, die für sie ein Abwarten bis zur Entscheidung in der Hauptsache unzumutbar macht und die Regelung zur Verhinderung dieser unzumutbaren Nachteile durch eine Anordnung nötig erscheint (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19.10.1977, Az: 2 BvR 42/76). Sinn und Zweck des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens liegen in der Sicherung der Entscheidungsfähigkeit und der prozessualen Lage, um eine endgültige Rechtsverwirklichung im Hauptsacheverfahren zu ermöglichen. Das einstweilige Rechtsschutzverfahren will nichts anderes, als allein wegen der Zeitdimension der Rechtserkenntnis und der Rechtsdurchsetzung im Hauptsacheverfahren eine zukünftige oder gegenwärtige prozessuale Rechtsstellung vor zeitüberholenden Entwicklungen sichern (so ausdrücklich: Sächsisches LSG, Beschluss vom 11.02.2004, Az: L 1 B 227/03 KR-ER). Weiterhin muss ein sog. Anordnungsanspruch vorliegen. Dabei muss es sich um einen der Durchsetzung zugänglichen materiell-rechtlichen Anspruch (vgl. Berlit, info also 2005, 3, 7) der Antragstellerin handeln.

Eine einstweilige Anordnung ergeht demnach nur, wenn sie zur Abwendung wesentlicher, nicht wieder gutzumachender Nachteile für die Antragstellerin notwendig ist. Dabei hat die Antragstellerin wegen der von ihr geltend gemachten Eilbedürftigkeit der Entscheidung die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach §§ 202 SGG, 294 der Zivilprozessordnung (ZPO), also Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund, glaubhaft zu machen.

3. Ein Anordnungsgrund (Eilbedürftigkeit) ist glaubhaft gemacht. Die ASt. bezieht mit ihren Kindern ausschließlich Leistungen nach dem AsylbLG. Ausweislich der Angaben im Rahmen des Prozesskostenhilfeantrags sind keinerlei weiteren Einkünfte gegeben, ausweislich der dort vorgelegten Kontoauszüge und weiteren Angaben auch kein Vermögen vorhanden, so dass die geringere Leistung nicht dauerhaft kompensiert werden kann.

Das Sächsische Landessozialgericht (Beschluss vom 23. März 2020 – L 8 AY 4/20 B ER – juris – Rnr 39) führt insoweit aus:
„Schließlich besteht auch ein Anordnungsgrund. Die Sache ist eilbedürftig, da dem Antragsteller die Mittel fehlen, um seinen Lebensunterhalt zu sichern. Auf die vom Antragsgegner angenommenen 80 Prozent zur Vermeidung der Vorwegnahme der Hauptsache kommt es insoweit nicht an, da vorliegend existenzsichernde Leistungen im Streit stehen und der Bedarf des Antragstellers jedenfalls zu decken ist (s.o.). Das BSG geht davon aus, dass allenfalls monatliche Euro-Beträge im einstelligen Bereich und für einen nur kurzen Zeitraum von längstens sechs Monaten eine allenfalls durchschnittliche Bedeutung für einen Bezieher von Grundsicherungsleistungen haben (Urteil vom 1. Juli 2009 – B 4 AS 21/09 R – SozR 4-1935 § 14 Nr. 2). Diese Erwägungen sind auf Leistungen nach dem AsylbLG zu übertragen; zumal diese vom Gesetzgeber zielgerichtet niedriger ausgestaltet worden sind. Nach der Ansicht des BVerfG ist dies nur hinzunehmen, so lange wegen eines nur kurzfristigen Aufenthalts des Betroffenen konkrete Minderbedarfe gegenüber Hilfsempfängern mit Daueraufenthaltsrecht nachvollziehbar festgestellt und bemessen werden können (Urteil vom 18. Juli 2012 – 1 BvL 10/10 u.a. – juris Rn. 74). Der vom Antragsgegner erwähnte Ansatz von 80 Prozent eines von ihm angenommenen Bedarfs zur Vermeidung der Vorwegnahme der Hauptsache würde dieser Vorgabe widersprechen.“

Damit ist bei jedweder Kürzung laufender existenzsichernder Leistungen davon auszugehen, dass ein Anordnungsgrund gegeben ist.

4. Auch ein Anordnungsanspruch ist glaubhaft gemacht.

Schon das LSG (a.a.O. juris- Rnr 38) führte aus:
„Ebenfalls korrekt hat das Sozialgericht darauf hingewiesen, dass es zweifelhaft erscheint, alleinstehende Leistungsberechtigte von Gesetzes wegen (vgl. § 3a AsylbLG) der Regelbedarfsstufe 2 zuzuordnen, sofern sie – wie der Antragsteller – in einer Gemeinschaftsunterkunft wohnen. Es ist nicht ersichtlich, dass sich allein aufgrund dieses Umstands ein geringerer Bedarf ergeben könnte. Synergie- und Einspareffekte ergeben sich nach summarischer Prüfung jedenfalls nicht zwangsläufig. Im Verfahren des einstweiligen Rechtschutzes erscheint es daher im Rahmen der Folgenabwägung sachgerecht, den Antragsteller der Regelbedarfsstufe 1 zuzuordnen, um zu vermeiden, dass sein menschenwürdige Existenzminimum aus Art. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 GG unterschritten wird. Im Hauptsacheverfahren wäre allerdings sorgfältig zu prüfen, ob die Annahmen des Gesetzgebers, die er seiner Zuordnung zugrunde gelegt hat, verfassungsrechtlichen Vorgaben genügen. Denn der Gesetzgeber hat alle existenznotwendigen Aufwendungen folgerichtig in einem transparenten und sachgerechten Verfahren nach dem tatsächlichen Bedarf zu bemessen. Das gefundene Ergebnis bedarf einer fortwährenden Überprüfung und Weiterentwicklung, insbesondere, wenn Festbeträge vorgesehen sind (BVerfG, Urteil vom 9. Februar 2010 – 1 BvL 1/09 u.a. – juris Rn. 139, 140).“

Insbesondere hat inzwischen das Bundesverfassungsgericht (Beschluss vom 19. Oktober2022 – 1 BvL 3/21 –, juris) für die Parallelvorschrift des § 2 AsylbLG, die in ihrem Entstehen dem § 3, 3a AsylbLG nachfolgte, entschieden:
„Der objektiven Verpflichtung aus Art. 1 Abs. 1 GG zur Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums korrespondiert ein Leistungsanspruch, im Fall der Bedürftigkeit materielle Unterstützung zu erhalten. Der Anspruch erstreckt sich auf diejenigen Mittel, die zur Aufrechterhaltung eines menschenwürdigen Daseins unbedingt erforderlich sind. Diese Sozialleistungen müssen fortlaufend realitätsgerecht bemessen werden, damit gesichert ist, dass tatsächlich für eine menschenwürdige Existenz Sorge getragen wird. Sie können nicht pauschal nur auf der Grundlage der Vermutung abgesenkt werden, dass Bedarfe bereits anderweitig gedeckt sind und Leistungen daher nicht zur Existenzsicherung benötigt werden, ohne dass dies für die konkreten Verhältnisse hinreichend tragfähig belegt wäre. (Rn.53) (Rn.54) (Rn.94)“

Und weiter (Rnr 89 f)
„Die Unterdeckung träte auch dann nicht ein, wenn von alleinstehenden Erwachsenen in Sammelunterkünften realistisch erwartet werden könnte, ihre Bedürftigkeit in einem Umfang von 10 % des Regelsatzes der Regelbedarfsstufe 1 zu vermindern. Das ist aber nicht der Fall. Die pauschale Absenkung nach § 2 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 AsylbLG stützt sich nicht auf hinreichend tragfähige Erkenntnisse dazu, dass Bedarfe durch Verhalten der Betroffenen in diesem Umfang tatsächlich verringert werden können. Hier genügt die Annahme, die Betroffenen bildeten eine „Schicksalsgemeinschaft“ (BTDrucks 19/10052, S. 24), nicht. Auch die Annahme, dass eine Obliegenheit, gemeinsam zu wirtschaften, tatsächlich erfüllt und dadurch Einsparungen in entsprechender Höhe erzielt werden könnten (vgl. BTDrucks 19/10052, S. 24), ist nicht durch empirische Erkenntnisse belegt. Entsprechende Untersuchungen liegen auch drei Jahre nach Inkrafttreten der Regelung nicht vor.

Weder im Gesetzgebungsverfahren noch im verfassungsgerichtlichen Verfahren wurde hinreichend tragfähig begründet, dass tatsächlich die Möglichkeit besteht, diese Einsparungen durch gemeinsames Wirtschaften in den Sammelunterkünften zu erzielen. Nach den verfügbaren Erkenntnissen geben mehrere Umstände vielmehr Anlass zu Zweifeln, ob durch gemeinsames Wirtschaften in Sammelunterkünften tatsächlich Einsparungen in diesem Umfang erzielt werden können (oben Rn. 78 ff.).

Damit kann auf der Grundlage der vorliegenden Erkenntnisse nicht davon ausgegangen werden, dass die Betroffenen in der Regel hinreichend verlässliche Möglichkeiten haben, ihre Ausgaben für existenzsichernde Bedarfe durch gemeinsames Wirtschaften mit Mitbewohnern in dem Maß zu verringern, das der Gesetzgeber annimmt. Soweit es an der Möglichkeit fehlt, durch die Erfüllung einer an sich zumutbaren Obliegenheit gemeinsamen Wirtschaftens die eigene Bedürftigkeit in dem nach dem Gesetz erwarteten Umfang zu verringern, und der Gesetzgeber dennoch die Regelbedarfsleistungen pauschal in diesem Umfang absenkt, werden Leistungen vorenthalten, welche die Betroffenen zur Existenzsicherung benötigen.“

Schließlich stellt das Bundesverfassungsgericht fest (Rnr 95):
„Die zur Prüfung vorgelegte Regelung des § 2 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 AsylbLG in der Fassung des Art. 1 Nr. 3 des Dritten Gesetzes zur Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes vom 13. August 2019 (BGBl I S. 1290) ist verfassungswidrig, soweit für eine alleinstehende erwachsene leistungsberechtigte Person, die in einer Gemeinschaftsunterkunft im Sinne von § 53 Abs. 1 AsylG oder in einer Aufnahmeeinrichtung nach § 44 Abs. 1 AsylG untergebracht ist, nur ein Regelbedarf in Höhe der Regelbedarfsstufe 2 anerkannt wird.

Daher ist hier die fortdauernde Anwendung der Norm angesichts der existenzsichernden Bedeutung der Sozialleistungen anzuordnen. Es besteht ein unabwendbares Bedürfnis nach einer Regelung, da das grundrechtlich garantierte Existenzminimum sonst nicht gesichert ist (vgl. BVerfGE 132, 134 <174 Rn. 99>). Für alleinstehende Erwachsene, die in einer Gemeinschaftsunterkunft im Sinne von § 53 Abs. 1 AsylG oder in einer Aufnahmeeinrichtung nach § 44 Abs. 1 AsylG untergebracht sind, wird unter den Voraussetzungen von § 2 Abs. 1 Satz 1 und Satz 4 Nr. 1 AsylbLG ein Regelbedarf nicht in Höhe der Regelbedarfsstufe 2, sondern in Höhe der Regelbedarfsstufe 1 anerkannt.“

Diese Argumentation ist unmittelbar auf die identische Leistungskürzung im Rahmen des § 3 übertragbar, zumal dort die Leistungen von Beginn an niedriger sind als die Analogleistungen nach § 2 AsylbLG. Ein Anordnungsanspruch ist unter Bezugnahme auf diese Rechtsprechung glaubhaft gemacht.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG und folgt der Entscheidung über den vorläufigen Rechtsschutzantrag. Eine Kostengrundentscheidung ist auch im vorläufigen Rechtsschutzverfahren zu treffen (vgl. Meyer-Ladewig, Kommentar zum SGG, 7. Aufl. 2002, § 86b, Rn. 17 und § 193, Rn. 2; Zeihe, Kommentar zum SGG, Stand: April 2003, § 86b, Rn. 37f).

6. Die Beschwerde ist zulässig, da – in Ermangelung der zeitlichen Begrenzung des Antrags in die Zukunft – laufende Leistungen für die Dauer von mehr als einem Jahr im Streit stehen, § 172 Abs. 1, 3 Ziff. 1. SGG i.V.m. § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG

Es folgt die Rechtsmittelbelehrung.