Sozialgericht Hildesheim – Beschluss vom 19.01.2011 – Az.: S 36 AS 1480/10

Beschluss

In dem Rechtsstreit

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Kläger,
Prozessbevollmächtigte:
zu 1-2: Rechtsanwalt Sven Adam, Lange Geismarstraße 55, 37073 Göttingen,

gegen

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Beklagter,

hat das Sozialgericht Hildesheim – 36. Kammer –
am 19. Januar 2011 beschlossen:

Der Beklagte hat den Klägern ihre notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Gründe:
I.
Zwischen den Beteiligten ist nach erfolgter Überprüfungsbescheidung im Rahmen von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) und Erledigungserklärung hinsichtlich einer Untätigkeitsklage nur noch die Frage der Kostentragung im Streit.

Der Prozessbevollmächtigte der Kläger beantragte mit Schreiben vom 21.Januar 2010 eine Überprüfung des Bewilligungsbescheids vom 19.Juni 2008 für den Zeitraum August 2008 bis Februar 2009 hinsichtlich der Kosten für Unterkunft und Heizung. Mit Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten der Kläger vom 27.Juli 2010 wurde Untätigkeitsklage erhoben und beantragt, den Beklagten zur Bescheidung über den Überprüfungsantrag vom 21.Januar 2010 zu verurteilen. Der Beklagte hat auf die Klagezustellung vom 2.August 2010 trotz Fristsetzung und Erinnerung zunächst in einem Zeitraum von mehr als zwei Monaten nicht reagiert. Mit Schriftsatz vom 7.Oktober 2010 erklärten die Kläger den Rechtsstreit unter Bezugnahme auf einen am 6.Oktober 2010 ergangenen Überprüfungsbescheid in der Hauptsache für erledigt und beantragen unter Hinweis auf die verspätete Entscheidung des Beklagten,

dem Beklagten die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Der Beklagte hat kein Kostengrundanerkenntnis abgegeben und eine Kostenerstattung an die Kläger abgelehnt. Zur Begründung führt der Beklagte aus, dass die Erhebung einer Untätigkeitsklage sechs Tage nach Ablauf der Karenzfrist rechtsmissbräuchlich sei. Es seien eine Vielzahl von Anträgen und Widersprüchen der Kläger zu bearbeiten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte Bezug genommen, die vorgelegen hat und Gegenstand der Entscheidungsfindung war.

 
II.
Das Gericht hat gemäß § 193 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) auf Antrag durch Beschluss zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben, wenn das Verfahren – wie hier – anders als durch Urteil beendet wird. Die Kostengrundentscheidung umfasst danach unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Einheitlichkeit der Kostenentscheidung alle im Klageverfahren und im Vorverfahren nach § 78 SGG entstandenen Kosten (vgl.: Leitherer, in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, § 193, Rn 2) und steht im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts, wobei unter Berücksichtigung des Sach- und Streitstandes insbesondere auf den Erfolg einer Klage abzustellen ist (vgl.: Leitherer, in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, § 193, Rn 12 ff). Weitere Kriterien für die Kostenentscheidung können alle Umstände des Einzelfalls sein, einschließlich der Berücksichtigung des Veranlassungsprinzips und etwaiger Änderungen der Sach- und Rechtslage im Verfahrensverlauf (vgl.: Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, § 193, Rn 12 ff).

Die Ausübung des dem Gericht eingeräumten Ermessens führt vorliegend zu dem Ergebnis, dass der Beklagte den Klägern ihre notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten hat. Das Verfahren endete durch Erledigungserklärung nach erfolgter Antragsbescheidung. Zum Zeitpunkt dieser Bescheidung war die Untätigkeitsklage gemäß § 88 Abs. 1 SGG zulässig und begründet, weil die Entscheidungsfrist von sechs Monaten abgelaufen war. Es ist weiterhin kein zureichender Grund für die verspätete Entscheidung ersichtlich. Etwaige Arbeitsüberlastungen und Personalmangel stellen keinen derartigen Grund dar (vgl. Leitherer, in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, § 88 Rn 7b). Die Ausnahmesituation einer kurzfristigen Überlastung, z.B. aufgrund Gesetzesänderungen oder vorübergehender organisatorischer Besonderheiten, wird vom Beklagten weder vorgetragen noch ist eine solche Sondersituation aus den Umständen zu ersehen. Es besteht in Ansehung der ausdrücklichen und unmissverständlichen gesetzlichen Frist auch keine grundsätzliche Pflicht, nach Ablauf der Bescheidungsfrist und vor der Erhebung einer Untätigkeitsklage grundsätzlich noch einmal an die Bescheidung zu erinnern sowie ggf. eine Nachfrist zu setzen. Allein aus einer Klageerhebung sechs Tage nach Fristablauf kann daher nicht auf eine Rechtsmissbräuchlichkeit geschlossen werden. Ob ggf. Abweichendes bei einer kurzfristigen Verzögerung unter Nennung der Gründe und Angabe eines verbindlichen Entscheidungsdatums gelten kann, muss vorliegend nicht entschieden werden. Der Beklagte hat zunächst eine derartige Zwischennachricht, ggf. verbunden mit der Bitte um stillschweigendes Abwarten, weder vorgetragen noch vorgelegt. Der Beklagte hat weiterhin auch nach Fristablauf und Klagerhebung reaktions- und kommentarlos einen weiteren Zeitraum von mehr als zwei Monaten verstreichen lassen, bevor eine Bescheidung und eine Reaktion auf die gerichtliche Klagübersendung erfolgten. Unabhängig von der Frage, ob dieses Verhalten mit der grundsätzlichen Bindung einer Behörde an Recht und Gesetz noch vereinbar sein kann, sind daher jedenfalls keinerlei Anhaltspunkte für ein etwaig rechtsmissbräuchliches Verhalten der Kläger ersichtlich.

Dieser Beschluss ist gemäß § 172 Abs. 3 Nr. 3 SGG in der ab 1. April 2008 geltenden Fassung unanfechtbar.