Tacheles Rechtsprechungsticker KW 31/2018

1.   Entscheidungen der Landessozialgerichte zur Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II)

1.1 – Hartz IV: Ein Umzug muss auch für Alleinerziehende zumutbar sein, ein Beitrag von RA Helge Hildebrandt zu Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht, Beschluss vom 04.07.2018 – L 6 AS 105/18 B ER

1. In einer aktuellen Entscheidung hat das Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht nun entschieden, dass eine alleinerziehende Mutter mit drei Kindern derzeit auf eine Wohnung im Stadtteil Friedrichsort oder im Nahbereich dazu angewiesen ist, welche der Bindung an ihr persönliches Umfeld Rechnung trägt. Bei einem Wohnungswechsel in entferntere Stadtteile würde ein Rückgriff auf die bestehende Infrastruktur verloren gehen. Hierdurch würde sich die Situation der Familie deutlich verschlechtern.

2. Die Mutter absolviert seit Ende Februar 2018 eine Umschulung. Sie hat dort eine werktägliche Anwesenheitspflicht von 8.00 bis 15.00 Uhr. Als alleinerziehende Mutter ist sie vor allen in dieser Zeit auf die Unterstützung Dritter angewiesen. Dies ist durch die gut vernetzte Nachbarschaft – in der die Familie seit circa zehn Jahren leben – gewährleistet. So werden die Kinder regelmäßig ein paar Mal im Monat morgens von den Nachbarn betreut. Die Nachbarn springen ein, wenn die Antragstellerin zu 1) Hilfe braucht. Es bestehen bei schlechtem Wetter Fahrgemeinschaften zur Schule der Kinder oder zum Fußballverein eines der Kinder. Zudem besuchen zwei Kinder nach dem Unterricht die betreute Grundschule ihrer Schule.

3. Die meisten der ohnehin nicht zahlreichen Wohnungen, die das Jobcenter Kiel benannt hat oder die die Familie im Rahmen ihrer Suche ermitteln konnten, liegen in den Stadtteilen Kiel-Gaarden oder Kiel-Mettenhof. Bei einem Umzug in eine solche Wohnung wäre der Familie aufgrund der Entfernung ein Rückgriff auf ihr soziales Umfeld nicht mehr möglich. Die derzeitige Nachbarschaft wäre nur durch lange Busfahrten mit mehrmaligen Umsteigen zu erreichen. Die einzigen zwei Wohnungen im näheren Umfeld der Antragsteller sind zumindest nicht größenangemessen.

Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht, Beschluss vom 04.07.2018, L 6 AS 105/18 B ER

Rechtsanwalt Helge Hildebrandt

Quelle: sozialberatung-kiel.de

Rechtstipp:
vgl. LSG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 1. Juni 2018 – L 6 AS 86/18 B ER – Jobcenter muss für alleinerziehende Mutter mit 14- jährigem Kind auch vorübergehend zu teure Wohnung bezahlen, denn insbesondere die schulische Situation des 2004 geborenen Antragstellers begründet eine Begrenzung des räumlichen Suchumfeldes

1.2 – Sächs. LSG v. 21.1.2008 – L 2 B 621/07 AS ER

Arbeitslosengeld II – Unterkunftskosten – Rauswurf des volljährigen Kindes aus elterlicher Wohnung – keine Kürzung der Regelleistung – Zusicherungserfordernis – Zumutbarkeit – schwerwiegender sozialer Grund – Indiz – keine Absicht der Herbeiführung der Leistungsgewährung

Orientierungssatz (Juris)
1. Aus systematischen Gründen ist § 20 Abs 2a SGB 2 in den Fällen nicht anzuwenden, in denen nach § 22 Abs 2a S 3 SGB 2 vom Erfordernis einer Zusicherung des kommunalen Trägers abgesehen werden kann, weil § 20 Abs 2a SGB 2 pauschal auf die Regelung des § 22 Abs 2a SGB 2 und damit auch auf § 22 Abs 2a S 3 SGB 2 verweist, wonach unter den Voraussetzungen des § 22 Abs 2a S 2 SGB 2 vom Zusicherungserfordernis abgesehen werden kann, wenn es dem Betroffenen aus wichtigem Grund nicht zumutbar war, die Zusicherung einzuholen.(Rn.27)

2. Ein schwerwiegender sozialer Grund, der die vorherige Zusicherung des kommunalen Trägers gem. § 22 Abs 2a S 2 Nr 1 SGB 2 entbehrlich macht, kann sich aus einer gestörten Eltern-Kind-Beziehung ergeben, die die Verweisung auf eine Rückkehr in die elterliche Wohnung unzumutbar macht. Die Anforderungen an den Schweregrad der Störung dürfen dabei nicht überzogen werden (hier: endgültiger Rauswurf des volljährigen Kindes aus elterlicher Wohnung und Abnahme der Wohnungsschlüssel) (vgl BSG vom 2.6.2004 – B 7 AL 38/03 R = BSGE 93, 42 = SozR 4- -4300 § 64 Nr 1) (Rn.29)

3. Die Einschaltung des Jugendamtes durch den Hilfebedürftigen stellt dabei ein Indiz für eine schwere Störung der Eltern- Kind- Beziehung dar (Rn.31)

4. Die „Absicht“, die Voraussetzungen für die Gewährung der Leistungen herbeizuführen, geht über die vorsätzliche oder grob fahrlässige Herbeiführung der Hilfebedürftigkeit in § 34 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB 2 hinaus. Vielmehr erfordert sie ein finales, auf den Erfolg gerichtetes Verhalten, bei dem die Schaffung der Voraussetzungen für die Leistungsgewährung das für den Umzug prägende Motiv gewesen sein muss. Es genügt mithin nicht, dass der Leistungsbezug lediglich beiläufig verfolgt oder anderen Umzugszwecken untergeordnet und in diesem Sinne nur billigend in Kauf genommen wird (Rn.32)

Quelle: Juris

Rechtstipp: vgl. SG Hannover, Beschluss v. 07.06.2018 – S 43 AS 1317/18 ER

1.3 – LSG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 15.03.2018 – L 19 AS 1286/17

Orientierungssatz (Redakteur)
Eine wirksame Gegenforderung liegt nicht (mehr) vor, wenn dem Leistungsberechtigten eine Restschuldbefreiung erteilt worden ist und im konkreten Fall die Privilegierungen nach § 302 InsO und § 94 InsO nicht eingreifen. Die durch die Restschuldbefreiung bewirkte Umwandlung in eine Naturalobligation begründe keine Aufrechnungslage.

Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de

2.   Entscheidungen der Sozialgerichte zur Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II)

2.1 – Sozialgericht Berlin, Beschluss vom 12. Juni 2018 – S 179 AS 12363/17

Keine Prozesskostenhilfe für Streit mit Jobcenter um monatlich 1,85 Euro – Klägerin muss Rechtsanwalt selbst bezahlen

Pressemitteilung vom 25.07.2018
Sozialgericht Berlin, Beschluss vom 12. Juni 2018 (S 179 AS 12363/17):

Der Antrag der Klägerin auf Beiordnung eines Rechtsanwalts auf Kosten der Staatskasse wird abgelehnt. Der Wert der Klage um die Kosten von Zündstrom für eine Gastherme ist derart gering und die Klage derart einfach zu begründen, dass rechtsanwaltliche Hilfe nicht erforderlich ist. Ein Kläger, der seine Anwaltskosten selbst tragen müsste und den intellektuellen und beruflichen Hintergrund der Klägerin hätte, würde den Prozess vor dem Sozialgericht vernünftigerweise allein führen.

Zum Hintergrund:
www.berlin.de

Anmerkung:
SG Köln: Vergleich Kosten für Betriebsstrom einer Heizungsanlage

Sozialgericht Köln, Vergleich vom 15.02.2018 – S 39 SO 15/17, S 39 SO 177/17, S 39 SO 251/17, S 39 SO 395/17

Kosten für Betriebsstrom einer Heizungsanlage (Gas-Kombitherme) sind nicht im Regelbedarf enthalten, BSG, Urt.v. 03.12.2015 – B 4 AS 47/14 R (dejure.org). Es handelt sich um einen Bestandteil der Heizkosten, der bei Erfassung über den allgemeinen Stromzähler geschätzt werden muss.

§ 7 Abs. 2 der Heizkostenverordnung.

Möglich sind hier zwei Verfahren.

1. Schätzung der Stromkosten, wenn kein Zwischenzähler vorhanden ist, 5% – 8% der Brennstoffkosten.

I.d.R. nicht mehr als 5 % der Brennstoffkosten.

2. Stromverbrauchswert der angeschlossenen Geräte, multipliziert mit der 24stündigen Laufzeit je Tag, multipliziert mit der Anzahl der Heiztage, multipliziert mit dem Strompreis je KWh.

tacheles-sozialhilfe.de

2.2 – Sozialgericht Berlin, Beschluss vom 4. Juli 2018 (Az.: S 190 AS 5918/18.ER):

Leitsatz Dr. Manfred Hammel
1. Solange eine nach § 15 Abs. 1 / Abs. 2 SGB II erlassene, wirksame Eingliederungsvereinbarung (EGV) besteht, ist der SGB II-Träger bis zur konsensualen Anpassung oder wirksamen Kündigung oder Aufhebung an die Inhalte dieses öffentlich-rechtlichen Vertrags gebunden und darf keine neue EGV per Verwaltungsakt gemäß § 15 Abs. 3 Satz 3 SGB II erlassen.

2. Auch in einem Eingliederungsverwaltungsakt haben die konkreten Leistungen zur Eingliederung in Arbeit (§§ 14 ff. SGB II) im Sinne der angestrebten maßgeschneiderten Ausrichtung der einzelnen Eingliederungsleistungen jeweils konkret bezeichnet zu werden. Die Verwendung allgemeiner Textbausteine durch das Jobcenter reicht hier nicht aus.

2.3 – SG Berlin, Urt. v. 09.07.2018 – S 135 AS 23938/15

Grundsicherung für Arbeitsuchende – Leistungsausschluss für Ausländer bei Aufenthalt ohne Aufenthaltsrecht – Aufenthaltsrecht aus familiären Gründen – Familiennachzug

Leitsatz (Juris)
1. Ein Aufenthaltsrecht aufgrund der Personensorge für minderjährige Unionsbürger besteht nur unter den Voraussetzungen des § 11 Abs. 1 S. 11 FreizügG/EU i.V.m. §§ 28, 29, 32 AufenthG. § 7 Abs. 1 S. 3 AufenthG kommt aufgrund der abschließenden Regelungen als Rechtsgrundlage für ein Aufenthaltsrecht nicht in Betracht. § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 AufenthG vermittelt der ledigen Mutter eines nicht deutschen minderjährigen Unionsbürgers kein Aufenthaltsrecht.

2. Erwerbsfähige Ausländer, die dem Leistungsausschluss für Arbeitslosengeld II nach § 7 Abs 1 S 2 SGB 2 unterfallen, haben keinen Anspruch auf Sozialhilfeleistungen nach § 23 Abs 1 S 3 SGB 12.

Quelle: www.gerichtsentscheidungen.berlin-brandenburg.de

2.4 – Sozialgericht Düsseldorf, Beschluss v. 12.10.2017 – S 18 AS 3636/17 ER

Umzugskosten- Mietkaution – Betreuerin – Folgenabwägung

Leitsatz (Redakteur)
1. Zwar war der Antragsteller ausweislich der ärztlichen Atteste zur Organisation eines Umzugs nur eingeschränkt in der Lage; jedoch ist ihm das möglicherweise verspätete Handeln seiner Betreuerin insoweit zuzurechnen.

2. Zu berücksichtigen und ausschlaggebend ist insoweit aber eine Folgenabwägung (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12.05.2005 – 1 BvR 569/05 sowie BVerfG, Beschluss vom 1.8.2017 – 1 Bevollmächtigter 1910/12; LSG NRW, Beschluss vom 18. April 2013 – L 6 AS 170/13 B ER), die zugunsten der Antragstellers ausfällt.

3. Denn für den Antragsteller besteht angesichts des unmittelbar bevorstehenden Räumungstermins keine Möglichkeit mehr, die Umzugskosten zu senken; die Alternative besteht alleine in der Nichtdurchführung des Umzugs und der zwangsweisen Räumung. Ohne die beantragten Leistungen drohen dem Antragsteller damit aber existentielle Nachteile, die er aus eigener Kraft nicht abwenden könnte.

Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de

2.5 – Sozialgericht Hannover, Beschluss vom 7. Juni 2018 (Az.: S 43 AS 1317/18 ER):

Leitsatz Dr. Manfred Hammel
1. Für die Anwendbarkeit des § 22 Abs. 5 Satz 1 SGB II ist es ausreichend, dass eine Verpflichtung des SGB II-Trägers zur Erteilung der Zusicherung gemäß § 22 Abs. 5 Satz 2 SGB II vorliegt.

2. Ein unter 25jähriger erwerbsfähiger Leistungsberechtigter kann dann nicht aus schwerwiegenden sozialen Gründen im Sinne des § 22 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 SGB II auf die Wohnung der Eltern oder eines Elternteils verwiesen werden, wenn auch das Jugendamt darlegt, dass sei Jahren eine tiefgreifende Störung der Eltern-Kind-Beziehung zwischen dem Antragsteller und seiner Mutter vorliegt. Es ereigneten sich hier erhebliche häusliche Schwierigkeiten und Konflikte, zurückführbar auch auf die mangelnde Erziehungskompetenz der Mutter des Antragstellers. In dieser besonderen Situation besteht das Erfordernis der Verselbstständigung dieses jungen Menschen außerhalb des elterlichen Haushalts.

3.   Entscheidungen der Landessozialgerichte zur Arbeitsförderung (SGB III)

3.1 – Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urt. v. 18.05.2018 – L 8 AL 3995/16

Leitsatz (Juris)
1. Es steht dem Regelungszweck des § 142 Abs. 2 SGB III zur Begründung einer sechsmonatigen Anwartschaftszeit entgegen, dass auf maximal 10 Wochen befristete Arbeitsverträge mit anschließender Verlängerung unter den bisherigen Bedingungen des Arbeitsvertrages die Rechtsfolge einer Anwartschaft auslösen.

2. Eine nur mündliche vereinbarte Verlängerung befristeter Beschäftigungsverhältnisse unter neuen Bedingungen mit erneuter Befristung begründet mangels Schriftform gemäß § 14 Abs. 4 Teilzeit- und Befristungsgesetz nur einen unbefristeten Arbeitsvertrag, der auch nach dem mündlich vereinbarten tatsächlichen Ende der Beschäftigung keinen im Voraus befristeten Arbeitsvertrag im Sinne von § 142 Abs. 2 SGB III darstellt.

Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de

3.2 – LSG Hessen, Urt. v. 18.05.2018 – L 7 AL 58/17

Orientierungssatz (Redakteur)
Auch bei einer Unterbrechung von 9 Monaten (wegen des Bezugs von Krankengeld und wegen des Bezugs von Übergangsgeld) besteht Anspruch auf ALG 1.

Leitsatz (Redakteur)
1. Dem Begriff der Unmittelbarkeit ist keine starre zeitliche Grenze zu entnehmen (vgl. BSG, 23.02.2017 – B 11 AL 3/16 R u. B 11 AL 3/16 R).

2. Der danach weitergehende Schutzzweck von § 26 SGB III erfordert deshalb zur Beantwortung der Frage, ob ein unmittelbarer Anschluss zwischen den Leistungen besteht, die Prüfung, welche besonderen Umstände im Einzelfall zur Unterbrechung geführt haben.

3. Ein Ausschluss aus der Versichertengemeinschaft ist nur dann gerechtfertigt, wenn diese Umstände von solchem Gewicht sind, dass sie den Schluss rechtfertigen, die Betroffenen hätten sich von der Arbeitslosenversicherung abgekehrt. Besonderheiten der in § 26 Abs 2 SGB III jeweils bezeichneten Lohnersatzleistungen sind in diesem Rahmen zu berücksichtigen. Der Dauer der Unterbrechung kann dabei als Zeitmoment der geforderten Unmittelbarkeit eine indizielle Bedeutung zukommen, insbesondere wenn sie sich als besonders lange darstellt (vgl auch BSG Urteil vom 28.8.2007 – B 7/7a AL 50/06 R).

Quelle: Privat

4.   Entscheidungen der Landessozialgerichte zum Asylrecht

4.1 – LSG Bayern, Beschluss vom 1. März 2018 (Az.: L 18 AY 2/18 B ER):

Leitsatz Dr. Manfred Hammel
1. Grundsätzlich ist für eine Einschränkung der Leistungsansprüche nach den §§ 2, 3 und 6 AsylbLG aufgrund des § 1a AsylbLG Voraussetzung, dass eine solche Anspruchseinschränkung durch Verwaltungsakt festgestellt wird. Es bedarf hier stets eines ausdrücklich erlassenen, entsprechenden Verwaltungsakts über das Vorliegen einer Anspruchseinschränkung nach § 1a AsylbLG für den Eintritt der gesetzlich möglichen Rechtsfolgen.

2. Liegt eine derartige Verfügung nicht vor, sind vom öffentlichen Träger den Antragsteller/innen gegenüber Grundleistungen gemäß § 3 Abs. 1 AsylbLG zu gewähren.

4.2 – LSG Bayern, Beschluss vom 19. März 2018 (Az.: L 18 AY 7/18 B ER):

Leitsatz Dr. Manfred Hammel
1. Gemäß § 14 Abs. 1 AsylbLG sind Anspruchseinschränkungen nach § 1a AsylbLG auf sechs Monate zu befristen. Ein Fehlen einer entsprechenden Befristung in einem auf der Grundlage des § 1a AsylbLG erlassenen Bescheid macht diese Verfügung rechtswidrig und verstößt darüber hinaus gegen den rechtsstaatlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.

2. Entsprechend § 14 Abs. 2 AsylbLG ist eine Anspruchseinschränkung – nach dem Ablauf von sechs Monaten – bei einer weiterhin bestehenden Pflichtverletzung stets nur dann fortzusetzen, sofern die gesetzlichen Voraussetzungen dieser Anspruchseinschränkung nach wie vor voll erfüllt werden. Nach dem Versteichen dieses Zeitraums hat jeweils eine erneute Prüfung und Entscheidung durch die zuständige Behörde nach dem AsylbLG zu erfolgen.

3. Im Fall einer rechtswidrigen Anspruchseinschränkung nach § 1 Abs. 1 AsylbLG besteht ein Anspruch auf existenzsichernde Grundleistungen entsprechend § 3 Abs. 1 AsylbLG.

5.   Verschiedenes zu Hartz IV, zur Sozialhilfe, zum Asylrecht, Wohngeldrecht und anderen Gesetzesbüchern

5.1 – Au-Pair“ kann Arbeitnehmer sein

Das SG Landshut hat entschieden, dass auch ein Einsatz als „Au-Pair“ europarechtlich die Arbeitnehmereigenschaft und damit einen nachfolgenden Anspruch auf Hartz IV – Leistungen begründen kann.

Kurzfassung: Nach Auffassung des Sozialgerichts erlaubt diese Ausgestaltung der „Au-Pair“-Tätigkeit die Annahme der Arbeitnehmereigenschaft der Klägerin. Nach dem Unionsrecht sei diese in der Regel schon dann gegeben, wenn die Wochenarbeitszeit mehr als zehn Stunden betrage. Auch müsse die Beschäftigung nicht zwingend in Gänze zur Bestreitung des Lebensunterhaltes ausreichen. Bei der Klägerin hätten die monatlichen Leistungen im Wert von rund 1.000 Euro hierzu in jedem Fall ausgereicht.

Quelle: Pressemitteilung des SG Landshut v. 18.07.2018: www.juris.de

Volltext: Sozialgericht Landshut, Urt. v. 31.01.2018 – S 11 AS 624/16

Kroatische Antragstellerin hat Anspruch auf SGB II-Leistungen aufgrund ihrer Arbeitnehmereigenschaft.

Leitsatz (Redakteur)
1. Bereits die Gewährung von Kost und Logis kann ausreichen, wenn dieses im Verhältnis zu Art und Umfang der Tätigkeit nicht völlig unangemessen ist (EuGH, Urteil vom 5. Oktober 1988 – C-196/87 – Rechtssache van State – Hausmeistertätigkeit; Urteil vom 24. Januar 2008 – C-294/06 – Au-Pair mit zusätzlicher Vergütung von ca. 103 EUR wöchentlich; Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 11. November 2014 – L 8 SO 306/14 B ER -, m.w.N). Ab einer Arbeitsstundenzahl von zehn Wochenstunden ist in aller Regel von einem Arbeitsverhältnis auszugehen (vgl. SG Aachen, Beschluss vom 24. Juni 2016 – S 14 AS 525/16 ER -, m.w.N.).

2. Nachdem die Klägerin im Rahmen der Au-Pair-Beschäftigung neben mtl. 260 EUR auch Kost und Logis, mtl. 50,- EUR zur Teilnahme an einem Sprachkurs, Unfall- und Krankenversicherung iHv mtl. 60,- EUR, bezahlten Urlaub, eine Prepaid-Telefonkarte sowie die freie Benutzung eines Autos inkl. zweier Tankfüllungen pro Monat erhalten hatte, ist an einem Arbeitsverhältnis im unionsrechtlichen Sinne nicht zu zweifeln.

3. § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FreizügG/EU setzt keine ununterbrochene Tätigkeit von mehr als einem Jahr voraus. Auch durch Arbeitslosigkeit unterbrochene Tätigkeiten können das gesetzliche Erfordernis erfüllen. Dies folgt aus einer an Wortlaut, Systematik, Sinn und Zweck sowie der Entstehungsgeschichte des FreizügG/EU ausgerichteten Gesetzesauslegung (BSG, Urteil vom 13. Juli 2017 – B 4 AS 17/16 R -).

4. Da es im vorliegenden Fall nach der Tätigkeit als „Au-Pair“ vor dem Erreichen der Jahresfrist eine allenfalls kurzfristige Unterbrechung von wenigen Tagen gab, gibt es keinen Anlass der Frage nachzugehen, ob der am Integrationsgedanken orientierten Zielsetzung des Gesetzes in § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FreizügG/EU auch dann noch entsprochen wäre, wenn in Addition zahlreicher kurzfristiger oder durch längere Zeiten unterbrochener Beschäftigungsverhältnisse es nur auf längere Sicht und eher zufällig zu einer Tätigkeit von „mehr als einem Jahr“ käme (vgl. BSG, Urteil vom 13. Juli 2017 – B 4 AS 17/16 R – im Falle einer 15-tägigen Unterbrechung).

Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de

5.2 – Sozialdaten umfangreich geschützt

Die bei der Bundesagentur für Arbeit (BA) verfügbaren Sozialdaten werden nach Angaben der Bundesregierung umfangreich geschützt.

Um einen Zugriff aus dem Internet auf Daten im Intranet zu verhindern, werde ein mehrstufiges System der Informationssicherheit genutzt, heißt es in der Antwort (BT-Drs. 19/3412 – PDF, 212 KB) der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage (BT-Drs. 19/2916 – PDF, 153 KB) der Fraktion die Linke. Die am Intranet angeschlossenen Agenturen für Arbeit und gemeinsamen Einrichtungen nutzten für die Datenübertragung die transportverschlüsselte Informationsinfrastruktur der BA. Die Behörde habe ihre Software zentralisiert und betreibe eigene Rechenzentren. Der Zugriff auf Daten werde aufgrund eines Rollen- und Berechtigungskonzepts gewährt. Der Rolleninhaber dürfe nur auf Daten zugreifen, die er für seine Aufgaben benötige. Zugriffe auf die Verfahren seien nur mit entsprechenden Berechtigungen möglich. Zugriffe auf sensible Daten würden datenschutzkonform protokolliert.

weiter: www.juris.de

5.3 – Hessischer Verwaltungsgerichtshof v. 26.07.2018 – 3 A 809/18.A, 3 A 403/18.A

Der VGH Kassel hat entschieden, dass syrischen Flüchtlingen, die sich dem Wehrdienst entzogen haben, die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist.

weiter: www.juris.de

Verfasser des Rechtsprechungstickers: Redakteur von Tacheles Detlef Brock

Quelle: Tacheles-Rechtsprechungsticker