Tacheles Rechtsprechungsticker KW 45/2018

1.   Entscheidungen des Bundessozialgerichts vom 09.08.2018 und 14.06.2018 zur Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II)

1.1 – BSG, Urteil v. 09.08.2018 – B 14 AS 20/17 R

Grundsicherung für Arbeitsuchende – Einkommens- oder Vermögensberücksichtigung – Zahlungen aus titulierter Schadensersatzforderung aus außergerichtlichem Vergleich wegen Vermögensschadens nach unerlaubter Handlung

Orientierungssatz (Redakteur)
Keine Hartz-IV-Minderung wegen Schadensersatzzahlungen.

Ratenzahlungen zum Ersatz eines Wertgegenstandes, den jemand vor Antragstellung bereits hatte, sind dem Vermögen und nicht dem Einkommen zuzurechnen.

Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de

1.2 – BSG, Urteil v. 14.06.2018 – B 14 AS 13/17 R

Ist bei einer in Bedarfsgemeinschaft nach dem SGB II lebenden Person neben einer Grundrente auch eine Ausgleichsrente nicht als Einkommen zu berücksichtigen?

Orientierungssatz (Redakteur)
Die von ihrem Ehemann bzw Vater, mit dem sie in einer sog gemischten Bedarfsgemeinschaft lebten, bezogene Ausgleichsrente nach dem Gesetz über die Anerkennung und Versorgung der politisch, rassisch oder religiös Verfolgten des Nationalsozialismus (PrVG) ist nicht von der Berücksichtigung als Einkommen nach dem SGB II ausgeschlossen. Dies folgt aus der in § 13a PrVG getroffenen Ausnahme nur für die Grundrente sowie dem Fehlen einer Zweckbestimmung iS des damaligen § 11 Abs 3 Nr 1 SGB II aF (vgl heute § 11a Abs 3 Satz 1 SGB II) für die Ausgleichsrente im PrVG.

Quelle: www.bsg.bund.de

2.   Entscheidungen der Landessozialgerichte zur Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II)

2.1 – Landessozialgericht Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 27.06.2018 – L 12 SF 43/17 EK AS

Orientierungssatz (Redakteur)
Zu Rechtsfragen im Hinblick auf das Bestehen von Entschädigungsansprüchen von (mehreren) Mitgliedern einer Bedarfsgemeinschaft und deren Höhe.

Leitsatz (Juris)
Die Entschädigungszahlung nach § 198 GVG an einen beschränkt geschäftsfähiges Mitglied einer Bedarfsgemeinschaft nach dem SGB II ist jedenfalls dann zu kürzen, wenn zumindest ein volljähriges Mitglied der Bedarfsgemeinschaft die Regelentschädigung erhält.

Quelle: www.landesrecht-mv.de

2.2 – Entscheidungen der Landessozialgerichte und Sozialgerichte zum Arbeitsförderungsrecht (SGB III)

Landessozialgericht Hamburg, Urt. v. 29.08.2018 – L 2 AL 51/17

Orientierungssatz (Redakteur)
Zur Frage, ob die Rechtmäßigkeit der Feststellung einer zweiten Sperrzeit voraussetzt, dass zuvor ein Bescheid über die Feststellung der vorausgegangenen Sperrzeit ergangen ist, hier verneinend.

Leitsatz (Redakteur)
1. Umstritten ist, ob ein zweites versicherungswidriges Verhalten erst dann vorliegen kann, wenn das erstmalige versicherungswidrige Verhalten zuvor durch Verwaltungsakt festgestellt worden ist (befürwortend Sächsisches LSG, Urteil vom 5. Februar 2016 – L 3 AL 199/15, juris; SG Kassel, Urteil vom 7. November 2012 – S 7 AL 214/10, juris; Vagolio, in: Hauck/Noftz, SGB III, Stand: September 2014, § 159 Rn. 481; Karmenski, in: Brand, SGB III, 7. Aufl., § 159 Rn. 167; Winkler, in: Gagel SGB II/SGB III, Stand: März 2018, § 159 SGB III Rn. 369; ablehnend Hessisches LSG, Urteil vom 5. August 2015 – L 6 AL 6/13, juris; LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 19. Mai 2011 – L 2 AL 20/09).

2. Nach dem Wortlaut der Vorschrift des § 159 Abs. 4 S. 1 SGB III ist eine vorherige Feststellung einer Sperrzeit durch Bescheid nicht erforderlich. Es genügt ein erstmaliges und sodann ein zweites versicherungswidriges Verhalten.

Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de

2.3 – SG Rostock, Urteil vom 06.09.2018, S 2 AL 21/17

Orientierungssatz (Redakteur)
Zum Anspruch auf Arbeitslosengeld 1 für einen Fußballspieler, wo der Kläger laut Spielervertrag eine monatliche Vergütung in Höhe von 250 € zuzüglich Prämien erhielt, hier bejahend.

Voraussetzung für ein Beschäftigungsverhältnis ist, dass der Beschäftigte seine Tätigkeit nicht frei gestalten kann, sondern in einen fremden Betrieb eingegliedert ist und dabei grundsätzlich einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Dienstleistung. Weichen die Vereinbarungen von den tatsächlichen Verhältnissen ab, geben diese den Ausschlag. Eine weisungsgebundene Eingliederung eines Fußballspielers ist gegeben, wenn sich dieser gegenüber dem Sportverein zur Erbringung fußballsportlicher Tätigkeiten nach Weisung des Vereins verpflichtet, typischerweise gegen Zahlung eines Arbeitsentgelts (§ 14 SGB IV). An einer Beschäftigung fehlt es, wenn zwischen Sportler und Sportverein lediglich mitgliedschaftsrechtliche Bindungen bestehen. Die zu beurteilenden Verrichtungen dürfen nicht allein im Rahmen der Mitgliedschaft zu einem privatrechtlichen Verein in Erfüllung mitgliedschaftlicher Vereinspflichten ausgeübt worden sein.

Quelle: www.landesrecht-mv.de

3.   Entscheidungen der Landessozialgerichte zur Sozialhilfe (SGB XII)

3.1 – Bayerisches Landessozialgericht, Urt. v. 27.09.2018 – L 8 SO 18/16

Bundesfreiwilligendienst: Taschengeld nicht auf Sozialhilfe anrechenbar

Orientierungssatz (Redakteur)
1. Zur Anrechnung des Taschengeldes aus dem Bundesfreiwilligendienst im SGB XII.

2. Auch der Bezug von Taschengeld aufgrund eines Bundesfreiwilligendienstes stellt einen begründeten Fall von § 82 Abs. 3 Satz 3 SGB XII dar.

Leitsatz (Redakteur)
1. Bei dem Kläger gewährten Taschengeld in Höhe von 200.- Euro monatlich handelt es sich um Einkommen, das gemäß § 82 Abs. 1 Satz 1 SGB XII in der Fassung vom 21.03.2013 (gültig vom 01.01.2013 bis 31.12.2015) dem Grunde nach anrechenbar ist, da es sich um eine Einnahme in Geld oder Geldeswert handelt und die normierten Ausnahmen nicht gegeben sind.

2. Das vom Kläger bezogene Taschengeld ist jedoch in gesamter Höhe gemäß § 82 Abs. 3 S. 3 SGB XII vom Einkommen abzusetzen, mit der Folge, dass eine diesbezügliche Einkommensanrechnung nicht erfolgt.

Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de

3.2 – Landessozialgericht Baden-Württemberg, Beschluss v. 17.10.2018 – L 7 SO 3150/18 ER-B

Orientierungssatz (Redakteur)
1. Zum Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes um die Übernahme der Kosten einer Integrationshilfe während des Kindergartenbesuchs, hier befürwortend.

2. Leistungen für den Einsatz eines Integrationshelfers zum Zwecke des Kindergartenbesuchs können über die Auffangnorm des § 55 Abs. 2 SGB IX a.F. beansprucht werden (LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 27.08.2015 – L 8 SO 177/15 B ER).

3. Wenn weder der Antragsgegner noch der Kindergartenträger eine kostengünstigere Assistenzkraft zur Verfügung stellen können, kann dies nicht zu Lasten des Antragstellers gehen. Entscheidend ist, dass der Kindergarten nicht in der Lage ist, den Bedarf des Antragstellers vollständig zu decken (vgl. Beschluss des Senats vom 12. Dezember 2017 – L 7 SO 3798/17 ER-B).

Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de

4.   Entscheidungen der Landessozialgerichte zum Asylrecht

4.1 – Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Beschluss v. 02.08.2018 – L 8 AY 2/18 B ER – rechtskräftig

Orientierungssatz (Redakteur)
§ 1 a Abs. 4 Satz 2 AsylbLG knüpft nicht an ein konkretes Fehlverhalten des Leistungsberechtigten an (vgl. Birk in LPK-SGB XII, Stand 2018, § 1 a AsylbLG RdNr. 6). Der Hintergrund der Leistungskürzung liegt darin, dass diese Personen dem europäischen Leistungsregime unterworfen sind und an sich eine unerwünschte europäische Sekundärmigration sanktioniert wird (vgl. Oppermann in jurisPK-SGB XII AsylbLG § 1 a RdNr. 97.1).

Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de

5.   Verschiedenes zu Hartz IV, zur Sozialhilfe, zum Asylrecht, Wohngeldrecht und anderen Gesetzesbüchern

5.1 – Keine Sicherheit für rückkehrende Syrer

Die Bundesregierung teilt die Einschätzung von internationalen Organisationen wie dem Hochkommissariat für Flüchtlinge der Vereinten Nationen (UNHCR) und der Internationalen Organisation für Migration (IOM), dass die Bedingungen für eine Rückkehr von Flüchtlingen nach Syrien in Sicherheit und Würde derzeit nicht gegeben sind.

Das schreibt sie in der Antwort (BT-Drs. 19/4893 – PDF, 268 KB) auf eine Kleine Anfrage der AfD-Fraktion (BT-Drs. 19/4434 – PDF, 105 KB), die sich nach der „Förderung der Rückkehr syrischer Flüchtlinge“ erkundigt hatte.

weiter zur Quelle: www.juris.de

5.2 – Schadensersatzzahlungen nicht auf ALG II anzurechnen, ein Beitrag v. RA Helge Hildebrandt aus Kiel

weiter: sozialberatung-kiel.de

5.3 – SGB II- Sanktionen kommen nun endlich vor das BVerfG 

BVerfg will entscheiden! Über 2,5 Jahre mussten die jährlich fast 1 Million Hartz IV – und Sanktionsopfer auf diese Nachricht warten! Das BVerfG hat nun einen 1sten Termin genannt!

Umso erfreulicher ist es nun, dass das Verfassungsgericht einen 1sten Termin zur Anhörung im Verfahren zur Verfassungswidrigkeit der Sanktionspraxis im SGB II- System anberaumt hat.

Harald Thome von Tacheles – Wuppertal schreibt dazu:
Wir, daß heißt der Verein Tacheles e. V., haben heute interessante Post vom Bundesverfassungsgericht bekommen, dass betrifft das Vorlageverfahren zu Sanktionen….

Um es nochmal im Klartext zu sagen: dass BVerfG möchte am 15. Januar 2019 über das Vorlageverfahren zu den Sanktionen entscheiden.

Nachdem über Monate und Jahre andere Entscheidungen vorrangig zu bearbeiten waren, kommen nun die SGB II-Sanktionen dran.

Wir können gespannt sein.

Quelle: www.freitag.de und hier: twitter.com 

Verfasser des Rechtsprechungstickers: Redakteur von Tacheles Detlef Brock

Quelle: Tacheles-Rechtsprechungsticker