Tacheles Rechtsprechungsticker KW 03/2024

1. Entscheidungen des Bundessozialgerichts zum Arbeitsförderungsrecht (SGB 3)

1.1 – BSG, Urt. v. 14.12.2023 – B 11 AL 2/22 R

Arbeitslosenversicherung – Arbeitslosengeld – Ruhen – Altersleistungen aus schweizerischer Personalvorsorgestiftung

BSG: Kein Ruhen des Arbeitslosengeldes 1 aufgrund einer einmaligen Kapitalleistung, die von einer schweizerischen Pensionskasse bewilligt wurde (Tacheles e. V.)

Orientierungssatz Redakteur v. Tacheles e. V.
1. Bei dieser Kapitalleistung handelt es sich nicht um eine der Altersrente aus der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung vergleichbare Leistung eines ausländischen Trägers.

2. Die Ruhensvorschrift erfasst ausschließlich wiederkehrende Leistungen, nicht dagegen Einmalzahlungen. Die im Gesetz ausdrücklich aufgezählten Sozialleistungen, die zum Ruhen des Arbeitslosengelds führen, sind ausnahmslos wiederkehrender Art.

Quelle: www.bsg.bund.de

2. Entscheidungen der Landessozialgerichte zum Bürgergeld (SGB II)

2.1 – LSG NSB, Beschluss v. 21.03.2023 – L 6 AS 90/23 B ER

Barabhebungen; Barverfügungen; Darlehen; Energiekostenrückstände; Mietschulden; Missbrauch; Selbsthilfe; sozialwidriges Verhalten

Geld vom Jobcenter zweckwidrig verwendet – Keine weitere Hilfe für Mietrückstände – Kein Darlehen vom JobCenter für Mietschulden bei Missbrauch (Tacheles e. V.)

Bürgergeld: In Missbrauchsfällen gezielter Herbeiführung von Mietrückständen ist eine Schuldenübernahme schon nicht gerechtfertigt (Leitsatz Tacheles e. V.)

Amtlicher Leitsatz
1. Bei der Bewilligung eines Darlehens zur Deckung aufgelaufener Mietschulden tritt auch ein wirtschaftlich unvernünftiges und vorwerfbares Verhalten des Hilfebedürftigen regelmäßig zurück. Etwas anderes gilt jedoch in Missbrauchsfällen. Hiervon kann bei zumindest bedingt vorsätzlicher Herbeiführung von Rückständen für Unterkunftskosten auszugehen sein, insbesondere wenn es trotz entsprechender Unterstützung in der Vergangenheit wiederholt zu Rückständen gekommen und kein Selbsthilfewillen zu erkennen ist.

2. Ein der Darlehensgewährung auch unter Berücksichtigung der Belange von zwei minderjährigen Kindern entgegenstehender Missbrauch liegt vor, wenn elf bzw acht Jahre vor der Entstehung der Mietrückstände bereits zwei Darlehen in Höhe von mehr als 7.300,- Euro zur Deckung von Energieschulden gewährt wurden. Die noch durch laufende Aufrechnung getilgt werden, der Auftrag an den Leistungsträger zur unmittelbaren Zahlung an den Vermieter widerrufen, die Mietzahlungen mit der Folge von Mietrückständen in Höhe von über 9.600,- Euro nahezu eingestellt, mehrere Ratenzahlungskäufe über hochpreisige Konsumgüter getätigt und die Mietschulden deutlich übersteigende Barabhebungen vorgenommen werden, deren Verwendungszweck oder Empfänger auch auf gerichtliche Aufforderung nicht erklärt werden.

Quelle: voris.wolterskluwer-online.de

Rechtstipp Tacheles e. V. :
vgl. dazu LSG Stuttgart, Beschl. v. 13.03.2013 – L 2 AS 842/13 ER

2.2 – Thüringer Landessozialgericht, Urt. v. 24.08.2022 – L 4 AS 1212/19 – anhängig BSG – B 7 AS 10/23 R, nur veröffentlicht in BeckRS 2022, 52881- Urheberrechtsschutz beachten

Zur Nichtanrechnung eines während des Bezugs von Leistungen nach dem SGB II zugewendeten Geldbetrags aufgrund grober Unbilligkeit gemäß § 11a Absatz 5 Nummer 1 SGB II, wenn die Zuwendung Aufwendungen für Unterkunft abdeckt, die vom Jobcenter ganz oder teilweise gemäß § 22 Absatz 2 SGB II als Bedarf zu berücksichtigen sein können.

LSG Thüringen: Die Zuwendung der Mutter in Höhe von 7000 € zur Reparatur des Asbest-Daches nach massiven Wassereinbrüchen wäre als Katastrophenhilfe nach § 11a Abs. 5 Nr. 1 SGB II nicht zu berücksichtigendes Einkommen (Tacheles e. V.).

Orientierungssatz Redakteur v. Tacheles e. V.
1. Der von der Mutter der Klägerin zur Verfügung gestellte Geldbetrag war Einkommen und nicht Vermögen im Sinne des SGB II, weil er im Leistungszeitraum/nach Antragstellung zugeflossen ist. Allerdings hat er nicht gem. § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X zum Wegfall des Anspruchs geführt.

2. Die Berücksichtigung des von der Mutter – ohne rechtliche oder sittliche Verpflichtung – zugewendeten Geldbetrags zum Begleichen der Dachdeckerrechnung als Einkommen wäre für die Klägerin grob unbillig im Sinne von § 11a Abs. 5 Nr. 1 SGB II.

Rechtstipp Tacheles e. V.:
vgl. LSG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 12. Dezember 2013 – L 8 AS 9/13 B ER –

Eine grobe Unbilligkeit im Sinne des § 11a Abs. 5 Nr. 1 SGB II liegt nicht vor in einem Fall, in dem die Mutter eines SGB-II-Leistungsbeziehers ihrem 61-jährigen Sohn, ohne hierzu rechtlich oder sittlich verpflichtet zu sein, einen Betrag in Höhe von 5000 € in bar für die Beschaffung eines Kfz zuwendet (hier lag ein anderer Sachverhalt zu Grunde, Ein Kfz ist ein Gegenstand, der sich ohne weiteres auch wieder veräußern und damit wieder „zu Geld für den Lebensunterhalt machen“ lässt).

Anmerkung Redaktion Tacheles e. V.:
Dieser Beitrag ist urheberrechtlich geschützt, nur zitieren erlaubt mit Verlinkung zu diesem Beitrag – Quelle: Tacheles Rechtsprechungsticker KW 03/2024

2.3 – LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss v. 14.12.2023 – L 5 AS 356/23 B ER

Sozialgerichtliches Verfahren – einstweiliger Rechtsschutz – Bürgergeld – Regelbedarf nach der Regelbedarfsstufe 1 – Bindung an Gesetz und Recht

Leitsätze
1. Die Fachgerichte dürfen wegen der Bindung an Gesetz und Recht (Art 20 Abs 3 GG) keinen höheren Regelbedarf bestimmen. Dies gilt auch im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes.

2. Die derzeitige Regelbedarfshöhe der Regelbedarfsstufe 1 ist nicht evident unzureichend. Eine Veranlassung zur Vorlage an das BVerfG besteht nicht.

Quelle: www.sozialgerichtsbarkeit.de

Rechtstipp v. Tacheles e. V.:
vgl. dazu LSG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 18.10.2023 – L 18 AS 279/23 – BSG – B 7 AS 95/23 B (anhängig)

2.4 – LSG Hamburg, Urt. v. 18.12.2023 – L 4 AS 211/23 D – Revision zugelassen

Zur Frage der der Auslegung des § 7 Abs. 6 Nr. 2 lit. b SGB II (Tacheles e. V.)

Orientierungssatz Redakteur von Tacheles e. V.
Keine Gewährung von Bürgergeld als Zuschuss eines Leistungsberechtigten nach Ablehnung seines BAföG-Antrages während des diesbezüglich noch laufenden Widerspruchverfahrens (entgegen SG Stade, Urt. v. 28.03.2019 – S 39 AS 67/18, SG Hamburg, Beschluss vom 20.6.2019 – S 31 AS 1291/19 ER sowie SG Hamburg, Beschluss vom 11.2.2020 – S 39 AS 353/20 ER).

Quelle: www.landesrecht-hamburg.de

Zur Frage der der Auslegung des § 7 Abs. 6 Nr. 2 lit. b SGB II – Anmerkung von RA Joachim Schaller v. 13.01.2023 (urheberrechtlich geschützt, nur zitieren erlaubt mit Verlinkung zu diesem Beitrag – Quelle: Tacheles Rechtsprechungsticker KW 03/2024

“Nach § 7 Absatz 6 Nr. 2 SGB II haben alle Schüler:innen (und die Studierenden, die bei ihren Eltern oder einem Elternteil wohnen – oder in einer im Eigentum der Eltern stehenden Wohnung) Anspruch auf (aufstockende) Leistungen nach dem SGB II, wenn sie Leistungen nach dem BAföG

a) erhalten oder nur wegen der Vorschriften zur Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen nicht erhalten oder

b) beantragt haben und über deren Antrag das zuständige Amt für Ausbildungsförderung noch nicht entschieden hat; lehnt das zuständige Amt für Ausbildungsförderung die Leistungen ab, findet § 7 Absatz 5 SGB II mit Beginn des folgenden Monats Anwendung.

Umstritten ist, ab wann der Leistungsausschluss nach § 7 Absatz 5 Satz 1 SGB II beginnt, wenn die BAföG-Ablehnung nicht nur wegen Einkommen oder Vermögen erfolgt, sondern aus anderen Gründen (z.B. Abbruch einer vorherigen Ausbildung, für den das BAföG-Amt keinen wichtigen bzw. unabweisbaren Grund bejaht). Während ein Teil der Rechtsprechung und Literatur zumindest während eines laufenden Widerspruchsverfahrens weiter die Rückausnahme des § 7 Absatz 6 Nr. 2 b) SGB II anwenden will, hat das LSG Hamburg dies im Urteil vom 18.12.2023 – L 4 AS 211/23 D – verneint und zur Klärung dieser grundsätzlichen Frage die Revision zugelassen, die in den nächsten Tagen beim BSG eingelegt werden wird.

Nach Auffassung des LSG Hamburg gibt es ab dem Monat nach der BAföG-Ablehnung keinen normalen SGB II-Anspruch mehr, sondern allenfalls ein Härtefalldarlehen nach § 27 Absatz 3 Satz 1 SGB II (das im entschiedenen Fall nach einer entsprechenden einstweiligen Anordnung unstrittig war).

Das LSG Berlin-Brandenburg bejaht eine besondere Härte nach § 27 Absatz 3 Satz 1 SGB II bis zum Abschluss eines einstweiligen Rechtsschutzverfahrens vor dem Verwaltungsgericht um Leistungen nach dem BAföG und spricht im Eilverfahren 80 % als Darlehen zu (LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 15.06.2020 – L 31 AS 585/20 B ER -).

Es ist daher zur aktuellen Sicherung des Lebensunterhalts im Falle einer BAföG-Ablehnung ratsam, gegen diese mit den je nach Bundesland unterschiedlichen Rechtsmitteln vorzugehen und gleichzeitig beim Jobcenter zumindest Darlehensleistungen geltend zu machen. Ob dafür gefordert werden kann, dass zusätzlich beim Verwaltungsgericht ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen das BAföG-Amt gestellt wird, ist bisher höchstrichterlich nicht entschieden.

In jedem Fall endet der Leistungsausschluss nach § 7 Absatz 5 Satz 1 SGB II mit Ende der Ausbildung. Entgegen der Auffassung des Jobcenters war dies nicht erst am Ende der Kündigungsfrist für die Ausbildung an der privaten Berufsfachschule, die für die Ausbildung Schulgeld verlangte. Weil nach der Kündigung keine Veranstaltungen der Schule mehr besucht wurden, wurde die Berufung des Jobcenters für die Zeit nach dem Tag der Kündigung zurückgewiesen.

Einen Überblick über das komplizierte Verhältnis von BAföG und SGB II-Leistungen gibt Joachim Schaller in der gerade erschienenen 8. Auflage des BAföG-Kommentars Ramsauer/Stallbaum (Einleitung Rn. 26-138).”

3. Entscheidungen der Sozialgerichte zum Bürgergeld (SGB II)

3.1 – keine

Nun doch, meine Wochen langen Bemühungen zum Rechtsanwalt dieses Urteils wurden belohnt, jetzt habe ich das korrekte Aktenzeichen.

Warum schreibe ich das? Weil mein wöchentl. Ticker sehr viel Arbeit erfordert und somit ein enormes Arbeitspensum. Darum mag ich es gar nicht, wenn man den Ticker als Datenbank benutzt und urplötzlich die Urteile aus meiner Arbeit einfach nur mit einer anderen Überschrift erscheinen, rein rechtlich gibt es kaum was dagegen einzuwenden.

Doch ich würde mich schämen und kann da nur um Folgendes bitten:

Recherchieren Sie bitte selbst und lassen das Abgucken!! (Angesprochen sollen sich die Leute fühlen, die meine Verärgerung jede Woche verursachen, wir kennen Sie genau!)

3.1 – SG Potsdam, Urteil vom 29. September 2023 – S 44 AS 675/21 – (nicht veröffentlicht), bearbeitet von Susanne Theobald, Redakteurin, Hauptverwaltung, Abteilung Kommunikation

Bürgergeld: Auch dann, wenn Partner kürzer als ein Jahr zusammenleben, kann eine Bedarfsgemeinschaft angenommen werden, wenn besonders gewichtige Umstände die Annahme einer Verantwortungs- und Einstandsgemeinschaft rechtfertigen, hier längere Vorbeziehung und Schwangerschaft (Leitsatz Tacheles e. V.)

Quelle : Zusammenleben auf Probe (von Susanne Theobald)

Nach dem SGB II wird beim Zusammenleben zweier Menschen ein wechselseitiger Wille vermutet, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen. Das kann zur Anrechnung von Einkommen und Vermögen und damit auch dazu führen, dass Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes versagt werden. Ändert ein Zusammenleben auf Probe daran etwas? Und was ist überhaupt ein Zusammenleben auf Probe?

Quelle: www.dgbrechtsschutz.de

Rechtstipp Tacheles e. V. :
SG Stade, Gerichtsbescheid v. 20.06.2016 – S 6 AS 515/13 – rechtskräftig

Orientierungssatz Redakteur v. Tacheles e. V.
Auch bei einem Zusammenleben von kürzerer Dauer als einem Jahr kann eine Einstandsgemeinschaft bestehen.

Lesetipp Tacheles e. V.:
Bei kurzem Zusammenleben muss Partner nicht immer zahlen

Lebt ein Paar erst kurze Zeit zusammen, braucht sich ein Hartz-IV-Antragsteller vom Träger der Grundsicherung für Arbeitssuchende (“Hartz-IV”) nicht zwangsläufig auf Unterstützung durch seinen Partner verweisen zu lassen (LSG NRW, Urteil v. 16.2.2009 – L 19 AS 70/08).

weiter: datenbank.nwb.de

weitere 3 Rechtstipps v. Tacheles e. V.:
1. LSG Hamburg, Beschluss v. 08.02.2007 – L 5 B 21/07 ER AS

Vermögensanrechnung erst nach einem Jahr

weiter bei RA Kotz

2. SG München, Urteil v. 18.05.2021 – S 8 AS 2502/19

Zur Frage des Bestehens einer Bedarfsgemeinschaft, hier verneinend.

Leitsatz (Redakteur)
Bei Partnern, die kürzer als ein Jahr zusammenwohnen, können nur gewichtige Umstände die Annahme einer Verantwortungs- und Einstandsgemeinschaft begründen (LSG Niedersachsen-Bremen v. 08.07.2009 – L 7 AS 606/09 B ER – FEVS 61, 523; LSG Nordrhein-Westfalen v. 16.02.2009 – L 19 AS 70/08; LSG Nordrhein-Westfalen v. 04.07.2007 – L 19 B 56/07 AS ER – FEVS 59, 128; LSG Berlin-Brandenburg v. 18.01.2006 – L 5 B 1362/05 AS ER).

3. Schleswig-Holsteinisches LSG, Beschluss vom 29.03.2022 – L 3 AS 29/22 B ER

Zum Vorliegen einer Bedarfsgemeinschaft bei Partnern

Orientierungssatz (www.sozialgerichtsbarkeit.de)
1. Nur bei Vorliegen gewichtiger Umstände im Einzelfall kann von der Jahresfrist gemäß § 7Abs.3a Nr.1 SGB II nach unten abgewichen werden.

2. Ein Verlöbnis begründet derart gewichtige Umstände nicht, wenn es wieder gelöst worden ist und daraufhin ein vorübergehender Auszug eines Partners erfolgt ist.

3. Die Versorgung von Kindern im Sinne von § 7 Abs.3a Nr.3 SGB II ist restriktiv auszulegen, um einen Wertungswiderspruch zu Nr.1 der Vorschrift zu vermeiden. Eine Unterschreitung der Jahresfrist ist auch beim Zusammenleben mit den Kindern des neuen Partners nur gerechtfertigt, wenn ein wesentlicher Anteil der Betreuungsleistungen durch den Stiefelternteil erbracht wird. Schulfahrdienste und die Einbeziehung der Kinder in die Hobbys des neuen Partners (hier Angeln) reichen dafür nicht aus.

Anmerkung Tacheles e. V.:
Dazu passt auch Beitrag von RA Helge Hildebrandt in HEMPELS 6/2022

weiter: sozialberatung-kiel.de

Das sagen Rechtsanwälte zu diesem Thema:
Kürzung Bürgergeld unmittelbar nach dem Zusammenziehen mit dem Partner?!

Ein Beitrag von RA Matthias Göbe, Berlin

weiter: www.anwalt.de

3.2 – in letzter Sekunde reingekommen: SG Berlin, Beschluss vom 28.12.2023 – S 121 AS 6506/23ER

Bürgergeld: Auch Nutzungsentschädigung nach Kündigung ist zu übernehmen, so der Rechtsanwalt Kay Füßlein aus Berlin.

Es gibt die unangenehme Verwaltungspraxis, dass nach einer Kündigung der Wohnung das JobCenter die Mietzahlungen an den Vermieter einstellt.

Dies ist rechtswidrig.

Im vorliegenden Fall war es so, dass der Antragsteller sich gerichtlich verpflichtete hatte, die Wohnung bis zum 31.12.2023 zurückzugeben. Neuer Wohnraum konnte jedoch noch nicht angemietet werden, so dass im Dezember absehbar war, dass er noch in der Wohnung leben wird. Der Vermieter hatte die Zwangsräumung noch nicht beantragt und die Lebenspraxis zeigt, dass zumindest, wenn die Miete gezahlt wird, hiervon auch erstmal Abstand genommen wird.

Da das JobCenter jedoch von der Vereinbarung Kenntnis hatte, stellte es die Mietzahlungen zu Januar einfach ein.

Der hiergegen erhobene Antrag hatte Erfolg. Denn auch die Nutzungsentschädigung nach dem Ende des Mietverhältnisses ist ein Bedarf nach § 22 SGB II und daher zu übernehmen.

Demnach ist auch im Falle einer Kündigung (oder wie vorliegend aufgrund eines gerichtlichen Urteils oder Vergleich nach Ablauf der Räumungsfrist) eine Nutzungsentschädigung durch das Jobcenter weiter zu zahlen.

weiter bei RA Kay Füßlein

4. Entscheidungen der Landessozialgerichte und Sozialgerichte zur Sozialhilfe (SGB XII)

4.1 – LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 06.12.2023 – L 2 SO 843/23 – Revision zugelassen

Leitsätze
Kostenersatz nach § 102 SGB XII kann auch nach der zum 01.01.2020 erfolgten Herauslösung der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen, deren Leistungen bis zum 31.12.2019 im 6. Kapitel des SGB XII geregelt waren, und der Überführung dieser Leistungen ins SGB IX, weiterhin zumindest dann verlangt werden, wenn die Eingliederungshilfeleistungen noch nach dem alten Recht erbracht worden sind, der Leistungsträger den Kostenersatz aber erst nach dem 01.01.2020 geltend macht.

Quelle: www.sozialgerichtsbarkeit.de

4.2 – LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 19.10.2023 – L 7 SO 1760/21

Leitsätze
Wird der von dem Mehrbedarfszuschlag nach § 30 Abs. 1 SGB XII zu deckende Mobilitätsbedarf nicht durch die Einrichtung als Leistungserbringer gedeckt, so verbleibt der Mehrbedarfszuschlag im Rahmen der Grundsicherungsleistungen beim Hilfeempfänger und kann nicht auf die Fachleistungen angerechnet werden.

Quelle: www.sozialgerichtsbarkeit.de

Hinweis Tacheles e. V.:
BSG, Urt. v. 12.12.2023 – B 8 SO 9/22 R -: Sozialhilfe schließt Eingliederungshilfe nicht aus (www.evangelisch.de)

1. Gehbehinderte Menschen müssen ihren Bedarf an Mobilität nicht allein aus dem Sozialhilfe-Regelsatz und einem behinderungsbedingten Mehrbedarf decken.

2. Übersteigen die in der Freizeit angefallenen Kosten eines Sonderfahrdienstes für alte und behinderte Menschen den im Sozialhilfe-Regelsatz enthaltenen Mobilitätsbedarf, können zusätzlich auch Eingliederungshilfeleistungen zur Deckung der Fahrtkosten beansprucht werden.

5. Entscheidungen zum Asylrecht und AsylbLG

5.1 – LSG Bayern, Beschluss v. 20.12.2023 – L 8 AY 45/23 B ER

Leitsätze
Zu den Voraussetzungen einer Anspruchseinschränkung nach § 5 Abs. 4 Satz 2 AsylbLG

Quelle: www.sozialgerichtsbarkeit.de

7. Verschiedenes zum Bürgergeld, zur Sozialhilfe, zum Asylrecht, Wohngeldrecht und anderen Gesetzesbücher

7.1 – Die Berücksichtigung von Jahresbeiträgen für Versicherungen in der Leistungsberechnung

Prof. Dr. Peter Becker, Vorsitzender Richter am Bundessozialgericht a.D.

Der Antragsteller legt eine Rechnung seines Versicherers vor, aus der hervorgeht, dass Beiträge jährlich zu zahlen sind.

Sollte bei der Leistungsberechnung der Beitrag für eine Hausrat- oder Haftpflichtversicherung (trotzdem) monatlich zu je einem Zwölftel oder nur einmalig berücksichtigt werden? Gibt es diesbezüglich eine rechtliche Regelung?

weiter: www.wolterskluwer.com

Wichtiger Hinweis:
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Verfasser des Rechtsprechungstickers: Redakteur von Tacheles Detlef Brock
Quelle: Tacheles-Rechtsprechungsticker