Verwaltungsgericht Hannover – Urteil vom 08.03.2012 – Az.: 10 A 5813/10

Im Namen des Volkes
Urteil

In der Verwaltungsrechtssache

des xxx,
Klägers,

Proz.-Bev.: Rechtsanwalt Adam,
               Lange Geismarstraße 55, 37073 Göttingen,

gegen

die xxx,
Beklagte,

Streitgegenstand: Platzverweisung

hat das Verwaltungsgericht Hannover – 10. Kammer – auf die mündliche Verhandlung vom 8. März 2012 durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgericht xxx, die Richterin am Verwaltungsgericht xxx, die Richterin am Verwaltungsgericht xxx sowie die ehrenamtlichen Richterinnen xxx und xxx für Recht erkannt:

Es wird festgestellt, dass der gegenüber dem Kläger ausgesprochene Platzverweis der Beklagten vom 14.08.2010 rechtswidrig war.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Leistung einer Sicherheit in Höhe von 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Tatbestand
Der Kläger begehrt die Feststellung, dass ein gegen ihn angeordneter Platzverweis für das Gebiet der Stadt Bad Nenndorf rechtswidrig war.

Für den 14.08.2010 war in Bad Nenndorf ein Aufzug als „Trauermarsch“ unter dem Motto „Gefangen, Gefoltert, Gemordet – Damals wie heute – Besatzer raus“ angemeldet worden. Entsprechende Aufzüge werden seit Juli 2006 in Bad Nenndorf durchgeführt, die Teilnehmerzahlen nehmen von Jahr zu Jahr zu. Im Jahr 2009 reisten etwa 730 Rechtsextremisten an, darunter etwa 130 Autonome Nationalisten, die an dem Aufzug allerdings nicht teilnahmen, weil sie die Kontrollstellen der Polizei nicht passieren wollten.

Parallel zu diesen Aufzügen werden von einem Bündnis gegen Rechtsextremismus regelmäßig Demonstrationen veranstaltet, an denen im Jahr 2009 etwa 1.100 Personen teilnahmen, darunter 150 Personen des linksextremistischen Spektrums. Für den 14.08.2010 hatte der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) eine Versammlung angemeldet, welche sich gegen den Aufzug der Rechtsextremisten richten sollte.

Nachdem die zuständige Versammlungsbehörde, der Landkreis Schaumburg, beide Versammlungen zunächst mit Bescheiden vom 26.07.2010 und 29.07.2010 unter Verfügung von Auflagen und jeweils nur mit verkürzter Aufzugsstrecke bestätigt hatte, verbot sie beide Versammlungen mit Bescheiden vom 11.08.2010 mit der Begründung, dass wegen der zunehmenden Mobilisierung gewaltbereiter Versammlungsteilnehmer aus dem rechts- und linksextremistischen Spektrum nunmehr ein polizeilicher Notstand drohe. Daraufhin stellte das Verwaltungsgericht Hannover mit Beschluss vom 12.08.2010 die aufschiebende Wirkung der Klage des Veranstalters des „Trauermarsches“ gegen die Verbotsverfügung wieder her und lehnte den Antrag des DGB auf Eilrechtsschutz ab. Auf die Beschwerde des DGB stellte das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung der Klage des Veranstalters der DGB-Kundgebung insoweit wieder her, als eine stationäre Versammlung in Bad Nenndorf am 14.08.2010 im Zeitraum 9.00 Uhr bis 11 Uhr möglich sein sollte. Der sog. Trauermarsch sollte – auf einer genau festgelegten und von der Polizei gesicherten Strecke – am Nachmittag des 14.08.2010 stattfinden.

Der Kläger wurde am 14.08.2010 gegen 10.20 Uhr in einer Gruppe von fünf Personen, die überwiegend dunkle Kleidung, Kapuzenpullover und Sonnenbrillen trugen, von einer Raumschutzstreife angetroffen. Die Gruppe bewegte sich aus der Richtung der Versammlung des DGB hin zu einer Sperrstelle, die dem Schutz des Zwischenkundgebungsbereichs des sog. Trauermarsches dienen sollte und wo sich zu diesem Zeitpunkt bereits Störer aus dem linken Spektrum versammelt hatten. Die Gruppe um den Kläger führte einen Kartenausdruck mit, auf dem die Aufzugsroute der Demonstration „rechts“ aufgezeichnet war. Während der Identitätsfeststellung der einzelnen Personen dieser Gruppe führte der Kläger mit seinem Handy ein Telefongespräch, in dessen Verlauf er sich – nach Angaben der Polizeibeamten – gegenüber seinem Gesprächsteilnehmer wie folgt geäußert haben soll: „Wir können im Moment nicht weiter; wir werden gerade von zwei Bullen mit Maßnahmen überzogen.“ Nach einer Belehrung darüber, dass seitens der Beamten keine weiteren Beleidigungen mehr hingenommen werden würden, wurden dem Kläger und seinen Begleitern – unter Aushändigung einer detaillierten Karte mit der Ausweisung der konkreten Platzverweiszone -jeweils Platzverweise bis 19 Uhr erteilt. Zur Begründung verwiesen die Polizeibeamten darauf, dass weitere Straftaten und Provokationen gegenüber Einsatzkräften sowie Störungen an den Sperrstellen verhindert werden müssten. Dem Ersuchen des zwischenzeitlich eingetroffenen Prozessbevollmächtigten des Klägers, den Platzverweis außer Vollzug zu setzen, weil die Gruppe zu den Versammlungsteilnehmern gehören könnte, entsprachen die Polizeibeamten nicht und verwiesen darauf, dass die Kundgebung des DGB zu diesem Zeitpunkt, um 11.04 Uhr, bereits beendet gewesen sei.

Der Kläger hat am 20.12.2010 Klage erhoben. Zur Begründung seines Fortsetzungsfeststellungsinteresses trägt er vor, dass er von dem Makel rehabilitiert werden möchte, ein Störer gewesen zu sein. Zudem bestehe Wiederholungsgefahr und er wolle festgestellt haben, ob ein entsprechendes Verhalten, insbesondere der Ausspruch, dass „man von zwei Bullen mit Maßnahmen überzogen werde“, auch zukünftig zu einem Platzverweis führen dürfe. Der Platzverweis sei auch materiell rechtswidrig. Die Regelung in § 17 Abs. 1 Nds. SOG könne keine Rechtsgrundlage für den Platzverweis sein, da sie auf eng begrenzte Orte beschränkt sei und sich nicht – wie hier – auf das gesamte Gemeindegebiet beziehen dürfe. Auch die Regelung in § 17 Abs. 4 Nds. SOG sei nicht einschlägig, da keinerlei Tatsachen ersichtlich gewesen seien, dass er die Begehung einer Straftat beabsichtigt habe. Er sei nicht aggressiv, drohend oder provozierend gegenüber den eingesetzten Polizeibeamten aufgetreten. Seine Äußerung am Telefon, dass „man im Moment nicht weiterkönne, man werde gerade von zwei Bullen mit Maßnahmen überzogen“, habe er abgewandt von den Polizeibeamten in etwa vier Meter Entfernung getätigt und dabei weder einen der Beamten provozierend angesehen noch eine bedrohliche Körperhaltung eingenommen. Als Teilnehmer der DGB-Kundgebung sei auch sein Abgang von der Demonstration von dem Grundrechtsschutz des Art. 8 GG umfasst gewesen. Er habe im Park weiterhin durch spontane Aktionen seinen Protest gegen den Aufzug der rechten Versammlungsteilnehmer kundtun wollen. Soweit in Hinblick auf eine weitere Person in der Gruppe, xxx, polizeiliche Erkenntnisse vorgelegen hätten, dass dieser ein linksmotivierter Straftäter sei, habe dies keine Rückschlüsse auf ihn, den Kläger, zugelassen. Im Übrigen habe die Beklagte den Anspruch des xxx auf Feststellung der Rechtswidrigkeit des Platzverweises im gerichtlichen Verfahren (10 A 4204/10) anerkannt.

Der Kläger beantragt,
festzustellen, dass der ihm gegenüber ausgesprochene Platzverweis der Beklagten vom 14.08.2010 rechtswidrig war.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Die Voraussetzungen für einen Platzverweis seien sowohl nach § 17 Abs. 1 als auch nach § 17 Abs. 4 Nds. SOG erfüllt gewesen. Es seien gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen den Teilnehmern der Demonstrationen „rechts“ und „links“ mit erheblichen Schäden für Leib und Leben der Versammlungsteilnehmer und anderer Unbeteiligter zu erwarten gewesen, wie sich bei vergleichbaren Veranstaltungen in Dresden und Berlin sowie 2009 in Bad Nenndorf gezeigt habe. Vor diesem Hintergrund sei das Verhalten des Klägers zu würdigen gewesen. Der Kläger habe sich beleidigend geäußert und sei auch sonst sehr aggressiv und provozierend gegenüber den Polizeibeamten aufgetreten, so dass Anlass zu der Vermutung bestanden habe, dass er durch die Begehung von Straftaten eine Störung der öffentlichen Sicherheit herbeiführen werde. Zudem habe der Kläger wie auch der Rest der Gruppe Gegenstände mit sich geführt, die zu einer nur unter erschwerten Bedingungen durchführbaren Identitätsfeststellung hätten führen können. Der Kläger habe auch nicht vorgetragen, Teilnehmer einer Versammlung gewesen zu sein. Im Übrigen sei der Kläger auch nicht in seinem Recht auf Entfernung von seiner Versammlung eingeschränkt worden, sondern er sei lediglich daran gehindert worden, die Demonstration „rechts“ zu stören.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs verwiesen. Ihr Inhalt war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe
Die Klage hat Erfolg.

Die Klage ist als Fortsetzungsfeststellungsklage nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO zulässig.

Zwar hat sich der Platzverweis für den 14.08.2010 im Zeitraum bis 19.00 Uhr durch Zeitablauf bereits vor Klageerhebung erledigt. Allerdings gebietet es das Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz, die Möglichkeit einer gerichtlichen Klärung gewichtiger, in tatsächlicher Hinsicht aber überholter Grundrechtseingriffe zu eröffnen, wenn die direkte Belastung durch den angegriffenen Hoheitsakt sich nach dem typischen Verfahrensablauf auf eine Zeitspanne beschränkt, in welcher der Betroffene eine gerichtliche Entscheidung kaum erlangen kann (BVerFG, Beschl. vom 03.03.2004, 1 BvR 461/03, BVerfGE 110, 77 <86>  mit Hinweisen auf BVerfGE 81, 138 < 140 f.>; 96, 27 <40>; 104, 220<233 f.>). Als Fallgruppen für ein berechtigtes Interesse an der Feststellung haben sich die Wiederholungsgefahr, das Rehabilitationsinteresse, die Präjudizialität in Hinblick auf einen Schadensersatzprozess und die tiefgreifenden Grundrechtsverletzungen herausgebildet (Wysk, VwGO, § 113, Rn. 78 ff. mit ausführlichen Hinweisen auf die Rechtsprechung).

Vorliegend kann sich der Kläger auf ein Rehabilitationsinteresse berufen. Zu den Anforderungen an die Annahme eines solchen Rehabilitationsinteresses hat das Bundesverwaltungsgericht in seinem Beschluss vom 04.10.2006 (6 B 64/06, zitiert nach juris) Folgendes ausgeführt:

„Ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit eines erledigten Verwaltungsaktes im Sinne von § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO besteht u.a. im Falle eines anzuerkennenden Rehabilitationsinteresses. Ein Rehabilitationsinteresse begründet ein Feststellungsinteresse dann, wenn es bei vernünftiger Würdigung der Verhältnisse des Einzelfalls als schutzwürdig anzuerkennen ist (stRspr, vgl. z.B. Beschluss vom 18. Juli 2000 – BVerwG 1 WB 34.00 – Buchholz 310 § 113 Abs. 1 VwGO Nr. 11 S. 23 m.w.N.). Dies kann insbesondere der Fall sein, wenn der Kläger durch die streitige Maßnahme in seinem Persönlichkeitsrecht objektiv beeinträchtigt ist (vgl. Beschluss vom 4. März 1976 – BVerwG 1 WB 54.74 – BVerwGE 53, 134 <138>). Eine solche Beeinträchtigung kann sich auch aus der Begründung der streitigen Verwaltungsentscheidung ergeben (vgl. Urteil vom 19. März 1992 – BVerwG 5 C 44.87 – Buchholz 310 § 113 VwGO Nr. 244 S. 86 f.).“

Dabei ist es nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht unterschiedslos geboten, nachträglichen Rechtsschutz durch die Verwaltungsgerichte in allen Fällen zu gewähren, in denen sich ein Betroffener allein von der Negativbeurteilung als Störer im Sinne des Polizeirechts befreien will. Auch ist – angesichts der unterschiedlichen Erscheinungsformen der Platzverweisung – bei polizeilichen Platzverweisen nicht immer ein Rehabilitationsinteresse anzunehmen (BVerwG, Beschl. v. 30.04.1999, 1 B 36/99, Buchholz 310 § 113 Abs. 1 VwGO Nr. 6, S. 11, 14).

Allerdings hatte der dem Kläger erteilte Platzverweis – unter Berücksichtigung der oben genannten Maßstäbe – deshalb diskriminierende Wirkung, weil es sich um ein großräumiges Aufenthaltsverbot für das gesamte Stadtgebiet Bad Nenndorf handelte, das ausweislich der Begründung der Maßnahme darauf gestützt war, dass vom Kläger die Gefahr der Begehung von Straftaten drohte. Damit hat die Beklagte mit der Erteilung des Platzverweises zu erkennen gegeben, dass sie den Kläger – im Unterschied zu anderen – als potenziellen Straftäter angesehen hat und insoweit ein sozialethisches Unwerturteil über ihn ausgesprochen. Der abträglichen Wirkung eines solchen Unwerturteils, gegen das der Kläger auch nicht rechtzeitig gerichtlichen Rechtsschutz erlangen konnte, kann durch eine gerichtliche Feststellung der Rechtswidrigkeit der Maßnahme wirksam begegnet werden (so zur Annahme eines Rehabilitationsinteresses bei der Prognose kriminellen Verhaltens auch VGH Bad.-Würt., Urt. v. 07.12.2004, 1 S 2218/03, VBIBW 2005, S. 231, 232; VG Lüneburg, Urt. v. 17.12.2003, 3 A 84/02, zitiert nach juris).

Ob darüber hinaus möglicherweise auch eine Wiederholungsgefahr besteht, muss daher nicht entschieden werden.

Die Klage ist auch begründet, da der dem Kläger am 14.08.2010 erteilte Platzverweis für den Zeitraum bis 19 Uhr rechtswidrig war.

Rechtsgrundlage für den gegenüber dem Kläger ausgesprochenen Platzverweis für das Gebiet der Stadt Bad Nenndorf ist § 17 Abs. 4 Nds. SOG und nicht §17 Abs. 1 Nds. SOG sein. Nach § 17 Abs. 4 Satz 1 Nds. SOG kann einer Person für eine bestimmte Zeit verboten werden, einen bestimmten örtlichen Bereich zu betreten oder sich dort aufzuhalten, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass die Person in dem bestimmten örtlichen Bereich eine Straftat begehen werde. Nach Satz 2 der vorgenannten Vorschrift ist örtlicher Bereich im Sinne des Satzes 1 ein Ort oder ein Gebiet innerhalb einer Gemeinde oder auch ein gesamtes Gemeindegebiet. Demgegenüber können nach § 17 Abs. 1 Nds. SOG die Verwaltungsbehörden und die Polizei zur Abwehr einer Gefahr jede Person vorübergehend von einem Ort verweisen oder ihr vorübergehend das Betreten eines Ortes verbieten.

Während sich der Platzverweis nach § 17 Abs. 1 Nds. SOG auf örtlich eng umgrenzte Bereiche wie etwa ein Gebäude, ein Grundstück, ein Straßenstück oder einen Platz bezieht (vgl. VG Hannover, Urt. v. 07.07.1997, 10 A 5589/96; Böhrenz/Unger/Siefken, Nds. SOG, 8. Auflage, § 17, Erl. 2), ist der größtmögliche örtliche Bereich eines Aufenthaltsverbotes nach § 17 Abs. 4 Satz 2 Nds. SOG das gesamte Gemeindegebiet. Da sich der dem Kläger erteilte Platzverweis nicht auf einzelne Straßen oder einen bestimmten Platz beschränkt, sondern auf das gesamte Gebiet der Stadt Bad Nenndorf bezogen hat, kommt nur die Anwendung von § 17 Abs. 4 Nds. SOG in Frage.

Weitere Voraussetzung nach § 17 Abs. 4 Satz 1 Nds. SOG ist das Vorliegen von Tatsachen, die die Annahme rechtfertigten, dass der Kläger im Gebiet der Stadt Bad Nenndorf Straftaten habe begehen wollen. Die Annahme, dass eine Person eine Straftat begehen werde, darf sich nicht lediglich auf allgemeine Erfahrungssätze, vage Vermutungen oder unzureichende Anhaltspunkte gründen. So wird z.B. der Umstand allein, dass eine anreisende Person aufgrund ihrer äußeren Erscheinung (wahrscheinlich) an einer Veranstaltung teilnehmen wird, die (wahrscheinlich) unfriedlich verlaufen wird, in Teilen schon unfriedlich verläuft oder bereits verboten ist, i.d.R. nicht ausreichen, präventiv ein Aufenthaltsverbot nach Abs. 4 Satz 1 auszusprechen. Vielmehr müssen – ohne dass es bereits einschlägige Verurteilungen gegeben haben muss – weitere Tatsachenfeststellungen hinzukommen, etwa über ein besonders aggressives Verhalten dieser Person, das Mitführen von Waffen oder Werkzeugen oder über frühere Gewalttätigkeiten im Zusammenhang mit derartigen Veranstaltungen (Böhrenz/Unger/Siefken, Nds. SOG, 8. Auflage, § 17, Erl. 14).

Vorliegend wird dem Kläger vorgeworfen, dass er sich gegenüber einem der Polizeibeamten beleidigend geäußert und dabei ein bedrohliches und aggressives Verhalten gezeigt habe. Aufgrund dieses Verhaltens, der mitgeführten Vermummungsgegenstände sowie der polizeilichen Erkenntnisse zu xxx sei zu erwarten gewesen, dass der Kläger andere Personen, Polizeibeamte wie auch unbeteiligte Dritte, beleidigen werde und sich ihnen gegenüber aggressiv verhalten werde. Da die Hemmschwelle, Straftaten zum Nachteil von Polizeibeamten zu begehen, bereits überschritten gewesen sei, seien weitere Delikte gegenüber anderen nicht auszuschließen gewesen.

Auch wenn ein besonders aggressives Verhalten grundsätzlich geeignet sein kann, eine Person mit einem Platzverweis zu belegen, fehlt es vorliegend an konkreten Tatsachen für die Annahme, der Kläger habe im Bereich der Stadt Bad Nenndorf Straftaten begehen wollen. Abgesehen von der – im Übrigen vom Kläger bestrittenen – pauschalen Behauptung der Beklagten, der Kläger habe bedrohlich und aggressiv gewirkt, fehlt es an jeglichen konkreten Darlegungen, inwieweit aus dem Verhalten des Klägers auf strafrechtlich relevante Gewalttätigkeiten zu schließen war. Dass das Verhalten des Klägers als Bedrohung oder gar Nötigung zu verstehen war, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Der Kläger ist in der Vergangenheit nicht durch einschlägige Gewalttätigkeiten oder Körperverletzungsdelikte aufgefallen, sondern nur einer seiner Begleiter. Strafrechtlich relevante Erkenntnisse über einen Begleiter des Klägers erlauben jedoch keine Rückschlüsse auf ein mögliches gewalttätiges Verhalten des Klägers selbst. Auch die Hinweise der Beklagten auf die potenziell bestehende Gefahr gewalttätiger Auseinandersetzungen zwischen linken und rechten Demonstranten können den streitgegenständlichen Platzverweis nicht rechtfertigen, solange es – wie hier – an Anhaltspunkten für ein gewalttätiges Verhalten des Klägers selbst fehlt. Soweit die Beklagte darauf verwiesen hat, dass der Kläger im Zusammenhang mit der Identitätsfeststellung die Polizeibeamten beleidigt habe, sind die Umstände dieser – im Übrigen nicht zur Anzeige gebrachten – Beleidigung bereits nicht geeignet, die Gefahr weiterer Beleidigungen von Polizeibeamten zu begründen. Darüber hinaus kann der bloße Verdacht erneuter beleidigender Äußerungen durch den Kläger im Hinblick auf den zu beachtenden Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht die Erteilung eines flächendeckenden Aufenthaltsverbots für das gesamte Gebiet der Stadt Bad Nenndorf rechtfertigen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 11, § 711 Satz 1 und 2 ZPO.

Es folgt die Rechtsmittelbelehrung.

Beschluss

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1 GKG. Die Höhe des festgesetzten Streitwertes folgt aus § 52 Abs. 2 GKG.

Es folgt die Rechtsmittelbelehrung.