Sozialgericht Hildesheim – Az.: S 39 AS 137/12

GERCIHTSBESCHEID

In dem Rechtsstreit
xxx,
– Klägerin –

Proz.-Bev.:
Rechtsanwalt Sven Adam,
Lange Geismarstraße 55, 37073 Göttingen

gegen

Landkreis xxx vertreten durch den xxx,
– Beklagter –

hat die 39. Kammer des Sozialgerichts Hildesheim am 23. Dezember 2013 gemäß § 105 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch den Richter xxx, für Recht erkannt:

1.  Der Beklagte wird unter teilweiser Abänderung seines Bescheides vom 16. September 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16. Januar 2012 dazu verpflichtet, der Klägerin weitere Leistungen in Höhe von 23,88 EUR zu gewähren.

2.  Der Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin.

TATBESTAND
Die Beteiligten streiten über die der Klägerin zustehenden Leistungen für den Zeitraum 01. August 2011 bis 31. Januar 2012.

Die 19xx geborene Klägerin lebt mit ihren 2006 und 2007 geborenen Kindern xxx und xxx in xxx und bezog bei dem Beklagten im streitigen Leistungszeitraum ergänzende Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Die Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU) betrugen monatlich 309,48 Kaltmiete zzgl. 149,60 EUR Nebenkosten zzgl. 64,10 EUR Heizkosten.

Die Klägerin begann zum 01. August 2010 eine Ausbildung, die sie im streitgegenständlichen Leistungszeitraum weiterhin absolvierte. Sie erhielt eine Ausbildungsvergütung von 704,00 EUR brutto (558,88 EUR netto) und aufgrund eines Bescheides der Bundesagentur für Arbeit Berufsausbildungsbeihilfe gemäß §§ 59ff SGB II in Höhe von monatlich 408,00 FUR. Daher schied die Klägerin ab diesem Zeitpunkt aus dem SGB-II-Leistungsbezug nach § 7 Abs. 5 SGB II aus. Ihr Anspruch richtete sich infolgedessen nach § 27 SGB II. Der Klägerin und ihren Kindern wurden in der Folgezeit Leistungen bewilligt, wobei die Klägerin lediglich Anspruch auf den Mehrbedarf nach § 27 SGB II in Verbindung mit § 21 SGB II hatte.

Die Klägerin stellte für sich und ihre Kinder am 27. Juli 2011 einen Folgeantrag. Mit Bescheid vom 16. September 2011 bewilligte der Beklagte der Klägerin Leistungen für den Zeitraum 01. August 2011 bis 31. Januar 2012. Der Gesamtbedarf der Bedarfsgemeinschaft wurde mit 885,66 EUR berechnet (Regelleistung: 430,00 EUR; Nebenkostenanteil Warmwasser Zentral Mounir: 4,00 EUR; Alleinerziehenden Betrag individuell Klägerin: 110,46 FUR; Miete: 309,48 EUR, Nebenkosten: 149,60 EUR; Heizkosten: 52,70 EUR). Der Bedarf der Kinder bestehe in Höhe von jeweils 215,00 EUR Regelleistung, 2,00 EUR Nebenkostenanteil Warmwasser, 103,16 EUR anteiliger Miete, 49,87 EUR anteiliger Nebenkosten und 17,57 EUR anteiliger Heizkosten. Die Kinder erhielten vor dem Hintergrund dieser Berechnungen keine Leistungen; zur Begründung führte der Beklagte aus, dass deren aus jeweils 184,00 EUR Kindergeld, Leistungen nach dem UVG von 133,00 EUR und 74,33 EUR Wohngeld nach dem WoGG den Bedarf überschreite. Nach der Verrechnung dieses Einkommens mit dem Leistungsanspruch der Kinder verblieb ein Betrag von 3,73 EUR pro Kind, so dass der Beklagte das überschießende Einkommen von 7,46 EUR bei der Klägerin anrechnete. Hieraus errechnete der Beklagte einen Bedarf der Klägerin von 103,00 EUR.

Gegen diesen Bescheid ließ die Klägerin durch ihren außergerichtlichen Prozessbevollmächtigten unter dem 04. Oktober 2011 Widerspruch einlegen. Das überschießende Einkommen der Kinder werde bei der Klägerin angerechnet, ohne dass die Versicherungspauschale von 30,00 EUR in Abzug gebracht werde. Dies sei rechtlich falsch.

Mit Widerspruchsbescheid vom 16. Januar 2012 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Die Klägerin beziehe Leistungen nach § 27 SGB II in Verbindung mit § 21 Abs. 3 SGB II. Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II in Verbindung mit § 11b SGB II seien vom Einkommen Absetzbeträge abzuziehen. Das Einkommen der Klägerin betrage 704,00 EUR brutto bzw. 558,88 EUR netto. Hiervon seien Beträge nach § 11b Abs. 1 und 6 SGB 11 abzuziehen (100,00 EUR und 120,82 EUR). Der Betrag von 100,00 EUR gemäß § 11b Abs. 2 SGB II beinhalte die Versicherungspauschale von 30,00 EUR. Ein weiterer Abzug komme daher nicht in Betracht.

Die Klägerin hat am 25. Januar 2012 vor dem Sozialgericht Hildesheim Klage erhoben. Es verbleibe kein überschießendes Einkommen der Kinder, welches bei der Klägerin bedarfsmindernd anzurechnen sei. Die Berufsausbildungsbeihilfe werde in Höhe von 146,60 EUR auf den Bedarf angerechnet. Es sei jedoch davon auszugehen, dass von den insgesamt gewährten 406,00 EUR jeweils 130,00 EUR nach § 68 Abs. 3 SGB III für die Kinderbetreuung in Abzug zu bringen seien. Allerdings werde der so genannte ausbildungsgeprägte Bedarf offenbar nicht berücksichtigt. Zudem sei die Heizkostenberechnung für die Kinder fehlerhaft: Es seien lediglich 52,10 EUR an Heizkosten in die Berechnung eingestellt, obwohl diese tatsächlich 64,70 EUR betragen würden. Es sei offenbar ein Warmwasseranteil nach § 21 Abs. 7 Satz 2 Nr. 1 SGB II in Höhe von 8,00 EUR für die Klägerin abgezogen worden, bevor die Ansprüche der Kinder berechnet worden seien. § 21 Abs. 7 Satz 2 Nr. 1 SGB II gelte jedoch nur für Bedarfsgemeinschaften, bei denen Warmwasser durch in der Unterkunft installierte Vorrichtungen erwärmt werde, was vorliegend nicht der Fall sei. Hätte der Beklagte die Heizkosten in tatsächlicher Höhe gedrittelt, wäre auf die Kinder ein höherer Anteil entfallen mit der Konsequenz, dass nur ein anzurechnender Einkommensüberhang von 1,74 EUR pro Kind entstanden wäre.

Die Klägerin beantragt,
den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 16. September 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16. Januar 2012 zu verurteilen, der Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts die beantragten Leistungen in gesetzlicher Höhe zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Der Beklagte ist der Auffassung, dass die Heizkosten in der richtigen Höhe übernommen worden seien. Der Beklagte rechne grundsätzlich auch bei zentraler Warmwassererwärmung den Warmwasseranteil aus den Heizkosten heraus. Die Kosten der Warmwassererwärmung seien nur im Rahmen der Angemessenheit zu übernehmen. Da ein Maßstab dessen, was angemessen sei, fehle, werde analog § 21 Abs. 7 SGB II auf die dort genannten Mehrbedarfspauschalen abgestellt. Im Rahmen der Bedarfsberechnung rechne der Beklagte diese Mehrbedarfspauschale aus den Heizkosten heraus und weise sie als zusätzlichen Bedarf für Warmwasser aus. Da die in § 21 Abs. 7 SGB II genannten Mehrbedarfspauschalen in ihrer Höhe unterschiedlich seien, entfielen auf die minderjährigen Kinder der Klägerin ein geringerer Anteil als auf die Klägerin. Im Ergebnis würden somit die gesamten Heizkosten übernommen, jedoch auf Grundlage der genannten Berechnungen für die Klägerin und die Kinder in unterschiedlicher Höhe.

Das Gericht hat die Beteiligten im Termin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage vom 25. Oktober 2013 zu der beabsichtigten Entscheidung durch Gerichtsbescheid gemäß § 105 Sozialgerichtsgesetz (SGG) angehört. Auf die Sitzungsniederschrift wird verwiesen.

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE
Der Rechtsstreit wird nach Anhörung der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid nach § 105 Absatz 1 SGG entschieden, denn der Sachverhalt ist geklärt und die Sache weist keine besonderen Schwierigkeiten rechtlicher oder tatsächlicher Art auf.

Der Bescheid des Beklagten vom 17. April 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06. Juni 2012 ist teilweise rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, soweit er überschießendes Einkommen der Kinder der Klägerin bei dieser bedarfsmindernd berücksichtigt.

1.
Nach §§ 7 Absatz 1 Satz 1 SGB II erhalten Leistungen nach diesem Buch Personen, die
1.    das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben,
2.    erwerbsfähig sind,
3.    hilfebedürftig sind und
4.   ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Hilfebedürftige).

Gemäß § 7 Abs. 5 SGB II haben Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes oder der §§ 60 bis 62 des Dritten Buches dem Grunde nach förderungsfähig ist, über die Leistungen nach § 27 hinaus keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Nach § 27 Abs. 2 SGB II erhalten Auszubildende im Sinne des § 7 Abs. 5 SGB II Leistungen unter anderem in Höhe der Mehrbedarfe nach § 21 Absatz 2, 3, 5 und 6 SGB II, soweit die Mehrbedarfe nicht durch zu berücksichtigendes Einkommen oder Vermögen gedeckt sind. Hierbei ist das überschießende Einkommen derjenigen Personen, mit denen der oder die Auszubildende in einer Bedarfsgemeinschaft lebt, nach den allgemeinen Bestimmungen bedarfsmindernd zu berücksichtigen (vgl. Bernzen in Eicher, SGB II – Kommentar, 3. Auflage, § 27 Rn. 35).

Der Beklagte hat (in zutreffender und zwischen den Beteiligten unstreitiger Weise) der Klägerin lediglich Mehrbedarf als Alleinerziehende nach § 21 Abs. 3 SGB II gewährt. Auch besteht Einigkeit zwischen den Beteiligten, dass überschießendes Einkommen der Kinder der Klägerin grundsätzlich bei dieser bedarfsmindernd zu berücksichtigen ist.

2.
Vorliegend hat der Beklagte überschießendes Einkommen der Kinder der Klägerin in Höhe von jeweils 3,73 EUR, mithin einen Gesamtbetrag in Höhe von monatlich 7,46 EUR, bedarfsmindernd bei der Klägerin angerechnet, so dass diese statt dem Bedarf von 110,46 EUR lediglich 103,00 EUR an Leistungen bewilligt bekommen hat. Diese Berechnung hält einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.

a) Der Beklagte hat bei der Berechnung der Bedarfe der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft einen Warmwasseranteil an den für die gesamte Bedarfsgemeinschaft monatlich anfallenden Heizkosten in Höhe von 64,70 EUR analog § 21 Abs. 7 SGB II herausgerechnet (für die Klägerin 8,00 EUR, für die Kinder jeweils 2,00 EUR). Er hat anschließend den Kindern einen Warmwasserbedarf von 2,00 EUR und die zuvor um den Betrag von 14,00 EUR (für die Klägerin 8,00 EUR, für die Kinder jeweils 2,00 EUR) reduzierten Heizkosten zu je Ein Drittel (17,57 EUR) als Bedarf jeden Kindes in die Bedarfsberechnung eingestellt.

Für diese im Ergebnis zu Lasten der Klägerin gehende Berechnung findet sich im SGB II keine gesetzliche Grundlage.

b) Gemäß § 21 Abs. 7 SGB II wird Leistungsberechtigten ein Mehrbedarf anerkannt, soweit Warmwasser durch in der Unterkunft installierte Vorrichtungen erzeugt wird (dezentrale Warmwassererzeugung) und deshalb keine Bedarfe für zentral bereitgestelltes Warmwasser nach § 22 anerkannt werden. Vorliegend wird das Wasser jedoch nicht dezentral erhitzt, sondern erfolgt in einer zentralen Vorrichtung. Rechtsgrundlage der Gewährung von Heizkosten ist daher allein § 22 Absatz 1 Satz 1 SGB II. Demnach werden Leistungen für Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind. Eine Differenzierung der fiktiven Berechnung des Anteils für die Warmwassererzeugung bei der zentralen Warmwassererzeugung ergibt sich aus dem Gesetz nicht.

Bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch am 01.01.2011 waren auch die Kosten für die Aufbereitung von Warmwasser im Regelbedarf enthalten. Die Herausrechnung eines Abschlags für die Erhitzung von Warmwasser entfällt seit dem 01.01.2011, da die Anteile für die Erzeugung von Warmwasser ab diesem Zeitpunkt nicht mehr im Regelbedarf enthalten sind (vgl. § 20 Abs. 1 Satz 1 SGB II). Die Kosten für die Erzeugung von Warmwasser sind seither entweder in den Heizkosten enthalten oder werden als Heizkosten vom Grundsicherungsträger übernommen.

§ 22 Abs. 1 SGB II sieht eine Anwendung der in § 21 Abs. 7 SGB II getroffenen Regelung, wie sie der Beklagte für Wohnung mit einer zentralen Warmwassererwärmung vorgenommen hat, nicht vor. Es besteht im Übrigen auch kein Raum für eine analoge Anwendung der Regelungen des § 21 Abs. 7 SGB II. § 21 Abs. 7 SGB II spricht ausdrücklich nur von der dezentralen Warmwassererwärmung. Für eine analoge Anwendung wäre zum einen eine planwidrige Regelungslücke notwendig, d. h. der Gesetzgeber müsste einen Sachverhalt ungeregelt gelassen haben, den er geregelt hätte, wenn er daran gedacht hätte. Eine analoge Anwendung kommt des Weiteren nur dann in Betracht, wenn die Umstände vergleichbar sind; also die anzuwendende Vorschrift nach dem dahinterstehenden Rechtsgedanken ( Sinn und Zweck ) eine Wertung darstellt, die einen vergleichbaren Sachverhalt regelt.

c) Die Voraussetzungen für eine analoge Anwendung liegen nicht vor. Zum einen hat der Gesetzgeber im Rahmen der o. g. Gesetzesänderung nicht nur die Vorschrift des § 21 Abs. 7 SGB II, sondern auch den § 22 Abs. 1 SGB II geändert. Es ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber daher, sofern er es wie der Beklagte für erforderlich erachtet hätte, eine parallele Regelung zu schaffen, diese bei der Änderung des § 22 Abs. 1 SGB II berücksichtigt hätte.

d) Zudem können die für die dezentrale Warmwassererzeugung gewährten Mehrbedarfe nach § 21 Abs. 7 SGB II nicht mit denjenigen „Bedarfen” verglichen werden, die eine zentrale Warmwassererwärmung erforderlich machen. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass bei einer dezentralen Warmwassererwärmung andere Kosten entstehen, die sich u. a. aus den unterschiedlichen Stromtarifen ergeben, die der Endkunde und Wohnungsmieter auf der einen Seite und der Vermieter und ggf. somit Großkunde auf der anderen Seite zu zahlen haben, des Weiteren aus den (Strom-)Kosten, die bei einer dezentralen Warmwassererwärmung gegenüber den Kosten bei einer zentralen Warmwassererwärmung anfallen. Im Ergebnis sind die Kosten der dezentralen und der zentralen Warmwassererwärmung nach Überzeugung des Gerichts nicht vergleichbar.

3.
Dies hat im Ergebnis zur Konsequenz, dass der von dem Beklagten vorgenommene Abzug von 12,00 EUR von den Heizkosten in Höhe von 64,70 EUR nicht hätte erfolgen dürfen. Vielmehr sind die tatsächlichen Heizkosten mit einem Betrag von 64,70 EUR kopfteilig auf die Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft aufzuteilen, so dass für die Kinder der Klägerin jeweils ein Betrag von 21,57 EUR als Heizkostenbedarf zu berücksichtigen ist. Gleichzeitig ist der in der Bedarfsberechnung des Beklagten aufgeführte „Nebenkostenanteil Warmwasser Zentral” in Höhe von 2,00 EUR pro Kind wieder herauszurechnen. Danach ergibt sich ein bei der Klägerin noch anzurechnendes Einkommen von 1,74 EUR pro Kind, mithin insgesamt 3,48 EUR monatlich. Angerechnet worden sind jedoch 7,46 EUR monatlich. Die Klägerin hat daher Anspruch auf weitere 23,88 EUR für den betroffenen Zeitraum.

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Es folgt die Rechtsmittelbelehrung.