Sozialgericht Hildesheim – Urteil vom 23.11.2023 – Az.: S 36 AS 1541/19

URTEIL

S 36 AS 1541/19

In dem Rechtsstreit

xxx,

– Kläger –

Prozessbevollmächtigter:
Rechtsanwalt Sven Adam,
Lange Geismarstraße 55, 37073 Göttingen

gegen

Jobcenter Northeim,
vertreten durch die Geschäftsführung,
Scharnhorstplatz 14, 37154 Northeim

– Beklagter –

hat die 36. Kammer des Sozialgerichts Hildesheim auf die mündliche Verhandlung vom 23. November 2023 durch den Richter am Sozialgericht xxx sowie die ehrenamtliche Richterin xxx und den ehrenamtlichen Richter xxx für Recht erkannt:

Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 15.08.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.10.2019 verurteilt, dem Kläger entstandene und verauslagte Reparaturkosten der Gartenlaube in Höhe von 211,51 Euro zu gewähren.

Der Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers zu erstatten.

Die Berufung wird nicht zugelassen.

TATBESTAND

Der Kläger begehrt die Übernahme von verauslagten Kosten für eine Dachreparatur seiner auf dem selbstgenutzten Hausgrundstück befindlichen Gartenlaube.

Mit Antrag vom 10.07.2019 machte der Kläger Instandhaltungskosten für eine Dachreparatur seiner Gartenlaube in Höhe 211,51 Euro beim Beklagten geltend. Er legte diverse Quittungen und Belege über die angeschafften Materialien vor. Die eigentliche Reparatur erfolgte durch den Kläger in Eigenleistung.

Mit Bescheid vom 15.08.2019 lehnte der Beklagte die Übernahme ab. Zur Begründung führte der Beklagte aus, dass sich die Übernahme von Kosten für unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur auf das bewohnte Hausgrundstück beziehe und nicht auf gegebenenfalls auf dem Grundstück stehender Gartenlauben oder Gartenhütten.

Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein und der Beklagte verwies in der Widerspruchseingangsbestätigung vom 18.09.2019 auf das Urteil des BSG vom 07.07.2022 – B 14 AS 51/10 R.

Mit Widerspruchsbescheid vom 11.10.2019 wies der Beklagte den Widerspruch mit der Begründung zurück, dass die Gartenlaube auch nicht vorrangig zum Wohnen genutzt werde.

Der Kläger hat am 18.11.2019 Klage erhoben. Der Kläger trägt vor, die reparaturbedürftige Gartenhütte stehe auf seinem Grundstück, das Dach sei undicht gewesen und der Raum darunter sei somit nicht mehr als Stauraum zu verwenden gewesen. § 22 Abs. 2 SGB II gebiete, auch Gebäude auf dem angemessenen Grundstück erhalten zu können, wenn die Angemessenheit der Kosten der Unterkunft gemessen an einer Mietwohnung nicht überschritten werden, was vorliegend nicht der Fall sei.

Der Kläger beantragt,
den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 15.08.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.10.2019 zu verurteilen, dem Kläger entstandene und verauslagte Reparaturkosten der Gartenlaube in Höhe von 211,51 Euro zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Der Beklagte ist weiterhin der Auffassung, dass die Kosten nicht zu übernehmen seien, da der Kläger nicht in seiner Gartenlaube lebe und die Gartenlaube eben nicht dem Wohnen diene.

Das Gericht hat mit Hinweis vom 14.04.2020 darauf hingewiesen, dass die Gartenlaube untrennbar mit dem Grundstück verbunden entsprechend einer Garage einzustufen ist, deren Kosten oder aber auch deren Kosten für eine Reparatur unter gewissen Voraussetzungen ebenfalls zu übernehmen sind. Auf den Hinweis vom 14.04.2020 (Blatt 17 der Gerichtsakte) wird Bezug genommen.

Der Beklagte hat aufgrund einer kurzfristigen Erkrankung des Sachbearbeiters mit Schriftsatz vom 22.11.2023 dessen Nichtteilnahme an der mündlichen Verhandlung und daher sein Einverständnis mit einer Entscheidung nach § 124 Abs. 2 SGG erklärt. Dieser Schriftsatz lag dem Kammervorsitzenden bei Eröffnung der mündlichen Verhandlung am 23.11.2023 noch nicht vor und wurde erst im Rahmen der bereits eröffneten mündlichen Verhandlung auf Nachfrage bei der Geschäftsstelle wegen des Nichterscheinens des geladenen Beklagtenvertreters bekannt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte Bezug genommen.

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE

Die zulässige Klage ist begründet. Der Kläger ist durch den angefochtenen Bescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheides beschwert im Sinne des § 54 Abs. 2 SGG. Der Bescheid ist rechtswidrig. Der Kläger hat nach § 22 Abs. 1, Abs. 2 SGB II einen Anspruch auf Übernahme der entstandenen Reparaturkosten des Daches seiner Gartenlaube.

Das Gericht konnte trotz Abwesenheit des geladenen Beklagten durch Urteil aufgrund durchgeführter mündlicher Verhandlung entscheiden, da der Beklagte sein Einverständnis zu einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung nach § 124 Abs. 2 SGG erteilt hat und damit auf die Durchführung und damit auch seine Teilnahme an einer mündlichen Verhandlung verzichtet hat.

Dass die vorliegenden Reparaturkosten für das Dach der Gartenlaube entsprechende Reparaturkosten im Sinne des § 22 Abs. 1, Abs. 2 SGB II sind, ergibt sich insbesondere bereits auch aus dem seitens des Beklagten in der Widerspruchseinlegungsbetätigung vom 18.09.2019 genannten Urteil des BSG vom 07.07.2011 – B 14 AS 51/10 R.

Das BSG führt im Leitsatz wie folgt aus:
„Zu den Kosten der Unterkunft und Heizung iS des § 22 Abs 1 S 1 SGB 2 für selbst genutzte Hausgrundstücke zählen alle notwendigen Ausgaben, die bei der Berechnung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung gem. § 7 Abs 2 BSHG§76DV abzusetzen sind. (Rn.12)“

In den Entscheidungsgründen wird wie folgt ausgeführt:
„Handelt es sich um ein Hausgrundstück von angemessener Größe, so sind bei Hilfebedürftigkeit im Übrigen vom Beklagten nach § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen zu erbringen, soweit diese angemessen sind. Die Angemessenheit von mit der Nutzung von Eigentum verbundenen Kosten ist nach der Rechtsprechung des BSG an den Kosten zu messen, die für Mietwohnungen angemessen sind (vgl im Einzelnen BSGE 100, 186 = SozR 4-4200 § 12 Nr 10). Der angemessenen Nettokaltmiete sind die angemessenen Nebenkosten sowie die angemessenen Heizkosten hinzuzufügen. Bis zur Summe dieser angemessenen Kosten sind die tatsächlichen Aufwendungen zu berücksichtigen. Zu den Unterkunftskosten für selbst genutzte Hausgrundstücke zählen dabei alle notwendigen Ausgaben, die bei der Berechnung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung abzusetzen sind (vgl Lang/Link in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, § 22 RdNr 26). § 7 Abs 2 der Verordnung zur Durchführung des § 82 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (Juris-Abkürzung: BSHG§76DV § 7) findet insoweit entsprechende Anwendung (vgl Urteile des Senats vom 15.4.2008 – B 14/7b AS 34/06 R – BSGE 100, 186 = SozR 4-4200 § 12 Nr 10, und vom 19.9.2008 – B 14 AS 54/07 R -), als er Anhaltspunkte dafür liefert, welche Kosten im Rahmen des § 22 Abs 1 SGB II zu berücksichtigen sind (vgl BSG Urteil vom 24.2.2011 – B 14 AS 61/10 R – zur Veröffentlichung vorgesehen). Auf dieser Basis wurden als berücksichtigungsfähige Kosten 94,63 Euro in die Bedarfsberechnung einbezogen. Angesichts dieses Betrages konnte auf die genaue Ermittlung der im örtlichen Vergleichsraum abstrakt angemessenen Mietkosten und einen Vergleich mit den vom Kläger für die Nutzung seines Eigenheims geltend gemachten Kosten (vgl dazu Urteil vom 24.2.2011, aaO, RdNr 20) verzichtet werden.“

Die Kosten für die notwendige Reparatur des Daches der Gartenlaube des Klägers fallen als sogenannter Erhaltungsaufwand unter die berücksichtigungsfähigen Ausgaben bei der Berechnung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Denn wäre das Hausgrundstück einschließlich der Gartenlaube im Rahmen eines Mietverhältnisses an den Kläger vermietet, so hätte der Kläger (als Mieter) gegenüber seinem Vermieter bei Schäden an der Mietsache (z.B. defektes/undichtes Dach) einen Anspruch auf Reparatur des defekten Daches, unabhängig davon, ob es sich um das eigentliche Wohnhausdach oder aber das Dach einer mitvermieteten Garage oder -wie vorliegend- um das Dach der Gartenlaube handelt, deren Kosten der Vermieter zu tragen hätte und seinerseits wiederum bei der Berechnung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung als Ausgabenposten in Abzug bringen könnte.

Lediglich ergänzend führt die Kammer aus, dass eine Garage, denen Kosten bei entsprechender Unabtrennbarkeit vom eigentlichen (Wohn)Mietvertrag im Sinne des § 22 SGB II zu übernehmen sind, ebenfalls vornehmlich nicht dem Wohnen dient, sodass dieses Argument des Beklagten insoweit nicht durchgreifen kann. Eine Garage dient, wie eine Gartenlaube auch, dem Abstellen oder Unterstellen von Sachen. Daher kann, um den Kläger im Gegensatz zu einem Mieter nicht schlechter zu stellen, nicht auf der einen Seite bei rechtlicher Untrennbarkeit die Miete für die Garage (in der auch bereits etwaige Reparaturkosten eingepreist sind) übernommen werden und auf der anderen Seite, bei tatsächlicher Untrennbarkeit der Gartenlaube vom selbst bewohnten Hausgrundstück, diese Kosten nicht.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.

Gründe, die Berufung nach § 144 Abs. 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.

Es folgt die Rechtsmittelbelehrung.