URTEIL
In dem verwaltungsgerichtlichen Verfahren
des Herrn xxx,
Klägers,
Prozessbevollmächtigter:
Rechtsanwalt Sven Adam, Lange Geismarstraße 55, 37073 Göttingen,
gegen
die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das Bundesamt für Verfassungsschutz, Merianstraße 100, 50765 Köln,
Beklagte,
wegen Datenschutzrechts
hat die 13. Kammer
aufgrund der mündlichen Verhandlung
vom 14. November 2019
durch
den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgericht xxx,
die Richterin am Verwaltungsgericht xxx,
den Richter am Verwaltungsgericht xxx,
den ehrenamtlichen Richter xxx und
den ehrenamtlichen Richter xxx
für Recht erkannt:
Die Beklagte wird unter teilweiser Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes für Verfassungsschutz vom 28. März 2018 in Gestalt seines Widerspruchsbescheides vom 31. August 2018 verpflichtet, dem Kläger weitere Auskunft über die beim Bundesamt gespeicherten Daten zur Person des Klägers zu erteilen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch den Kläger durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Berufung wird zugelassen.
TATBESTAND
Mit Schreiben vom 22. August 2017 teilte das Bundeskriminalamt (nachfolgend: BKA) dem Kläger mit, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz (nachfolgend: Bundesamt) Erkenntnisse darüber habe, dass der Kläger „Mitglied eines gewaltbereiten bzw. gewaltbefürwortenden Beobachtungsobjekts sei und Kontakte zu weiteren gewaltbefürwortenden Akteuren und Grupperungen“ unterhalte. Daher sei er auf die Liste derjenigen Personen aufgenommen worden, denen die Akkreditierung für den G20 Gipfel in Hamburg entzogen worden sei.
Am 25. Oktober 2017 beantragte der Kläger in beim Bundesamt u.a. Auskunft bezüglich sämtlicher beim Bundesamt gespeicherten Daten, die seine Person betreffen. Es habe aufgrund der Informationen vom Bundeskriminalamt ein besonderes Interesse an einer Auskunft.
Mit Bescheid vom 28. März 2018 erteilte das Bundesamt dem Kläger teilweise Auskunft über die über ihn gespeicherten Daten:
„Ihr Mandant ist in der Vergangenheit im Rahmen von linksextremistischen Veranstaltungen und Aktionen als Szenefotograf in Erscheinung getreten.
Am 20. Mai 2006 war Ihr Mandant Teilnehmer an einer vom „Antifaschistischen Aufstand Köpenick“ organisierten Demonstration in Berlin.
Er hat an der „Lichtenberger Antifa-Demonstration am 26. Mai 2006 in Berlin teilgenommen.
Herr xxx war Teilnehmer an einer Großdemonstration am 2. Juni 2007 in Rostock/Mecklenburg-Vorpommern gegen den G8-Gipfel in Heiligendamm, in deren Verlauf es zu massiven gewalttätigen Ausschreitungen durch einige linksextremistische Teilnehmer kam.
Am 22. November 2008 hat Ihr Mandant an der von der linksextremistischen Szene organisierten „Silvio -Meier-Demonstration“ in Berlin teilgenommen.
Ihr Mandant war Teilnehmer an einer Demonstration der linksextremistischen Szene am 23. Mai 2010 in Berlin.
Herr xxx nahm teil an einer Demonstration unter dem Motto „Kein Kiez für Nazis!“ am 28. August 2010 in Berlin, zu der linksextremistische Gruppierungen aufgerufen hatten und an der linksextremistische Gruppierungen mitgewirkt haben.
Am 17. September 2010 hat Ihr Mandant an einer von der linksextremistischen Szene organisierten Demonstration unter dem Motto „Nazis auf die Pelle rücken“ in Berlin teilgenommen.
Am 18. September 2010 hat sich Ihr Mandant mit weiteren Personen des linksextremistischen Spektrums an einer Gegendemonstration in Berlin beteiligt. Hierbei kam es zu massiven Störungen gegen die ursächliche Kundgebung der Lebensschützern.
Ihr Mandant war Teilnehmer an einer von der linksextremistischen Szene organisierten Konzertveranstaltung am 18. September 2010 in Berlin.
Ihr Mandant hat an der von der linksextremistischen Szene organisierten „Silvio-Meier-Demonstration“ am 20. November 2010 in Berlin teilgenommen.
Herr xxx war Teilnehmer an einer Demonstration der linksextremistischen Szene gegen die Räumung der Liebigstraße 14 am 29. Januar 2011 in Berlin. Im Verlauf dieser Veranstaltung kam es zu gewalttätigen Ausschreitungen gegenüber den eingesetzten Polizeikräften.
Ihr Mandant nahm an der „Freiheit-statt-Angst – Demonstration am 10. September 2011 in Berlin teil.“
Eine weitergehende Auskunft zu diesem Komplex müsse aber gemäß § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 BVerfSchG unterbleiben, weil die betreffenden Daten nach einer Rechtsvorschrift, nämlich § 4 Sicherheitsüberprüfungsgesetz (SÜG) i. V. m. mit der „Allgemeinen Verwaltungsvorschrift des Bundesministeriums des Innern zum materiellen und organisatorischen Schutz von Verschlusssachen“ (VSA) geheimzuhalten seien. Zum anderen scheide eine weitergehende Auskunft wegen der überwiegenden berechtigten Interessen Dritter aus. Einer weitergehenden Begründung bedürfe es im Hinblick auf § 15 Abs. 4 Satz 1 BVerfSchG nicht, da ansonsten der Zweck der Auskunftsverweigerung gefährdet würde. Auf die Möglichkeit, nach § 15 Abs. 4 Satz 3 BVerfSchG den Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI) wegen der Auskunftsverweigerung anzurufen, werde hingewiesen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 31. August 2018, zugestellt am 4. September 2018, wies das Bundesamt den Widerspruch zurück und führte aus, auch nach erneuter Prüfung komme eine weitergehende Gewährung von Auskünften oder der Begründung für die teilweise Auskunftsverweigerung nicht in Betracht.
Am 4. Oktober 2018 hat der Kläger erhoben.
Zur Begründung trägt der Kläger vor, die teilweise Versagung der Auskunft sei rechtswidrig. Diesbezüglich habe das Bundesamt bereits nicht den vollständigen Verwaltungsvorgang vorgelegt.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter teilweiser Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes für Verfassungsschutz vom 28. März 2018 in Gestalt seines Widerspruchsbescheides vom 31. August 2018 zu verpflichten, dem Kläger weitere Auskunft über die beim Bundesamt für Verfassungsschutz zur Person des Klägers gespeicherten Daten zu erteilen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung trägt das Bundesamt vor, dem weiteren Auskunftsanspruch stehe der Versagungsgrund des § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 BVerfSchG entgegen. Eine weitergehende Auskunft könne nicht gegeben werden, ohne hierdurch jedenfalls im Wege der Gesamtschau Rückschlüsse auf Art und Inhalt der verweigerten Auskünfte zu ermöglichen. Die der Auskunftsverweigerung unterliegenden Informationen stammten ausnahmslos von einer anderen Sicherheitsbehörde. Bei dieser Behörde handele es sich nicht um das BKA. Diese Behörde habe einer Offenlegung der Informationen unter Hinweis auf den Quellenschutz widersprochen und darauf hingewiesen, bei einer Offenlegung bestehe gleichzeitig die Besorgnis der Ausforschung ihres Kenntnisstandes und ihrer Arbeitsweise. Nur der übermittelnden Behörde stehe die Verfügungsberechtigung über die Informationen zu. Die vertrauensvolle Zusammenarbeit werde erschüttert, wenn die Beklagte die Informationen — gegen den Willen der übermittelnden Behörde — weitergebe. Der Kläger sei Mitglied eines gewaltbereiten bzw. -befürwortenden Beobachtungsobjekts. Bei Bekanntwerden der näheren Gründe für die Auskunftsverweigerung wäre die Gewinnung weiterer Erkenntnisse erheblich erschwert, wenn nicht sogar unmöglich.
Eine darüber hinaus gehende Plausibilisierung sei vom Gesetz auch nicht vorgegeben und stehe vielmehr im Widerspruch zu § 15 Abs. 4 Satz 3 BVerfSchG. Nach der Rechtsprechung des OVG NRW seien die Rechte des Antragstellers durch die Möglichkeit der Einschaltung des Datenschutzbeauftragten gewahrt.
Auch sei der vorgelegte Verwaltungsvorgang vollständig, da er sich nur auf den streitgegenständlichen Auskunftsanspruch beziehe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und den beigezogenen Verwaltungsvorgang des Bundesamtes für Verfassungsschutz Bezug genommen.
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE
Die zulässige Klage hat Erfolg.
Der ablehnende Bescheid des Bundesamtes vom 28. März 2018 in Gestalt seines Widerspruchsbescheides vom 31. August 2018 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch auf weitere Auskunft über die beim Bundesamt gespeicherten Daten zu (§ 113 Abs. 5 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung <VwGO>).
Rechtsgrundlage ist § 15 Abs. 1 Satz 1 BVerfSchG. Danach erteilt das Bundesamt für Verfassungsschutz dem Betroffenen über zu seiner Person gespeicherte Daten auf Antrag unentgeltlich Auskunft, soweit er hierzu auf einen konkreten Sachverhalt hinweist und ein besonderes Interesse an einer Auskunft darlegt. Diese Voraussetzungen hat das Bundesamt hier bejaht.
Im Ergebnis nicht tragfähig begründet hat das Bundesamt die (weitere) Auskunftserteilung an den Kläger abgelehnt und ausgeführt, eine Auskunft müsse nach § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 BVerfSchG unterbleiben, weil die betreffenden Daten nach einer Rechtsvorschrift, nämlich § 4 Sicherheitsüberprüfungsgesetz (SÜG) i. V. m. mit der „Allgemeinen Verwaltungsvorschrift des Bundesministeriums des Innern zum materiellen und organisatorischen Schutz von Verschlusssachen“ (VSA) geheimzuhalten seien. Darüber hinaus sei der Auskunftsanspruch nach § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BVerfSchG ausgeschlossen. Einer weitergehenden Begründung bedürfe es im Hinblick auf § 15 Abs. 4 Satz 1 BVerfSchG nicht, da ansonsten der Zweck der Auskunftsverweigerung gefährdet würde.
Zwar mag die Ablehnung in formell nicht zu beanstandender Weise ergangen sein. Insofern bestimmt § 15 Abs. 2 Satz 2 BVerfSchG, dass die Entscheidung, dass eine Auskunft unterbleibt, nach Abs. 1 Satz 1 durch den Behördenleiter oder durch einen von ihm besonders beauftragten Mitarbeiter zu treffen ist. Diese Vertretungskette resp. Zeichnungsbefugnis ist gewahrt, da nach den Angaben des Bundesamtes der allgemein besonders beauftragte Mitarbeiter (Abteilungsleiter I und als ständiger Vertreter der Referatsleiter I a 4 <Leiter des Datenschutzreferats>) den Entwurf der ablehnenden Bescheide mitzeichnet; die Befugnis ist durch den vorgelegten Erlass vom 28. Februar 1991 nebst dazugehöriger Anlage 7 zur VS-Anweisung plausibel gemacht worden. Vor diesem Hintergrund kann offen bleiben, ob ein Verstoß gegen § 15 Abs. 2 Satz 2 BVerfSchG zu einer vom Kläger zu rügenden Rechtswidrigkeit führen kann. Denn anders als bei § 9 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 G 10,
Gesetz zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses (Artikel 10-Gesetz – G 10) vom 26. Juni 2001 (BGBl. I S. 1254, 2298; 2007 I S. 154), zuletzt geändert durch Artikel 12 des Gesetzes vom 14. August 2017 (BGBl. I S. 3202),
bei dem nur der Behördenleiter oder sein Stellvertreter antragsbefugt ist und bei einer unwirksamen Antragstellung im Hinblick auf das zwingende Antragserfordernis in § 9 Abs. 1 G 10 bzw. § 8b Abs. 1 Satz 1 BVerfSchG von der Rechtswidrigkeit der Anordnung auszugehen ist,
vgl. die Konstellation des VG Berlin, Urteil vom 23. Mai 2013 – 1 K 194.11 -, juris,
handelt es sich bei der Zuständigkeitsregelung in § 15 Abs. 2 Satz 2 BVerfSchG um ein reines Verwaltungsinternum, das nicht essentiell für den Verfahrensbeginn ist (vgl. auch die Wertungen in § 45 Abs. 1 Nr. 4 und 5, Abs. 2 VwVfG).
Jedoch ist der Versagungsgrund des § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 BVerfSchG nicht in einer Weise begründet worden, die die nach Art. 19 Abs. 4 GG erforderliche Kontrolle möglich macht; dies gilt auch unter Berücksichtigung der Wertungen des § 15 Abs. 4 BVerfSchG.
Nach § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 BVerfSchG unterbleibt die Auskunftserteilung, wenn die Daten nach einer Rechtsvorschrift oder ihrem Wesen nach geheim gehalten werden müssen. Unter Rechtsvorschriften sind alle materiellen Rechtsnormen mit unmittelbarer Außenwirkung zu verstehen, insbesondere Gesetze und Rechtsverordnungen,
so für den ähnlich strukturierten Versagungsgrund in § 19 Abs. 4 Nr. 3 BDSG a.F. Mallmann, in Simitis, a.a.O., § 19 Rn. 92.
Das Bundesamt hat sich insoweit nur auf die „formale“ erste Alternative, die Rechtsvorschrift, bezogen und in diesem Zusammenhang § 4 SÜG
– Gesetz über die Voraussetzungen und das Verfahren von Sicherheitsüberprüfungen des Bundes und den Schutz von Verschlusssachen (Sicherheitsüberprüfungsgesetz – SÜG) vom 20. April 1994 (BGBl. I S. 867), zuletzt geändert durch Artikel 4 des Gesetzes vom 18. Juli 2017 (BGBl. I S. 2732) –
genannt.
Dies reicht nicht aus. § 4 SOG ist zwar eine Rechtsvorschrift. Allein die behauptete Einstufung aller hier streitgegenständlichen Daten als Verschlusssache genügt jedoch nicht den Anforderungen des § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 BVerfSchG,
so aber Schoch, Informationsfreiheitsgesetz, 2. Aufl. 2016, § 3 Rn. 224 f., 228 ff. – in Fn. 705 gegen die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO. Danach soll § 4 SÜG isoliert eine – informationsrechtliche – Regelung des materiellen Geheimnisschutzes darstellen und zur Versagung des Informationszugangs nach § 3 Nr. 4 IFG führen.
Des SÜG regelt in Verbindung mit der ebenfalls vom Bundesamt genannten rein verwaltungsinternen Verwaltungsvorschrift über Verschlusssachen jedoch allein die Definition von Verschlusssachen, deren möglichen Inhalt, allgemein Gründe, die zu einer Einstufung als Verschlusssache führen können sowie die Berechtigung zum Umgang mit ihnen. § 4 enthält ausweislich der Normüberschrift und seines Inhalts nur „Allgemeine Grundsätze zum Schutz von Verschlusssachen, Mitwirkung des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik – (VSA)“ und regelt ausdrücklich keinen materiellen Geheimnisschutz. Die weiter in Bezug genommene Verschlusssachenanweisung – VSA – des BMI betrifft zwar den „materiellen Geheimnisschutz“, regelt aber wiederum nur die „technische Seite“, nämlich den Umgang mit Verschlusssachen. Darüber hinaus ist sie keine Rechtsvorschrift im oben definierten Sinne – und anders als in dem ähnlich strukturierten Versagungsgrund des § 3 Nr. 4 IFG ist die VSA gerade nicht in § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 BVerfSchG aufgeführt. Bei der VSA handelt es sich um Innenrecht, keine Rechtsvorschrift mit Außenwirkung,
vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 2018 – 7 C 19.17 -, juris Rn. 30 m. w. Nachw.;
allein die Einstufung einer Information/eines Datum als Verschlusssache reicht nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht aus,
so BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 2018 – 7 C 19.17 -, juris Rn. 29 für die in § 22 Abs. 3 GOBReg angeordnete Vertraulichkeit bzw. die in der in Entscheidung in Rede stehende Einstufung der Teilnehmerliste der Kabinettssitzung als Verschlusssache.
Denn § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 BVerfSchG ist wie § 3 Nr. 4 IFG eine Rezeptionsnorm, die den besonderen Geheimnisschutz den in Bezug genommenen Spezialvorschriften überlässt, die an außerhalb des BVerfSchG/des IFG getroffene Regelungen anknüpft,
für § 3 Nr. 4 IFG: BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 2018 – 7 C 9.17 -, juris Rn. 29; Schoch, a.a.O., § 3 Rn. 204 m. w. Nachw.
Dass der Gesetzgeber von diesem Verständnis ausgegangen ist und § 3 Nr. 4 IFG im Sinne einer materiellen Geheimhaltungsbedürftigkeit verstehen wollte, wird von der Gesetzesbegründung zu § 9 Abs. 4 IFG nahegelegt. Im Zusammenhang mit dieser Vorschrift über das Widerspruchsverfahren heißt es in der Gesetzesbegründung: Lege eine Behörde eine als Verschlusssache (§ 3 Nr. 4 IFG) eingestufte Information gemäß § 99 Abs. 1 VwGO nicht vor, könne die Rechtmäßigkeit der Verweigerung in einem In-camera-Verfahren nach § 99 Abs. 2 VwGO überprüft werden. Würde bereits die formelle Einstufung einer Information als Verschlusssache einen Anspruch auf Zugang zu ihr ausschließen, bedürfte es der Vorlage der Information in einem Rechtsbehelfsverfahren nicht. Diese Vorlage ist allein dann erforderlich, wenn nur anhand des genauen Inhalts der Information nachgeprüft werden kann, ob ihre Einstufung als Verschlusssache den materiellen Anforderungen der Verschlusssachenanweisung entspricht. Die Gründe für die Verweigerung einer Vorlage im Prozess sind zugleich die Gründe, die materiell die Einstufung als Verschlusssache rechtfertigen sollen,
so BVerwG, Urteil vom 29. Oktober 2009 – 7 C 22.08 -, juris Rn. 51.
Nichts anderes kann für den Versagungsgrund des § 15 Abs. Satz 1 Nr. 4 BVerfSchG gelten; erforderlich ist die materielle Geheimhaltungsbedürftigkeit der Daten, nicht die formale Einstufung als Verschlusssache. Denn den öffentlichen Belangen drohen keine Nachteile, wenn eine als Verschlusssache eingestufte Information bekannt wird, es sei denn die Einstufung entspricht den materiellen Geheimhaltungsbedürfnissen, m. a. W.: es kommt auf die materielle Richtigkeit der Einstufung als Verschlusssache an,
BVerwG, Urteil vom 29. Oktober 2009 – 7 C 22.08 -, juris Rn. 53 und 52 – zu § 3 Nr. 4 IFG; dem folgend Malimann, in Schenke/Graulich/Ruhlig, a.a.O., § 15 Rn. 25 m. w. Nachw. Vgl. weiter BVerwG – Fachsenat für Entscheidungen nach § 99 Abs. 2 VwGO -, Beschlüsse vom 19. April 2010 – 20 F 13.09 -, BVerwGE 136, 345 = juris Rn. 5 und 21, vom 30. November 2015 – 20 F 7.15 -, juris Rn. 9 sowie vom 21. Januar 2019 – 20 F 9.17 -, juris Rn. 15.
Zur Frage der materiellen Geheimhaltungsbedürftigkeit hat das Bundesamt aber – trotz Aufforderung und Hinweis auf die Entscheidung des VG Wiesbaden — weder schriftsätzlich noch in der mündlichen Verhandlung etwas dargelegt, was im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 GG zumindest eine Plausibilitätskontrolle ermöglichen würde.
§ 15 Abs. 4 BVerfSchG entbindet das Bundesamt nicht von dieser Verpflichtung, den Versagungsgrund hinreichend zu plausibilisieren. Nach § 15 Abs. 4 Satz 1 BVerfSchG bedarf die Ablehnung der Auskunftserteilung keiner Begründung, soweit dadurch der Zweck der Auskunftsverweigerung gefährdet würde. Die Gründe der Auskunftsverweigerung sind aktenkundig zu machen, Satz 2. Wird die Auskunftserteilung abgelehnt, ist der Betroffene auf die Rechtsgrundlage für das Fehlen der Begründung und darauf hinzuweisen, dass er sich an den Bundesbeauftragten für den Datenschutz wenden kann, Satz 3. Dem Bundesbeauftragten für den Datenschutz ist auf sein Verlangen Auskunft zu erteilen, soweit nicht das Bundesministerium des Innern im Einzelfall feststellt, dass dadurch die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gefährdet würde, Satz 4. Mitteilungen des Bundesbeauftragten an den Betroffenen dürfen keine Rückschlüsse auf den Erkenntnisstand des Bundesamtes für Verfassungsschutz zulassen, sofern es nicht einer weitergehenden Auskunft zustimmt, Satz 5.
Die Vorschrift ist von der Gesetzesgenese an § 19 Abs. 5 BDSG a. F. orientiert, in welchem ursprünglich auch die Versagungsgründe nach dem BVerfSchG qua Verweis geregelt werden sollten,
vgl. § 17 Abs. 4 und 5 E-BDSG und § 24 E-BVerfSchG, wobei für die Verfassungsschutzbehörden eine generelle Ausnahme von der Begründungspflicht vorgesehen war, vgl. BTDrucks 11/4306, S. 11.
Dabei gilt, dass die Geheimhaltungsgründe für den Betroffenen möglichst einleuchtend dargelegt werden müssen. Ein umfassendes öffentliches Geheimhaltungsinteresse ist für den Betroffenen nicht mit Erwägungen begründbar, die auf den Hinweis hinauslaufen, dass in dem konkreten Fall das Bundesamt tätig geworden oder ein gesetzlich geregelter Versagungsgrund gegeben ist. Es genügt, wenn die zuständige Behörde ihre Wertung der Umstände, die die Geheimhaltungsbedürftigkeit begründen, so einleuchtend darlegt, dass das Gericht diese Wertung unter Berücksichtigung rechtsstaatlicher Belange noch als triftig anerkennen kann. Die Darlegung des Bundesamtes muss aber mehr enthalten, als die bloße Wiedergabe oder nur eine Umschreibung der gesetzlichen Gründe,
BVerwG, Beschluss vom 29. Oktober 1982 – 4 B 172/82 -, Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwGE) 66, 233 (236 f.); Mallmann, in Simitis (Hrsg.), Bundesdatenschutzgesetz, 8. Aufl. 2014, § 19 Rn. 106.
Die Pflicht zur Begründung der Auskunftsverweigerung geht allerdings nicht so weit, dass die Begründung Rückschlüsse auf die geheim zu haltenden Tatsachen eröffnen könnte. Dies gilt insbesondere für die Erkenntnisse und Arbeitsweisen des Bundesamtes. Andererseits muss die Behörde über die konkreten Gründe ihrer Weigerung soweit Auskunft geben, wie die entgegenstehenden Gründe dies noch zulassen, damit dem Gericht (Art. 19 Abs. 4 GG) die Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Weigerung des Bundesamtes mindestens auf offensichtliche Fehler nicht verschlossen bleibt. Kann das Bundesamt die konkreten Gründe seiner Weigerung nicht offenbaren, so muss es angeben, aus welchen Gründen ihm diese nicht möglich ist; denn ohne die wenigstens grobe Kenntnis dieser Gründe lassen sich die Interessen, die für oder gegen die Geheimhaltungsbedürftigkeit behördlichen Wissens sprechen, nicht hinreichend sicher beurteilen. Soweit auch bei der Anwendung dieser Grundsätze die Durchsetzung des Auskunftsanspruchs erschwert wird, hat der Betroffene dies hinzunehmen,
vgl. Mallmann, wie vor, mit umfassenden Nachweisen der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts.
Die schlichte Verweigerung einer Begründung zur Verweigerung der Auskunft durch das Bundesamt in der mündlichen Verhandlung verstößt nach Auffassung des Verwaltungsgerichts Wiesbaden in einer — entgegen der Ansicht des Bundesamtes — parallelen Konstellation, der das erkennende Gericht folgt, gegen Art. 19 Abs. 4 GG; spätestens in der mündlichen Verhandlung ist zu begründen und darzulegen, warum die Auskunft verweigert wird, oder eine Sperrerklärung abzugeben. Kommt die Behörde dieser Verpflichtung nicht nach, ist schon aus diesem Grund der Klage stattzugeben,
VG Wiesbaden, Urteil vorn 15. Februar 2016 – 6 K 1328/14.WI juris Rn. 27 ff. für das Bundeskriminalamt, das „nicht außerhalb des Grundgesetzes“ steht.
Daran gemessen genügt die Begründung des Bundesamtes für das Unterbleiben der Auskunftserteilung für den Fall des Klägers nicht den vorstehend umrissenen Anforderungen. Im Verwaltungsverfahren hat das Bundesamt sich nur auf den Versagungsgrund des § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 BVerfSchG bezogen und allein weiter ausgeführt, dass die Geheimhaltungsinteressen des Verfassungsschutzes das Auskunftsinteresse des Klägers überwiegen würden (so Ausgangsbescheid, S. 3, Widerspruchsbescheid, S. 3). Dies ist inhaltsleer. Soweit die ehemals zuständige 20. Kammer des erkennenden Gerichts in einem ähnlich gelagerten Verfahren die Angaben des Bundesamtes hat ausreichen lassen, steht dies der Bewertung im Fall des Klägers nicht entgegen. Denn in dem dortigen Verfahren (VG Köln 20 K 8716/03) war der Verweis auf die einer weiteren Auskunft entgegenstehenden Geheimhaltungsgründe bereits in den Vermerken zu den ergangenen Bescheiden enthalten und dem Kläger sind die Gründe teilweise in den angefochtenen Bescheiden sowie im gerichtlichen Verfahren mitgeteilt worden,
vgl. VG Köln, Urteil vom 26. Januar 2006 – 20 K 8716/03 -, juris Rn. 36,
woran es hier für den Fall des Klägers gerade fehlt.
Denn auch im gerichtlichen Verfahren ist keine den Anforderungen genügende Plausibilisierung erfolgt. Insoweit hat das Bundesamt vorgetragen, dass durch eine weitergehende Auskunftserteilung eine Ausforschung des Erkenntnisstandes und der Arbeitsweise der Beklagten bzw. der die Informationen übermittelnden Behörde zu befürchten wäre. Auch sei der Kläger Mitglied eines gewaltbefürwortenden Beobachtungsobjekts, sodass bei Bekanntwerden der näheren Gründe für die Auskunftsverweigerung die Gewinnung weiterer Erkenntnisse erschwert bis unmöglich würde.
Diese allgemeinen Ausführungen ermöglichen es dem erkennenden Gericht jedenfalls nicht, die (weitere) Geheimhaltungsbedürftigkeit der vom Antrag des Klägers erfassten Daten zumindest im Wege einer Plausibilitätskontrolle zu überprüfen. Denn das Bundesamt hat nichts dazu vorgetragen, inwiefern sich aus der-weitergehenden Auskunft Rückschlüsse auf die Arbeitsweise ziehen ließen. Die theoretische abstrakte Möglichkeit reicht hierfür nicht aus,
vgl. OVG NRW, Urteil vom 31. Juli 2019 — 16 A 1009/14 —, juris Rn. 88 ff. zu den Anforderungen an das Vorliegen einer Ausforschungsgefahr.
Es ergibt sich auch nichts anderes aus dem vom Bundesamt vorgetragenen Umstand, dass die streitgegenständlichen Informationen von einer anderen Sicherheitsbehörde stammten und eine Herausgabe der Informationen das Vertrauensverhältnis zerstören würde. Es kann dahinstehen, ob der Vortrag des Bundesamtes —
„die der Auskunftsverweigerung unterliegenden Informationen stammen ausnahmslos von einer anderen Sicherheitsbehörde“ (BI. 73 GA) —
Überhaupt zutrifft. Zweifel ergeben sich insbesondere vor dem Hintergrund des Schreibens des BKA vom 22. August 2017. In diesem Schreiben hat das BKA dem Kläger mitgeteilt:
„Nach Erkenntnissen des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) sind Sie Mitglied eines gewaltbereiten bzw. gewaltbefürwortenden Beobachtungsobjekts und unterhalten Kontakte zu weiteren gewaltbefürwortenden Akteuren und Gruppierungen.“ (BI. 98 GA).
Dass der Kläger Mitglied eines gewaltbefürwortenden Beobachtungsobjekts ist, ergibt sich aus den vorgelegten (angeblich einzigen originären) Informationen des Bundesamtes jedenfalls nicht. Soweit das BKA sich noch auf Erkenntnissen des Landeskriminalamtes Berlin bezogen hat, hat letzterer der weitergehender Information zugestimmt.
Davon unabhängig geht es hier aber um die Frage, ob die Gründe der Ablehnung der (weiteren) Auskunft für das Gericht nachvollziehbar — jedenfalls im Rahmen einer Plausibilitätskontrolle — begründet werden. Insofern kann sich die Behörde im Rahmen eines Auskunftsantrags nicht allein darauf berufen, dass sie die Informationen von einer anderen Behörde erhalten habe. Denn dieser Umstand allein begründet den von dem Bundesamt angeführten Versagungsgrund des § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 BVerfSchG nicht. Es hätte der Beklagten daher jedenfalls oblegen, die von der übermittelnden Behörde genannten Gründe für das Gericht nachvollziehbar darzulegen. Dies hat das Bundesamt aber nicht getan, sondern nur darauf verwiesen, dass die übermittelnde Behörde eine Ausforschungsgefahr befürchte. Darüber hinaus hat das Bundesamt — wie es selbst einräumt — eine eigene Entscheidungsbefugnis hinsichtlich der bei ihr vorhandenen Informationen, sodass es auch selbst das Vorliegen eines Versagungsgrunds prüfen und entsprechend begründen muss. Dies hat das Bundesamt vorliegend aber jedenfalls hinsichtlich der Begründung — wie bereits ausgeführt — nicht getan.
Von der weitergehenden Plausibilisierungspflicht ist das Bundesamt auch nicht deswegen entbunden, weil der Kläger die Möglichkeit hat, den BfDI anzurufen.
Nach den Vorstellungen des Gesetzgebers soll es sich bei der Möglichkeit der Anrufung nur um ein „Ersatzrecht“ handeln,
vgl. BT-Drucks 11/4306, S. 46.
Die Möglichkeit, nach § 15 Abs. 4 Satz 3 ff. BVerfSchG vorzugehen, hat daher nicht die Qualität einer gerichtlichen, Art. 19 Abs. 4 GG genügenden Überprüfung des Unterbleibens der Auskunftserteilung. Die in diesen Fällen mögliche Einschaltung des Datenschutzbeauftragten stellt keinen vollen Ausgleich für die Erschwerung der Rechtswahrung im gerichtlichen Verfahren dar, sondern nur eine nachhaltige und verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenden Ausgleich der Schutzgüter führende Minderung der Belastung des Betroffenen,
so Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Urteil vom 17. Juni 1994 – 21 A 3434/93 -, juris Rn. 11.
Weiter greift nicht die zweite Alternative des § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 BVerfSchG, wonach die Auskunftserteilung unterbleibt, weil die Akten „ihrem Wesen nach … geheim gehalten werden müssen“; die Akten der Nachrichtendienste sind nicht per se geheimhaltungsbedürftig,
vgl. Mallmann, in Simitis, a.a.O., § 19 Rn. 99 m. w. Nachw. der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts.
Dies erhellt auch systematisch die — zudem eingegrenzte — Bereichsausnahme in § 3 Nr. 8 IFG. Danach ist ein Informationszugangsanspruch nur dann nicht gegenüber den Nachrichtendiensten gegeben, soweit sie Aufgaben im Sinne des § 10 Nr. 3 SÜG wahrnehmen.
Im Hinblick auf die stattgebende Entscheidung des Gerichts bedurfte es keiner Beiziehung der Verwaltungsvorgänge, auf die sich das Auskunftsbegehren des Klägers bezieht, und der gegebenenfalls erforderlichen Durchführung eines in-camera-Verfahrens vor dem Bundesverwaltungsgericht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.
Die Berufung ist zuzulassen, weil die Frage, inwieweit das Bundesamt bei der Ablehnung nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BVerfSchG diese Ablehnung nach § 15 Abs. 4 Satz 1 BVerfSchG plausibilisieren muss, von grundsätzlicher Bedeutung ist, § 124a Abs. 1 Satz 1, § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO.
Es folgt die Rechtsmittelbelehrung.