BESCHLUSS
In dem Verwaltungsrechtsstreit
des Herrn xxx,
– Antragsteller und Beschwerdeführer –
Prozessbevollmächtigter:
Rechtsanwalt Sven Adam, Lange Geismarstraße 55, 37073 Göttingen,
gegen
die Landespflegekammer Rheinland-Pfalz, vertreten durch den Präsidenten,
Große Bleiche 14 – 16, 55116 Mainz,
– Antragsgegnerin und Beschwerdegegnerin –
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte Bette-Westenberger-Brink, Große Langgasse 1a, 55116 Mainz,
wegen
Presseerklärung der Landespflegekammer
hier: einstweilige Anordnung
hat der 6. Senat des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz in Koblenz aufgrund der Beratung vom 22. Dezember 2020, an der teilgenommen haben
Vizepräsident des Oberverwaltungsgerichts xxx
Richter am Oberverwaltungsgericht xxx
Richter am Verwaltungsgericht xxx
beschlossen:
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird unter teilweiser Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Mainz vom 13. Oktober 2020 der Antragsgegnerin aufgegeben, mit sofortiger Wirkung die Pressemitteilung vom 18. September 2020 („Standesvertretung für Pflege und Versorgungssicherheit der Bevölkerung ausgebremst“) von ihrer Homepage zu entfernen und die darin getätigten Äußerungen entsprechend der Rechtsauffassung des Gerichts zukünftig zu unterlassen.
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen tragen der Antragsteller und die Antragsgegnerin jeweils zu 1/2.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5.000,00 EUR festgesetzt.
GRÜNDE
I. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag des Antragstellers, der Mitglied der Antragsgegnerin ist, dieser aufzugeben,
- mit sofortiger Wirkung die in der Pressemitteilung vom 18. September 2020 getätigten Äußerungen („Standesvertretung für Pflege und Versorgungssicherheit der Bevölkerung ausgebremst“) in dieser Form zu unterlassen und die Pressemitteilung von ihrer Homepage zu entfernern und
- mit sofortiger Wirkung die in der Pressemitteilung vom 21. September 2020 getätigten Äußerungen („Pflegekammer in Nordrhein-Westfalen nimmt Konturen an“) zu unterlassen, soweit diese über die Mitteilung des Weggangs der Vizepräsidentin hinausgeht, und die Pressemitteilung von ihrer Homepage zu entfernen,
abgelehnt.
Die Presseerklärung vom 18. September 2020 lautet:
„Standesvertretung für Pflege und Versorgungssicherheit der Bevölkerung ausgebremst
Mangelnder Rückhalt der Politik führt in Baden-Württemberg zur Gefährdung der nachhaltigen pflegerischen Versorgung – Zukunft des Berufsstandes weiter von Partikularinteressen abhängig
„Mit Bedauern müssen wir feststellen, dass in Baden-Württemberg die Gründung einer Landespflegekammer erst mal auf Eis gelegt wird. Gerade in den letzten Monaten wurde deutlich, welche bedeutende Rolle unsere Berufsgruppe für die gesamte medizinische und pflegerische Versorgung spielt. Diese Versorgungssicherheit kann jedoch dauerhaft nur sichergestellt werden, wenn Pflegefachpersonen über eine starke und selbstorganisierte Interessenvertretung verfügen, mit der sie ihren Berufsstand eigenverantwortlich weiterentwickeln. Ich hoffe daher sehr, dass die politischen Akteure in Baden-Württemberg ihre Entscheidung nochmals überdenken. Die Zukunft des Berufsstandes liegt in ihrer Hand. In Rheinland-Pfalz kann man sehen, wozu eine unabhängige Selbstverwaltung und die Landespolitik gemeinsam im Stande sind: Die Errichtung eines Freiwilligen-Pflegepools und viele weitere berufsrelevante Unterstützungsaktivitäten sind der glühende Beweis dafür, dass durch Rückendeckung und Kooperation große Dinge erreicht werden können. Eine breite politische Unterstützung wünschen wir uns daher auch für unsere Kolleginnen und Kollegen in Baden-Württemberg, damit künftig die berufliche Pflege im Südwesten durch eine weitere Landespflegekammer gestärkt wird“, so Dr. Markus Mai, Präsident der Landespflegekammer Rheinland-Pfalz.
Baden-Württembergs Sozialminister Manfred Lucha plant laut Stuttgarter Zeitung das Projekt zur Gründung einer Landespflegekammer erst in der nächsten Legislaturperiode weiterzuführen. Vor zwei Jahren hatten 2699 Teilnehmer aus 228 Pflegeeinrichtungen zu 68 Prozent für die Einrichtung einer Kammer votiert. Kritik gegen die Errichtung einer unabhängigen politischen Interessenvertretung für Pflegefachpersonen üben insbesondere Verdi und der Arbeitgeberverband Pflege.
„Politische Entscheidungsträger haben vor allem eine gesamtgesellschaftliche Verantwortung. Dazu gehört eben auch, Strukturen für eine nachhaltig gute Pflegeversorgung zu schaffen. Die Gründung einer Landespflegekammer nach hinten zu verschieben, bewirkt das genaue Gegenteil. Zu empfehlen wäre vielmehr ein Austausch zwischen den baden-württembergischen Landesabgeordneten und ihren rheinland-pfälzischen Kolleginnen und Kollegen. Ich bin mir sicher, dass dadurch die Notwendigkeit einer Landespflegekammer für die Berufsgruppe als auch für Gesellschaft in einem neuen Licht erscheinen würde. Die auf Partikularinteressen beruhende Skepsis wird längerfristig nur dazu führen, dass Pflegebedürftigen eine qualitativ hochwertige Versorgung verwehrt wird und das ist einfach nicht fair!“, sagt Mai.
Hintergrund: Mittlerweile wurden in allen Bundesländern umfangreiche Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung und der Verlangsamung der Ausbreitung des neuartigen Corona-Virus getroffen. Die Zahl der in Rheinland-Pfalz bestätigten Fälle ist mittlerweile auf 9.859 (Stand: 18.09.) gestiegen. Die Landespflegekammer steht in engem und ständigen Austausch mit sämtlichen relevanten Stellen und Behörden zur aktuellen Lage. Das gemeinsame Ziel aller Anstrengungen ist es, die aktuelle Lage laufend zu bewerten und Maßnahmen zu treffen, die die adäquate Versorgung im Gesundheitswesen kurz-, mittel- und langfristig sicherstellen.
Als Pflegekammer Rheinland-Pfalz haben wir eine Task-Force einberufen, die insbesondere die Situation in den Pflegesettings laufend analysiert und Maßnahmen mit den Partnern in Rheinland-Pfalz und auf der Bundesebene abstimmt. Schwerpunkte sind derzeit die Versorgungslage innerhalb des Gesundheitswesens, Sonder-Qualifizierungsmaßnahmen für Pflegefachpersonen und die Sicherstellung der personellen Ressourcen in der pflegerischen Versorgung.“
Die Presseerklärung vom 21. September 2020 lautet:
„Pflegekammer in Nordrhein-Westfalen nimmt Konturen an Gründung einer Pflegekammer im bevölkerungsreichsten Bundesland wichtiges Signal – Sandra Postel wurde zur Vorsitzenden des Errichtungsausschusses gewählt
„Die Gründung selbstbestimmter und unabhängiger Standesvertretungen ist für unsere Berufsgruppe wichtiger denn je. Nur mit ihnen lässt sich sicherstellen, dass die Belange der Pflegefachpersonen von der Politik wahrgenommen und umgesetzt werden. Daher freue ich mich umso mehr über die Einberufung des Errichtungsausschusses zur Gründung einer Landespflegekammer in Nordrhein-Westfalen. Die breite Zustimmung im bevölkerungsreichsten Bundesland macht sowohl uns als auch Befürwortern der Pflegekammer in anderen Ländern Mut. Wir hoffen nun, dass der Funke überspringt und sich weitere Länder anschließen. Wir möchten Karl-Josef Laumann als zuständigen Gesundheitsminister in Nordrhein-Westfalen für sein Engagement danken und hoffen, dass andere Politiker seinem Beispiel folgen. Für die Weiterentwicklung unseres Berufsstandes ist die Gründung effektiver Selbstverwaltungen sehr wichtig, da wir nur so ohne Fremdbestimmung bei pflegepolitischen Fragen mitsprechen können“, so Dr. Markus Mai, Präsident der Landespflegekammer Rheinland-Pfalz.
Im vergangenen Juni hatte der nordrhein-westfälische Landtag mit den Stimmen der Fraktionen der CDU, der FDP und Bündnis 90/Die Grünen die Errichtung einer Pflegekammer beschlossen. Der Errichtungsausschuss hat nun die Aufgabe, die Pflegekammer als moderne Selbstverwaltungsorganisation und berufsfachliche Interessenvertretung der Pflege aufzubauen. Um die Aufbauarbeit leisten zu können, wurden aus dem Kreis der Berufsangehörigen, Fachverbänden und Gewerkschaften heute in Düsseldorf 19 Mitglieder und 19 stellvertretende Personen in den Errichtungsausschuss berufen. Dabei sind Frauen sowie Pflegefachpersonen aus dem Bereich der ambulanten sowie stationären Altenpflege angemessen berücksichtigt. Zu den Mitgliedern des Errichtungsausschusses gehört auch die heute zur Vorsitzenden gewählte Sandra Postel, bisherige Vizepräsidentin der Landespflegekammer Rheinland-Pfalz.“
„Ich bedauere es sehr, dass uns Sandra Postel verlässt. Eine derart erfahrene und ausgewiesene Expertin und enge Mitstreiterin in Rheinland-Pfalz zu verlieren ist für die Landespflegekammer natürlich sehr bedauerlich. Mit einem lachenden Auge stelle ich dann aber doch fest, dass der Errichtungsausschuss in Nordrhein-Westfalen von einer Kollegin mit umfangreicher Kammererfahrung geleitet wird. Eine absolut essentielle Voraussetzung für eine gute Aufbauarbeit. Für ihre Zukunft wünsche ich ihr alles Gute und viel Erfolg und bin mir absolut sicher, dass sie einen sehr großen und bedeutenden Beitrag zur Gründung der Landespflegekammer in Nordrhein-Westfalen leisten wird“, sagt Mai.“
„Ich habe mich schon sehr gefreut, als ich von Herrn Laumann in den Errichtungsausschuss berufen wurde. Jetzt auch das Amt der Vorsitzenden innezuhaben, erfüllt mich mit Stolz! Ich habe großen Respekt vor der Aufgabe und werde alle Energien und Kompetenzen einsetzen, um die Pflege in Nordrhein-Westfalen mit einer starken Kammerstimme auszustatten. Dafür sind Erfahrung und Netzwerk vonnöten und ich finde es unschlagbar, dass wir in Rheinland-Pfalz dann einen strategischen Partner haben, der mir nun mal bestens vertraut ist. Ich bin mir sicher, dass wird der Pflegepolitik in beiden Ländern zugutekommen. Vermissen werde ich die Kolleginnen und Kollegen des Vorstandes und der Vertreterversammlung allerdings sehr, so Postel.“
Hintergrund: Mit der einstimmigen Verabschiedung des Heilberufsgesetzes durch den rheinland-pfälzischen Landtag im Dezember 2014 ist die Landespflegekammer errichtet worden. Seit dem 1. Januar 2016 haben die Pflegenden im Land damit eine kraftvolle Interessenvertretung erhalten. Die Landespflegekammer mit ihren gewählten Vertreterinnen und Vertretern nimmt die beruflichen, wirtschaftlichen und sozialen Belange der Mitglieder wahr.
Die Vertreterversammlung hat in der Sitzung vom 2. März 2016 erstmals den Vorstand der Landespflegekammer gewählt. Präsident der Kammer ist Dr. Markus Mai. Zur Vizepräsidentin wurde Sandra Postel gewählt. Die weiteren Mitglieder des Vorstandes sind aktuell Prof. Dr. Anderl-Doliwa, Andrea Bergsträßer, Hans-Josef Börsch, Esther Ehrenstein, Renate Herzer, Oliver Weidig und Nina Benz.“
Gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts richtet sich die Beschwerde des Antragstellers.
II. Die zulässige Beschwerde hat nur teilweise Erfolg. Aus den mit ihr dargelegten Gründen, auf deren Prüfung das Oberverwaltungsgericht beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), ergibt sich, dass das Verwaltungsgericht den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz hinsichtlich der Presseerklärung vom 18. September 2020 zu Unrecht, hinsichtlich der Presseerklärung vom 21. September 2020 jedoch zu Recht abgelehnt hat.
Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann durch das Gericht eine einstweilige Anordnung zur Sicherung eines Rechts getroffen werden, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Hierbei sind gemäß § 123 Abs. 3 VwGO, §§ 920 Abs. 2, 994 ZPO das bestehende zu sichernde Recht (Anordnungsanspruch) und die besondere Eilbedürftigkeit (Anordnungsgrund) glaubhaft zu machen. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen nötig erscheint, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.
Grundsätzlich dient die einstweilige Anordnung der vorläufigen Sicherung eines Anspruchs bzw. der vorläufigen Regelung eines Rechtsverhältnisses. Wird mit der begehrten Entscheidung allerdings die Hauptsache – wie hier – vorweggenommen, sind an die Prüfung von Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch qualifizierte Anforderungen zu stellen, d.h. der Erlass einer einstweiligen Anordnung kommt nur in Betracht, wenn ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit für den Erfolg der Hauptsache spricht und dem Antragsteller durch das Abwarten in der Hauptsache schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre.
1. Nach diesen Maßstäben ist nur hinsichtlich der Presseerklärung vom 18. September 2020 ein Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Die Antragstellerin kann von der Antragsgegnerin verlangen, dass diese die Verlautbarung der Pressemitteilung vom 18. September 2020 unterlässt. Das umfasst auch die verfahrensgegenständliche Entfernung von der Homepage.
Dabei kann dahinstehen, ob sich die Rechtsgrundlage für den öffentlich-rechtlichen Unterlassungsanspruch unmittelbar aus den Grundrechten oder aus einer analogen Anwendung der §§ 1004, 906 BGB ergibt. Denn ungeachtet seiner dogmatischen Herleitung ist der öffentlich-rechtliche Unterlassungsanspruch allgemein anerkannt.
Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, dass Pflichtmitglieder öffentlich-rechtlicher Zwangsverbände, worunter auch die berufsständischen Kammern – wie die Landespflegekammer Rheinland-Pfalz – fallen, von ihrem Verband die Einhaltung der Grenzen verlangen können, die seinem Tätigwerden durch die gesetzlich normierte Aufgabenstellung gezogen sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. September 1981 – 5 C 53/79 –). Anspruchsgrundlage ist die in Art. 2 Abs. 1 GG garantierte allgemeine Handlungsfreiheit. Die allgemeine Handlungsfreiheit des Art. 2 Abs. 1 GG gibt dem Grundrechtsträger das Recht zur Abwehr „unnötiger“ Zwangsverbände. Die Begründung und die Ausgestaltung der Pflichtmitgliedschaft in einem solchen Verband müssen durch formelles Gesetz gedeckt und verhältnismäßig sein. Überschreitet die Kammer die ihr verfassungskonform zugewiesenen Kompetenzen, greift sie ohne gesetzliche Grundlage in die allgemeine Handlungsfreiheit ihrer Pflichtmitglieder ein. Diesen gibt Art. 2 Abs. 1 GG das Recht, Kompetenzüberschreitungen der Kammer abzuwehren, und zwar unabhängig davon, ob sie durch die Kompetenzüberschreitung einen darüberhinausgehenden rechtlichen oder faktischen Nachteil erleiden (vgl. BVerfG, Urteil vom 12. Juli 2017 – 1 BvR 2222/12, 1 BvR 1106/13 –, BVerfGE 146, 164, juris Rn. 109; BVerwG, Urteil vom 23. März 2016 – 10 C 4.15 –, BVerwGE 154, 296, juris Rn. 13 f. m.w.N.
a) Rechtsfehlerfrei hat das Verwaltungsgericht entschieden, dass die Antragsgegnerin mit den in Streit stehenden Presseerklärungen kein unzulässiges allgemein politisches Mandat wahrgenommen hat.
Ausgangspunkt der Prüfung, ob die Antragsgegnerin sich bei der Veröffentlichung der streitgegenständlichen Presseerklärungen im Rahmen der ihr zugewiesenen Aufgaben gehalten hat, ist § 3 des Heilberufsgesetzes – HeilBG – vom 19. Dezember 2014 (GVBl. S. 302). Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 HeilBG wirken die Kammern bei den Aufgaben des öffentlichen Gesundheitswesens mit. Auch nehmen sie die beruflichen, wirtschaftlichen und sozialen Belange der Kammermitglieder in ihrer Gesamtheit wahr, § 3 Abs. 1 Satz 3 HeilBG. Gemäß § 3 Abs. 2 HeilBG haben sie insbesondere für die Wahrung des Ansehens des Berufsstands einzutreten (Nr. 1), die Berufsausübung der Kammermitglieder zu regeln und Beratungen in berufsfachlichen und allgemeinen berufsrechtlichen Fragen anzubieten (Nr. 3), öffentliche Stellen in Fragen der Normsetzung und Verwaltung zu beraten (Nr. 5) und im Rahmen ihrer Zuständigkeit Belange der Qualitätssicherung wahrzunehmen (Nr. 10).
Dies vorausgeschickt bestehen nach Auffassung des Senats keine Bedenken, wenn sich die Antragsgegnerin zur Frage der Neugründung von Pflegekammern und zur Sicherung der Qualität der Pflege äußert. Denn aus der Verantwortung für den Berufsstand der Pflegepersonen folgt auch die Befugnis zur öffentlichen Stellungnahme. Äußerungen zu Fragen der Sozial- und Gesellschaftspolitik sind damit erlaubt, wenn es um das Berufsbild und den Berufsstand der Pfleger, d.h. um berufspolitische Fragestellungen geht. Die vom Antragsteller geäußerten Zweifel an der Richtigkeit der in den Presseerklärungen zum Ausdruck gebrachten positiven Grundhaltung zu Pflichtpflegekammern ist keine Frage der Zulässigkeit der Äußerung an sich, sondern eine der nachfolgend zu erörternden Rechtfertigung ihres Inhalts.
b) Entgegen der Auffassung des Antragstellers musste hinsichtlich des Inhalts der streitgegenständlichen Pressemitteilungen keine Beschlussfassung durch die Vertreterversammlung durchgeführt werden.
Grundsätzlich ist die Information der Presse als laufendes Geschäft der Kammer dem Vorstand zugewiesen. Dies ergibt sich bereits aus § 10 Abs. 1 der Hauptsatzung der Antragsgegnerin. Danach beträgt die Ladungsfrist für eine Vertreterversammlung einen Monat. Obläge die Freigabe von Pressemitteilungen grundsätzlich der Freigabe durch die Vertreterversammlung, wäre eine effektive und aktuelle Pressearbeit unmöglich. Der Inhalt der vom Vorstand als solche getätigten Äußerungen wird allerdings der Kammer zugerechnet. Die der eigentlichen Pressearbeit vorausliegende Bestimmung bzw. Bildung des Gesamtinteresses in bedeutenden und unter den Kammermitgliedern unterschiedlich beurteilten Angelegenheiten obliegt daher der Kammerversammlung (zu IHKn BVerfG, Urteil vom 12. Juli 2017 – 1 BvR 2222/12, 1 BvR 1106/13 –, juris Rn. 117). Liegt eine bedeutende und in erheblicher Weise streitige Thematik vor, so übersteigt die Bestimmung des Gesamtinteresses durch Abwägung und Ausgleich auch widerstreitender Interessen den Bereich der in Ansehung ihrer Regelhaftigkeit und Häufigkeit für die Antragsgegnerin typischen Verwaltungsangelegenheiten. Eine andere Aufgabenverteilung widerspräche dem Befund, dass die angemessene Partizipation der Betroffenen an der Willensbildung unter Gewährleistung der erforderlichen Binnenpluralität in erster Linie in der unmittelbar gewählten Kammerversammlung erfolgen kann (NdsOVG, Beschluss vom 22. Oktober 2020 – 8 ME 99/20 –, juris Rn. 34). Damit ist allerdings nicht die gesamte Pressearbeit unter den Vorbehalt der Befassung der Kammerversammlung gestellt. Dieses Organ muss zum einen nur dann vorab tätig geworden sein, wenn es sich um eine bedeutende und unter den Kammermitgliedern in erheblicher Weise unterschiedlich beurteilte Angelegenheit handelt. Zum anderen genügt eine grundsätzliche Festlegung des Gesamtinteresses, an die der Vorstand anknüpfen kann. Eine detailscharfe Bestimmung des Inhalts der Pressearbeit ist nicht erforderlich (NdsOVG, Beschluss vom 22. Oktober 2020, a.a.O.).
Gemessen hieran liegen die Voraussetzungen für eine erforderliche Beschlussfassung der Vertreterversammlung der Antragsgegnerin nicht vor. Zwar mag es zutreffen, dass die Existenz der Landespflegekammer Rheinland-Pfalz und insbesondere die Zwangsmitgliedschaft unter den Kammermitgliedern in Rheinland-Pfalz selbst umstritten ist. Inwiefern hingegen die Errichtung von Pflegekammern in anderen Bundesländern für die Kammermitglieder in Rheinland-Pfalz von erheblicher Bedeutung im obigen Sinne ist, hat der Antragssteller jedoch nicht hinreichend substantiiert dargelegt.
Im Übrigen ist es – anders als der Antragsteller meint – grundsätzlich nicht zu beanstanden, wenn sich die Antragsgegnerin zu Entwicklungen der Pflegepolitik im Allgemeinen und der (Nicht-) Einführung von Pflegekammern auch in anderen Bundesländern im Besonderen äußert. Dies zeigt sich bereits bei einem Blick auf ihre Aufgaben. Die Kammer soll im Rahmen der Aufgaben des öffentlichen Gesundheitswesens das Interesse des Gemeinwohls beachten (§ 3 Abs. 1 Satz 2 HeilBG) und für die Wahrung des Ansehens des Berufsstandes eintreten (§ 3 Abs. 2 Nr. 1 HeilBG). Dessen eingedenk kann es der Kammer nicht verwehrt sein, auch zu pflegepolitischen Entwicklungen in anderen Bundesländern Stellung zu nehmen. Denn die dortige Entwicklung kann sich – in die eine oder andere Richtung – auch für Rheinland-Pfalz auswirken, etwa wenn nach dem Vorbild anderer Länder Standards verändert, Personalschlüssel neu berechnet oder die Pflegekammer an sich aufgelöst würde.
c) Die von der Antragstellerin kritisierten und als wörtliches Zitat des Präsidenten bzw. der scheidenden Vizepräsidentin der Antragsgegnerin wiedergegebenen Äußerungen stellen Aussagen dar, die von dem Präsidenten der Antragstellerin in dieser Eigenschaft gemacht wurden und dem Verband als eigene Äußerungen zuzurechnen sind (vgl. bzgl. eines früheren DIHK-Präsidenten BVerwG, Urteil vom 23. März 2016 – 10 C 4/15 –, juris Rn. 35). Nach dem Text der Pressemitteilung handelt es sich insoweit um eine Äußerung des Organs. So werden etwa die Zitate mit expliziter Nennung der konkreten Funktion (Präsident der Landespflegekammer Rheinland-Pfalz) wiedergegeben. Anhaltspunkte dafür, dass die Äußerungen lediglich eine private Meinung widerspiegeln sollen, sind nicht ersichtlich.
Anders als die Antragsgegnerin meint ist das wörtliche Zitat auch nicht mit weiteren Maßstäben zu bewerten als eine förmliche schriftliche Mitteilung. Insbesondere ist aus der Pressemitteilung nicht erkennbar, dass die wörtlich wiedergegebenen Zitate – wie die Antragsgegnerin behauptet – auf einer „spontanen Entäußerung der handelnden Personen“ beruhen. Vielmehr handelt es sich bei der Presseerklärung gerade um eine förmliche schriftliche Mitteilung.
Hinsichtlich des Inhalts der Äußerungen gelten die Schranken, die sich allgemein aus der Stellung der Antragsgegnerin als Träger mittelbarer Staatsverwaltung mit Pflichtmitgliedschaft, der öffentliche Aufgaben wahrnimmt, ergeben. Bei der Vertretung des Gesamtinteresses der Kammermitglieder muss sie als öffentlich-rechtliche Selbstverwaltungskörperschaft das höchstmögliche Maß an Objektivität walten lassen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19. Dezember 1962 – 1 BvR 541/57 –, juris Rn. 23). Das setzt voraus, dass die Äußerungen der Antragsgegnerin sachlich sind und die notwendige Zurückhaltung wahren. Da die Frage, ob eine Äußerung der Antragsgegnerin das höchstmögliche Maß an Objektivität walten lässt, nur aus dem Kontext beurteilt werden kann, darf bei der Prüfung der streitgegenständlichen Presseerklärungen nicht nur auf deren Überschrift abgestellt werden; vielmehr ist die Begründung mit heranzuziehen (vgl. BVerwG, Urteil vom 23. Juni 2010 – 8 C 20.09 –, juris Rn. 40). Insgesamt stehen die einzelnen Aussagen daher nicht zusammenhanglos da. Zu beurteilen ist, ob die jeweilige Aussage die Kompetenz und den Objektivitäts- und Sachlichkeitsgrundsatz einhält. Einer unvollständigen Teilaussage mangelt es einerseits nicht schon dann an Objektivität, wenn die sie vervollständigende Teilaussage in einem anderen Satz steht. Andererseits geht es nicht an, beliebige über den Text verstreute Aussagen neu zusammenzustellen, so dass dessen ursprüngliche Unsachlichkeit nicht mehr aufscheint. Das Nähere kann nur die Untersuchung des im Einzelfall angegriffenen Textes ergeben (NdsOVG, Beschluss vom 22. Oktober 2020, a.a.O., Rn. 31).
Dies vorausgeschickt verletzt die Pressemitteilung vom 18. September 2020 („Standesvertretung für Pflege und Versorgungssicherheit der Bevölkerung ausgebremst“) bei einer Gesamtbetrachtung die an die Form von Äußerungen der Antragsgegnerin zu stellenden Anforderungen.
Bereits der Wortlaut des Untertitels „Mangelnder Rückhalt der Politik führt in Baden-Württemberg zur Gefährdung der nachhaltigen pflegerischen Versorgung – Zukunft des Berufsstandes weiter von Partikularinteressen abhängig“ ist auf Zuspitzung und Emotionalisierung angelegt. Er erweckt auf den Leser den Eindruck, dass in Baden-Württemberg die Versorgungssicherheit in der Zukunft („nachhaltig“) nicht gewährleistet werden könne. Die Wirkung des Untertitels wird verstärkt durch die im ersten Absatz enthaltene Aussage „Diese Versorgungssicherheit kann jedoch dauerhaft nur sichergestellt werden, wenn Pflegefachpersonen über eine starke und selbstorganisierte Interessenvertretung verfügen, mit der sie ihren Berufsstand eigenverantwortlich weiterentwickeln“. Weitere Emotionalität wird durch die Aussage geweckt, dass die Errichtung eines Freiwilligen-Pflegepools der „glühende Beweis“ für die Wirkmächtigkeit der rheinland-pfälzischen Landespflegekammer sei.
Anders als die Antragsgegnerin meint, führt auch der textliche Zusammenhang mit dem zweiten Absatz der Pressemitteilung nicht zu einer Relativierung der nicht hinreichend objektiven Aussagen im ersten Absatz. Zwar wird im zweiten Absatz sachlich richtig der Anlass der Pressemitteilung – ein Bericht der Stuttgarter Zeitung, wonach Baden-Württembergs Sozialminister das Projekt zur Gründung einer Landespflegekammer erst in der nächsten Legislaturperiode weiterführen will – wiedergegeben. Auch wird darauf hingewiesen, dass hierzu andere Auffassungen existieren, es wird auf das Meinungsbild bei einer in Baden-Württemberg durchgeführten Umfrage eingegangen und auch dargestellt, dass insbesondere Verdi und der Arbeitgeberverband Kritik an der Errichtung einer Pflegekammer üben.
Dieser Absatz, der inhaltlich nicht zu beanstanden ist, wird allerdings vom folgenden dritten Absatz eingerahmt. In diesem ist festgehalten: „Die auf Partikularinteressen beruhende Skepsis wird längerfristig nur dazu führen, dass Pflegebedürftigen eine qualitativ hochwertige Versorgung verwehrt wird und das ist einfach nicht fair!“. Es wird damit unterstellt, dass ausschließlich die Einrichtung einer Pflegekammer mit Zwangsmitgliedschaft künftig dazu führen könne, eine qualitativ hochwertige Versorgung zu gewährleisten; anderenfalls würden pflegebedürftige Personen in Baden-Württemberg ungerecht behandelt. Damit verlässt die Antragsgegnerin den Boden der größtmöglichen Objektivität und spitzt ihre Auffassung unzulässig zu. Formulierungen dieser Art mögen einer reinen Interessenvertretung zustehen, der als öffentlich-rechtliche Körperschaft organisierten Antragsgegnerin aber nicht (vgl. BVerwG, Urteil vom 23. Juni 2010, a.a.O., Rn. 40). Die Unzulässigkeit einer derartigen Zuspitzung zeigt sich bereits daran, dass derzeit in der weit überwiegenden Mehrzahl der Bundesländer keine Pflegekammer besteht bzw. die Errichtung einer solchen auch nicht geplant ist oder von der Mehrheit der Pflegekräfte abgelehnt wird (vgl. Fajardo, „Bundespflegekammer – Ein Wettlauf gegen die Zeit“, abrufbar unter https://www.curacon.de/impulse/medien/medium/507-bundespflegekammer-ein-wettlauf-gegen-die-zeit, zuletzt abgerufen am 22. Dezember 2020). Tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass die Versorgung der Bevölkerung in den Ländern ohne Pflegekammer signifikant schlechter wäre, sind in der Pressemitteilung jedoch nicht festgehalten.
Insgesamt wird die – von der Antragsgegnerin angenommene – Notwendigkeit der Errichtung einer Landespflegekammer in sachlich ungerechtfertigter Weise überspitzt dargestellt und emotional übertrieben untermalt.
Dem Antragsteller steht hinsichtlich der Presseerklärung vom 18. September 2020 überdies auch ein Anordnungsgrund auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO zur Seite. Es ist zu Gunsten des Antragstellers zu berücksichtigen, dass durch die fortdauernde Veröffentlichung, insbesondere auf der Homepage der Antragsgegnerin, die bereits eingetretene Rechtsverletzung intensiviert würde, weil ein noch größerer Kreis von Personen weiterhin leicht auf die Presseerklärung zugreifen könnte. Dadurch würde die Erklärung zur Grundlage weiterer Medienberichterstattung gemacht. Denn es ist naheliegend, dass es auch künftig eine andauernde öffentliche Debatte zu der Frage der (Ab-)Schaffung von Landespflegekammern geben wird. Dies zeigt sich bereits an dem Umstand, dass in Nordrhein-Westfalen der Aufbau einer Kammer geplant ist, in Baden-Württemberg davon (derzeit) aber abgesehen wird. Die streitigen Pressemitteilungen werden daher im Zuge der Diskussion weiterhin Wirkung entfalten.
Es handelt sich schließlich auch um eine zulässige Vorwegnahme der Hauptsache, da effektiver Rechtsschutz im Sinne des Art. 19 Abs. 4 GG auf andere Weise nicht zu erreichen ist. Würde der Antragsteller auf ein Hauptsacheverfahren verwiesen, könnte die politische Debatte bereits abgeschlossen bzw. durch die Antragsgegnerin unzulässig beeinflusst worden sein.
2. Der vom Antragsteller behauptete Unterlassungsanspruch besteht hinsichtlich der Presseerklärung vom 21. September 2020 jedoch nach der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung nicht mit dem im – wie hier – vorliegenden Falle einer Vorwegnahme der Hauptsache erforderlichen hohen Grad an Wahrscheinlichkeit.
Die Pressemitteilung vom 21. September 2020 („Pflegekammer in Nordrhein-Westfalen nimmt Konturen an“) hält sich mit überwiegender Wahrscheinlichkeit im oben dargestellten Rahmen, zumal – insoweit unstreitig zulässig – hier vorwiegend der Wechsel der Vizepräsidentin der Antragsgegnerin in den Errichtungsausschuss der Pflegekammer Nordrhein-Westfalen kommuniziert wird. Auch der Untertitel („Gründung einer Pflegekammer im bevölkerungsreichsten Bundesland wichtiges Signal – Sandra Postel wurde zur Vorsitzenden des Errichtungsausschusses gewählt“) ist nicht zu beanstanden.
Anders als in der Pressemitteilung vom 18. September 2020 finden sich auch keine emotional zugespitzten Formulierungen. Zwar findet sich die Aussage der scheidenden Vizepräsidentin, wonach sie es „unschlagbar“ finde, mit Rheinland-Pfalz einen strategischen Partner zu haben, der ihr bestens vertraut sei. Damit wird aber in nicht zu beanstandender Weise lediglich der (auf der Hand liegende) Vorteil verdeutlicht, dass die künftige Vorsitzende des Errichtungsausschusses sowohl die handelnden Personen wie auch die Strukturen der Landespflegekammer Rheinland-Pfalz aus eigener Erfahrung kennt. Der Senat kann in der Wortwahl keinen Verstoß gegen die gebotene Sachlichkeit und Zurückhaltung erkennen.
Auch im Übrigen hält sich die Antragsgegnerin im Rahmen ihrer Aufgabe, sich für den Berufsstand einzusetzen, wenn sie sich für die Gründung selbstbestimmter und unabhängiger Standesvertretungen einsetzt. Die Kritik des Antragsgegners, die Formulierung der Presseerklärung, wonach „nur“ mittels derartiger Vertretungen sichergestellt werden könne, dass die Belange der Pflegefachpersonen von der Politik wahrgenommen und umgesetzt werden bzw. „nur so“ der Berufsstand ohne Fremdbestimmung bei pflegepolitischen Fragen mitsprechen könne, ist zwar durchaus eindringlich, aber im Ergebnis nicht zu beanstanden. Denn insoweit ist der Gesamtzusammenhang der Aussagen im Rahmen der Presseerklärung ins Auge zu fassen. Darin bringt die Antragsgegnerin die Freude über die beabsichtigte Gründung einer Pflegekammer in Nordrhein-Westfalen zum Ausdruck. Es ist der Antragsgegnerin dabei nicht zu verwehren, sich zur Bildung anderer Pflegekammern in anderen Bundesländern positiv zu äußern.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 2 GKG i.V.m. Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit. Eine Reduzierung des Streitwerts erfolgt nicht, da der Antrag die Vorwegnahme der Hauptsache zum Gegenstand hat.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).