1. Entscheidungen des Bundessozialgerichts zur Sozialhilfe (SGB XII) und zum Arbeitsförderungsrecht (SGB III)
1.1 – BSG, Urt. v. 23.02.2023 – B 8 SO 4/22 R
Sozialhilfe – Hilfe zur Pflege – Pflegegrad 0 – Hilfe zur Weiterführung des Haushalts – Pflegedienst – Angemessenheit
Zum Anspruch auf Übernahme der Kosten für hauswirtschaftliche Versorgung durch einen Pflegedienst bei sog Pflegestufe 0.
Urteil: Pflegedienst muss nicht als Haushaltshilfe einspringen
Alte und kranke, aber nicht pflegebedürftige Menschen, die eine Haushaltshilfe benötigen, können vom Sozialhilfeträger auf die Minijobzentrale verwiesen werden.
Dies gilt auch für Betroffene, die vor Einführung des Dritten Pflegestärkungsgesetzes am 1. Mai 2017 die Pflegestufe null aufgewiesen haben und bei denen bis dahin ein Pflegedienst die Haushaltshilfe erbracht hatte.
Quelle: www.evangelisch.de
Volltext: www.sozialgerichtsbarkeit.de
1.2 – BSG, Urt. v. 06.06.2023 – B 11 AL 38/21 R
(Arbeitslosengeldanspruch – Erfüllung der Anwartschaftszeit – sonstiger Versicherungspflichtiger – Zusammentreffen einer Rente wegen voller Erwerbsminderung aus der gesetzlichen Rentenversicherung mit einer versicherungspflichtigen Beschäftigung – Nichtzahlung der Rente wegen Überschreitens der Hinzuverdienstgrenze – sonstige versicherungsfreie Person – Voraussetzung des § 28 Abs 2 SGB 6 – Versicherungspflichtverhältnis)
Trotz Bezugs einer vollen Erwerbsminderungsrente arbeitslosenversichert (Leitsatz Tacheles e. V.)
Orientierungshilfe Redakteur v. Tacheles e. V.
Der von § 26 Abs 2 Nr 3 SGB III vorausgesetzte Bezug einer Rente wegen voller Erwerbsminderung erfordert von einem Träger der gesetzlichen Rentenversicherung nicht nur deren Bewilligung, sondern auch die tatsächliche Auszahlung.
Quelle: www.sozialgerichtsbarkeit.de
2. Entscheidungen der Landessozialgerichte zur Grundsicherung nach dem (SGB II)
2.1 – LSG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 16.11.2022 – L 4 AS 350/21
Leitsätze
Zur Zulässigkeit einer nach Ablauf von mehr als 10 Jahren erhobenen Untätigkeitsklage gegen behördliche Aufforderungsschreiben, die nach ihrem Erlass nicht mit dem Rechtsbehelf des Widerspruchs angegriffen wurden.
Quelle: www.sozialgerichtsbarkeit.de
2.2 – LSG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 22.06.2023 – L 4 AS 92/20
KdUH für einen Zweipersonenhaushalt im Vergleichsraum Umland Naumburg
Leitsätze
1. Die ab 1. Juni 2012 geltende KdUH-Richtlinie des Burgenlandkreises beruht nach der Neuberechnung im Rahmen der Korrektur der Vergleichsräume und nach Gewichtung der ermittelten Richtwerte (Korrekturbericht der Firma A&K von Januar 2020 und der Stellungnahme der Firma A&K vom 3. Mai 2023) für einen Zweipersonenhaushalt auf einem schlüssigen Konzept.
2. Die vom Burgenlandkreis zuletzt gebildeten vier Vergleichsräume sind nicht zu beanstanden. Die früheren Mittelzentren des Landkreises und jetzigen sog zentralen Orte, die Städte Naumburg, Weißenfels und Zeitz, sind die Versorgungskerne in ihrem Einzugsgebiet für die Daseinsvorsorge. Sie stellen mit ihren Einzugsgebieten jeweils homogene Wohn- und Lebensräume dar. Die vorgenommene Unterteilung zwischen der Stadt Naumburg und dem sie umgebenden Umland aufgrund deutlicher Mietpreisunterschiede ist nicht zu beanstanden.
3. Um die Repräsentativität der erhobenen Daten für ein KdUH-Konzept sicherzustellen, ist der Mietwohnungsmarkt wirklichkeitsgetreu abzubilden. Die Datenerhebung muss in ihrer Zusammensetzung und in der Struktur der relevanten Merkmale der Grundgesamtheit möglichst ähnlich sein.
4. Ein KdUH-Konzept ist nicht repräsentativ, wenn institutionelle Vermieter nicht entsprechend ihrem Marktanteil, sondern deutlich überproportional im Verhältnis zu den privaten Vermietern in der Mietwerterhebung vertreten sind. Dieser Mangel kann aktuell durch eine gewichtete Neuberechnung – differenziert nach Nettokaltmieten und Betriebskosten – korrigiert werden, in der private Kleinvermieter einerseits und institutionelle Großvermieter andererseits nach ihrem tatsächlichen Anteil auf dem Mietwohnungsmarkt berücksichtigt werden.
5. Eine Indexfortschreibung mit den Teilindizes des Statistischen Landesamtes für die Entwicklung der Miet- bzw Betriebskosten in Sachsen-Anhalt ist zulässig.
Quelle: www.sozialgerichtsbarkeit.de
2.3 – LSG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 22.06.2023 – L 4 AS 550/15
KdUH für einen Zweipersonenhaushalt in der Stadt Naumburg
Leitsätze
1. Die ab 1. Juni 2012 geltende KdUH-Richtlinie des Burgenlandkreises beruht nach der Neuberechnung im Rahmen der Korrektur der Vergleichsräume und nach Gewichtung der ermittelten Richtwerte (Korrekturbericht der Firma A&K von Januar 2020 und der Stellungnahme der Firma A&K vom 3. Mai 2023) für einen Zweipersonenhaushalt auf einem schlüssigen Konzept.
2. Die vom Burgenlandkreis zuletzt gebildeten vier Vergleichsräume sind nicht zu beanstanden. Die früheren Mittelzentren des Landkreises und jetzigen sog zentralen Orte, die Städte Naumburg, Weißenfels und Zeitz, sind die Versorgungskerne in ihrem Einzugsgebiet für die Daseinsvorsorge. Sie stellen mit ihren Einzugsgebieten jeweils homogene Wohn- und Lebensräume dar. Die vorgenommene Unterteilung zwischen der Stadt Naumburg und dem sie umgebenden Umland aufgrund deutlicher Mietpreisunterschiede ist nicht zu beanstanden.
3. Um die Repräsentativität der erhobenen Daten für ein KdUH-Konzept sicherzustellen, ist der Mietwohnungsmarkt wirklichkeitsgetreu abzubilden. Die Datenerhebung muss in ihrer Zusammensetzung und in der Struktur der relevanten Merkmale der Grundgesamtheit möglichst ähnlich sein.
4. Ein KdUH-Konzept ist nicht repräsentativ, wenn institutionelle Vermieter nicht entsprechend ihrem Marktanteil, sondern deutlich überproportional im Verhältnis zu den privaten Vermietern in der Mietwerterhebung vertreten sind. Dieser Mangel kann aktuell durch eine gewichtete Neuberechnung – differenziert nach Nettokaltmieten und Betriebskosten – korrigiert werden, in der private Kleinvermieter einerseits und institutionelle Großvermieter andererseits nach ihrem tatsächlichen Anteil auf dem Mietwohnungsmarkt berücksichtigt werden.
Quelle: www.sozialgerichtsbarkeit.de
2.4 – LSG Hamburg, Urt. v. 30.06.2023 – L 4 AS 132/22 D
Zur Übernahme von Gerichts- und Anwaltskosten, die anlässlich eines zivilgerichtlichen Rechtsstreits mit der Vermieterin entstanden sind.
Leitsatz Redakteur v. Tacheles e. V.
1. Die Kosten des amtsgerichtlichen Verfahrens gehören nicht zu den Bedarfen für Unterkunft und Heizung im Sinne von § 22 Abs. 1 SGB II.
2. Eine Übernahme von Kosten der Zahlungs- und Räumungsklage als „Annex“ zu den Leistungen nach § 22 Abs. 1 SGB II (zu dieser grundsätzlichen Möglichkeit vgl. BSG, Urteil vom 24.11.2011 – B 14 AS 15/11; ebenso LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 27.6.2017 – L 9 AS 1742/14) kommt vorliegend ebenfalls nicht in Betracht. Ein solcher Anspruch setzt voraus, dass der Leistungsempfänger diesen Kosten gerade aufgrund einer unrichtigen Sachbehandlung durch den Leistungsträger ausgesetzt ist und die Klage nicht selbst verschuldet hat. Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt.
3. Auch eine auf § 22 Abs. 8 SGB II gestützte Übernahme der Kosten des amtsgerichtlichen Verfahrens als Schulden des Klägers kommt nicht in Betracht.
Quelle: www.landesrecht-hamburg.de
3. Entscheidungen der Sozialgerichte zur Grundsicherung nach dem (SGB II)
3.1 keine
4. Entscheidungen der Landessozialgerichte zur Sozialhilfe (SGB XII)
4.1 – LSG Baden-Württemberg Urteil, vom 14.6.2023 – L 2 SO 1789/22
Leitsätze
Nach § 23 Abs. 3 Satz 6 SGB XII kommen (grundsätzlich) auch die Leistungen nach dem 8. Kapitel des SGB XII, also Hilfen zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten, in Betracht.
Quelle: lrbw.juris.de
Hinweis:
veröffentlicht im Tacheles Rechtsprechungsticker KW 31/2023 – Ausländer können auch Hilfen zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten vom Sozialamt erhalten (z. Bsp. Übernahme der Nutzungsentschädigung für die Zurverfügungstellung einer Unterkunft, der Krankenversicherungskosten, die Kostenübernahme der Unterbringung und falls erforderlich Betreuung des Betroffenen in der Einrichtung).
4.2 – LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 14.6.2023 – L 2 SO 2864/21
Leitsätze
1. Sind vom Beklagten keinerlei Daten zur Verfügbarkeit und dem Preis von barrierefreiem Wohnraum erhoben worden, kann dies dazu führen, dass für einen Hilfebedürftigen, der auf einen solchen Wohnraum angewiesen ist, weiterhin die tatsächlichen Kosten der Unterkunft und Heizung zu übernehmen sind.
2. Zur Frage, wann jeweils die sechs-Monats-Frist nach § 141 SGB XII zu berücksichtigen ist.
Quelle: lrbw.juris.de
4.3 – LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 14.6.2023 – L 2 SO 2552/22
Leitsätze
Es bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken dagegen, dass Wohngeldempfänger (auch in sogenannten „Misch-Bedarfsgemeinschaften“ mit Empfängern von Leistungen nach dem SGB XII) keine Einmalzahlung zum Ausgleich der mit der COVID-19 Pandemie in Zusammenhang stehenden Mehraufwendungen nach § 144 SGB XII erhalten haben.
Quelle: lrbw.juris.de
4.4 – LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss v. 03.01.2023 – L 8 SO 39/22 B ER
Leitsätze
Zum Umfang der Eingliederungshilfe nach § 99 Abs 1 und 4 SGB IX (idF v 2. Juni 2021, gültig vom 1. Juli 2021 bis zum 31. Dezember 2022) iVm §§ 1 ff EinglHV bei einer nicht wesentlich behinderten Antragstellerin im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes zur vorläufigen Gewährung eines Persönlichen Budgets für einen Leistungserbringer, dessen Inhaber der gerichtlich bestellte Betreuer der Antragstellerin ist.
Quelle: www.sozialgerichtsbarkeit.de
5. Verschiedenes zu Hartz IV, zur Sozialhilfe, zum Asylrecht, Wohngeldrecht und anderen Gesetzesbücher
5.1 – Medikamente etc. – Bei Hilfe zur Pflege Zuzahlung von max. € 120,48 pro Jahr – ein Beitrag von RA Markus Karpinski
Jeder gesetzlich Versicherte kennt es: Bei Medikamenten, Physiotherapie, Krankenhausaufenthalt, Rehabilitationsmaßnahme müssen Zuzahlungen geleistet werden. Für Menschen, die von Grundsicherung oder Bürgergeld etc. leben galt schon immer, dass die Zuzahlung begrenzt ist auf 1% Prozent bei chronisch Kranken und bei allen anderen Beziehern dieser Sozialleistungen auf 2% der erhaltenen Hilfen zum Lebensunterhalt von im Jahre 2023 € 502 (so genannte Regelbedarfsstufe 1).
Das Landessozialgericht Hamburg hat entschieden, dass dies nun auch für Versicherte gilt, welche Hilfe zur Pflege beziehen (Landessozialgericht Hamburg, Urteil vom 23. März 2023 – L 1 KR 12/22).
weiter: www.anwalt.de
5.2 – Grundsicherung und Bürgergeld: Volle Miete bis Ende 2023 bei Leistungsbezug schon vor 2023 – ein Beitrag von RA Helge Hildebrandt
Welche Reglungen aber gelten für all jene Leistungsbezieher, die bereits vor dem 01.01.2023 Sozialleistungen bezogen haben? Einige Sozialleistungsträger – wie etwa die Landeshauptstadt Kiel – glauben, die Karenzzeit gelte nur für diejenigen, die ab dem 01.01.2023 erstmals Leistungen beantragt haben und fordern deswegen alle anderen Leistungsberechtigten mit zu hoher Miete zur Mietsenkung auf.
Das ist rechtswidrig, wie ein Blick in das Gesetz zeigt:
weiter: sozialberatung-kiel.de
Hinweis Redakteur Tacheles e. V.:
dem Gesagtem zustimmend: vgl. SG München, Beschluss v. 13.02.2023 – S 13 AS 113/23 ER und LSG BB, Beschluss v. 19.06.2023 – L 18 AS 512/23 B ER, R.z. 6
Verfasser des Rechtsprechungstickers: Redakteur von Tacheles Detlef Brock
Quelle: Tacheles-Rechtsprechungsticker