Göttingen/Kassel, den 26.01.2024
Nach einem schweren rassistischen Angriff durch drei Täter auf zwei Bürger des Werra-Meißner-Kreises, die von Anti-Schwarzem Rassismus betroffen sind, hat am 24.01.2024 der Prozess vor dem Amtsgericht Eschwege (Az.: 72 Ls 49823 Js 49823/22 (2/23)) begonnen. Den heute 21- und 24-jährigen Angeklagten wird vorgeworfen, am 14.08.2022 unweit des Open Flair-Festivals zusammen mit einem noch unbekannten Dritten einen heute 55-jährigen Mann aus Eschwege und einen heute 65-jährigen Mann aus Witzenhausen erst rassistisch beleidigt und anschließend beide mehrfach geschlagen, am Boden liegend getreten und dabei erheblich verletzt zu haben. Unmittelbar vor der Tat waren die Geschädigten aufgefordert worden, „sich zurück in ihr Land zu verpissen“.
Die beiden Angeklagten, die auch Besucher des Open Flair-Festivals waren, konnten nur ermittelt werden, weil einer der Geschädigten trotz seiner Verletzungen zwei der flüchtenden Täter in ständigem telefonischem Kontakt mit der Polizei bis auf das Campinggelände des Open Flairs-Festivals verfolgte und die dortige Festival-Security informierte. Dort wurden die beiden Angeklagten anschließend bis zum Eintreffen der Polizei festgehalten.
Die ersten vor dem Amtsgericht vernommenen Zeugen belasteten die beiden Angeklagten nun schwer. Diese bestreiten die Taten weitestgehend, von den Geschädigten wurden sie aber als Täter der gemeinschaftlichen Körperverletzungen wiedererkannt. Die Tathandlungen wurden unabhängig voneinander beschrieben und im weiteren Verlauf der Beweisaufnahme von einem unbeteiligten Augenzeugen bestätigt. Dieser zeigte Zivilcourage und kam den Verletzten zu Hilfe.
“Dieser Angriff ereignete sich in einer belebten Straße, viele Menschen waren unterwegs. Es ist eine bittere Erkenntnis für die beiden Betroffenen, dass gerade einmal zwei Menschen einschritten und ihnen halfen. Diese Tatsache ist insbesondere schwer zu ertragen, da ein Zeuge den Angriff als ‘sehr brutal’ beschrieb. Rechter, rassistisch und antisemitisch motivierter Gewalt muss mit Zivilcourage und konkreter Solidarität mit den Betroffenen begegnet werden – bleibt sie aus, ist das fatal für das Sicherheits- und Zugehörigkeitsgefühl der Betroffenen”, so die Beraterin der Betroffenen von der Beratungsstelle response – Beratung für Betroffene von rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt.
„Mein Mandant ist Diplom-Agraringenieur und lebt seit einigen Jahrzehnten in Deutschland. Er wurde nur wegen seiner Hautfarbe angegriffen und erheblich verletzt. Es bestehen keine Zweifel an einem rassistischen Tatmotiv“, stellt RA Sven Adam fest, der einen der Geschädigten als Nebenklagebevollmächtigten vertritt. „Die Tat hat noch immer erhebliche Verletzungsfolgen für meinen Mandanten. Er erlitt diverse Schürfwunden und Prellungen im Gesicht und Oberkörper, er verlor einen Zahn und musste an etlichen weiteren behandelt werden. Noch heute leidet er an einer behandlungsbedürftigen posttraumatischen Belastungsstörung“, so Sven Adam weiter zu den Folgen der rassistischen Tat.
Insbesondere im Zusammenhang mit Anti-Schwarzem Rassismus ergänzt die Beraterin von response: “Die Betroffenen haben eine massive Gewalttat erlebt, was eine starke psychische Belastung bedeutet. Hinzu kommt, dass Betroffene von Anti-Schwarzem Rassismus ständig die Erfahrung von Ausgrenzung und Diskriminierung machen müssen. Die Täter haben den Betroffenen die Zugehörigkeit ganz konkret abgesprochen, bevor sie sie angriffen. Von diesen Tätern ist einer noch nicht einmal identifiziert und gefunden. Auch das ist ein enormes Belastungsmoment für die Betroffenen. Während sie sich mit den Folgen der Tat auch eineinhalb Jahre danach auseinandersetzen müssen – was ihre medizinische Versorgung betrifft, ihre mentale Verfassung, ihren Wunsch nach juristischer Aufklärung und Gerechtigkeit -, kann diese Person unbehelligt ihr Leben fortsetzen. Für die Betroffenen gibt es diese Möglichkeit nicht.”
Als nächster Prozesstag mit umfangreicher weiterer Beweisaufnahme wurde der 26.02.2024 um 9 Uhr in Sitzungssaal 2 des Amtsgerichts Eschwege terminiert.
Für Rückfragen stehen RA Sven Adam unter den genannten Kontaktdaten und Sarah Teufel von response unter folgenden Kontaktdaten zur Verfügung:
Mail: presse.response@frankfurt-evangelisch.de
Mobil: 01523 7610896