Tacheles Rechtsprechungsticker KW 08/2024

1. Entscheidungen des Bundessozialgerichts zur Grundsicherung/ Bürgergeld (SGB 2)

1.1 – BSG, Urt. v. 27.09.2023 – B 7 AS 17/22 R

Grundsicherung für Arbeitsuchende – abschließende Festsetzung und Erstattung von Leistungen nach § 41a SGB 2 – Ablauf der Jahresfrist des § 41a Abs 5 SGB 2 – Antrag des Leistungsberechtigten auf abschließende Entscheidung – Einreichung von Unterlagen

Zur Frage, unter welchen Voraussetzungen die Fiktion der abschließenden Festsetzung vorläufig bewilligter Leistungen nach § 41a Absatz 5 SGB II nicht gilt.

Quelle: www.sozialgerichtsbarkeit.de

2. Entscheidungen der Landessozialgerichte zur Grundsicherung/Bürgergeld (SGB II)

2.1 – LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 17.10.2023 – L 9 AS 683/23

Leitsätze
1. Bei Streitigkeiten über den Zeitpunkt der Auszahlung bewilligter Leistungen nach dem SGB II ist grundsätzlich die Leistungsklage statthafte Klageart.

2. Über das Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen und die Höhe der jeweils zustehenden Leistungen nach dem SGB II entscheidet der Leistungsträger in Form eines Verwaltungsakts, der die Rechtsgrundlage für den Erhalt der Leistungen darstellt. Die Auszahlung von Leistungen nach dem SGB II nur dem Grunde nach ist unmöglich. Auch wenn nach § 42 Abs. 1 SGB II die Leistungen monatlich im Voraus erbracht werden sollen, kann mit der Leistungsklage nicht zulässigerweise die Auszahlung von Leistungen zeitlich vor der Bewilligung der Leistungen begehrt werden.

Quelle: www.sozialgerichtsbarkeit.de

2.2 – LSG Baden-Württemberg, Beschluss v. 28.07.2023 – L 9 AS 1295/23 ER-B

Leitsätze
Art. 7 Abs. 1 Buchst a) RL 2004/38/EG statuiert nach ihrem Wortlaut („Arbeitnehmer oder Selbständiger im Aufnahmemitgliedstaat“) ein einer Beschäftigung im Aufnahmestaat nachgehendes unionsrechtliches Freizügigkeitsrecht. Hiervon ausgehend kann die Beschäftigung im europäischen Ausland vor Eintritt der Arbeitslosigkeit keinen (nachwirkendenden) Arbeitnehmerstatus in Deutschland i.S.v. Art 7 Abs. 3 der Richtlinie begründen.

Quelle: www.sozialgerichtsbarkeit.de

2.3 – LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 14.11.2023 – L 9 AS 3474/21

Leitsätze
Bei Klagen gegen leistungsablehnende Bescheide, die keine zeitliche Beschränkung enthalten, ist streitgegenständlich der gesamte Zeitraum bis zur letzten mündlichen Verhandlung bzw. Entscheidung der (letzten) Tatsacheninstanz. Allerdings bewirkt ein neuer Leistungsantrag eine Zäsur und begrenzt den streitigen Zeitraum des vorherigen Antrags, unabhängig davon, ob der neue Leistungsantrag bereits beschieden worden ist (im Anschluss an BSG, Urteil vom 6.6.2023 – B 4 AS 4/22 R -, juris Rn. 37).

Quelle: www.sozialgerichtsbarkeit.de

Hinweis Redakteur v. Tacheles e. V.:
In diesem Urteil wird auch noch mal Stellung genommen zur Frage, wann ein Miteigentumsanteil beim Bürgergeld verwertbar ist und das Bürgergeld als Zuschuss oder gar nicht zu erbringen ist.

Orientierungssatz Tacheles e. V.
1. Wird der Auseinandersetzungsanspruch über den Miteigentumsanteil bei der Erbengemeinschaft – wie vorliegend – nicht geltend gemacht, besteht zudem auch kein tatsächliches Verwertungshindernis (vgl. BSG, Urteil vom 27.01.2009 – B 14 AS 42/07 R; LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 24.10.2017 – L 5 AS 1577/15; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 12.04.2016 – L 32 AS 445/16 B ER; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 24.01.2012 – L 13 AS 3113/09 -).

2. Insbesondere stellt das Unterlassen von Verwertungsbemühungen aus familienhafter Rücksichtnahme, wie vorliegend die Sorge vor Konflikten unter den Miterben, kein Verwertungshindernis dar (BSG, Urteil vom 27.01.2009 – B 14 AS 42/07 R).

Rechtstipp Tacheles e. V.:
vgl. aktuell dazu LSG Hamburg, Urt. v. 06.10.2023 – L 4 AS 322/20

2.4 – LSG Baden-Württemberg, Beschluss v. 14.12.2023 – L 9 AS 2756/23 ER-B

Leitsätze
1. Ungeachtet der Tatsache, dass der Bundesagentur für Arbeit als zuständigem Rehabilitationsträger die Feststellung des Rehabilitationsbedarfs obliegt, verbleibt die Entscheidungsbefugnis über die Leistungen, die für behinderte erwerbsfähige Hilfebedürftige erbracht werden, bei den Jobcentern.

2. Die Beurteilung der Eignung betrifft sowohl die körperliche als auch die geistige Leistungsfähigkeit für die angestrebte Maßnahme und die spätere berufliche Tätigkeit und umfasst eine prognostische Komponente, die der vollständigen gerichtlichen Überprüfung unterliegt.

Quelle: www.sozialgerichtsbarkeit.de

2.5 – LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss v. 17.01.2024 – L 32 AS 1179/23 B ER

Regelungsanordnung – Überprüfungsverfahren – Angemessenheit – unbestimmter Rechtsbegriff – Kosten der Unterkunft – Heizung, Auslegung – Prozesskostenhilfe nach Erledigung – AV Wohnen Berlin – Sozialwohnung

Berliner Jobcenter muss volle Mietkosten anerkennen – Vergleich mit Sozialmieten erforderlich, meint der Verein Tacheles e. V.

Bürgergeld:
Wohnraum der nach den Vorgaben des sozialen Wohnungsbaus und des WoGG angemessen ist, kann jedenfalls in angespannten Wohnungsmärkten nicht grundsicherungsrechtlich unangemessen sein (Tacheles e. V.)

Leitsätze
1. Die AV Wohnen Berlin vom 13.12.2022 enthält nach wie vor kein schlüssiges Konzept zur Bestimmung der Grenzen der Angemessenheit der Unterkunftskosten, denn sie ist normativ inkonsistent und daher schon begrifflich nicht schlüssig.

2. Bei Anwendung der um den Faktor 1,1 erhöhten Werte der Wohngeldtabelle (Anlage 1 zu § 12 Abs. 1 WoGG) dürfte § 12 Abs. 7 WoGG (Klimakomponente) zu berücksichtigen sein.

Quelle: www.sozialgerichtsbarkeit.de

Rechtstipp Tacheles e. V.:
ebenso LSG BB, Urt. vom 30.03.2023 – L 32 AS 1888/17 – Berliner Jobcenter muss volle Mietkosten anerkennen – Vergleich mit Sozialmieten erforderlich

2.6 – Sächsisches LSG, Urt. v. 15.12.2023 – L 10 AS 797/20 u. L 10 AS 537/22

Klagewelle zu Wohnkosten: Gericht bestätigt Leipzigs KdU-Werte

Verein Tacheles e. V.: Konzept der Stadt Leipzig zu den Bedarfen für Unterkunft für Ein-Personen-Haushalte wurde durch mehrere LSG Urteile im Grundsatz bestätigt

Leitsätze
Für einen 1-Personen-Haushalt in der Stadt Leipzig liegt für den Zeitraum Dezember 2014 bis Dezember 2016 nach Nachbesserung durch den Senat im Hinblick auf die Berücksichtigung eines Konfidenzintervalles ein schlüssiges Konzept vor.

Quelle: www.sozialgerichtsbarkeit.de und www.sozialgerichtsbarkeit.de

S. a. dazu:
LSG Sachsen, Pressemitteilung vom 22.01.2024

Der 10. Senat und der 4. Senat des Sächsischen Landessozialgerichts haben mit Urteilen vom 15. Dezember 2023 und vom 19. Dezember 2023 in unterschiedlichen Verfahren über die Höhe der angemessenen Kosten der Unterkunft einschließlich Betriebskostenvorauszahlungen in der Stadt Leipzig entschieden.

Gegenstand der Prüfung waren die inzwischen durch teilweise geänderte Folgekonzepte abgelösten sog. KdU-Richtlinien von 2014 (10. Senat) und 2018 (4. Senat), die auf den vom Stadtrat der Stadt Leipzig beschlossenen Konzepten beruhten.

weiter: www.datev-magazin.de

Hinweis Tacheles e. V.:
hier das Urteil des 4. Senats LSG Sachsen zu Leipziger KdU

Sächsisches LSG, Urt. v. 19.12.2023 – L 4 AS 107/20 – veröffentlicht im Tacheles Rechtsprechungsticker KW 06/2024

2.7 – Sächsisches LSG, Urt. v. 29.08.2023 – L 4 AS 834/17 – Revision zum BSG zugelassen

Bürgergeld/Grundsicherung – – Einkommensberücksichtigung – Gewinne aus dem Betrieb einer Photovoltaik-Anlage – keine Absetzung von Erwerbstätigenfreibeträgen – kein Einkommen aus Erwerbstätigkeit – kein Einsatz der eigenen Arbeitskraft

Bürgergeld/Grundsicherung:
1. Gewinne aus dem Betrieb einer Photovoltaik-Anlage sind beim Bürgergeld als Einkommen zu berücksichtigen. Keine Absetzung von Erwerbstätigenfreibeträgen, denn es ist kein Einkommen aus Erwerbstätigkeit (Verein Tacheles e. V.).

Dazu der Verein Tacheles e. V.:

Urheberrechtsschutz
1. Bei Gewinnen aus dem Betrieb einer Photovoltaikanlage handelt es sich um Einkünfte, die bei der Berechnung des Leistungsanspruchs nach dem SGB II grundsätzlich als Einkommen zu berücksichtigen sind.

2. Es handelt sich bei den Gewinnen aus dem Betrieb einer Photovoltaikanlage nicht um Einkommen aus einer Erwerbstätigkeit im Sinne des § 11b SGB II. Es besteht kein Anspruch auf Absetzung von Erwerbstätigenfreibeträgen nach § 11b Abs 2 sowie Abs 1 S 1 Nr 6 iVm Abs 3 SGB II, dem zustimmend LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 23.02.2018 – L 1 AS 3710/16 – (Tacheles Rechtsprechungsticker KW 11/2018) und SG Oldenburg, Urteil vom 25.01.2018 – S 32 AS 1096/16 – (Tacheles Rechtsprechungsticker KW 20/2018 https://anwaltskanzlei-adam.de/2018/05/15/tacheles-rechtsprechungsticker-kw-20-2018).

Leitsätze www.sozialgerichtsbarkeit.de
1. Erwerbstätig i.S.d. § 11b Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 SGB II a.F. ist, wer in einem bestimmten zeitlichen Umfang eine wirtschaftlich verwertbare Arbeitsleistung erbringt.

2. Allein die steuerrechtliche Einordnung der Einnahmen aus einer Photovoltaikanlage macht denjenigen, dem diese Einnahmen zufließen, nicht zu einem erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, der i.S.d. § 11b Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 SGB II erwerbstätig ist.

3. Entscheidungen der Sozialgerichte zum Bürgergeld (SGB II)

3.1 – SG Reutlingen, Urt. v. 17.02.2022 – S 7 AS 716/21 (n. veröffentlicht – Urheberrechtsschutz beachten)

Bürgergeld/Grundsicherung:
Der Umzug ist grundsätzlich in eigener Regie durchzuführen, was aus dem Grundsatz folgt, dass die Leistungen nach dem SGB II lediglich Hilfe zur Selbsthilfe vermitteln.

ABER:
Umzugsfirma für alleinerziehende und psychisch angeschlagene Mutter zu Lasten des Jobcenters, denn anders als das JobCenter meint der Verein Tacheles:

Ein Umzug kann – nicht in Eigenregie – durchgeführt werden,
1. Wenn Ihr beim Umzug erst zwei Jahre alter Sohn (grad Operation an der Herzklappe gehabt) während des Umzugs eine durchgehende Aufsicht und Betreuung benötigte und

2. die Mutter psychisch angeschlagen und in ihrer Alltagskompetenz eingeschränkt war.

Orientierungssatz Verein Tacheles e. V. (Urheberrechtsschutz)
1. Leistungsberechtigte sind grundsätzlich gehalten, die Kosten eines Umzugs im Wege der Selbsthilfe zu minimieren, das heißt, sie müssten einen Umzug grundsätzlich selbst organisieren und durchführen.

2. Jedenfalls dann, wenn der Leistungsberechtigte den Umzug selbst, sei es aus Altersgründen oder krankheitsbedingt sowie Betreuung von Kleinkindern, Behinderungen oder medizinische Gründe oder das zumutbare und mögliche Maß an Selbsthilfe ausgeschöpft ist (siehe SG Stralsund Az. S 9 AS 107/20), nicht vornehmen kann, kann auch die Übernahme der Kosten für einen gewerblichen Anbieter in Betracht kommen.

Rechtstipp v. Tacheles e. V.:
SG Stralsund, Gerichtsbescheid vom 5. Juni 2020 – S 9 AS 107/20 –

1. Bestätigt der Leistungsträger die Erforderlichkeit eines Umzuges im Hinblick auf eine weite Entfernung zum Umzugsort und unterlässt dieser eine Aufklärung, dass der Umzug vollständig in “Selbsthilfe” durchzuführen ist, liegt betreffend der Übernahme des günstigsten Umzuskostenangebotes eines gewerblichen Umzugsunternehmens eine Ermessensreduzierung auf “0” vor.

2. Bestand danach für die Leistungsberechtigten unter dem Gesichtspunkt der zumutbar abzuverlangenden Selbsthilfe keine andere Möglichkeit der Durchführung des Umzugs, ist das Ermessen des Beklagten zur Höhe der als Bedarf anzuerkennen Umzugskosten auf “0” reduziert und die Entscheidung hinsichtlich des günstigsten Kostenvoranschlags gebunden.

Hinweis Tacheles e. V.:
Schon etwas älter, doch gilt immer noch, sollten Bürgergeldempfänger wissen:

Die Behörde darf bei einem Umzug nicht abstrakt auf die Hilfe von Freunden und Bekannten verweisen!!

1. Der Leistungsberechtigte muss bei Vorbereitung und Durchführung eines Umzugs auf möglichst geringe Kosten achten (BSG vom 6.5.2010 – B 14 AS 7/09 R: »Die in § 2 SGB II zum Ausdruck gekommene Obliegenheit zur Eigenaktivität kann als Auslegungshilfe bei der Allwendung und Interpretation aller Regelungen, die Rechte und Pflichten der Leistungsberechtigten normieren, herangezogen werden.«).

2. Als Ausnahmen werden Alter, Krankheit oder Behinderung und das Vorhandensein von Kleinkindern aufgeführt.

3. Aber auch sonstige in der Person liegenden Gründe: Wenn man nicht im Besitz eines entsprechenden Führerscheins ist und weder Verwandte, Freunde oder Bekannte zur Verfügung stehen, ist ein Umzug in Eigenregie nicht möglich und die Kosten für einen gewerblichen Umzug sind vom Jobcenter zu übernehmen (vgl. BSG, Urt. v. 15.11.2012 – B 8 SO 25/11 R, Rn 21; SG Lüneburg, Beschl. v. 11.02.2013 – S 45 AS 50/13 ER, Rn 11 u. 12).

4. Soweit möglich und zumutbar, kann das Jobcenter daher auf Selbsthilfeleistungen verweisen (eigener Abbau, Einpacken und Aufstellen der Möbel in der neuen Wohnung). Der Leistungsberechtigte ist auch gehalten, Familienmitglieder, Angehörige oder Freunde ernsthaft um Hilfe zu bitten (LSG Sachsen-Anhalt vom 27.11.2012 – L 5 AS 902/12).

5. Allerdings sind Angehörige oder Freunde nicht verpflichtet, für einen Leistungsberechtigten einen Umzug durchzuführen. Familienmitglieder sind nur als BG-Mitglieder zur Umzugshilfe verpflichtet. Die Notwendigkeit professioneller Hilfe kann deshalb nicht allein mit Verweis auf Freunde und Angehörige abgelehnt werden (BSG vom 15.11.2012 – B 8 SO 25/11 R; SG Lüneburg vom 11.2.2013 – S 45 AS 50/13 ER). (Vgl.Geiger in Unterkunfts- und Heizkosten nach dem SGB II – Das Handbuch, §. Aufl., Stand: 01.05.2015, S. 308 f.)

4. Entscheidungen der Landessozialgerichte zum Arbeitsförderungsrecht (SGB III)

4.1 – LSG Baden-Württemberg, Beschluss v. 20.11.2023 – L 8 AL 2913/23 ER-B

Bürgergeld:
Für die darlehensweise Übernahme von Energieschulden ist das Ausschöpfen vorrangiger Selbsthilfemöglichkeiten vorauszusetzen (Verein Tacheles e. V.)

Leitsätze
1. Zum fehlenden Anspruch auf Alg eines deutschen Arztes, der nach einer abhängigen Beschäftigung in der Schweiz zurück nach Deutschland gezogen ist, zu keinem Zeitpunkt Grenzgänger war, und die Bescheinigung des Schweizer Trägers der Sozialversicherung über die in der Schweiz zurückgelegten Zeiten nicht vorgelegt hat.

2. Zum Fehlen der Anspruchsvoraussetzungen für einen Gründungszuschuss in einem solchen Fall.

3. Im einstweiligen Rechtsschutzverfahren ist es nicht möglich, neben auf das SGB III gestützten Hauptanträgen einen Hilfsantrag auf Gewährung von (weiteren) Leistungen nach dem SGB II zu stellen, da hierdurch unklar bleibt, ob insoweit ein Verfahren gegen den bedingt in Anspruch genommenen Leistungsträger besteht (Verbot der subjektiven Antragshäufung auf der Seite des Antragsgegners).

4. Zum fehlenden Anordnungsgrund (hinsichtlich der Gewährung von Leistungen nach dem SGB III) eines arbeitslosen Arzt-Ehepaares, welches Leistungen nach dem SGB II bezieht und die Aufnahme einer abhängigen Beschäftigung auch für eine Zwischenzeit mit der Begründung ablehnt, es komme nur eine von der Bundesagentur für Arbeit zu fördernde Praxisgründung in Betracht, und beide Elternteile stünden wegen der Erziehung der beiden gemeinsamen Kleinkinder nicht für eine abhängige Beschäftigung zur Verfügung.

Quelle: www.sozialgerichtsbarkeit.de

4.2 – LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss v. 17.11.2023 – L 14 AL 61/23 B ER

Leitsätze
Die Assistenz in Form notwendiger Schulbegleitung für den Besuch der Berufsschule im Rahmen einer dualen Ausbildung ist eine Hilfe zur schulischen Ausbildung für einen Beruf nach § 112 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB IX. Denn der Vorschrift ist eine Einschränkung, dass die schulische Aus- oder Weiterbildung im Rahmen einer dualen Ausbildung nicht gefördert werden darf, nicht zu entnehmen.

Quelle: www.sozialgerichtsbarkeit.de

5. Entscheidungen der Landessozialgerichte zur Sozialhilfe (SGB XII)

5.1 – SG München, Beschluss v. 28.08.2023 – S 46 SO 274/23 ER

Leitsätze
Ein Eilantrag mit dem Ziel, der Behörde zu untersagen, vor der nächsten Leistungsbewilligung bestimmte Urkunden anzufordern, ist auf vorbeugenden Rechtsschutz gerichtet und als Sicherungsanordnung nach § 86b Abs. 2 S. 1 SGG statthaft.

Quelle: www.sozialgerichtsbarkeit.de

Rechtstipp Tacheles e. V.:
S. a. Dazu: SG München, Beschluss v. 08.08.2023 – S 46 SO 266/23 ER –

Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung:

1. Bewilligungszeitraum von weniger als sechs Monaten ist möglich (Tacheles e. V.)

2. Dass sich bei einer rechtmäßigen Beschränkung des Bewilligungszeitraum auf drei Monate durchgängige Kontoauszüge ergeben, ist nicht zu beanstanden (Tacheles e. V.)

Leitsätze
Im Rahmen einer einstweiligen Anordnung kann eine Behörde wegen des Verbots der Vorwegnahme der Hauptsache vom Gericht grundsätzlich nicht zum Erlass eines Verwaltungsaktes verpflichtet werden. Der Bewilligungszeitraum für Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung kann bei einer entsprechenden sachlichen Begründung auch weniger als sechs Monate betragen.

Quelle: www.sozialgerichtsbarkeit.de

Hinweis Tacheles e. V.
Zu beiden Beschlüssen des SG München 46. Kammer:

LSG Bayern, Beschluss v. 24.11.2023 – L 8 SO 176/23 B ER (n.v.) – Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht Az.: – 1 BvR 2397/23 – abgelehnt

Quelle: dejure.org

5.2 – LSG Hamburg, Urt. v. 14.12.2023 – L 4 SO 51/22 D

Anforderungen an den Nachweis des wirksamen Zugangs eines Urteils im Wege der elektronischen Übermittlung

Orientierungssatz
1. Bei der Zustellung eines Dokuments durch Empfangsbekenntnis (EB) ist Zustellungsdatum der Tag, an dem der Zustellungsadressat vom Zugang des übermittelten Schriftstücks persönlich Kenntnis erlangt. Zu den Personen, denen gegenüber die elektronische Zustellung gemäß § 173 Abs. 3 ZPO erlaubt ist, zählen Rechtsanwälte. (Rn.42)

2. Das Fehlen eines elektronischen oder schriftlichen EB´s hindert die Wirksamkeit der Zustellung nicht in jedem Fall. Bei fehlendem Nachweis gilt gemäß § 189 ZPO der tatsächliche Zugang. (Rn.44)

3. Hat das Büro des Rechtsanwalts dem Sozialgericht telefonisch die Übersendung des EB ausdrücklich zugesagt und ist der Zugang des Dokuments von dem Rechtsanwalt nicht bestritten worden, so gilt der Nachweis des Zugangs durch die elektronische Übersendung als geführt. (Rn.45)

Quelle: www.landesrecht-hamburg.de

5.3 – LSG NSB, Beschluss v. 17.03.2020 – L 8 SO 7/20 B ER (n. v. – Urheberrechtsschutz)

Sozialhilfe – Unterkunft und Heizung – Schädlingsbekämpfungskosten als Beihilfe oder Darlehen

Zur Anspruchsgrundlage für die Übernahme einer Schädlingsbekämpfung (Bettwanzenbefall) in der Sozialhilfe (SGB XII) – Verein Tacheles e. V.

Orientierungssatz Tacheles e. V.:
1. Die Übernahme der Kosten für die Schädlingsbekämpfung nach § 19 Abs. 3 SGB XII i.V.m. §§ 41, 42 Nr. 4 bzw. 5 SGB XII und § 35 f. SGB XII oder § 37 SGB XII – zumindest als Darlehen – wurden glaubhaft gemacht.

2. Auch ein Anspruch auf Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten nach §§ 67, 68 SGB XII ist nicht von vorneherein ausgeschlossen.

3. Sollte der geltend gemachte Bedarf den Leistungen für Unterkunft i.S. des § 35 Abs. 1 Satz 1 SGB XII zuzuordnen sein (so etwa SG Reutlingen, Beschluss vom 13.11.2019 – S 4 AS 2464/19 ER;
a.A. für einen – hier wohl nicht anzunehmenden – “Fehlgebrauch” einer Wohnung – “Messie” – LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 8.3.2012 – L 13 AS 22/12 B ER -), kommt die Gewährung einer Beihilfe oder eines Darlehens nach § 35 Abs. 1 Satz 1 SGB XII oder § 36 Abs. 1 SGB XII in Betracht; die Schädlingsbekämpfung dürfte hier jedenfalls eine “vergleichbare Notlage” i.S. des § 36 Abs. 1 Satz 1 SGB XII darstellen, weil mit dem  Bettwanzenbefall die (zumutbare) Nutzung der Wohnung des Antragstellers nicht gewährleistet gewesen ist.

4. Sollten die Kosten der Schädlingsbekämpfung nicht dem Bedarf an Unterkunft i.S. des § 35 Abs. 1 SGB XII zuzuordnen sein, kommt auch eine Darlehensgewährung nach § 37 SGB XII in Betracht (vgl. zu dem umstrittenen Verhältnis dieser Normen zueinander hierzu bereits Senatsbeschluss vom 14.9.2005 – L 8 AS 125/05 ER -).

Siehe auch:
Bürgergeld: Bettwanzen bekämpfen – Kosten zahlt Jobcenter? Ein Beitrag mit Anmerkung zu SG Reutlingen, Beschluss vom 13.11.2019 – S 4 AS 2464/19 ER

weiter: www.buerger-geld.org

6. Verschiedenes zum Bürgergeld, zur Sozialhilfe, zum Asylrecht, Wohngeldrecht und anderen Gesetzesbücher

6.1 – Zahlen für NRW

Ungerechtigkeit beim Bürgergeld – es gibt riesige Unterschiede bei Wohnkosten

Düsseldorf · Viele Bürgergeld-Empfänger kommen mit den Wohnkosten, die ihnen ihre Kommunen zugestehen, in Wahrheit nicht aus. Teils müssen sie jeden Monat erhebliche Summen aufbringen. Wo Betroffene in NRW am stärksten zur Kasse gebeten werden – und was das Land dazu sagt.

weiter: rp-online.de

6.2 – SG Bremen: Ergänzende Leistungen für Fahrtkosten im Rahmen einer Stufenweisen Wiedereingliederung

Das Sozialgericht Bremen (SG Bremen) hat die Deutsche Rentenversicherung Bund (DRV) am 26. Oktober 2023 zur Übernahme von Fahrtkosten im Rahmen einer Stufenweisen Wiedereingliederung verurteilt. Die stufenweise Wiedereingliederung nach § 44 SGB IX stelle eine eigenständige Leistung zur medizinischen Rehabilitation i. S. v. § 42 Abs. 1 SGB IX dar. Hiermit einhergehende Fahrtkosten sind gemäß § 73 Abs. 1 Satz 1 SGB IX als ergänzende Leistungen zur medizinischen Rehabilitation im Sinne von § 64 Abs. 1 Nr. 5 SGB IX zu übernehmen (S 14 R 125/19).

weiter: www.reha-recht.de

6.3 – Konzepte 2013 und 2016 des Landkreises Bautzen für den Vergleichsraum 5 (Kamenzer Land) für Unterkunft für einen Drei-Personen-Haushalt bestätigt

Der 7. Senat des Sächsischen Landessozialgerichts hat mit Urteilen vom 14.12.2023 in drei Verfahren entschieden, wie hoch die angemessenen Kosten der Unterkunft im Landkreis Bautzen, Vergleichsraum 5 (Kamenzer Land), für einen Drei-Personen-Haushalt sein dürfen.

weiter: www.justiz.sachsen.de

Hinweis:
Sächsisches LSG, Urt. v. 14.12.2023 – L 7 AS 869/18 u. – L 7 AS 870/18 wurde veröffentlicht im Tacheles Rechtsprechungsticker KW 05/2024

6.4 – Newsletter von RA Volker Gerloff 02/2024

Auszug:
1. SG Neuruppin: § 1a-Anwendung ist rechtswidrig

Das SG Neuruppin stärkt die Ansicht, dass die Anwendung von § 1a Abs. 3 AsylbLG rechtswidrig ist, wenn nicht gleichzeitig durch die Behörde ein Weg gefunden wird, die Kostenübernahme für die geforderten Mitwirkungen zu übernehmen (Ticket für Fahrt zur Botschaft; Botschafts-Gebühren etc.) – es kann schließlich unmöglich richtig, sein, jemandem das Geld für den ÖPNV/Fernverkehr; Telekommunikation etc. zu streichen (gedeckt werden dürfen nur Bedarfe für Unterkunft, Ernährung, Körper- und Gesundheitspflege [Bett-Brot-Seife] und im Einzelfall für Kleidung) und ihm:ihr gleichzeitig vorzuwerfen, nicht zur Botschaft zu fahren etc. (SG Neuruppin, Beschluss vom 25.01.2024 – S 27 AY 28/23 ER).

2. weiter hier: www.ra-gerloff.de

Wichtiger Hinweis:
Nicht veröffentlichte Urteile (gekennzeichnet durch n. v.), Anmerkungen bzw. Urteilsbesprechungen von Rechtsanwälten, welche wir von Gerichten, Rechtsanwälten oder Privatkunden erhalten, dürfen zitiert werden, aber nur mit Quellhinweis Verein Tacheles, alles andere stellt eine Urheberrechtsverletzung dar.
Danke!

Auch die Hinweise, Leitsätze und Rechtstipps im Ticker sind mit der Quelle: Hinweis von Tacheles zu kennzeichnen, alles Andere stellt eine Urheberrechtsverletzung dar.

Die Veröffentlichung unterliegt der Creative-Commons-Lizenz CC–BY-SA 3.0 Lizenz.

Jede Verwendung von urheberrechtlich geschützten Werken im Internet, die ohne Zustimmung des Urhebers bzw. Rechteinhabers erfolgt, ist eine Urheberrechtsverletzung. Zitate aus dem Ticker erfordern immer eine Quellenangabe!

Verfasser des Rechtsprechungstickers: Redakteur von Tacheles Detlef Brock
Quelle: Tacheles-Rechtsprechungsticker