Oberlandesgericht Braunschweig – Beschluss vom 06.08.2012 – Az.: Ws 241/12

BESCHLUSS

In der Strafsache
gegen

xxx,
– Verteidiger:  Rechtsanwalt Sven Adam, Lange Geismarstraße 55, 37073 Göttingen –

wegen Körperverletzung
hier: Beschwerde gegen eine unterbliebene Auslagenentscheidung

hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Braunschweig am 6. August 2012 beschlossen:

Auf die sofortige Beschwerde des Freigesprochenen wird der Beschluss des Landgerichts Göttingen vom 31.01.2012 dahingehend ergänzt, dass die dem Freigesprochenen im Berufungsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen der Staatskasse auferlegt werden.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der dem Beschwerdeführer insoweit entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Landeskasse zur Last.

GRÜNDE
I.
Mit Urteil des Amtsgerichts Göttingen vom 04.07.2011 war der Freigesprochene vom Vorwurf der Körperverletzung freigesprochen worden. Hiergegen hat die Staatsanwaltschaft Göttingen am 06.07.2011 Rechtsmittel eingelegt, welches später von ihr als Berufung bezeichnet und am 30.01.2012 wieder zurück genommen worden ist. Daraufhin hat das Landgericht Göttingen mit Beschluss vom 31.01.2012 die Kosten des Berufungsverfahrens der Staatskasse auferlegt, hat es jedoch versäumt, auch eine Entscheidung über die notwendigen Auslagen des Freigesprochenen zu treffen. Der vorgenannte Beschluss wurde nicht verkündet, sondern dem Freigesprochenen und seinem bevollmächtigten Verteidiger gem. gerichtlicher Verfügung vom 31.01.2012 jeweils – formlos – übersandt.

Mit Schriftsatz vom 31.01.2012 hat der Verteidiger die Festsetzung der Gebühren und Auslagen auch für das Berufungsverfahren beantragt, was die Bezirksrevisorin beim Landgericht Göttingen zum Anlass nahm, darauf hinzuweisen, dass es hinsichtlich der geltend gemachten notwendigen Auslagen des Freigesprochenen (für die Berufungsinstanz) an einer Kostengrundentscheidung fehle. Daraufhin hat der Verteidiger mit Schriftsatz vom 21.06.2012 sofortige Beschwerde gegen den Beschluss des Landgerichts Göttingen vom 31.01.2012 eingelegt. Die Bezirksrevisorin hält das Rechtsmittel für unzulässig, weil es verspätet eingelegt worden sei.

Die Generalstaatsanwaltschaft unterstützt hingegen die Beschwerde und hat beantragt wie erkannt.

II.
Die sofortige Beschwerde ist zulässig. Der Senat schließt sich insoweit der Generalstaatsanwaltschaft an, die ihren Antrag wie folgt begründet hat.

„§ 464 Abs. 3 5. 1 StPO eröffnet die sofortige Beschwerde auch gegen selbständige Kosten- und Auslagenentscheidungen (KG Berlin, Beschluss v. 05.11.1997, 5 Ws 665/97, juris m .w. N.).

Die nach der Rücknahme der Berufung gem. § 473 Abs. 1 S. 1 StPO ergehende selbständige Kostenentscheidung unterliegt auch nicht den Beschränkungen des § 464 Abs. 3 S.  1  Hs. 2 StPO, weil die ursprüngliche Statthaftigkeit der Berufung gegen die Hauptentscheidung nicht durch deren Rücknahme aufgehoben wird (vgl. KG Berlin, Beschluss v. 05.07.2007, 1 Ws 92/07, juris m.w.N.). Ein Rechtsmittel ist im Sinne des § 464 Abs. 3 S. 1 StPO lediglich dann „nicht statthaft”, wenn es — anders als vorliegend – nach der Art der Entscheidung schlechthin unzulässig oder der Rechtsmittelführer grundsätzlich nicht zu der Einlegung des Rechtsmittels befugt ist (KG Berlin a.a.O.). Dass der Freigesprochene selbst mangels Beschwer die Hauptentscheidung nicht hätte anfechten können, steht der Statthaftigkeit der sofortigen Beschwerde gegen die Kostenentscheidung dabei nicht entgegen (vgl. OLG Hamm, Beschluss v. 19.05.2005, 3 Ws 212/05, juris; Meyer-Goßner, 55. Auflage, § 464, Rn. 19).

Auch die Zulässigkeitsvoraussetzung des § 304 Abs. 3 StPO ist erfüllt, da der Wert des Beschwerdegegenstands 200,00 € übersteigt.

Die sofortige Beschwerde ist auch rechtzeitig eingelegt worden. Der angefochtene Beschluss ist weder gem. § 35 Abs. 1 StPO verkündet noch gem. § 35 Abs. 2 S. 1 StPO durch förmliche Zustellung bekanntgemacht worden. Die Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde gem. § 311 Abs. 2 StPO ist somit nicht in Lauf gesetzt worden (vgl. Meyer-Goßner a.a.O., § 311, Rn. 2).

Die sofortige Beschwerde erscheint auch begründet.

Nachdem die Staatsanwaltschaft die von ihr eingelegte Berufung zurückgenommen hat, sind der Staatskasse nicht nur die Kosten dieses Rechtsmittels (§ 473 Abs. 1 S. 1 StPO), sondern gem. § 473 Abs. 2 S. 1 StPO auch die dem Freigesprochenen im Berufungsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen aufzuerlegen.

Danach ist die vom Landgericht Göttingen in dem Beschluss vom 31.01.2012 unterlassene Entscheidung über die notwendigen Auslagen des Freigesprochenen ergänzend nachzuholen. Dem steht auch nicht die fehlende Möglichkeit der Nachholung einer zunächst unterbliebenen Auslagenentscheidung durch Urteil oder Beschluss entgegen (vgl. BGH NStZ-RR 1996, 352; Meyer-Goßner a.a.O., § 464, Rn. 8 m.w.N.), weil es vorliegend nicht um eine Berichtigung durch das erkennende Gericht, sondern um eine Ergänzung im Rahmen einer sofortigen Beschwerde geht (vgl. OLG Hamm, Beschluss v. 12.07.2001, 2 Ws 141/01; Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Auflage, § 464, Rn. 32).”

Dem ist nur noch hinzuzufügen, dass die von der Bezirksrevisorin für ihre abweichende Ansicht herangezogene Entscheidung des Landgerichts Göttingen (Beschluss vom 30.05.2012 – 2 Qs 17/12) gerade nicht die Fallgestaltung der vorliegenden Sache betrifft, sondern die Frage beleuchtet, ob offensichtlich falsche, so nicht gewollte, aber gleichwohl rechtskräftig gewordene Kosten- und Auslagengrundentscheidungen noch im Kostenfestsetzungsverfahren korrigiert werden können. Dass eine solche Korrektur aber im Beschwerdeverfahren möglich ist, setzt der genannte Beschluss gerade voraus und weist darauf sogar ausdrücklich hin.

III.
Da das Rechtsmittel somit vollen Erfolg hat, beruht die Kostenentscheidung (für das Beschwerdeverfahren) auf einer entsprechenden des § 467 Abs. 1 StPO.