BESCHLUSS
In dem Verwaltungsstreitverfahren
des Herrn xxx,
Klägers und Zulassungsantragsgegners,
bevollmächtigt: Rechtsanwalt Sven Adam, Lange Geismarstraße 55, 37073 Göttingen,
gegen
das Land Hessen, vertreten durch xxx;
Beklagter und Zulassungsantragsteller,
wegen Polizeirechts -Aufenthaltsverbot nach § 31 Abs.3 HSOG-
hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof – 8. Senat – durch
xxx, xxx, xxx
am 1. Februar 2017 beschlossen:
Der Antrag des Beklagten auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 1. Dezember 2014 – 5 K 2486/13.F – wird abgelehnt.
Der Beklagte hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000,00 € festgesetzt.
GRÜNDE
I.
Gegenstand des Verfahrens ist ein gegenüber dem Kläger anlässlich der Blockupy-Demonstration in Frankfurt am Main am 1. Juni 2013 ausgesprochenes Aufenthaltsverbot.
Am 1. Juni 2013 nahm der Kläger an dem Aufzug „Blockupy Frankfurt – europäische Solidarität gegen das Krisenregime von EZB und Troika“ teil.
Nach dem Bericht des Geamteinsatzleiters vom 05.07.2013 wurde beobachtet, wie bereits in der Sammelphase des Aufzugs am Basler Platz aus einem Lautsprecherwagen heraus, um den herum sich eine fast komplett schwarzgekleidete Gruppe gebildet hatte, Schutzschilde abgeladen wurden und umstehende Personen Sturmhauben, Tücher, Kapuzen, Sonnenbrillen und Handschuhe überzogen und selbstgebastelte Plastikvisiere trugen. Nach Beginn des Aufzugs um 12:25 Uhr bildete sich vor dem Lautsprecherwagen ein Bereich, der sich nach allen Seiten durch zusammengeknotete Transparente, die zum Teil mit Fahnenstangen und längsseitig verborgenen Holzstangen verstärkt wurden, abgrenzte. In diesem Bereich wurden Schirme, deren es wetterbedingt nicht bedurft hätte, aufgespannt, wodurch dieser Bereich sich weitgehend der Sicht entzogen hatte. Hinter dem Lautsprecherwagen waren die Teilnehmer komplett schwarz gekleidet und ein Großteil von ihnen war vermummt oder dabei sich zu vermummen. Nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts Frankfurt im Parallelverfahren 5 K 2334/13.F ging dieser in Formation befindliche Bereich des Demonstrationszuges mehr oder weniger nahtlos in den nicht formiert marschierenden folgenden Teil der Versammlung über, weshalb hier kein derart klar abgegrenzter Bereich vorhanden war wie vor dem Lautsprecherwagen. In beiden Bereichen wurden Plastikvisiere getragen. Der zwischen diesen Aufzugsbereichen fahrende Lautsprecherwagen der Versammlungsteilnehmer gab unter anderem folgende Durchsagen ab: „Heute lassen wir es krachen…“ und „wir hauen Euch die Stadt kaputt“. In beiden Bereichen liefen die Teilnehmer dicht gestaffelt. Erste pyrotechnische Gegenstände wurden in den Bereichen gezündet, die ebenso wie Flaschen aus den Bereichen heraus auf Einsatzkräfte geworfen wurden. Im vorderen Bereich wurden Farbbeutel verteilt. Um 12:37 Uhr stellten polizeiliche Einsatzkräfte fest, dass auf der Aufzugsstrecke der Asphalt einer Verkehrsinsel aufgebrochen worden war und größere Steine herumlagen. Daraufhin zog die Polizei vor und hinter diesen beiden Bereichen des Aufzuges zwei Polizeiketten ein, die die dazwischen befindlichen Teilnehmer einschlossen. Dies brachte den Aufzug hinter der zweiten polizeilichen Absperrkette zum Stehen. Während der folgenden Einkesselung der als problematisch eingestuften Versammlungsteilnehmer gab es Kontakte zwischen polizeilichen Verbindungsbeamten und dem Versammlungsleiter sowie von diesem zu einem Plenum der separierten Teilnehmer, in denen Modalitäten der Fortsetzung des Aufzuges ohne Erfolg verhandelt wurden. Daraufhin erfolgte ein Ausschluss der separierten Personen, zu denen auch der Kläger gehörte, aus der Versammlung nach § 19 Abs. 4 VersG. Die Polizei stellte dann an 15 Video-Durchlassstellen, durch die die Eingeschlossenen die Umschließung verlassen konnten, die Identität von 943 separierten Personen fest, durchsuchte sie und behandelte sie erkennungsdienstlich (Videografierung). Bei Durchführung der polizeilichen Maßnahmen kam es wiederholt zu Widerstand gegen die eingesetzten Polizeikräfte, die unter anderem mit Regenschirmen und Holzlatten attackiert wurden. 229 der kontrollierten Personen waren in den polizeilichen Auskunftssystemen erfasst, wovon bei 119 der Hinweis „Straftäter linksmotiviert“, bei 2 Personen der Hinweis „Straftäter rechtsmotiviert“ und bei 4 Personen der Hinweis „gewalttätig (GEWA) Sport“ vermerkt war und bei 106 Personen sonstige polizeiliche Erkenntnisse vorlagen. Gegen alle kontrollierten Personen sprach die Polizei ein Aufenthaltsverbot für die Frankfurter Innenstadt, die Liegenschaft der Universität und für die Bereiche der EZB, der Bundesbank, des Polizeipräsidiums und des Verwaltungsgerichts bis 7:00 Uhr des Folgetages aus, wobei – jedenfalls dem Kläger – eine farbige Karte mit der Verbotszone ausgehändigt wurde. Wegen der Einzelheiten des räumlichen Bereichs wird auf die Anlage 1 zur Klageschrift (Bl 15 d.A.) Bezug genommen. Im Aufenthaltsbereich der ausgeschlossenen Teilnehmer wurden Schutzwaffen, Pyrotechnik (Bengalfackeln und -töpfe, Rauchfackeln und -töpfe, Rauchbomben, Kugelbomben und Knallkörper), mit Farbe und Sand gefüllte Glasflaschen, Vermummungsgegenstände und Schlagwerkzeuge sichergestellt. Die pyrotechnischen Gegenstände waren nicht mit dem erforderlichen Kennzeichen versehen. Gegen den Kläger wurde ein staatsanwaltliches Ermittlungsverfahren eingeleitet (6140 Js 247490/13), das mangels hinreichenden Tatverdachts gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt wurde.
Am 17. Juli 2013 hat der Kläger mit mehreren Feststellungsbegehren Klage beim Verwaltungsgericht Frankfurt am Main erhoben, die mit Ausnahme des gegen das Aufenthaltsverbot gerichteten Antrags mit Beschluss des HessVGH vom 12. März 2014 – 8 F 194/14 – an das Amtsgericht Frankfurt a. M. verwiesen worden ist.
Zur Begründung seiner Klage gegen das Aufenthaltsverbot hat er vorgetragen, ein bloßer Gefahrenverdacht genüge für § 31 Abs. 3 HSOG nicht und hat sich auf das Urteil des VG Frankfurt vom 24. September 2014 – 5 K 659/14 – bezogen. Sein Versammlungsrecht sei verletzt worden wie auch die Freiheit seiner Person.
Der Kläger hat beantragt,
festzustellen, dass das am 1. Juli 2013 durch Polizeibeamte ihm gegenüber ausgesprochene und für weite Teile der Frankfurter Innenstadt geltende Aufenthaltsverbot in der Zeit vom 1. Juni 2013 – ca. 22:00 Uhr – bis zum 2. Juni 2013 – 7:00 Uhr – rechtswidrig gewesen ist.
Das beklagte Land hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat vorgetragen, die massenhaft im vorgelegten Videomaterial dokumentierten Straftaten aus den umschlossenen Problemblöcken heraus hätten ein erhebliches Gewaltpotenzial ergeben, das durch den weiteren Einsatzverlauf nicht habe ausgeräumt werden können, weshalb damit zur rechnen gewesen sei, dass die Gewalttäter nach ihrer Entlassung aus der Umschließung sich im Laufe der Nacht in mehr oder weniger kleinen Gruppen innerhalb der Frankfurter Innenstadt sammeln und ihrer Gewaltbereitschaft durch risikoarme Straftaten Ausdruck verleihen könnten. Es hätten Anschlussstraftaten sowohl im Nahbereich des Polizeieinsatzortes als auch an Objekten mit Begründungszusammenhang zur linksextremistischen Agenda gedroht, was durch die polizeiliche Einsatzerfahrung der letzten Jahre mit vergleichbaren Lagen (Demonstration M31 am 31. März 2012, Räumung des besetzten Szeneobjekts IVI am 23. April 2013, Räumung der Besetzung des Anwesens Schwalbacher Straße am 24. Mai 2013, Räumung des besetzten Hauses Georg-Voigt-Straße am 15. März 2014) und den Verlauf der Blockupy-Aktionswoche ab dem 25. Mai 2013 (Einwerfen von Fensterscheiben, Farbbeutelwürfe gegen Gebäude mit Themenbezug, Angriff auf Polizeibeamte am 31. Mai 2013, Beschädigung von Metallabsperrgitter vor der EZB) bestätigt werde. In den Nachtstunden des 1. Juni 2013 sei es auch zu diversen Sachbeschädigungen mit Begründungszusammenhang zur Demonstration gekommen. Die Zuordnung einzelner Tathandlungen zu Personen sei nicht möglich gewesen, weshalb alle umschlossenen Personen als Tatverdächtige hätten eingestuft werden müssen. Das gesamte Auftreten der Problemblöcke hätte zu erkennen gegeben, dass deren Angehörige sich strikt als Handlungs- und Gefahrengemeinschaft verstanden hätten. Das Angebot des Polizeiführers sich einer Durchsuchung zu stellen und dann aus der Umschließung entlassen zu werden, sei von niemandem genutzt worden. Das Einsatzgeschehen hätte auch keine Abkühlung zu erkennen gegeben. Auch bei Ersttätern sei aufgrund der massiven Straftaten im Einsatzverlauf mit einer gesteigerten Gewaltbereitschaft zumindest innerhalb der Gruppe zu rechnen gewesen. Bei § 31 Abs. 3 HSOG genüge ein bloßer Gefahrenverdacht.
Mit Urteil vom 1. Dezember 2014 hat das Verwaltungsgericht in Frankfurt am Main – 5 K 2486/13. F – festgestellt, dass das am 1. Juni 2013 durch Polizeibeamte gegenüber dem Kläger ausgesprochene und für weite Teile der Innenstadt geltende Aufenthaltsverbot in der Zeit vom 1. Juni 2013 – ca. 22:00 Uhr – bis zum 2. Juli 2013 – 7:00 Uhr – rechtswidrig gewesen ist. Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht im Wesentlichen ausgeführt, weder hätten die materiellen Voraussetzungen für ein Aufenthaltsverbot nach § 31 Abs. 3 HSOG vorgelegen noch sei die Verfügung als Platzverweisung nach § 31 Abs. 1 HSOG zu rechtfertigen. Für ein Aufenthaltsverbot nach § 31 Abs. 3 HSOG gegenüber dem Kläger habe es am Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen gefehlt. Es sei nicht ausreichend, dass der Kläger der Gruppe der eingekesselten Demonstranten habe zugerechnet werden können und dass er in dem Bereich angetroffen worden sei, in dem die Einkesselung erfolgt sei. Weitere Tatsachen, die die Prognoseentscheidung tragen könnten, gebe es nicht. Auch wenn im eingekesselten Teil des Aufzugs Straftaten bereits begangen worden seien und sich dieser Personenkreis insgesamt durch sein kolludierendes Verhalten auszeichne, lasse dies für die Person des Klägers nicht – quasi automatisch – einen Gewissheitsgrad annehmen, der die Voraussetzungen von § 31 Abs. 3 Satz 1 HSOG erfülle. Eine Verlautbarung des Klägers, die die Prognoseentscheidung rechtfertigen könnte, habe nicht vorgelegen. Die polizeiliche Annahme, dass die Betroffenen sich nach ihrer Entlassung in Kleingruppen sammeln und ihrer Wut oder Frustration über die polizeilichen Maßnahmen, insbesondere das Anhalten des Aufzugs, durch Anschlussstraftaten Luft verschaffen würden, stelle keine tatbestandsausfüllende Tatsache dar. Der Stand der Erkenntnisse verbleibe so bestenfalls im Bereich bloß tatsächlicher Anhaltspunkte. Diese genügten nicht, weil der Gesetzgeber im HSOG sprachlich erkennbar zwischen „Tatsachen“, „tatsächlichen Anhaltspunkten“ und „Umständen“ differenziere. Bei den „tatsächlichen Anhaltspunkten“ genügten in objektiver Hinsicht – anders als bei den „Tatsachen“ – bereits indirekte Tatsachen (Indizien), die für sich allein oder in einer Gesamtheit mit anderen Indizien den Rückschluss auf das Vorliegen einer Tatsache zuließen.
In eine Platzverweisung im engeren Sinne nach § 31 Abs. 1 Satz 1 HSOG könne die Regelung nicht umgedeutet werden. Platzverweisung und Aufenthaltsverbot seien zwei unterschiedliche Regelungen. Für eine Platzverweisung sei eine räumlich zu weitgehende und damit unzulässige Rechtsfolge gesetzt worden.
Gegen das dem Beklagten am 4. Dezember 2014 zugestellte Urteil hat dieser mit Schriftsatz vom 11. Dezember 2014 die Zulassung der Berufung beantragt und dies mit weiterem Schriftsatz vom 30. Januar 2015, eingegangen beim Hessischen Verwaltungsgerichtshof am 2. Februar 2015, begründet. Hierzu beruft es sich auf die Zulassungsgründe der ernstlichen Zweifel nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO und der grundsätzlichen Bedeutung nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO. Im Einzelnen führt er aus:
Die Tatbestandsvoraussetzungen nach § 31 Abs. 3 HSOG seien vom Verwaltungsgericht überspannt worden.
§ 31 Abs. 3 HSOG vermöge auch großflächige Verlassenspflichten nach Auflösung einer Versammlung oder dem Ausschluss von Versammlungsteilnehmern abzudecken. Dies ergebe sich geradezu aus den vom Gericht zitierten Gesetzesmaterialien, die auf die Verhinderung von Chaos-Tagen oder den Schutz von Castortransporten, die typischerweise durch Blockadeversammlungen beeinträchtigt würden, abstellten.
Das Verwaltungsgericht gehe bei § 31 Abs. 3 HSOG von einer qualifizierten Gefahrenlage aus. Dies treffe jedoch nur insofern zu, als nicht irgendein Schaden für die öffentliche Sicherheit und Ordnung genüge, sondern gerade die Begehung einer Straftat zu befürchten stehe. Strengere Anforderungen an die Tatsachengrundlage und den Wahrscheinlichkeitsgrad der Straftatbegehung fordere § 31 Abs. 3 HSOG aber nicht. Davon gehe das Verwaltungsgericht aber aus, wie sich aus der Verwendung des Begriffes Gewissheitsgrad auf Seite 8 des Urteils und zum anderen daraus ergebe, dass das Gericht die Eingriffsvoraussetzungen des § 31 Abs. 1 HSOG als erfüllt ansehe aber nicht die des § 31 Abs. 3 HSOG.
Die Anforderungen des § 31 Abs. 3 HSOG an die Eingriffsschwelle seien gegenüber dem allgemeinen Gefahrenbegriff, der unter anderem in § 31 Abs. 1 HSOG angelegt sei, sowohl hinsichtlich der geforderten Tatsachengrundlage als auch hinsichtlich der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts vermindert.
§ 31 Abs. 3 HSOG biete Raum bereits im Vorfeld einer Gefahrenlage ein Eingreifen zur Gefahrenvorsorge zu ermöglichen. Die vorbeugende Bekämpfung von Straftaten sei ein solcher Unterfall der Gefahrenvorsorge.
Bei Befugnissen im Bereich der Gefahrenvorsorge und der vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten benutze der Gesetzgeber typischerweise die Formulierung „wenn Tatsachen bzw. tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen“. Hieraus folge, dass die polizeiliche Gefahrenprognose nicht allein auf polizeilichen Erfahrungswerten bzw. abstrakten Vermutungen ohne konkreten Einzelfallbezug beruhen, sondern einer Tatsachengrundlage bedürfe. Für diese Tatsachengrundlage genügten allerdings bereits Indiztatsachen. Der Begriff der „Tatsachen“ und der „tatsächlichen Anhaltspunkte“ seien Synonyme. Eine Abgrenzung zwischen „Tatsachen“ und „tatsächlichen Anhaltspunkten“ sei nicht zu leisten. Das Verwaltungsgericht habe dies anders gesehen und aus dieser sprachlichen Differenzierung des Gesetzeswortlauts ein abgestimmtes gesetzgeberisches Konzept abgeleitet.
Die Anforderungen an die Tatsachengrundlagen würden dann in dem Urteil noch durch zusätzliche Einschränkungen bei der Zurechnung von Gruppenverhalten verschärft. Als Tatsache werde dagegen in der Rechtsprechung auch die Zugehörigkeit zu gewaltbereiten Problemgruppen wie z.B. Rechtsextremisten, Fußballhooligans und Rockergruppen wie den Hells Angels gesehen. Das Verwaltungsgericht lehne einen solchen Gruppenbezug dagegen ab. Es verlange, dass Tatsachen sich ausschließlich auf den Adressaten beziehen müssten, weil es auf die Differenzierung zwischen „Tatsachen“ und „tatsächlichen Anhaltspunkten“ abstelle. Dies sei nicht konsequent, soweit das Verwaltungsgericht im Zusammenhang mit der polizeilichen Umschließung gegenüber allen Angehörigen der umschlossenen Problemblöcke eine Gefahrenlage angenommen habe, die zur Ingewahrsamnahme berechtige und damit zu einem gegenüber dem Aufenthaltsverbot weit tiefgreifenderen Grundrechtseingriff in Form einer Freiheitsentziehung. Es habe also das Gesamtverhalten der Problemblöcke den einzelnen Adressaten zugerechnet. Dieser Gruppenbezug sei nicht nur während der polizeilichen Umschließung angezeigt, sondern auch für die Prognose des Verhaltens nach der polizeilichen Umschließung. Dies dränge sich im Wege eines Erstrechtschlusses insofern auf, als § 32 Abs. 1 HSOG für die Ingewahrsamnahme strengere Anforderungen stelle als § 31 Abs. 3 HSOG für das Aufenthaltsverbot. Insbesondere dürfe die Ingewahrsamnahme nur erfolgen, wenn sie unerlässlich sei. Unerlässlich sei eine Maßnahme aber nur dann, wenn sie nicht durch eine andere gegebenenfalls weniger wirksame Maßnahme ersetzbar sei. Durch die Unerlässlichkeit werde verdeutlicht, dass der Gewahrsam das äußerste polizeiliche Mittel zur Verhinderung von Schäden sei. Für die Schadensprognose genüge es jedoch nachvollziehbare Tatsachen vorzulegen, ohne dass dem Betroffenen ein konkreter Tatbeitrag nachgewiesen werden müsse. Wenn eine Verhaltenszurechnung im Rahmen eines solchen Gruppenbezugs beim Gewahrsam trotz der hohen Eingriffsschwelle und der besonders hohen Eingriffsschwere, nämlich der Entziehung der persönlichen Freiheit, zulässig sei, müsse dies beim Aufenthaltsverbot auch so sein. Der Ansatz des Verwaltungsgerichts führe dazu, dass die Polizei gerade bei Großeinsatzlagen mit gewaltbereiten Gruppen ihrer Aufgabe zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten im Vorfeld konkreter Gefahrenlagen kaum gerecht werden könne.
Der Gesetzeswortlaut “wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen“ setze auch den Wahrscheinlichkeitsmaßstab für den abzuwehrenden Schadenseintritt herab. Die Worte „Annahme“ und „rechtfertigen“ implizierten eine größere Prognoseunsicherheit. Es genüge die auf Indiztatsachen und polizeiliche Erfahrungen gestützte Möglichkeit des Schadenseintritts. Das Verwaltungsgericht verwende jedoch den Begriff „Gewissheitsgrad“, also kein gegenüber dem allgemeinen Gefahrenbegriff abgestuftes Wahrscheinlichkeitsmaß.
Der vom Verwaltungsgericht zugrunde gelegte andere Maßstab sei entscheidungserheblich, weil die polizeilichen Erkenntnisse zur Einsatzlage und der Person des Klägers tatsächliche Anhaltspunkte dafür darstellten, dass der Kläger nach Abschluss der polizeilichen Strafverfolgungsmaßnahmen bis zum Morgen des Folgetages Straftaten im Verbotsgebiet begehen würde. Es sei mit hinreichender Wahrscheinlichkeit damit zu rechnen gewesen, dass die Angehörigen der Problemgruppen, zu der der Kläger gehöre, sich nach ihrer Entlassung aus der polizeilichen Umschließung im Laufe der Nacht in mehr oder weniger großen Kleingruppen innerhalb der Frankfurter Innenstadt sammeln und ihrer Gewaltbereitschaft durch risikoarme Straftaten Ausdruck verleihen würden. Dies ergebe sich daraus, dass die umschlossene Gruppe durch Transparente und Schirme eine Schildkrötenformation gebildet habe, eine Vielzahl dieser Personen vermummt und schutzbewaffnet gewesen sei, Personen in diesem Bereich, die nicht selbst vermummt oder bewaffnet gewesen seien, erkennbar das Verhalten dieser Personen, die sich strafbar gemacht hätten, unterstützt bzw. sich mit diesen solidarisiert hätten, aus dem Lautsprecherwagen wiederholt aggressive Durchsagen gegeben worden seien, aus dem Personenkreis zweimal Pyrotechnik abgefeuert worden sei, die Problem-gruppen das Angebot der Polizei verweigert hätten, die Umschließung zu beenden und auf eine Identitätsfeststellung zu verzichten, wenn die Betroffenen sich einer Durchsuchung stellen würden, auch nach der Umschließung es immer wieder zu zahlreichen Straftaten in Form von versuchten und vollendeten Körperverletzungsdelikten und Widerstandshandlungen gegen die Einsatzkräfte gekommen sei, die Einsatzkräfte neben Schutzwaffen und Vermummungsgegenständen auch eine Vielzahl gefährlicher Gegenstände wie mit Farbe und Sand gefüllte Glasflaschen und Schlagwerkzeuge sicher gestellt hätten.
Es hätten deshalb andere Straftaten gedroht insbesondere Beschädigungen von Kraftfahrzeugen des Bundeslandes und der kommunalen Polizei, von Gebäuden der Justiz und der von politischen Parteien, die für die kritisierten Entscheidungen und Umstände verantwortlich gemacht würden; die antikapitalistische Ausrichtung der Bewegung habe zudem einen Begründungszusammenhang für die Beschädigung jedweder Objekte mit Bezug zur Finanzwirtschaft vor allem von Banken geschaffen aber auch zu Geschäften mit hochwertigem Warensortiment oder Niederlassungen global agierender Großunternehmen. Diese Gefahrenprognose sei durch die polizeilichen Einsatzerfahrungen der letzten Jahre mit vergleichbaren Lagen untermauert worden. Die bisherigen Einsatzerfahrungen hätten gezeigt, dass Angehörige des gewaltbereiten linksextremistischen Spektrums trotz polizeilicher Maßnahmen wie beispielsweise der Identitätsfeststellung, Folgestraftaten begingen.
Die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung. Das Urteil werfe folgende entscheidungserhebliche Rechtsfragen auf:
1. Ist der Begriff der „Tatsachen“ im Sinne von § 31 Abs. 3 HSOG mit dem Begriff der „tatsächlichen Anhaltspunkte“ gleichzusetzen?
2. Wenn nein: inwiefern beinhaltet der Begriff der „Tatsachen“ strengere Anforderungen als der der „tatsächlichen Anhaltspunkte“
3. Können an die Tatsachengrundlage für die polizeiliche Prognose nach § 31 Abs. 3 HSOG bei Großeinsatzlagen wie unfriedlichen Aufzügen mit mehreren 100 Teilnehmern geringere Anforderungen gestellt werden?
4. Insbesondere können sich hinreichende Tatsachen im Sinne von § 31 Abs. 3 HSOG aus einem Gruppenbezug ergeben, wonach der Verbotsadressat einem unfriedlichen Aufzug mit mehreren 100 Teilnehmern (vorliegend rund 1.000) angehörte, aus dem heraus erhebliche Straftaten begangen worden waren, der ein erhebliches Gewaltpotenzial erwarten ließ und sich durch mehrere Stunden in Konfrontation mit der Polizei kollusiv solidarisch verhielt, das konkrete Verhalten des Adressaten innerhalb dieser Gruppe aber nicht bekannt und typischerweise wegen der lagebedingten dynamischen Gemengelage auch nicht zeitnah vor Ort aufklärbar ist?
5. Kann bei solchen Großeinsatzlagen aus dem durchgehend solidarischen Verhalten der Aufzugsteilnehmer aufgrund polizeilicher Lageerfahrung auch dann eine tatsachen-gestützte Annahme gerechtfertigt sein, dass nach Abschluss des Aufzuges Folgestraftaten begangen werden, wenn die Aufzugsteilnehmer erkennungsdienstlich behandelt und durchsucht worden sind und ihre Identität festgestellt worden ist?
Die vorstehenden Fragen würden im angefochtenen Urteil alle verneint, während sie nach der zitierten Rechtsprechung zu bejahen seien. Für die Auslegung von § 31 Abs.3 HSOG seien sie von grundlegender, einzelfallübergreifender Bedeutung.
II.
Der Antrag ist zulässig, insbesondere ist er innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils des VG Frankfurt an den Beklagten am 4. Dezember 2014 am 11. Dezember 2014 eingelegt worden (§ 124a Abs. 4 Satz 1 VwGO) und mit Schriftsatz vom 30. Januar 2015, eingegangen beim HessVGH am 4. Februar 2015, binnen 2 Monaten nach Urteilszustellung ordnungsgemäß begründet worden (§ 124a Abs. 4 Satz 4 und 5 VwGO).
Der Antrag ist unbegründet. Die von dem Beklagten geltend gemachten Zulassungsgründe liegen nicht vor.
Ernstliche Zweifel im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr.1 VwGO bestehen, wenn gegen die Richtigkeit der angegriffenen Entscheidung gewichtige Gesichtspunkte sprechen. Dies ist der Fall, wenn der die Zulassung des Rechtsmittels begehrende Beteiligte einen die angegriffene Entscheidung tragenden Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Argumenten in Frage stellt und sich dem Berufungsgericht die Ergebnisrichtigkeit der angegriffenen Entscheidung – unabhängig von der vom Verwaltungsgericht für sie gegebenen Begründung – nicht aufdrängt.
Diese Voraussetzungen sind nicht gegeben. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt begegnet jedenfalls im Ergebnis keinen ernstlichen Zweifeln
Die Gefahrenabwehr- und die Polizeibehörde können nach § 31 Abs. 3 HSOG einer Person für die Dauer von bis zu drei Monaten verbieten, einen bestimmten örtlichen Bereich innerhalb einer Gemeinde zu betreten oder sich dort aufzuhalten, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass diese Person dort eine Straftat begehen wird, es sei denn, sie hat dort ihre Wohnung oder sie ist aus einem vergleichbar wichtigen Grund auf das Betreten des Bereichs angewiesen (Aufenthaltsverbot). Das Aufenthaltsverbot ist zeitlich und örtlich auf den zur Verhütung der Straftat erforderlichen Umfang zu beschränken. Wie bei sonstigen Normen, die der Gefahrenabwehr dienen, ist tatbestandlich zwischen dem Bestehen einer Gefahrenlage oder einer vergleichbaren Situation und der Störereigenschaft der in Anspruch genommenen Person zu unterscheiden. Die Begehung einer Straftat ist die Beeinträchtigung der öffentlichen Sicherheit, die durch ein Aufenthaltsverbot abgewandt werden soll. Die polizeiliches Handeln begründende Gefahrenlage umschreibt die Norm mit Tatsachen, die die Annahme rechtfertigen, dass eine Straftat innerhalb eines bestimmten örtlichen Bereichs innerhalb einer Gemeinde begangen wird. Verantwortlicher Störer, gegen den sich das Aufenthaltsverbot alleine richten darf, ist dabei derjenige, der prognostisch aufgrund vorliegender Tatsachen die zu erwartende Straftat begehen wird. Neben der Prognose einer Straftat ist also auch die Prognose eines Täters erforderlich. Tatsachen, die die Prognose einer Straftat erlauben, führen, wie noch gezeigt werden wird, nicht zwangsläufig zur hinreichenden Identifizierung eines Täters der zu befürchtenden Straftat.
Grundlage für beide Prognosen sind Tatsachen.
Keine ernstlichen Zweifel bestehen deshalb, soweit das Verwaltungsgericht Frankfurt seiner Entscheidung zugrunde legt, dass für die Prognose des § 31 Abs. 3 HSOG Tatsachen im Sinne nachprüfbarer, dem Beweis zugänglicher Geschehnisse vorliegen müssen und bloße Vermutungen, allgemeine Erfahrungssätze für die Prognose einer Straftat und des Täters nicht genügen ( vgl. BVerfG, Urteile vom 2. März 2010 – 1 BvR 256/08 – BVerfGE 125, 260-385 = juris Rn.231; vom 27. Februar 2010 – 1 BvR 370/07 – BVerfGE 120, 274 – 350 = juris Rn. 232 und vom 4. April 2006 – 1 BvR 518/02 – BVer-fGE 115, 320 – 381 = juris Rn. 147 zu den verfassungsrechtlichen Anforderungen an Vorratsdatenspeicherung, Online-Durchsuchung und Rasterfahndung; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 27. Juni 2006 – 5 B 1142/06 – juris Rn.6; OVG Lüneburg, Beschluss vom 28. Juni 2013 – 11 LA 27/13 – NordÖR 2013, 416 – 418 = juris, Rn. 11 jeweils zu einem Aufenthaltsverbot). Die vom Beklagten genannten Urteile des VG Frankfurt vom 3. Juli 2013 – 5 K 1101/13.F – LKRZ 2013, 417 – 420 = juris, Rn. 25 und vom 10. Januar 2014 – 5 K 1289/13.F – juris, Rn. 30 zur Einrichtung einer Kontrollstelle im Zusammenhang mit “Blockupy Frankfurt 2012“ stehen dazu nicht im Widerspruch. In diesen stellt das Gericht nur fest, dass der vom Gesetzgeber in § 36 Abs. 3 HSOG gebrauchte Begriff der „Umstände“ anders als „Tatsachen“ oder „tatsächliche Anhaltspunkte“ eher unbestimmt ist.
Die Ausführungen des Beklagten zu den Fragen, inwiefern gruppenbezogene Tatsachen (1) und Indiztatsachen (2) den Prognosen zugrunde gelegt werden dürfen und welcher Prognosemaßstab (3) anzuwenden ist und ob damit – wie der Beklagte meint – die Eingriffsschwelle hinsichtlich Tatsachengrundlage und Wahrscheinlichkeit der Straftatbegehung gegenüber einer allgemeinen Gefahrenabwehrmaßnahme herabgesetzt ist, können keine ernstlichen Zweifel am Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt begründen, weil dieses jedenfalls im Ergebnis – unabhängig von der gegebenen Begründung – richtig ist.
(1) Die Tatsachen, an die bei § 31 Abs. 3 HSOG die Prognose der Begehung einer Straftat anknüpft, müssen sich immer konkret auf den Adressaten des Aufenthaltsverbotes beziehen (vgl. Oberverwaltungsgericht der Freien Hansestadt Bremen, Beschluss vom 10. Februar 2010 – 1 B 30/10 – juris Rn.16 für ein Aufenthaltsverbot). Denn es ist wie gezeigt nicht nur eine Straftat zu prognostizieren sondern auch ein Täter. Nur dem Adressaten des Aufenthaltsverbots individuell zurechenbare Tatsachen lassen auf dessen zukünftiges Verhalten, nämlich ob er eine Straftat begehen wird, schließen. Davon ist auch das Verwaltungsgericht ausgegangen, denn es fordert, dass Tatsachen i. S. d. § 31 Abs.3 HSOG sich auf den Adressaten beziehen müssen.
Soweit es ausgeführt hat, die Tatsachen könnten nicht losgelöst vom Adressaten betrachtet und durch einen Gruppenbezug ersetzt werden, ist hiergegen als abstrakter Rechtssatz nichts zu erinnern. Gruppenbezogene Tatsachen müssen immer einen Schluss auf das Verhalten des Adressaten erlauben. Ist dies nicht der Fall, sind sie in der Diktion des Verwaltungsgerichts „losgelöst“. Solche Tatsachen mögen die Prognose einer Straftat begründen können, nicht aber die zusätzlich erforderliche Prognose eines bestimmten Täters.
Inwieweit die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe und die aus dieser Gruppe heraus begangenen Straftaten Tatsachen sind, die die Gefahr einer künftigen Straftat durch ein einzelnes Gruppenmitglied, dem – wie dem Kläger – kein konkreter Tatbeitrag nachgewiesen werden kann, begründen können, hat die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung insbesondere bei der Überprüfung von Aufenthaltsverboten gegenüber Mitgliedern gewaltbereiter Gruppen von Fußballfans beschäftigt.
In seinem Beschluss vom 10. Februar 2010 hat das Oberverwaltungsgericht der Freien Hansestadt Bremen (- 1 B 30/10 – juris Rn.11) die bloße Zugehörigkeit zu einer als gewaltbereit bekannten Fangruppe (Bremer Ultraszene, Aufnahme in die polizeiliche Datei „Gewalttäter Sport“) für ein Aufenthaltsverbot im Stadtgebiet vor und nach Fußballspielen nicht für ausreichend gehalten, sondern weitere Hinweise, die sich auf das persönliche Verhalten des Adressaten beziehen, gefordert. Ebenso hat das Verwaltungsgericht Neustadt a. W. (Beschluss vom 2. Mai 2014 – 5 L 404/14.NW = juris), die Zugehörigkeit zu einer Fußballfangruppe, die ein bundesweites Stadionverbot erhalten hatte, für ein Aufenthaltsverbot im gesamten Stadtbereich vor und nach Fußballspielen nach § 13 Abs. 3 PolG RP nicht genügen lassen. Auch für das Verwaltungsgericht Hannover (Beschluss vom 21. Juli 2011 – 10 B 2096/11 – juris Rn. 11) genügte die berechtigte Annahme, dass der Adressat eines Aufenthaltsverbots aktives Mitglied der Ultraszene ist, für sich genommen nicht, das Aufenthaltsverbot zu begründen (so auch: Siegel, Hooligans im Verwaltungsrecht, NJW 2013, 1035). Dagegen hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in seinem Beschluss vom 9. Juni 2006 – 24 CS 06.1521 – juris Rn. 15 und ihm folgend das Verwaltungsgericht München in seinem Urteil vom 25. Februar 2010 – M 22 K 08.203 – juris Rn. 82 die Zugehörigkeit zu einer Hooligan-Gruppe als ausreichend für ein Aufenthaltsverbot erachtet.
Ein Aufenthaltsverbot gegenüber einer Person aus dem linksextremistischen politischen Spektrum während der sogenannten „Walpurgisnacht“ im Hamburger Schanzenviertel in der Nacht zum 1. Mai 2011 beschäftigte das Verwaltungsgericht Hamburg. In seinem Urteil vom 2. Oktober 2012 – 5K 1236/11 – juris, Rn. 191 ff. hat es die Eintragung in eine polizeiliche Datenbank als „Straftäter linksmotiviert“ nicht als ausreichend angesehen.
Den Entscheidungen des OVG Bremen und der Verwaltungsgerichte Neustadt, Hannover und Hamburg ist insoweit zuzustimmen. Die Zugehörigkeit zu einer gewaltbereiten Gruppe und Eintragungen in polizeilichen Informationssystemen können grundsätzlich nur einen vagen Verdacht begründen. Gruppenzugehörigkeiten und Eintragungen in das INPOL-System entweder als „Gewalttäter Sport” oder als „Straftäter linksgerichtet“ bzw. „Straftäter rechtsgerichtet“ können nur auf einen Sachverhalt hinweisen, der die Prognose einer zukünftigen Täterschaft erlaubt. Aus der Gruppenzugehörigkeit ergibt sich in der Regel noch nicht, dass der Adressat des Aufenthaltsverbotes an Gewalttätigkeiten, die aus der Gruppe heraus verübt worden sind, tatsächlich in irgendeiner Form beteiligt war oder sich beteiligen wird, es sei denn es ist bekannt, dass die Gruppenmitglieder sich in bestimmten Situation alle in gleicher Weise gewalttätig verhalten. Der Bay. Verwaltungsgerichtshof und das VG München gehen in ihren oben genannten Entscheidungen vom 9. Juni 2006 und 25. Februar 2010 auf diesen Gesichtspunkt nicht ausdrücklich ein, sondern unterstellen dies schlicht, wohl weil sie es als evident ansahen, dass ein Hooligan sich an gewaltsamen Auseinandersetzungen in der Vergangenheit beteiligt hat und in Zukunft beteiligen wird, also ein gleichförmiges Verhalten aller Gruppenmitglieder besteht. Aus Eintragungen in polizeilichen Informationssystemen kann nur geschlossen werden, dass in der Vergangenheit gegen den Betroffenen wegen einer Straftat ermittelt worden ist bzw. ein solches Ermittlungsverfahren geführt wird. Daraus ergibt sich aber nicht, wegen welcher Straftaten ermittelt worden ist, wann diese Ermittlungsverfahren geführt worden sind und ob eine rechtskräftige Verurteilung erfolgt ist oder das Strafverfahren eingestellt worden ist bzw. weshalb der Tatverdacht trotz Einstellung bestehen geblieben ist.
Das der Eintragung zugrundeliegende Verhalten kann aber die Prognose zukünftiger Straftaten dieser Person erlauben, wenn beispielsweise die betroffene Person bereits in der Vergangenheit mehrfach aus vergleichbarem Anlass bei der Begehung derartiger Taten angetroffen worden ist und nach den Umständen eine Wiederholung dieser Verhaltensweise zu erwarten ist (vgl. § 13 Abs. 1 Nr. 2 Hamburgisches Sicherheits- und Ordnungsgesetz). Ist das Strafverfahren gemäß § 170 Abs.2 StPO mangels hinreichenden Tatverdachts eingestellt worden, muss die Behörde prüfen und darlegen, aus welchen Gründen sie trotzdem annimmt, dass ein Resttatverdacht besteht und weshalb dieser die Prognose einer zukünftigen Straftat erlaubt. Hierfür muss eine konkret auf den Einzelfall gegebene Begründung gegeben werden (vgl. OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 25. November 2015 – 3 L 146/13 – juris Rn. 53; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 13. Juni 2016 – OVG 1 S 71.15 – juris Rn. 13, jeweils zur erkennungsdienstlichen Behandlung). Der Betroffene darf nicht allein deshalb als potenzieller Rechtsbrecher behandelt werden, weil er sich irgendwie verdächtig gemacht hat oder angezeigt worden ist. Die Schwelle zur Beschuldigteneigenschaft ist relativ niedrig. Die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens setzt lediglich einen Anfangsverdacht voraus, der bereits durch bloße Strafanzeige ausgelöst werden kann. Entsprechend hat das BVerfG in seinem stattgebenden Kammerbeschluss vom 1. Juni 2006 – 1 BvR 2293/03 – juris Rn. 12 entschieden, dass es im Fall einer Verfahrenseinstellung nach § 170 Abs. 2 StPO einer eingehenden Würdigung aller hierfür relevanten Umstände des Einzelfalls unter Berücksichtigung der Gründe für die Einstellung des Verfahrens bedarf und sich eine schematische Betrachtungsweise verbietet.
Zu einer bloßen Gruppenzugehörigkeit müssen also grundsätzlich weitere Tatsachen hinzutreten, um ein Mitglied oder alle Mitglieder der Gruppe als „Störer“ in Anspruch nehmen zu können. Solche stellen die Beispiele in Art. 17 Abs. 1 Nr. 2 Bayerisches Polizeiaufgabengesetz, § 17 Abs. 1 Nr. 2 Brandenburgisches Polizeigesetz, § 37 Abs. 1 Nr. 2 Sicherheits- und Ordnungsgesetz des Landes Sachsen-Anhalt, § 19 Abs. 1 Nr. 2 Thüringisches Polizeiaufgabengesetz für den Unterbindungsgewahrsam dar. Nach diesen Bestimmungen kann sich die Annahme, dass eine Person eine Straftat begehen oder zu ihrer Begehung beitragen wird, insbesondere darauf stützen, dass die Person die Begehung der Tat angekündigt oder dazu aufgefordert hat oder Transparente oder sonstige Gegenstände mit einer solchen Aufforderung mit sich führt. Die Annahme kann sich auch darauf stützen, dass bei der betroffenen Person Waffen, Werkzeuge oder sonstige Gegenstände aufgefunden werden, die ersichtlich zur Tatbegehung bestimmt sind oder erfahrungsgemäß bei derartigen Straftaten verwendet werden oder ihre Begleitperson solche Gegenstände mit sich führt und sie den Umständen nach hiervon Kenntnis haben musste.
Ein weiterer hinreichender Hinweis für eine zukünftige Straftat kann auch die Teilnahme oder unmittelbar bevorstehende Teilnahme an einer gewalttätigen Auseinandersetzung als Mitglied einer Gruppe sein (vgl. VG Aachen, Beschluss vom 26. April 2013 – 6 L 162/13 – juris Rn. 28 ff.). Unproblematisch ist dies, wenn eigene Tatbeiträge individuell festgestellt werden können. Eine individuell konkrete Feststellung ist unter bestimmten Bedingungen nicht erforderlich, wenn der Adressat des Aufenthaltsverbots bereits durch seine Anwesenheit und Solidarisierung die aus der Gruppe heraus begangenen Straftaten unterstützt. Er leistet damit zumindest (psychische ) Beihilfe und nimmt damit an den Straftaten teil (§ 27 Abs. 1 StGB). Dies ist der Fall, wenn die Straftaten typischerweise aus einer homogenen Gruppe heraus initiiert und gesteigert werden, die gewalt-bereite Szene ein unterstützendes Umfeld von Gleichgesinnten benötigt, und schon die Gegenwart von Gleichgesinnten zur Gewaltbereitschaft derjenigen beiträgt, die ihrem Kernbereich zuzurechnen sind und aus der Anonymität der Gruppe heraus agieren (so VG Aachen, Beschluss vom 26. April 2013 – 6 L 162/13 – juris Rn. 33, VG Hannover, Beschluss vom 21. Juli 2011 – 10 B 2096/11 – juris Rn. 12; VG München, Urteil vom 25. Februar 2010 – M 22 K 08.203 – juris Rn. 82 -; VG Arnsberg, Beschluss vom 1. Juli 2009 – 3 L 345/09 – Rn. 15; Bay. VGH, Beschlüsse vom 8. Mai 2009 – 10 CS 09.1087 -juris Rn. 8 und vom 9. Juni 2006 – 24 CS 06.1521 – juris Rn. 15; VG Minden, Beschluss vom 2. Oktober 2014 – 11 L 763/14 – juris Rn. 22; VG Köln, Beschluss vom 21. August 2015 – 20 L 2023/15 – juris Rn. 13; vgl. zu einem Stadionverbot BGH, Urteil vom 30. Oktober 2009 – V ZR 253/08 – NJW 2010, 534, 536 = juris Rn. 23).
Weitere Besonderheiten für die Zurechnung von Gruppenverhalten ergeben sich aus der Versammlungsfreiheit des Art. 8 Abs.1 GG.
Im Nichtannahmebeschluss vom 2. November 2016 – 1 BvR 289/15 – juris Rn. 15 über Verfassungsbeschwerden gegen Entscheidungen des Amts-und Landgerichts Frankfurt a. M., nach denen die polizeiliche Abspaltung eines Teils des Blockupy-Aufzugs 2013 und das kollektive Festhalten der hiervon betroffenen Versammlungsteilnehmer zum Zwecke der Strafverfolgung ihre Grundlage in §§ 163b, 163c StPO finden, hat das BVerfG ausgeführt, dass niemand allein wegen des Gebrauchmachens von der Versammlungsfreiheit – schon während der Versammlung – Strafverfolgungsmaßnahmen ausgesetzt werden darf, da sich Gewalttätigkeiten bei Großdemonstrationen kaum jemals ganz ausschließen lassen. Es hat sich hierzu auf seinen „Brokdorf II“-Beschluss berufen, nachdem der jedem Staatsbürger garantierte Schutz der Versammlungsfreiheit auch dann erhalten bleibt, wenn einzelne andere Demonstranten oder eine Minderheit Ausschreitungen begehen und der Schutz des Art 8 GG sich auf die Anwendung grund-rechtsbeschränkender Rechtsnormen (strafrechtliche und haftungsrechtliche Maßnahmen bei teilweise unfriedlich verlaufenen Demonstrationen) auswirkt (BVerfG, Beschluss vom 14. Mai 1985 – 1 BvR 233/81 – BVerfGE 69, 315, 361 = juris Rn. 92f.).
Entsprechend hatte sich bereits der BGH zur Haftung von Teilnehmern einer unfriedlichen Großdemonstration in seinem Urteil vom 24. Januar 1984 – VI ZR 37/82 – (BGHZ 89, 383 – 401 =BGH NJW 1984, 1226, 1232 = juris Rn. 33) geäußert. Nach dieser Entscheidung genügt es für die haftungsbegründende Kausalität nicht, dass der an Gewaltakten anderer Demonstranten nicht aktiv beteiligte Demonstrant an Ort und Stelle verharrt, auch wenn er, wie es die Regel sein wird, von vornherein mit Gewalttätigkeiten einzelner oder ganzer Gruppen rechnet und weiß, dass er allein schon mit seiner An-wesenheit den Gewalttätern mindestens durch Gewährung von Anonymität Förderung und Schutz geben kann, da sonst die Demonstrationsfreiheit unterlaufen wird. Denn ein solches Verhalten kann auch nur die Kundgabe der eigenen Meinung zu den sachlichen Anliegen der Demonstration in der Öffentlichkeit darstellen.
Übertragen auf das polizeirechtliche Aufenthaltsverbot des § 31 Abs. 3 HSOG bedeutet dies, dass niemand alleine wegen seiner Teilnahme an einer unfriedlichen Großdemonstration mit einem Aufenthaltsverbot belegt werden darf.
Unter den Schutz der Versammlungsfreiheit fallen aber diejenigen nicht, die sich unfriedlich verhalten, da das Grundgesetz in Art. 8 Abs. 1 GG nur das Recht verbürgt, sich friedlich zu versammeln. Unfriedlich verhalten können sich auch eine aus der übrigen Versammlung abgrenzbare Gruppe bzw. deren Mitglieder. Hierzu hat das BVerfG in seinem Nichtannahmebeschluss vom 2. November 2016 – 1 BvR 289/15 – juris Rn. 15 zur Zulässigkeit strafprozessualer Maßnahmen ausgeführt, die Notwendigkeit eines auf den konkreten Versammlungsteilnehmer bezogenen Verdachts schließe es nicht aus, auch gegen eine ganze Gruppe von Versammlungsteilnehmern nach § 163 Abs.1 Satz 1 und 2 StPO vorzugehen, wenn sich aus deren Gesamtauftreten ein Verdacht auch gegenüber den einzelnen Mitgliedern der Gruppe ergebe und das Vorgehen die übrigen Versammlungsteilnehmer so weit wie möglich ausspare. Die Instanzgerichte hatten dies bejaht, was vom BVerfG im Nichtannahmebeschluss vom 2. November 2016 – 1 BvR 289/15 – juris Rn. 19 wie folgt gebilligt worden ist:
„Geht die Polizei gegen eine sich dergestalt mittels dichtgedrängter Staffelung, Sichtschutz und Vermummung vom übrigen Versammlungsgeschehen abhebende Gruppe, aus der heraus eine Vielzahl von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten begangen werden, auf Grundlage des § 163b Abs. 1 Satz 1 und 2 StPO vor, da sie einen Anfangsverdacht gegen alle Mitglieder dieser Gruppe als begründet ansieht und bestätigen die Fachgerichte dieses Vorgehen, verstößt dies nicht gegen verfassungsrechtliche Vorgaben. Die zu diesem Teil des Aufzugs gehörenden Personen zeigen ein planvoll-systematisches Zusammenwirken mit einer Vielzahl von Gewalttätern und erwecken den Eindruck der Geschlossenheit, so dass die Einsatzkräfte davon ausgehen durften, dass Gewalttäter in ihren Entschlüssen und Taten gefordert und bestärkt würden und nur eine sehr geringe Zahl friedlicher Versammlungsteilnehmer durch die Einkesselung vom Rest der Versammlung ausgeschlossen und festgehalten werde. Dies ist verfassungsrechtlich hinnehmbar, wenn die Polizei – wie vorliegend – ohne Aufschub nach der Kesselbildung in Verhandlungen mit der Versammlungsleitung eintritt, um eine Fortsetzung des Aufzugs sowohl für den vom Polizeikessel betroffenen friedlichen Versammlungsteil als auch für einzelne friedliche Versammlungsteilnehmer innerhalb der eingeschlossenen Demonstrationsgruppe zu ermöglichen.“
Dies entspricht den Kriterien der o. g. verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung zur Entbehrlichkeit der Feststellung eines eigenen Tatbeitrags bei Straftaten aus einer homogenen Gruppe heraus wie auch den haftungsrechtlichen Anforderungen bei Großdemonstrationen, wie sie vom BGH im Urteil vom 24. Januar 1984 – VI ZR 37/82 – entwickelt worden sind. Eine Haftung beginne erst dort, wo sich der Demonstrant in eine überschaubare Gruppe begebe, aus der heraus Gewalt gegen Personen und Sachen verübt werde, und dort während schwerer Auseinandersetzungen ohne äußeren Zwang verbleibe, obwohl für ihn die Möglichkeit bestanden habe, sich vorher zu entfernen (BGH NJW 1984, 1226, 1232 [insofern in BGHZ 89, 383 nicht abgedruckt]). Es müsse sich allerdings um ein „ostentatives“ Zugesellen (BGHZ 89, 383, 395 = NJW 1984, 1226, 1229) handeln oder um ein Verharren in der Gruppe in der „offenkundigen“ Absicht, durch das Verschaffen eines Gefühls größerer Stärke Unterstützung zu leisten (BGH NJW 1984, 1226, 1234 [insofern in BGHZ 89, 383 nicht abgedruckt]).
Als Zwischenergebnis lässt sich damit feststellen, dass unter diesen Bedingungen zwar nicht alleine die Teilnahme an einer Großdemonstration oder die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe, aber das Verhalten dieser Gruppe Tatsachen nach § 31 Abs. 3 HSOG sind, die die hinreichende Wahrscheinlichkeit einer künftigen Straftat durch ein einzelnes Gruppenmitglied, dem – wie dem Kläger – kein konkreter Tatbeitrag nachgewiesen werden kann, begründen können.
Solche Straftaten, die aus einer solchen Gruppe heraus begangen werden, rechtfertigen die für § 31 Abs.3 HSOG geforderte Prognose allerdings nur für vergleichbare Situationen und Orte, wenn also zu befürchten steht, dass erneut aus der Anonymität dieser Gruppe heraus Straftaten begangen werden und der Adressat hieran teilnimmt.
Eine unabhängig von diesen Voraussetzungen mögliche Zurechnung von Verhalten anderer Gruppenmitglieder mit dem von dem Beklagten bemühten Argument der Unaufklärbarkeit der Tatbeteiligung ist nicht möglich. Dies würde die materielle Beweislast verkehren. Tatsächliche Schwierigkeiten bei der Aufklärung von Straftaten können dies nicht rechtfertigen. (vgl. Rachor in Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 4. Aufl. 2007, E, Rn. 574) . Von der allgemeinen Beweislastnorm abweichende Beweislastregeln hat die Rechtsprechung angenommen, wenn die Partei Mitwirkungs- und Nachweispflichten, die auch der Vermeidung von Unaufklärbarkeit dienen, verletzt hat (Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 27. Februar 1997 – 22 A 7462/95 – NVwZ-RR 1997, 714 = juris ), wenn die Partei einen bestimmten Gefahren- und Verantwortungsbereich beherrscht und die Unaufklärbarkeit verursacht hat (BVerwG, Urteil vom 30. März 1978 – BVerwG V C 20.76 -, BVerwGE 55, 288 – 298 = NJW 1978, 2047 = juris; BVerwG, Urteil vom 19. September 1969 – BVerwG IV C 18.67 – BVerwG Buchholz 406.11 § 34 BBauG Nr. 25, S. 64 = NJW 1970, 263 = juris und Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Urteil vom 1. April 1987 – 9 S 1829/86 – DVBl 1987, 951 (952) = juris). In seiner Entscheidung vom 18. Dezember 1987 hat sich das Bundesverwaltungsgericht am Gewicht der sich gegenüberstehenden Interessen, die durch die Beweislastverteilung betroffen werden, orientiert (BVerwG, Urteil vom 18. Dezember 1987 – BVerwG 7 C 49.87 – BVerwGE 78, 367 (371) zu einer verlorenen Prüfungsarbeit). Keines dieser Prinzipien ist hier einschlägig. Nicht den Kläger, sondern den Beklagten trifft die Pflicht Straftaten aufzuklären. Gegen prozessuale Pflichten hat er nicht verstoßen. Ihm ist auch kein Gefahren- oder Verantwortungsbereich, den er beherrscht, hierfür von der Rechtsordnung zugewiesen worden. Die Bewertung der gegenüberstehenden Interessen, die durch die Beweislastverteilung betroffen sind, können auch kein anderes Ergebnis begründen, da sonst eine Vielzahl von Demonstrationsteilnehmern, ohne dass bei Ihnen tatsächlich eine Wahrscheinlichkeit für Straftatbegehungen vorliegt, Eingriffe in ihre von Art. 11 Abs. 1 GG garantierte Freizügigkeit hinnehmen müssten.
(2) Indiztatsachen i. S. v. indirekten Tatsachen, die für sich allein oder in einer Gesamtheit mit anderen Indizien auf das Vorliegen einer anderen Tatsache schließen lassen, sind, als tatsächliche Grundlagen für die von § 31 Abs.3 HSOG geforderte Prognose einer Straftat durch den Adressaten nicht von vornherein ausgeschlossen. Aus § 31 Abs. 3 HSOG ergeben sich nur Anforderungen an die Gewissheit, nicht aber an die Unmittelbarkeit der Tatsachengrundlage.
§ 31 Abs. 3 HSOG fordert, dass der Prognose eine Tatsache zugrunde liegt. Die bloße Möglichkeit einer Tatsache reicht nicht aus, denn sie ist keine Tatsache, sondern nur eine Mutmaßung. Auf eine derartige vage Tatsachengrundlage kann ein Grundrechtseingriff in die Freizügigkeit des Art. 11 Abs. 1 Grundgesetz nicht gestützt werden (vgl. BVerfG, Urteile vom 2. März 2010 – 1 BvR 256/08 – BVerfGE 125, 260 – 385 = juris Rn.231; vom 27. Februar 2010 – 1 BvR 370/07 – BVerfGE 120, 274-350 = juris Rn. 232 und vom 4. April 2006 – 1 BvR 518/02 – BVerfGE 115, 320 – 381 = juris Rn. 147, zu den verfassungsrechtlichen Anforderungen an Vorratsdatenspeicherung, Online-Durchsuchung und Rasterfahndung.) Weitere Anforderungen an die Tatsachenbasis für ein Aufenthaltsverbot lassen sich aus diesen Entscheidungen des BVerfG – auf die der Beklagte sich ausdrücklich bezieht – allerdings nicht entnehmen.
Das Verwaltungsgericht Frankfurt hält in Anlehnung an die VVHSOG der angefochtenen Entscheidung die Indiztatsache im Sinne einer „indirekten“ Tatsache für nicht ausreichend, da es sich bei ihr der Systematik des HSOG folgend nur um tatsächliche Anhaltspunkte handele (ebenso Hornmann, HSOG, 2. Aufl. 2014, § 31 Rn. 55). Unter Indiztatsachen versteht es dabei „indirekte Tatsachen als ein Hinweis, der für sich allein oder in einer Gesamtheit mit anderen Indizien den Rückschluss auf das Vorliegen einer Tatsache (factum) zulässt“. Der Gegensatz zur Tatsache, die sich dadurch auszeichnet, dass sie ein Sachverhalt ist, der dem Beweis zugänglich ist, erscheint nicht überzeugend. Denn auch die Indiztatsache ist dem Beweis zugänglich. Berücksichtigt man, dass die Tatsache, die § 31 Abs. 3 HSOG meint, bereits auf einen anderen zukünftigen Sachverhalt, nämlich die Begehung einer Straftat, hinweisen muss, unterscheidet sie sich in dieser Hinsicht ebenso wenig von der Tatsache. Je nach Art der konkreten Indizien und der sonstigen für die zukünftige Begehung einer Straftat sprechenden Erfahrungssätze können auch solche indirekten Tatsachen die hinreichende Wahrscheinlichkeit einer zukünftigen Straftatbegehung rechtfertigen. Sie von vornherein als Tatsachengrundlage für eine Prognose auszuschließen, erscheint nicht überzeugend. Die Unterscheidung von Tatsachen und Indiztatsachen ist von der Dogmatik des Gefahrenabwehrrechts jedenfalls nicht geboten. Maßgebend ist, dass die Prognose auf einer tatsächlichen Grundlage beruht, um diese von einer bloßen Mutmaßung abzugrenzen, nicht erforderlich ist aber, dass die Tatsache unmittelbar die Prognose begründet. Dies aus dem Gegensatz zu dem im HSOG gebrauchten Begriff der „tatsächlichen Anhaltspunkte“ herzuleiten, ist nicht überzeugend. Dabei mag hier dahingestellt bleiben, ob es sich insofern um ein abgestimmtes abgestuftes Konzept des Gesetzes handelt (eine Unterscheidung ablehnend Rachor in Denninger/Lisken, Handbuch des Polizeirechts, 4. Aufl.2007, Rn. 171). Denn es ist zum Schutz der Rechte der Betroffenen nicht erforderlich die Abstufung – so wie es die Verwaltungsvorschriften zum HSOG, auf die das Verwaltungsgericht sich zur Begründung bezieht, vorschlagen – auf der Ebene der Anforderungen an die Art der dem Gefahrenabwehreingriff zugrundeliegenden Tatsachen vorzunehmen. Dies gelingt differenzierter und einzelfallbezogener auf der Ebene der Anforderungen der Wahrscheinlichkeit einer zukünftigen Straftatbegehung durch den Adressaten. Denn wenn nur Indiztatsachen im Sinne von mittelbaren Tatsachen vorliegen, beeinträchtigt dies die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts, weil der Schluss von der Indiztatsache auf die die Prognose begründenden Tatsachen in der Regel nicht zwingend, sondern mit Unsicherheiten behaftet ist. Ob die Indiztatsache eine ausreichende Tatsachengrundlage ist, beurteilt sich daher von Fall zu Fall. Zudem hat diese Auffassung den Vorzug, dass die Indiztatsache ergänzend berücksichtigt werden kann und nicht von vornherein als Prognosegrundlage ausscheidet. So kann beispielsweise die Eintragung in ein polizeiliches Informationssystem, die nur eine Indiztatsache ist, zusammen mit anderen Tatsachen eine ausreichende Prognosegrundlage bilden. Nach Auffassung des Verwaltungsgerichts Frankfurt können solche Eintragungen als Indiztatsachen selbst ergänzend nicht herangezogen werden, da es sich nur um tatsächliche Anhaltspunkte handelt, die der Prognoseentscheidung nicht zugrunde gelegt werden dürfen.
(3) In der angefochtenen Entscheidung hat das Verwaltungsgericht zwar entgegen der Ansicht des Beklagten den bei der Prognose zukünftiger Straftaten anzulegenden Wahrscheinlichkeitsmaßstab gegenüber den Anforderungen des Begriffs der konkreten Gefahr im Sinne des Polizei- und Ordnungsrechts nicht verschärft, aber auch nicht erkennbar zurückgenommen. Mit der Formulierung des § 31 Abs. 3 HSOG ist im Unterschied zur konkreten Gefahr des § 11 HSOG allerdings der Wahrscheinlichkeitsmaßstab hinsichtlich der Begehung von Straftaten in zeitlicher Hinsicht herabgesetzt.
Aus der Formulierung „wenn Tatschen die Annahme rechtfertigen“ alleine lässt sich dies nicht herleiten (a. A. Verwaltungsgericht Hamburg, Urteil vom 2. Oktober 2012 – 5 K 1236/11 – juris, Rn. 180). Der Begriff der Annahme ist nicht vager als der der Prognose. Es handelt sich vom Wortlaut her um eine andere Beschreibung der zu treffenden Prognoseentscheidung, wobei allerdings das subjektive Element der Gefahreneinschätzung stärker betont wird. In ihr kommen die Begriffe der Anscheinsgefahr und des Anscheinsstörers zum Ausdruck. Die Prognose bevorstehender Straftaten durch eine bestimmte Person ist also gerechtfertigt, wenn ein idealtypischer Amtswalter solche annehmen darf. Die hier in der Formulierung des Gesetzgebers hervortretende Figur der Anscheinsgefahr ist aber keine Besonderheit des § 31 Abs. 3 HSOG, sondern im Gefahrenabwehrecht seit langem allgemein anerkannt. Die Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit bevorstehender Straftaten sind bei Anscheinsgefahr und Anscheinsstörer nicht herabgesetzt.
Ebenso wenig ergibt sich dies aus der Einordnung der Vorschrift in die Dogmatik des Gefahrenabwehrrechts. Geringere Anforderungen müssen beispielsweise Gefahrener-forschungseingriffe erfüllen, bei ihnen genügt der Gefahrenverdacht. Bei § 31 Abs. 3 HSOG geht es aber – anders als bspw. bei der Observation nach § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 HSOG – um die Ermächtigung zum Erlass einer Verbotsverfügung zur Abwehr einer bevorstehenden Straftat und nicht um einen Gefahrenerforschungseingriff, was dagegenspricht, dass ein bloßer Gefahrenverdacht im Sinne des Verdachts einer zukünftigen Straftat durch den Betroffenen genügt.
Nicht überzeugend ist die Argumentation des Beklagten, § 31 Abs. 3 HSOG sei eine Maßnahme der vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten und damit eine Maßnahme der Gefahrenvorsorge, für die keine konkrete Gefahrenlage bestehen müsse, sondern die Möglichkeit genüge, dass sich eine Gefahr entwickele. Das Aufenthaltsverbot dient aber nicht der Gefahrenvorsorge, sondern der Abwehr einer bevorstehenden Straftat durch eine bestimmte Person an einem bestimmten Ort. Bei der vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten liegt dagegen eine Situation vor, bei der nur allgemein damit gerechnet werden kann, dass sich aus ihr eine konkrete Gefahr der Begehung einer Straftat entwickelt (abstrakte Gefahr, dass Straftaten begangen werden). Es handelt sich deshalb bei der vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten um eine Gefahr, die erst in der Zukunft liegt und noch nicht konkret geworden ist. Das Aufenthaltsverbot ist dagegen eine Maßnahme der Abwehr einer hinsichtlich Ort und Person hinreichend bestimmten Straftat und nicht der bloßen Gefahrenvorbeugung im Vorfeld (Pieroth/ Schlink/Kniesel, Polizei-und Ordnungsrecht, 9. Aufl. 2016, § 16, Rn. 25).
Aus den gesetzlichen Anforderungen an die Ingewahrsamnahme nach § 32 Abs. 1 HSOG lässt sich eine Herabstufung des Wahrscheinlichkeitsgrades ebenso nicht herleiten. Nach Pieroth/Schlink/ Kniesel, Polizei und Ordnungsrecht 9. Aufl. 2016, § 16 Rn. 25 bedürfte es nicht des Aufenthaltsverbotes, sondern die Person könnte in Gewahrsam genommen werden, wenn die Straftat als räumlich-zeitlich bestimmter Fall mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten wäre. Deshalb bedeute die übliche Formulierung des Aufenthaltsverbotes, dass nur ein Verdacht der Begehung einer Straftat vorliegen müsse; der Gefahrenverdacht rechtfertige hier ausnahmsweise nicht nur einen Gefahrenerforschungseingriff, sondern eine Gefahrenabwehrmaßnahme. Dies überzeugt jedenfalls für das hessische Recht nicht. Es ist unzutreffend, dass bei jeder konkret drohenden Straftat eine Ingewahrsamnahme erfolgen könnte. Ist die Straftat als räumlich-zeitlich bestimmter Fall mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten, ist eine Ingewahrsamnahme nach § 32 Abs.1 HSOG nur zulässig, wenn diese unerlässlich ist, um eine unmittelbar bevorstehende Begehung oder Fortsetzung einer Straftat zu verhindern (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 18. Juni 2007 – 20 W 221/06 juris Rn.9). § 31 Abs. 3 HSOG erlaubt dagegen bereits ein Aufenthaltsverbot als Gefahrenabwehrmaßnahme, wenn die Begehung der Straftat nicht unmittelbar bevorsteht, wie auch wenn das Unerlässlichkeitserfordernis der Ingewahrsamnahme nicht erfüllt ist.
Jedoch lässt sich aus der Rechtsfolgenseite des § 31 Abs.3 HSOG eine Herabstufung des Wahrscheinlichkeitsgrades einer zukünftigen Straftat – allerdings nur in zeitlicher Hinsicht – entnehmen. Das Aufenthaltsverbot darf bis zu 3 Monaten andauern. Damit wird auch der Wahrscheinlichkeitsgrad hinsichtlich der Tatbegehung in zeitlicher Hinsicht zurückgenommen. Eine Prognose über einen zukünftigen Sachverhalt ist desto schwieriger, je weiter der Sachverhalt in der Zukunft liegt. Erlaubt der Gesetzgeber für derart weit in der Zukunft liegende Ereignisse ein polizeiliches Einschreiten, erachtet er auch eine größere Unsicherheit bei der zu treffenden Prognose für zulässig. Hinsichtlich der Frage, ob und welche Straftaten vom Adressaten des Aufenthaltsverbotes begangen werden, ist der Wahrscheinlichkeitsmaßstab deshalb im Vergleich zum Begriff der konkreten Gefahr zurückgenommen. Nicht begründbar ist daraus aber eine Zurücknahme des Wahrscheinlichkeitsmaßstabes hinsichtlich der Person, die eine Straftat voraussichtlich begeht (Rachor in Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts. 5. Aufl. 2012, E Rn. 156, in Bezug auf die zeitliche Nähe der zu verhindernden Straftat sei ein herabgestufter Wahrscheinlichkeitsmaßstab anzulegen; im Ergebnis ebenso VG Hamburg, Urteil vom 2. Oktober 2012 – 5 K 1236/11 – juris, Rn. 180). Für die Frage, ob und welche Straftaten wann begangen werden, genügt eine herabgestufte Wahrscheinlichkeit, für die Frage, ob der Adressat des Aufenthaltsverbotes sich an solchen erwartbaren Straftaten, für die ein größerer Täterkreis in Frage kommt, beteiligt, müssen dagegen hinreichende Tatsachen sprechen. Denn wie anfangs gezeigt, muss wie auch sonst bei konkreten Gefahrenabwehrmaßnahmen zwischen der Gefahrensituation und der Störereigenschaft differenziert werden.
Die konkrete im Einzelfall zu bestimmende Wahrscheinlichkeit einer zukünftigen Straftatbegehung, die in zeitlicher Hinsicht herabgesetzt ist, und die gebotene Eingrenzung des Täterkreises ist anhand der Wertigkeit der geschützten Rechtsgüter und der Schwere der den Rechtsgütern drohenden Gefahren, die durch das Aufenthaltsverbot geschützt werden sollen, und -auf der anderen Seite- daran zu messen, wie weitreichend und intensiv in die grundrechtlich verbürgte Freizügigkeit nach Art. 11 Abs. 1 Grundgesetz durch das konkrete Aufenthaltsverbot eingegriffen wird. (Vgl. BVerwG, Urteil vom 2. Juli 1991 – BVerwG 1 C 4/90 – BVerwGE 88, 348 – 354, 351 = juris Rn. 16; BVerwG, Urteil vom 3. Juli 2002 – BVerwG 6 CN 8/01 – BVerwGE 116, 347, 356 = juris Rn. 41). Der konkrete Wahrscheinlichkeitsmaßstab kann nicht losgelöst von dem zu entscheidenden Fall bestimmt werden. Stellt sich wie im vorliegenden Fall insbesondere die Frage, welche Anforderungen an die Eingrenzung des Täterkreises, der durch ein Aufenthaltsverbot in Anspruch genommen werden kann, zu stellen sind, müssen insbesondere die sich aus den Grundrechten und dem rechtsstaatlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ergebenden Anforderungen an die Norm beachtet werden. Ein Normverständnis, das erlaubte eine Vielzahl von Personen ohne hinreichend Bezug zu den erwarteten Straftaten in Anspruch zu nehmen, wäre unverhältnismäßig. Wird bei der Verhängung eines Aufenthaltsverbots an eine Gruppenzugehörigkeit angeknüpft, werden in der Regel auch Personen in Anspruch genommen, die tatsächlich/objektiv die öffentliche Sicherheit gar nicht gefährden, im Fall des § 31 Abs.3 HSOG also nie beabsichtigten Straftaten zu begehen. So fordern Freizügigkeit und der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, dass bei der Bestimmung eines Täterkreises i. S. d. § 31 Abs. 3 HSOG der Kreis der objektiv zu Unrecht in Anspruch Genommenen (Anscheinsstörer) gemessen an den abzuwehrenden Straftaten so klein wie möglich gehalten wird. Je geringer die Wertigkeit der geschützten Rechtsgüter, die Schwere der den Rechtsgütern drohenden Gefahren und die Wahrscheinlichkeit ihrer Schädigung sind, desto enger muss der Kreis der in Anspruch genommenen Adressaten gezogen werden. Er darf umgekehrt umso größer sein, je höher die Wertigkeit der geschützten Rechtsgüter, die Schwere der den Rechtsgütern drohenden Gefahren und die Wahrscheinlichkeit ihrer Schädigung sind.
Daraus ergibt sich für das hier in Frage stehende Aufenthaltsverbot, dass die berücksichtgungsfähigen Tatsachen nicht die Prognose erlaubten, dass der Kläger mit hinreichender Wahrscheinlichkeit nach seiner Identitätsfeststellung und Entlassung aus der Umschließung am 1. Juni 2013 in der Zeit bis 7:00 Uhr des Folgetages Straftaten in der Frankfurter Innenstadt oder im Bereich des Polizeipräsidiums, der Universität oder des Verwaltungsgerichts begehen wird, weshalb das Urteil des Verwaltungsgerichtes Frankfurt jedenfalls im Ergebnis keinen ernstlichen Zweifeln begegnet.
Das Verhalten des umschlossenen Bereichs und des Klägers als sein Mitglied während des Aufzugs am 1. Juni 2013 rechtfertigt entsprechend der oben dargestellten Rechtsprechung zur Zurechnung von Gruppenverhalten zwar die Annahme, dass der Kläger als Teil der Gruppe während des Aufzugs an der Begehung von Straftaten mitgewirkt hat und er bei einer Fortsetzung des Aufzugs sich an Straftaten anderer beteiligt hätte, nicht aber, dass der Kläger sich an einer zu prognostizierenden Kleingruppenkriminalität, die aus den Reihen des umschlossenen Bereichs gespeist wird, nach seiner Entlassung aus der Umschließung und dem Ende des Aufzugs beteiligt.
…
Der zweite Teil des Beschluss vom Hessischer Verwaltungsgerichtshofs (Az.: 8 A 2016/14.Z) ist hier zu finden.