Sozialgericht Hildesheim – Urteil vom 03.03.2017 – Az.: S 26 AS 315/16

URTEIL

In dem Rechtsstreit
1. xxx,
2. xxx,
3. xxx,
– Kläger –

Prozessbevollmächtigter:
zu 1-3: Rechtsanwalt Sven Adam,
Lange Geismarstraße 55, 37073 Göttingen

gegen

Landkreis Göttingen xxx,
– Beklagter –

hat die 26. Kammer des Sozialgerichts Hildesheim auf die mündliche Verhandlung vom 3. März 2017 durch den Richter am Sozialgericht xxx sowie die ehrenamtlichen Richter xxx und xxx für Recht erkannt:

1. Der Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 25. August 2014, abgeändert mit Bescheid vom 11. Dezember 2014, in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Februar 2016 verurteilt, den Klägern für die Zeit vom 01. September 2014 bis zum 28. Februar 2015 weitere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II in Höhe von monatlich 66,10 Euro zu gewähren.

2. Der Beklagte hat den Klägern ihre außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

3. Die Berufung wird zugelassen.

TATBESTAND
Die Kläger erstreben im Rahmen der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) — Grundsicherung für Arbeitssuchende — die Gewährung höherer Bedarfe für Unterkunft für die Zeit vom 01. September 2014 bis zum 28. Februar 2015.

Die 1969 geborene, erwerbsfähige Klägerin zu 1., ihr Ehemann, der 1962 geborene, erwerbsfähige Kläger zu 2. und ihre 2002 geborene Tochter, die Klägerin zu 3., beziehen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Sie zogen zum 01. Dezember 2013 ohne Zusicherung in eine 120 m2 große Wohnung in der xxx in Hann. Münden zu einem monatlichen Kaltmietzins in Höhe von 450,– Euro zuzüglich Nebenkosten von 120,– Euro und Heizkosten von 120,63 Euro.

Die Klägerin zu 1. erzielte Erwerbseinkommen aus abhängiger Beschäftigung im Zeitraum September 2014 bis Januar 2015 in Höhe von monatlich 1.536,20 Euro brutto (1.120,88 Euro netto). Der Kläger zu 2. erzielte im selben Zeitraum monatlich 200,– Euro. Die Klägerin zu 3. bezog Kindergeld in Höhe von 184,– Euro monatlich. Die Kläger verfügten im streitigen Zeitraum nicht über verwertbares Vermögen.

Der Beklagte informierte die Kläger mit Schreiben vom 09. Januar 2014, dass für einen Dreipersonenhaushalt die Angemessenheitsgrenze von 430,– Euro gelte. Er forderte sie zur Kostensenkung bis zum 31. Juli 2014 auf. Mit Schreiben vom 05. August 2014 teilte er mit, dass ab dem 01. September 2014 nur noch die angemessenen Kosten für einen Dreipersonenhaushalt zu übernehmen seien.

Mit Bescheid vom 25. August 2014 gewährte der Beklagte den Klägern vorläufig Leistungen für die Zeit vom 01. September 2014 bis zum 28. Februar 2015 in Höhe von 482,12 Euro monatlich für die Monate September bis Dezember 2014 und monatlich 361,49 Euro für die übrige Zeit. Dabei berücksichtigte er Bedarfe für Unterkunft in Höhe von monatlich 430,– Euro.

Dagegen legten die Kläger am 25. September 2014 Widerspruch ein, den sie damit begründeten, dass zu geringe Unterkunftskosten berücksichtigt worden seien.

Der Beklagte änderte die Bewilligung mit Bescheid vom 11. Dezember 2014 für Januar und Februar auf vorläufig 386,88 Euro ab bei gleichbleibenden Bedarfen für Unterkunft.

Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 15. Februar 2016 zurück und führte zur Begründung an, dass ein schlüssiges Konzept der Firma Analyse & Konzepte (A&K) vorliege, das die Anwendbarkeit der Wohngeldtabelle ausschließe.

Dagegen haben die Kläger am 01. März 2016 Klage erhoben.

Sie tragen vor:
Der Beklagte habe mit dem A&K-Gutachten die Aggregation von Gemeinden beendet, sobald die Mindestzahl von 20.000 Einwohnern erreicht worden sei. Ein solch starrer Wert der Repräsentativität sei den Daten nicht zuträglich, da es auf die jeweilige Strukturierung der Region ankomme. Es werde zu Unrecht von der Zumutbarkeit von Pendlerzeiten ausgegangen, was mit der Angemessenheitsgrenze für Unterkunftskosten und auf der Stufe des räumlichen Vergleichsmaßstabes nicht vereinbar sei. Es leuchte nicht ein, weshalb Hann. Münden mit einer Einwohnerzahl von 24.390 nicht für sich genommen einen Vergleichsraum bilde. Die Hinzuziehung der Gemeinde Staufenberg, lediglich weil diese sonst kein ausreichendes Wohnungsangebot zur Verfügung habe, sei nicht zulässig. Es liege kein homogener Lebens- und Wohnbereich vor. Die Bevölkerungsdichte betrage in Hann. Münden 201 Einwohner/km2 und in Staufenberg 104 Einwohner/km2. Der Beklagte sei auf Ausstattungsmerkmale mit Ausnahme der Kriterien Bad und Sammelheizung nicht eingegangen. Es stelle eine Vermutung dar, wenn behauptet würde, dass die Wohnungen mit den niedrigsten Mieten diejenigen einfachen Standards seien. Aus diesem Grund sei bereits das F+B-Gutachten vor dem Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen gescheitert. So könne es vorkommen, dass eine Wohnung mit gehobener Ausstattung in schlechter Lage günstiger sei als eine Wohnung geringen Standards in guter Lage. Ferner seien zu Unrecht die Neuvertragsmieten nicht in die Untersuchung eingeflossen. Die Aussage, dass nur 60 Prozent der Sozialwohnungen auf dem Markt angeboten würden, beziehe sich auf die Stadt Offenbach. Der Beklagte hätte auch die direkt vermarkteten Wohnungen ermitteln müssen. Der Eigentumsanteil der Wohnungen hätte jeweils ermittelt werden müssen. Zu Unrecht seien möblierte Wohnungen nicht berücksichtigt worden. Als Konsequenz sei die Wohngeldtabelle zuzüglich eines Aufschlages von 10 Prozent zugrunde zu legen.

Die Kläger beantragen,
den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 25. August 2014, abgeändert mit Bescheid vom 11. Dezember 2014, in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Februar 2016 zu verurteilen, den Klägern für die Zeit vom 01. September 2014 bis zum 28. Februar 2015 im Rahmen der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts Bedarfe für Unterkunft unter Anwendung der Wohngeldtabelle zuzüglich eines Aufschlages von 10 Prozent zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und die zum Klageverfahren S 26 AS 101/16 beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

Der Beklagte beantragt,
ein Sachverständigengutachten über die Beweisfrage einzuholen, ob es sich bei der Stadt Hann. Münden und der Gemeinde Staufenberg um ausreichend große Räume der Wohnbebauung handelt, die aufgrund ihrer räumlichen Nähe zueinander, ihrer Infrastruktur und ihrer verkehrstechnischen Verbundenheit einen insgesamt betrachtet homogenen Lebens- und Wohnbereich bilden.

Er beantragt ferner,
ein Sachverständigengutachten über die Beweisfrage einzuholen, ob das A&K-Gutachten mit dem gesamten Wohnungsmarkt des Landkreises Göttingen einen eindeutig definierten Beobachtungsgegenstand hat.

Er beantragt darüber hinaus,
ein Sachverständigengutachten über die Beweisfrage einzuholen, ob Wohnungswertmerkmale über den Ausschluss des untersten Standards hinaus keinen Einfluss auf das Konzept des Beklagten zur Bestimmung der Angemessenheitsgrenze für die Unterkunftskosten im Wege eines iterativen Prozesses haben.

Er beantragt,
ein Sachverständigengutachten über die Beweisfrage einzuholen, ob bei einem Auseinanderreißen des Vergleichsraums Hann. Münden und Staufenberg für die Gemeinde Staufenberg andere gleichwertige Möglichkeiten zur Vergleichsraumbildung bestehen, die die Gemeinde Staufenberg in ausreichend große Wohnbebauung integrieren, die aufgrund ihrer räumlichen Nähe zueinander, ihrer Infrastruktur und ihrer verkehrstechnischen Verbundenheit einen insgesamt betrachtet homogenen Lebens- und Wohnbereich bilden.

Er trägt unter Bezugnahme auf die erlassenen Bescheide vor:
Das A&K-Gutachten stelle ein schlüssiges Konzept im Sinne der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes (BSG) dar. Ausgangspunkt der Bildung des örtlichen Vergleichsraums sei das regionale Raumordnungsprogramm. Die Stadt Hann. Münden stelle ein Mittelzentrum dar, wobei zwischen dieser und Staufenberg eine enge Verflechtung bestehe. Das Grundzentrum Staufenberg sei mit rund 2.200 Einwohnern bevölkerungsschwach, wobei auch enge Beziehungen nach Kassel bestünden. Staufenberg stelle wegen der ländlichen Struktur mit einem geringen Wohnungsmarkt keinen eigenen Vergleichsraum dar. Der Beklagte habe zu Recht Substandardwohnungen und möblierte Wohnungen ausgeschlossen. Letzteres erkläre sich daraus, dass eine Unterscheidung zwischen Kaltmiete und Bezahlung der Möblierung nicht möglich sei. Der Beklagte habe sich methodisch für ein Konzept entschieden, das die Nachfrage zum maßgeblichen Kriterium für die Bestimmung der Angemessenheitsgrenze mache. Diese Grundkonzeption dürfe aufgrund der Methodenfreiheit nicht vom Gericht verworfen werden. Die mietpreisbildenden Faktoren wie Ausstattung Lage und Bausubstanz könnten über den Preis abgebildet werden.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung, den Inhalt der Gerichtsakte und die zum Klageverfahren S 26 AS 101/16 beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE
Die Klage, die auf die Gewährung der Bedarfe für Unterkunft nach dem Wert der Wohngeldtabelle zuzüglich eines Sicherheitsaufschlages von 10 Prozent gerichtet war, hat Erfolg.

Der Bescheid des Beklagten vom 25. August 2014, abgeändert mit Bescheid vom 11. Dezember 2014, in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Februar 2016 erweist sich im tenorierten Umfang als rechtswidrig und verletzt die Kläger insoweit in eigenen Rechten. Der Bescheid vom 11. Dezember 2014 ist gemäß § 86 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Gegenstand des Widerspruchsverfahrens geworden.

Streitgegenständlich ist der Zeitraum vom 01. September 2014 bis zum 28. Februar 2015, welcher in den angegriffenen Bescheiden geregelt wurde. Die Entscheidungen der Behörde über Folgezeiträume sind nicht im Rahmen von § 96 Sozialgerichtsgesetz SGG berücksichtigungsfähig (vgl. Urteile des Bundessozialgerichtes (BSG) vom 07. November 2006 – B 7b AS 14/06 R – und 25. Juni 2008 – B 11b AS 35/06 R -).

Die Kläger sind im streitigen Zeitraum gemäß § 19 Absatz 1 SGB II leistungsberechtigt, weil ihr Einkommen nicht ausreichte, den laufenden Hilfebedarf zu decken.

Gemäß § 22 Absatz 1 Satz 1 SGB II werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Soweit die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung den der Besonderheit des Einzelfalls angemessenen Umfang übersteigen, sind sie als Bedarf so lange anzuerkennen, wie es der oder dem Leistungsberechtigten oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate (Satz 3). Eine Absenkung der nach Satz 1 unangemessenen Aufwendungen muss nicht gefordert werden, wenn diese unter Berücksichtigung der bei einem Wohnungswechsel zu erbringenden Leistungen unwirtschaftlich wäre (Satz 4).

Gemäß § 22 Absatz 4 SGB II in Verbindung mit § 22 Absatz 1 Satz 1 führt der Umzug ohne vorherige Zusicherung zu einem Ausschluss des befristeten Bestandsschutzes nach § 22 Absatz 1 Satz 3 SGB II (vgl. Berlit, LPK/SGB II, 5. Auflage 2013, § 22, Rd. 125).

Der Streitgegenstand ist wirksam auf die Bedarfe für Unterkunft begrenzt worden. Dabei handelt es sich um eine abtrennbare, isoliert anfechtbare Verfügung (vgl. Urteile des BSG vom 06. August 2014 — B 4 AS 55/13 R -, 29. März 2007 – B 7b AS 2/06 R, 07. November 2006 – B 7b AS 8/06 R – und 27. Februar 2008 – B 14 AS 23/07 R -). Die Prüfung der Angemessenheit hat aber für Unterkunfts- und Heizkosten jeweils getrennt zu erfolgen, so dass eine Gesamtangemessenheitsgrenze im Sinne einer erweiterten Produkttheorie abzulehnen ist (vgl. Urteile des BSG vom 02. Juli 2009 – B 14 AS 36/08 R – und 17. Dezember 2009 – B 4 AS 50/09 R -). Höhere Bedarfe für Heizung werden mit der Klage nicht verfolgt, zumal der Beklagte die tatsächlichen Heizkosten in Höhe von monatlich 120,63 Euro übernommen hat.

Der Beklagte verfügt für den Vergleichsraum Hann. Münden/Staufenberg zur Überzeugung der Kammer nicht über ein schlüssiges Konzept zur Ermittlung der angemessenen Bedarfe für Unterkunft. Das von diesem eingeholte A&K-Gutachten entspricht nicht den Anforderungen der Rechtsprechung des BSG.

Die Angemessenheit der Unterkunftskosten (Kaltmiete und kalte Nebenkosten) ist nach der Rechtsprechung des BSG (vgl. Urteil vom 07. November 2006 – B 7b AS 18/06 R -) in mehreren Schritten zu prüfen: Zunächst bedarf es der Feststellung, welche Größe die vom Hilfebedürftigen beziehungsweise von der Bedarfsgemeinschaft gemietete Wohnung aufweist; das heißt, zu ermitteln ist die Quadratmeterzahl der im Streitfall konkret betroffenen Wohnung. Bei der Wohnungsgröße ist jeweils auf die landesrechtlichen Richtlinien über die soziale Wohnraumförderung abzustellen. Nach Feststellung der Wohnraumgröße ist als weiterer Faktor der Wohnungsstandard zu berücksichtigen. Angemessen sind nämlich die Aufwendungen für eine Wohnung nur dann, wenn diese nach Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen genügt und keinen gehobenen Wohnstandard aufweist. Die Wohnung muss von daher hinsichtlich der aufgeführten Kriterien, die als Mietpreis bildenden Faktoren regelmäßig im Quadratmeterpreis ihren Niederschlag finden, im unteren Segment der nach der Größe der in Betracht kommenden Wohnungen in dem räumlichen Bezirk liegen, der den Vergleichsmaßstab bildet. Als räumlicher Vergleichsmaßstab ist in erster Linie der Wohnort des Hilfebedürftigen maßgebend, weil ein Umzug in einen anderen Wohnort, der mit einer Aufgabe des sozialen Umfeldes verbunden wäre, im Regelfall von ihm nicht verlangt werden kann (vgl. Urteil des BSG vom 07.11.2006 – B 7b AS 10/06 R -). Die Prüfung der Angemessenheit ist aber nicht nur auf der Grundlage von marktüblichen Wohnungsmieten abstrakt vorzunehmen. Vielmehr muss die Behörde nach der Rechtsprechung des BSG in einem letzten Schritt eine konkrete Angemessenheitsprüfung vornehmen, nämlich ob dem Hilfebedürftigen eine andere bedarfsgerechte und kostengünstigere Wohnung tatsächlich und konkret verfügbar und zugänglich ist. Besteht eine solche konkrete Unterkunftsalternative nicht, sind die Aufwendungen für die tatsächlich gemietete Unterkunft als konkret angemessen anzusehen (vgl. Urteil des BSG vom 07.11.2006 – B 7b AS 18/06 R – Rd. 22).

Der Grundsicherungsträger hat nach der Rechtsprechung des BSG ein schlüssiges Konzept zu erstellen, welches nach dem Urteil des genannten Gerichtes vom 22. September 2009 – B 4 AS 18/09 R – folgende Kriterien aufzuweisen hat:

# die Datenerhebung darf ausschließlich in dem genau eingegrenzten und muss über den gesamten Vergleichsraum erfolgen (keine Ghettobildung),
# es bedarf einer nachvollziehbaren Definition des Gegenstandes der Beobachtung, zB welche Art von Wohnungen – Differenzierung nach Standard der Wohnungen, Brutto- und Nettomiete <Vergleichbarkeit>, Differenzierung nach Wohnungsgröße,
# Angaben über den Beobachtungszeitraum,
# Festlegung der Art und Weise der Datenerhebung (Erkenntnisquellen, zB Mietspiegel),
# Repräsentativität des Umfangs der eingezogenen Daten,
# Validität der Datenerhebung,
# Einhaltung anerkannter mathematisch-statistischer Grundsätze der Datenauswertung
und
# Angaben über die gezogenen Schlüsse (zB Spannoberwert oder Kappungsgrenze).

Die Kammer ist der Überzeugung, dass der Beklagte über kein schlüssiges Konzept zur Ermittlung der Bedarfe für Unterkunft verfügt. Damit ist auf die Werte der Wohngeldtabelle in der seit dem 01. Januar 2009 geltenden Fassung (§ 12 Wohngeldgesetz (WoGG)) zuzüglich eines Sicherheitszuschlages von 10 Prozent abzustellen.

Bei Bestimmung der angemessenen Bedarfe der Unterkunft ist auf die angemessene Wohnungsgröße abzustellen (vgl. Urteil des BSG vom 07. November 2006 – B 7b AS 18/06 R -). In Niedersachsen sind die Richtlinien über die soziale Wohnraumförderung (Wohnraumförderungsbestimmungen – WFB 2003 -) in dem Runderlass vom 27. Juni 2003 geregelt (Nds. Ministerialblatt 2003, Heft 27, S. 580). Gemäß Ziffer B Nr. 11.2 der Wohnraumförderungsbestimmungen – WFB 2003 – gilt bei Mietwohnungen für einen Dreipersonenhaushalt eine Wohnfläche bis 75 m 2 als angemessen. Die von den Klägern bewohnte Wohnung ist mit einer Wohnfläche von 120 m2 unangemessen groß.

(I)
Zunächst ist im Rahmen des schlüssigen Konzeptes der örtliche Vergleichsraum zu bilden. Es ist notwendig, ausreichend große Räume der Wohnbebauung zu beschreiben, die aufgrund ihrer räumlichen Nähe zueinander, ihrer Infrastruktur und insbesondere ihrer verkehrstechnischen Verbundenheit einen insgesamt homogenen Lebens- und Wohnbereich bilden, wobei es im ländlichen Raum geboten sein kann, größere Gebiete als Vergleichsmaßstab zusammenzufassen (vgl. Urteil des BSG vom 12. Dezember 2013 — B 4 AS 87/12 R -).

Der Beklagte hat zur Überzeugung der Kammer zu Unrecht einen gemeinsamen Vergleichsraum der Stadt Hann. Münden und der Gemeinde Staufenberg gebildet, so dass das A&K-Gutachten bereits aus diesem Grunde nicht schlüssig ist.

Die Kammer stützt sich bei dieser Einschätzung auf die Tatsache, dass Hann. Münden urban geprägt ist, wohingegen Staufenberg eine ländliche Prägung hat. Die unterschiedlichen örtlichen Verhältnisse werden nicht bei Bildung dieses Vergleichsraums hinreichend berücksichtigt. Demnach liegt kein homogener Lebens- und Wohnbereich vor. Denn allein geringe bzw. zumutbare Pendelzeiten zwischen verschiedenen Vergleichsräumen führen nicht dazu, dass ein insgesamt homogener Lebensbereich entsteht. Die Mietmärkte einer Stadt von 24.390 Einwohnern sind trotz verkehrstechnischer Verbundenheit und dem Vorhandensein von pendelnden Arbeitnehmern nicht vergleichbar mit einer Gemeinde von 8.080 Einwohnern und können im vorliegenden Einzelfall zur Überzeugung des Gerichts keinen einheitlichen Vergleichsraum bilden. Bestätigt wird dieser Befund mit der Einstufung in der Wohngeldtabelle. So erhält Hann. Münden die Mietenstufe II und Staufenberg lediglich die Mietenstufe I. Das bestehende Mietpreisgefälle spiegelt sich nicht entsprechend im A&K-Gutachten wider. Die Tatsache, dass Staufenberg aufgrund der Größe keinen eigenen Vergleichsraum bilden kann, hat keine Auswirkungen auf den vorliegenden Einzelfall, weil die Kläger in Hann. Münden wohnen. Darüber hinaus entbindet diese Tatsache nicht von der Überprüfung homogener Lebens- und Wohnverhältnisse.

(II)
Die Ermittlung des nach Auffassung des Beklagten angemessenen Quadratmeterzinses für den angemessenen Wohnungsstandard für die Wohnungsgrößenklasse bis zu 75 m2 gründet zur Überzeugung der Kammer ebenfalls nicht auf einem schlüssigen Konzept im Sinne der dargelegten Rechtsprechung des BSG. Letzteres definiert ein schlüssiges Konzept als ein planmäßiges Vorgehen des Grundsicherungsträgers im Sinne einer systematischen Ermittlung und Bewertung genereller, wenngleich Orts- und zeitbedingter Tatsachen für sämtliche Anwendungsfälle im maßgeblichen Vergleichsraum und nicht nur ein punktuelles Vorgehen von Fall zu Fall (vgl. Urteil vom 22. September 2009 — B 4 AS 18/09 R -).

Das Konzept des Beklagten erfüllt in wesentlichen Punkten nicht die Mindestanforderungen an ein schlüssiges Konzept. Der aufgrund der Untersuchung der Angebote und Bestandsmieten vorgenommenen Mietdatenerhebung liegt keine nachvollziehbare Definition des Gegenstandes der Beobachtung zugrunde, die Repräsentativität des Umfangs und der Kappungsgrenze sind nicht nachzuvollziehen, so dass nicht abschließend beurteilt werden kann, dass tatsächlich die zutreffenden Kosten für Wohnraum einfachen Standards abgebildet werden.

Einen evidenten Mangel der Erhebung stellt dar, dass eine Bewertung des Standards der jeweiligen Wohnungen (sowohl im Bestand als auch im Angebot) mit gehoben, mittel und einfach nicht vorgenommen worden ist bzw. hierzu keine Daten gesammelt und zugeordnet worden sind. Es ist zur Überzeugung der Kammer nicht ausreichend, den einfachen Standard indirekt allein über den m2-Preis zu ermitteln (vgl. Urteile des LSG Niedersachsen-Bremen vom 03. April 2014 — L 7 AS 786/11 — und vom 29. April 2014 — L 7 AS 768/11 -). Nach dem Urteil des BSG vom 20. August 2009 — B 14 AS 41/18 R – (Rd. 17) müssen alle Faktoren, die den Mietpreis bestimmen, in die Auswertung eingeflossen sein, wozu in der Regel zumindest der Standard, die Größe und die Ausstattung der Wohnung zählen.

Denn Wohnungen in sogenannten begehrten Wohngegenden (z.B. Hann. Münden Stadtmitte) können trotz eines geringen Standards deutlich teurer sein als gut ausgestattete Wohnungen in weniger nachgefragten Gebieten (z.B. ländlicher Gemeindeteil von Staufenberg). Nur wenn sichergestellt ist, dass die erhobenen Daten den Wohnungsmarkt dergestalt abbilden, dass repräsentativ Wohnungen aller Standards vorhanden sind, kann von der Erfassung des gesamten Wohnungsmarkts gesprochen werden. Bis zu welcher Obergrenze Unterkünfte als angemessen im Sinne des § 22 Absatz 1 Satz 1 SGB II anzusehen sind, hängt nicht vom Mietpreis, sondern wesentlich von der Art der Ausstattung, dem Charakter und der Lage der Unterkunft ab.

Die fehlende Differenzierung bei den Wohnungsstandards führt zur Überzeugung der Kammer zu nicht korrigierbaren Folgeproblemen bei der Festlegung der Kappungsgrenze. Denn eine zutreffende Abbildung der Wohnungen einfachen Standards setzt voraus, dass der gesamte Wohnungsmarkt erfasst wurde. Weitere Prämisse ist eine gleichmäßige Durchmischung der Datensätze mit Wohnungen des einfachen, mittleren und gehobenen Standards. Dieser Punkt kann vorliegend nicht geklärt werden, weil der Beklagte den Standard und die Ausstattung der untersuchten Wohnungen nicht durchgehend und konsequent nicht überprüft hat. Ein wesentlicher preisbildender Standard ist somit im A&K-Gutachten zu Unrecht nicht untersucht worden.

Die Kammer weist in diesem Kontext darauf hin, dass das schlüssige Konzept nach der Rechtsprechung des BSG nicht durch eine Gegenprobe ersetzt werden kann. Allein der Umstand, dass es möglich war, Wohnraum zu den von dem Beklagten als angemessen erachteten Wert anzumieten, bedeutet nicht, dass der Wert zutreffend ermittelt worden ist (vgl. Urteil vom 17. Dezember 2009 — B 4 AS 50/09 R -).

Eine Beweiserhebung mit Einholung eines Sachverständigengutachtens, wie sie der Beklagte für den Fall der Nichterweislichkeit eines schlüssigen Konzeptes beantragt hat, war zur Überzeugung der Kammer nicht notwendig. In der Rechtsprechung ist umstritten, ob es sich bei der Prüfung der Schlüssigkeit eines Konzeptes zur Ermittlung der angemessenen Bedarfe für Unterkunft um eine Rechts- oder Tatsachenfrage handelt. Der 7. Senat des LSG Niedersachsen-Bremen hat dies in dem Urteil zum Berufungsverfahren bezüglich des F+B-Gutachtens verneint (aA Beschluss des LSG Niedersachsen-Bremen vom 20. Dezember 2016 – L 9 AS 967/15 – NZB). In diesem Kontext bezieht sich der 9. Senat auf einen Beschluss des 7. Senates zur Nichtzulassung einer Berufung aus dem Jahre 2012. Hingegen stammt das Urteil zum F+B-Gutachten von 2014, so dass nicht erkennbar ist, ob der 7. Senat die Einschätzung im genannten Beschluss teilt. Zur Überzeugung der Kammer handelt es sich bei dem vom Beklagten gestellten ersten Beweisantrag zum Vergleichsraum Hann. Münden/Staufenberg um eine Rechtsfrage. Denn ob die Gemeinden aufgrund ihrer räumlichen Nähe zueinander, ihrer Infrastruktur und ihrer verkehrstechnischen Verbundenheit einen insgesamt homogenen Lebens- und Wohnbereich bilden, erfordert die Subsumtion unter die vom BSG vorgegebenen Tatbestandsmerkmale. Die geografische und infrastrukturelle Tatsachengrundlage ist dem Gericht bekannt und wird ausdrücklich nicht in Frage gestellt. Die Kammer bewertet diese offenkundige Tatsachengrundlage im Rahmen der rechtlichen Prüfung lediglich ebenso wie das LSG anders als der Beklagte. Die zweite Beweisfrage, nach der zu prüfen sei, ob das A&K-Gutachten mit dem gesamten Wohnungsmarkt des Landkreises Göttingen einen eindeutig definierten Beobachtungsgegenstand habe, ist bereits ohne weitere Sachverhaltsermittlung zu bejahen. Von diesem Umstand ist die Kammer in der vorliegenden Entscheidung ausgegangen. Die dritte Beweisfrage ist durch die rechtliche Feststellung und Tatsache, dass der Beklagte Standard und Ausstattungsmerkmale der untersuchten 21.010 Wohnungen nicht festgestellt hat, bereits beantwortet. Von dieser unwidersprochenen Tatsachengrundlage geht das Gericht aus und knüpft daran eine an die Rechtsprechung des LSG angelehnte rechtliche Wertung. Denn es lässt sich nicht eine Durchmischung der Stichprobe mit Wohnungen aller Standards feststellen, so dass die eingezogene Kappungsgrenze unrichtig wäre, wenn weit überwiegend Wohnungen einfachen Standards enthalten wären, was nicht nachprüfbar ist. Weder ein Gutachter noch das Gericht wären gehalten, nachträglich die 21.010, im Jahre 2012 herangezogenen Wohnungen auf ihre Ausstattung hin zu untersuchen. Im Übrigen ist für die in Hann. Münden wohnenden Kläger nicht erheblich oder streitentscheidend, welchem Vergleichsraum die Gemeinde Staufenberg alternativ zuzuordnen wäre (4. Beweisfrage), so dass im vorliegenden Einzelfall bereits aus diesem Grund eine Beweiserhebung zu dieser Thematik ausscheidet. Selbst wenn man jedoch zu dem Ergebnis gelangte, dass es sich bei den Beweisthemen um Tatsachenfragen handelte, scheidet eine weitere Sachverhaltsaufklärung aufgrund der zitierten Urteile des 7. Senates zur Überzeugung der Kammer aus. Die zugrundeliegende Fragestellung lässt sich abschließend und zweifelsfrei unter Anwendung dieser Rechtsprechung beantworten.

Das Gericht trifft aufgrund des Zeitablaufs (der Endbericht stammt vom März 2013) und der Tatsache, dass der Standard der untersuchten Wohnungen nicht ermittelt wurde, keine weitergehende Ermittlungspflicht. Notwendig zur Bestimmung eines schlüssigen Konzepts wäre eine vollkommene Neuermittlung von Daten, die Ausstattung und Standard der zugrundeliegenden Wohnung betreffen. Diese kann jedoch – angesichts der Anzahl von insgesamt 21.010 untersuchten Unterkünften – nicht im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens nachgeholt werden.

Sofern — wie im vorliegenden Einzelfall – ein schlüssiges Konzept im Sinne der Rechtsprechung des BSG nicht besteht und im Nachhinein nicht festgestellt werden kann, ist es statthaft, auf die Wohngeldtabelle abzustellen und einen angemessenen Sicherheitsaufschlag vorzunehmen (vgl. Urteile des BSG vom 19. Oktober 2010 – B 14 AS 15/09 R – und 17. Dezember 2009 – B 4 AS 50/09 R-; Urteil des Hessischen LSG vom 20. Dezember 2010 – L 9 AS 239/08 -), wobei das BSG mit Urteilen vom 11. Dezember 2012 — B 4 AS 44/12 R — und 12. Dezember 2013 — B 4 AS 87/12 R – einen Aufschlag von 10 Prozent auf die jeweils geltende Fassung der Wohngeldtabelle als angemessen angesehen hat.

Für die Stadt Hann. Münden folgt für einen Dreipersonenhaushalt nach der Mietenstufe II der Wohngeldtabelle ein angemessener Wert für Bedarfe für Unterkunft in Höhe von 451,– Euro, der gemeinsam mit einem Sicherheitsaufschlag von 10 Prozent (45,10 Euro) einen Angemessenheitswert von 496,10 Euro ergibt. Dass die tatsächlichen Aufwendungen für die Wohnung mit 570,– Euro nicht kostenangemessen sind, liegt vor allem an der Größe der Wohnung, die für einen Achtpersonenhaushalt geeignet wäre.

Den Klägern sind aufgrund des Konzeptes des Beklagten Bedarfe für Unterkunft in Höhe von monatlich 435,– Euro zuerkannt worden, so dass ihnen noch der Differenzbetrag zur Wohngeldtabelle zuzüglich 10 Prozent in Höhe von monatlich 61,10 Euro für die streitige Zeit vom 01. September 2014 bis zum 28. Februar 2015 zu gewähren ist.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Absatz 1 SGG.

Gemäß § 144 Absatz 1 Satz 1 Nr. 1, Absatz 2 SGG bedarf die Berufung der Zulassung, weil die Beschwer des Beklagten mit 396,60 Euro unterhalb des Schwellenwertes von 750,– Euro liegt. Die Berufung wird zugelassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat.

Es folgt die Rechtsmittelbelehrung.