Im Fretterode-Prozess vor dem Landgericht Mühlhausen wurden am 7. Prozesstag (04.10.2021) vier Polizeibeamte vernommen, die nach dem Angriff vom 29.04.2018 mit Ermittlungen an den Häusern von Thorsten Heise in Fretterode beauftragt waren. Die Beweisaufnahme ergab, dass trotz unmittelbarer Sichtung des Täterfahrzeuges auf dem Gelände der Familie Heise diverse Personen unter den Augen der Beamten über Stunden etliche Gegenstände aus dem Fahrzeug entnehmen und hineinlegen konnten. Hierzu soll auch ein „Mieter“ der Familie Heise gehört haben, dessen konkrete Identität den Beamten nicht mehr erinnerlich sei. Weiter ergab die Beweisaufnahme, dass die eingesetzten Beamten auf Anweisung der PI Eichsfeld über zwei Stunden vor dem Anwesen warteten, bis mit einer „Durchsuchung“ des Wohnhauses der Familie Heise begonnen wurde. Im Zuge der anschließenden Begehung des Wohnhauses durch zwei Beamte wurde lediglich und erfolglos nach einem der bereits namentlich bekannten Tatverdächtigen gesucht, nicht aber nach den Tatwaffen oder dem Raubgut (Fotoausrüstung). Auch die Personalien von weiteren in dem Haus aufhältigen Personen wurden nicht aufgenommen. Die Beamten seien davon ausgegangen, dass nach ihrer Nachschau andere Polizeikräfte eine Durchsuchung nach der Strafprozessordnung durchführen würden. Eine solche Durchsuchung ist im Anschluss nie erfolgt. Auch auf die Frage, warum ausgerechnet die auch im Eigentum der Familie Heise stehende Immobilie direkt neben dem Wohnhaus der Familie nicht durchsucht wurde, in dem der namentlich bekannte Tatverdächtige wohnt, hatten die Beamten keine Antwort, obwohl ihnen die Adresse des Tatverdächtigen nach deren Bekunden zu diesem Zeitpunkt bekannt war.
„Die Qualität der Ermittlungsarbeit der Polizeibeamten vor Ort ist abgründig, grenzt an Arbeitsverweigerung und ist einzig mit schlechter Ausbildung nicht mehr zu erklären.“ ärgert sich RA Sven Adam über die Ermittlungsfehler der Eichsfelder Polizei. „Hätten die beiden Betroffenen die SD-Karte mit Fotos von einem der Täter nicht gesichert, könnten die Täter für diese brutale Tat nicht belangt werden.“ so Adam weiter.
Am gestrigen 8. Prozesstag erstattete zudem die Direktorin des Instituts für Rechtsmedizin am Universitätsklinikum Jena, Frau Prof. Dr. Mall, ihr Sachverständigengutachten zur Frage, ob die Gewalteinwirkungen gegenüber den Betroffenen auch tödlich hätten enden können.
Prof. Dr. Mall stützte zunächst die Schilderung eines der Betroffenen, von einem Messer angegriffen und verletzt worden zu sein. Die Verletzung sei nur über einen Angriff mit einem Messer plausibel. Ein solcher Angriff mit einem Messer könne im Rahmen der geschilderten Dynamik zudem beim Verletzen lebensnotwendiger Adern auch im Bein lebensbedrohlich sein. Der Messerstich habe aber konkret keine wichtigen Gefäße getroffen. Die Angeklagten haben in ihren Einlassungen die Verwendung eines Messers bestritten.
Der Schlag mit dem Schraubenschlüssel habe zudem einen Bruch des Stirnknochens verursacht, sei aber konkret ebenfalls nicht lebensbedrohlich gewesen. Wenige Zentimeter weiter am Schläfenknochen hätte der Schlag durch Einwirkungen auf den Schädelinnenbereich aber konkret lebensbedrohlich sein können.
“Das Sachverständigengutachten zeigt, mit welcher Brutalität der Angriff geführt wurde und dass nur mit Glück keiner der betroffenen Journalisten getötet wurde.” kommentiert RA Rasmus Kahlen das Ergebnis des Gutachtens.
Für Rückfragen stehen die Vertreter der Nebenklage, RA Sven Adam und RA Rasmus Kahlen, zur Verfügung.
An diesem Artikel wurde eine Passage gelöscht, weil der der Schilderung zu Grunde liegende Eindruck im Nachhinein vollständig ausgeräumt wurde.
Hintergrund:
Ein Fotograf und sein Begleiter aus Göttingen befanden sich aus Recherchegründen in Fretterode und wurden von Personen des rechten Spektrums entdeckt. Als sie sich mit ihrem Auto zurückziehen wollten kam es zu einer Verfolgungsjagd mit einem schwarzen BMW durch Fretterode und Germeshausen, die in Hohengandern endete. Nachdem das Fahrzeug in einem Graben zum Stehen kam griffen die beiden Personen des rechten Spektrums zunächst das Auto und anschließend die Insassen mit einem Baseballschläger, einem Messer, einem ca. 40-50 cm großen Schraubenschlüssel und Pfefferspray an. Der Fotograf erlitt u.a. eine Stichverletzung mit einem Messer im Oberschenkel, seinem Begleiter wurde u.a. mit dem schweren Schraubenschlüssel auf den Kopf geschlagen und er erlitt eine Fraktur des frontalen Schädelknochens und eine Kopfplatzwunde. Die Scheiben des Fahrzeuges wurden zerstört, die hinteren Reifen wurden zerstochen und dem Fotografen wurde seine Kamera sowie Kameratasche geraubt. Im Anschluss zogen sich die Täter in dem schwarzen BMW wieder zurück. Durch Anwohner konnte auf Bitten der erheblich blutenden Angegriffenen der Rettungsdienst und die Polizei verständigt werden.
Der Fotograf konnte noch aus dem eigenen Fahrzeug Fotos von einem der Täter anfertigen. Die SD-Karte mit diesen Fotos kam nicht in den Besitz der Rechten und ist den Ermittlungsbehörden zur Verfügung gestellt worden.