Oberlandesgericht Celle – Beschluss vom 24.01.2017 – Az.: 22 W 7/16

BESCHLUSS

In dem Freiheitsentziehungsverfahren
betreffend xxx,
wohnhaft xxx,
– Betroffener und Beschwerdeführer –
Verfahrensbevollmächtigter: Rechtsanwalt Adam aus Göttingen,

beteiligt: Land Niedersachsen,
vertreten durch die Polizeidirektion Hannover
– Antrags- und Beschwerdegegner –

hat der 22. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die Beschwerde und nach Antrag des Beschwerdeführers durch die Richter am Oberlandesgericht xxx, xxx und xxx am 24. Januar 2017 beschlossen:

Der Beschluss des Amtsgerichts Hannover vom 31. Mai 2016 sowie der Nichtabhilfebeschluss vom 11. Juli 2016 werden aufgehoben.

Das Verfahren wird zur erneuten Prüfung und Entscheidung auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens an das Amtsgericht Hannover zurückverwiesen.

Der Geschäftswert wird auf 5.000,- Euro festgesetzt (§ 36 Abs. 2 GNotKG).

GRÜNDE
I.
Das Amtsgericht Hannover hat mit Beschluss vom 31. Mai 2016 die Rechtmäßigkeit der in der Zeit vom 29. Februar 2016, sich an die ab 18:20 Uhr erfolgte strafprozessuale Ingewahrsamnahme anschließende bis zwei 20:40 Uhr andauernde gefahrenabwehrrechtlich erfolgte Ingewahrsamnahme des Betroffenen festgestellt. Gegen diese Entscheidung wendet der Betroffene sich mit seiner Beschwerde, die er unter anderem auf eine unterbliebene mündliche Anhörung stützt. Das Amtsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt. Im Beschwerdeverfahren hat der Betroffene beantragt, nach § 69 Abs. 1 Satz 3 FamFG das Verfahren an das Amtsgericht Hannover zurückzuverweisen. Die beteiligte Polizeidirektion hatte hierzu rechtliches Gehör; sie hat sich nicht geäußert.

II.
Auf den Antrag des Betroffenen war das Verfahren nach Maßgabe von § 69 Abs. 1 Satz 3 FamFG an das Amtsgericht zurückzuverweisen. Zwar hat nach § 69 Abs. 1 Satz 1 FamFG das Beschwerdegericht in der Sache grundsätzlich selbst zu entscheiden. Eine Zurückverweisung kommt nach § 69 Abs. 1 Satz 3 aber in Betracht, soweit das Verfahren an einem wesentlichen Mangel leidet und zur Entscheidung eine umfangreiche oder aufwändige Beweiserhebung notwendig wäre und ein Beteiligter die Zurückverweisung beantragt. Diese Voraussetzungen liegen vor.

1. Das Verfahren leidet an einem wesentlichen Mangel. Ein Mangel des Verfahrens ist als für eine Zurückweisung hinreichend wesentlich anzusehen, wenn er so erheblich ist, dass das Verfahren keine ordnungsgemäße Grundlage für die Entscheidung mehr darstellt (BGH MDR 2001, 1313, 1314), was neben dem Vorliegen von absoluten Rechtsbeschwerdegründen anzunehmen ist bei Verletzung des rechtlichen Gehörs sowie einer fehlerhaften Tatsachenfeststellung aufgrund einer in nicht hinreichenden oder nicht ordnungsgemäßen Sachverhaltsaufklärung (Schulte-Brunert/Weinreich, FamFG, 5. Aufl., § 69 Rn. 20) oder bei fehlender notwendiger Anhörung eines Beteiligten (Keidel, FamFG, 19. Aufl., § 69 Rn 15a).
Nach 34 Abs. 1 FamFG hat das Gericht einen Betroffenen grundsätzlich persönlich anzuhören. Dies hat das Amtsgericht nicht getan, sondern vielmehr im schriftlichen Verfahren nach Aktenlage entschieden. Gründe, nach denen eine persönliche Anhörung des Betroffenen entbehrlich war, sind nicht ersichtlich und vom Amtsgericht auch nicht dargelegt worden. Dies gilt umso mehr, als die Maßnahme vorliegend bereits beendet war und somit keine Eile zum Erlass der angefochtenen Entscheidung bestand.
Nach § 26 FamFG hat das Gericht überdies von Amts wegen die zur Feststellung der entscheidungserheblichen Tatsachen erforderlichen Ermittlungen durchzuführen. Zwar steht die Art der anzustellenden Ermittlungen grundsätzlich im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts. Eigene Ermittlungen in diesem Sinne liegen aber regelmäßig nicht vor, wenn das Gericht einseitig nur das Vorbringen eines der Beteiligten seiner Entscheidung zugrunde legt, was vor allem dann gilt, wenn unterschiedliche Sachverhaltsschilderungen seitens der Beteiligten Anlass zu näherer Ermittlung und Aufklärung bieten. Das Gericht hat vorliegend lediglich den Vortrag der beteiligten Polizeidirektion – und zwar zu weiten Teilen wortwörtlich – seiner Entscheidung zugrunde gelegt, ohne sich mit dem hiervon auch in tatsächlicher Hinsicht teilweise abweichenden Vorbringen des Betroffenen auseinanderzusetzen. Hierzu hätte jedenfalls im Rahmen der Nichtabhilfeentscheidung des Amtsgerichts Anlass und Gelegenheit bestanden. Auch hierbei wiederum nur die Stellungnahme der beteiligten Polizeidirektion wörtlich einzurücken, wird dem Gebot zu eigener Sachverhaltsaufklärung nicht gerecht. Hiernach konnte auch die Nichtabhilfeentscheidung keinen Bestand haben.

2. Bereits aus Vorliegendem ergibt sich, dass zur Entscheidung im Beschwerdeverfahren eine umfangreiche oder aufwändige Beweiserhebung notwendig wäre.

3. Der nach § 69 Abs. 1 Satz 3 FamFG erforderliche Antrag wurde seitens des Betroffenen gestellt.

III.
Diese Entscheidung ist nach § 19 Abs. 4 Satz 4 Nds. SOG unanfechtbar.